Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Patrick E*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Andreas S*****, vertreten durch den zum Abwesenheitskurator bestellten Dr. Andreas Mirecki, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Jänner 2002, GZ 45 R 621/01h-80, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 25. September 2001, GZ 10 P 59/98m-77, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 262/01z, § 12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 262/01z, § 12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in der Fassung BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht erhöhte den vom Vater für seinen Sohn Patrick zu leistenden monatlichen Unterhalt von S 2.100 ab 1. 8. 2001 auf S 3.000 (= 218,02 EUR). Der Vater, der im Zuge eines Haftausgangs geflüchtet und unbekannten Aufenthalts sei, könne S 15.000 (= 1.090,09 EUR) verdienen und sei unter Bedachtnahme darauf, dass er nur für den mj Patrick sorgepflichtig sei, zur Leistung des erhöhten Unterhaltsbeitrags in der Lage.
Das Rekursgericht bestätigte diese vom Vater angefochtene Entscheidung und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Die von der Mutter bezogene Familienbeihilfe stelle kein Einkommen des Kindes dar und habe bei der Bemessung des Unterhalts außer Betracht zu bleiben. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, im Wege der Unterhaltsrechtsprechung eine Umverteilung steuerlicher Lasten zum Nachteil der Unterhaltsberechtigten vorzunehmen.
Gegen diesen Beschluss erhob der Vater Revisionsrekurs mit dem Antrag, die monatliche Unterhaltsleistung mit S 2.400 (= 174,41 EUR) festzusetzen. Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00, sei § 12a FamLAG einschränkend auszulegen und dementsprechend die Unterhaltsverpflichtung des Vaters zu kürzen.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 20. 12. 2001, 6 Ob 262/01z, gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) beantragt, § 12a FamLAG 1967 idF BGBl 1977/646, als verfassungswidrig aufzuheben. Diesem Antrag sind weitere Anträge gefolgt, sodass schon derzeit zahlreiche Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind. Es ist anzunehmen, dass sich die Frage der Verfassungsgemäßheit des § 12a FamLAG noch in vielen Verfahren stellen wird, weil sich die in dieser Bestimmung verfügte Nichtberücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Bemessung des Geldunterhalts auswirkt. Nun hat der Verfassungsgerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG ausgesprochen, dass eine angefochtene und von ihm aufgehobene Gesetzesbestimmung nicht mehr anzuwenden sei (siehe ua VfGH 1. 10. 2001, G 224/01). Es wäre eine unsachliche Verschiedenbehandlung, würde der Verfassungsgerichtshof im Falle der Aufhebung des § 12a FamLAG nicht aussprechen, dass sich die Anlassfallwirkung auch auf die rechtlich gleich gelagerten, bei den anfechtungsberechtigten Zivilgerichten anhängigen Rechtsmittelverfahren erstrecke. Ist aber von einer solchen Erstreckung der Anlassfallwirkung - die der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. 3. 2002, G 7/02-6, sogar ausdrücklich "in Aussicht genommen" hat - auszugehen, dann sind die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell, weil nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs eine Berücksichtigung der Familienbeihilfe im Rahmen der Unterhaltsfestsetzung an § 12a FamLAG scheitern muss (6 Ob 262/01z) und eine Unterhaltsbemessung im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00, nur nach Aufhebung dieser Norm möglich erscheint.Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 20. 12. 2001, 6 Ob 262/01z, gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) beantragt, § 12a FamLAG 1967 in der Fassung BGBl 1977/646, als verfassungswidrig aufzuheben. Diesem Antrag sind weitere Anträge gefolgt, sodass schon derzeit zahlreiche Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind. Es ist anzunehmen, dass sich die Frage der Verfassungsgemäßheit des § 12a FamLAG noch in vielen Verfahren stellen wird, weil sich die in dieser Bestimmung verfügte Nichtberücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Bemessung des Geldunterhalts auswirkt. Nun hat der Verfassungsgerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG ausgesprochen, dass eine angefochtene und von ihm aufgehobene Gesetzesbestimmung nicht mehr anzuwenden sei (siehe ua VfGH 1. 10. 2001, G 224/01). Es wäre eine unsachliche Verschiedenbehandlung, würde der Verfassungsgerichtshof im Falle der Aufhebung des § 12a FamLAG nicht aussprechen, dass sich die Anlassfallwirkung auch auf die rechtlich gleich gelagerten, bei den anfechtungsberechtigten Zivilgerichten anhängigen Rechtsmittelverfahren erstrecke. Ist aber von einer solchen Erstreckung der Anlassfallwirkung - die der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. 3. 2002, G 7/02-6, sogar ausdrücklich "in Aussicht genommen" hat - auszugehen, dann sind die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell, weil nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs eine Berücksichtigung der Familienbeihilfe im Rahmen der Unterhaltsfestsetzung an § 12a FamLAG scheitern muss (6 Ob 262/01z) und eine Unterhaltsbemessung im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00, nur nach Aufhebung dieser Norm möglich erscheint.
Gemäß § 190 Abs 1 ZPO kann ein Rechtsstreit unterbrochen werden, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist, oder welches in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist. Eine derartige Unterbrechungsmöglichkeit ist weder bei einem vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen präjudiziellen Verfahren noch für das Außerstreitverfahren vorgesehen. Diese planwidrige Gesetzeslücke ist durch analoge Anwendung des § 190 ZPO zu schließen, weil diese Bestimmung die Verhinderung widersprechender Entscheidungen im Sinne der Einheit der Rechtsordnung bezweckt.
Das Verfahren über den Revisionsrekurs des Vaters ist daher bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Anfechtung des § 12a FamLAG zu unterbrechen. Die Fortsetzung des Verfahrens erfolgt von Amts wegen.
Textnummer
E65364European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:0010OB00097.02Z.0430.000Im RIS seit
30.05.2002Zuletzt aktualisiert am
11.02.2011