Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Herbert Stegmüller (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Renate P*****, Pensionistin, ***** vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Witwenpension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Dezember 2001, GZ 9 Rs 220/01s-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 13. Februar 2001, GZ 7 Cgs 197/00m-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Die zwischen der Klägerin und Johann P***** am 30. 5. 1968 geschlossene Ehe wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 20. 6. 1994 im Einvernehmen geschieden. Im Scheidungsvergleich verzichtete die Klägerin auf Unterhalt. Der Klägerin verblieb die frühere Ehewohnung, für die ein monatlicher Mietzins von rund S 6.500,-- (ca. EUR 470,--) zu bezahlen ist. Deshalb und in Anbetracht des Umstands, dass die gemeinsame Tochter bis zum Abschluss ihres Studiums bei der Klägerin wohnte, bezahlte Johann P***** der Klägerin freiwillig und ohne Vorliegen eines Unterhaltstitels regelmäßig monatlich S 5.000,-- bis S 6.000,--. Ab dem Ende der Studienausbildung der Tochter übergab Johann P***** der Klägerin freiwillig monatliche Beträge zwischen S 2.500,-- und S 3.500,-- in bar, dies vor allem, um ihr die Tragung der Wohnungskosten weiter zu ermöglichen. Diese Zahlungen erbrachte Johann P***** bis zu seinem Tod am 14. 1. 2000, somit weit mehr als ein Jahr lang.
Johann P***** bezog im Jahr 2000 eine Pension von monatlich S 14.307,- netto, 14x jährlich. Die Eigenpension der Klägerin betrug in diesem Jahr S 10.353,-- netto monatlich, 14x jährlich. Mit Bescheid vom 3. 4. 2000 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 2. 3. 2000 auf Gewährung einer Witwenpension mit der Begründung ab, dass anlässlich der Ehescheidung gegenseitig auf Unterhalt verzichtet worden sei; die freiwillige Unterhaltszahlung sei ohne Bedeutung, da die Klägerin zum Zeitpunkt des Todes des geschiedenen Ehegatten keinen materiellen Unterhaltsbedarf gehabt habe.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin eine Witwenpension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 4. 2000 zu gewähren. Wohl hätte sich bei Anwendung der für die Berechnung des Ehegattenunterhalts üblichen "40%-Formel" kein gerichtlich durchsetzbarer Unterhaltsanspruch der Klägerin ergeben. Dies sei aber nicht entscheidend. Maßgeblich sei vielmehr, ob die vom Verstorbenen erbrachten Leistungen einen Unterhaltsbedarf des geschiedenen Pensionswerbers abgedeckt hätten, was im vorliegenden Fall zutreffe. In Anbetracht der relativ hohen Wohnungskosten wäre der Klägerin ohne die Leistungen ihres geschiedenen Ehegatten von ihrem Einkommen nur ein relativ niedriger Restbetrag zur Deckung ihrer sonstigen Lebensbedürfnisse verblieben, sodass die von Johann P***** erbrachten Zahlungen tatsächlich die erhöhten Lebenshaltungskosten der Klägerin abgedeckt hätten, weshalb ihr nach § 258 Abs 4 ASVG ein Anspruch auf Witwenpension zustehe.Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin eine Witwenpension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 4. 2000 zu gewähren. Wohl hätte sich bei Anwendung der für die Berechnung des Ehegattenunterhalts üblichen "40%-Formel" kein gerichtlich durchsetzbarer Unterhaltsanspruch der Klägerin ergeben. Dies sei aber nicht entscheidend. Maßgeblich sei vielmehr, ob die vom Verstorbenen erbrachten Leistungen einen Unterhaltsbedarf des geschiedenen Pensionswerbers abgedeckt hätten, was im vorliegenden Fall zutreffe. In Anbetracht der relativ hohen Wohnungskosten wäre der Klägerin ohne die Leistungen ihres geschiedenen Ehegatten von ihrem Einkommen nur ein relativ niedriger Restbetrag zur Deckung ihrer sonstigen Lebensbedürfnisse verblieben, sodass die von Johann P***** erbrachten Zahlungen tatsächlich die erhöhten Lebenshaltungskosten der Klägerin abgedeckt hätten, weshalb ihr nach Paragraph 258, Absatz 4, ASVG ein Anspruch auf Witwenpension zustehe.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit der Maßgabe, dass der Anspruch der Klägerin auf Witwenpension ab dem 1. 4. 2000 als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannt wurde; der beklagten Partei wurde eine vorläufige Zahlung von S 2.500,-- monatlich aufgetragen. Nach ständiger Judikatur - auch zur Rechtslage seit dem Inkrafttreten des SRÄG 1993, BGBl 335 - sei § 258 Abs 4 lit d ASVG einschränkend dahin auszulegen, dass es nur auf den tatsächlichen Leistungsbetrag, nicht aber auf den rechtlichen Anspruch ankomme. Ausschlaggebend sei lediglich, ob der Versicherte zum Zeitpunkt seines Todes dem Überlebenden regelmäßige Zahlungen zur Deckung des Unterhaltsbedarfs geleistet habe. Da es die - bis zum Betrag von durchschnittlich S 2.500,-- pro Monat unstrittigen - regelmäßigen Zahlungen der Klägerin ermöglichten, die Wohnungskosten zu bestreiten, sei ihr Charakter als Unterhaltsleistung nicht zweifelhaft. Daraus ergebe sich die Berechtigung des Klagsanspruchs dem Grunde nach ab 1. 4. 2000, zumal die übrigen Anspruchsvoraussetzungen nicht strittig seien. Die Anspruchshöhe könne im Hinblick auf § 264 ASVG noch nicht abschließend beurteilt werden, weshalb der beklagten Partei eine vorläufige Zahlung aufzutragen sei.Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit der Maßgabe, dass der Anspruch der Klägerin auf Witwenpension ab dem 1. 4. 2000 als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannt wurde; der beklagten Partei wurde eine vorläufige Zahlung von S 2.500,-- monatlich aufgetragen. Nach ständiger Judikatur - auch zur Rechtslage seit dem Inkrafttreten des SRÄG 1993, Bundesgesetzblatt 335 - sei Paragraph 258, Absatz 4, Litera d, ASVG einschränkend dahin auszulegen, dass es nur auf den tatsächlichen Leistungsbetrag, nicht aber auf den rechtlichen Anspruch ankomme. Ausschlaggebend sei lediglich, ob der Versicherte zum Zeitpunkt seines Todes dem Überlebenden regelmäßige Zahlungen zur Deckung des Unterhaltsbedarfs geleistet habe. Da es die - bis zum Betrag von durchschnittlich S 2.500,-- pro Monat unstrittigen - regelmäßigen Zahlungen der Klägerin ermöglichten, die Wohnungskosten zu bestreiten, sei ihr Charakter als Unterhaltsleistung nicht zweifelhaft. Daraus ergebe sich die Berechtigung des Klagsanspruchs dem Grunde nach ab 1. 4. 2000, zumal die übrigen Anspruchsvoraussetzungen nicht strittig seien. Die Anspruchshöhe könne im Hinblick auf Paragraph 264, ASVG noch nicht abschließend beurteilt werden, weshalb der beklagten Partei eine vorläufige Zahlung aufzutragen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die unbeantwortete Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung.
Die Revisionswerberin vertritt zusammengefasst den Standpunkt, dass § 258 Abs 4 lit d ASVG durch das Abstellen auf den Unterhaltsbedarf nicht nur die tatsächliche Leistung des Versicherten im Auge habe, sondern auch das Erfordernis der Deckung eben eines Bedarfs nach Unterhalt. Könne der geschiedene Ehegatte mit der von der Rechtsprechung vorgesehenen Unterhaltsleistung das Auslagen finden, bestehe kein Unterhaltsbedarf, weil er sich aus Eigenem versorgen könne. Bei einer anderen Auslegung, die nur auf die tatsächlichen Zahlungen abstelle, könne es zu Manipulationen zu Lasten der Sozialversicherung kommen, weiters auch zu einer unterschiedlichen, dem Gleichheitsgrundsatz widersprechenden Behandlung der Fälle gemäß § 258 Abs 4 lit a - c ASVG einerseits und § 258 Abs 4 lit d ASVG andererseits.Die Revisionswerberin vertritt zusammengefasst den Standpunkt, dass Paragraph 258, Absatz 4, Litera d, ASVG durch das Abstellen auf den Unterhaltsbedarf nicht nur die tatsächliche Leistung des Versicherten im Auge habe, sondern auch das Erfordernis der Deckung eben eines Bedarfs nach Unterhalt. Könne der geschiedene Ehegatte mit der von der Rechtsprechung vorgesehenen Unterhaltsleistung das Auslagen finden, bestehe kein Unterhaltsbedarf, weil er sich aus Eigenem versorgen könne. Bei einer anderen Auslegung, die nur auf die tatsächlichen Zahlungen abstelle, könne es zu Manipulationen zu Lasten der Sozialversicherung kommen, weiters auch zu einer unterschiedlichen, dem Gleichheitsgrundsatz widersprechenden Behandlung der Fälle gemäß Paragraph 258, Absatz 4, Litera a, - c ASVG einerseits und Paragraph 258, Absatz 4, Litera d, ASVG andererseits.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof sieht sich auch nach neuerlicher Prüfung der vorgetragenen Argumente nicht veranlasst, die bisherige Rechtsprechung zu ändern, wonach § 258 Abs 4 lit d ASVG einschränkend dahin auszulegen ist, dass es nur auf den tatsächlichen Leistungsbetrag, nicht aber auf den (gar nicht weiter zu prüfenden) rechtlichen Anspruch ankommt.Der Oberste Gerichtshof sieht sich auch nach neuerlicher Prüfung der vorgetragenen Argumente nicht veranlasst, die bisherige Rechtsprechung zu ändern, wonach Paragraph 258, Absatz 4, Litera d, ASVG einschränkend dahin auszulegen ist, dass es nur auf den tatsächlichen Leistungsbetrag, nicht aber auf den (gar nicht weiter zu prüfenden) rechtlichen Anspruch ankommt.
In der vor dem Inkrafttreten des SRÄG 1993 (51. ASVG-Novelle, BGBl 193/335) geltenden Fassung lautete § 258 Abs 4 ASVG wie folgt:In der vor dem Inkrafttreten des SRÄG 1993 (51. ASVG-Novelle, BGBl 193/335) geltenden Fassung lautete Paragraph 258, Absatz 4, ASVG wie folgt:
"Die Pension nach Abs. 1 gebührt nach Maßgabe der Abs. 2 und 3 auch"Die Pension nach Absatz eins, gebührt nach Maßgabe der Absatz 2 und 3 auch
"(4) Die Pension nach Abs. 1 gebührt nach Maßgabe der Abs. 2 und 3 auch"(4) Die Pension nach Absatz eins, gebührt nach Maßgabe der Absatz 2 und 3 auch
Anmerkung
E65681 10ObS111.02zEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:010OBS00111.02Z.0430.000Dokumentnummer
JJT_20020430_OGH0002_010OBS00111_02Z0000_000