TE OGH 2002/4/30 1Ob63/02z

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Veröffentlicht am 30.04.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef M*****, vertreten durch Dr. Frank Kalmann und Dr. Karlheinz de Cillia, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Gottfried H*****, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Unterlassung und Feststellung (Streitwert EUR 7.267,28) infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 14. November 2001, GZ 3 R 324/01h-15, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts St. Veit/Glan vom 14. Mai 2001, GZ 1 C 1793/00m-11, und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben wurden und die Klage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, seine Entscheidung vom 14. November 2001 durch einen Bewertungsausspruch sowie einen Ausspruch über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof zu ergänzen.

Text

Begründung:

Die Beklagte hat neben materiellen Einwendungen gegen den noch nicht rechtskräftig erledigten Teil des Klagebegehrens auch die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs erhoben, weil die vorliegende Streitfrage seiner Ansicht nach von der Agrarbezirksbehörde Klagenfurt zu entscheiden sei.

Das Erstgericht sprach über die Frage der Rechtswegzulässigkeit nicht formell ab, bejahte sie aber in den Gründen seines insoweit klagestattgebenden Urteils: Ein Unterlassungsbegehren, mit dem geltend gemacht werde, dass der Beklagte eine Liegenschaft des Klägers in einer über das ihm eingeräumte (landwirtschaftliche) Bringungsrecht hinausgehenden Weise benutze, falle in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte.

Das Berufungsgericht gab der vom Beklagten erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit Folge, hob das angefochtene Urteil und das der Urteilsfällung vorangegangene Verfahren wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs als nichtig auf und wies die Klage zurück. Zur Frage der Zulässigkeit eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof vertrat es die Auffassung, dass ein Beschluss, mit dem das Berufungsgericht unter Nichtigerklärung des erstinstanzlichen Verfahrens und Urteils die Zurückweisung einer Klage ausspricht, stets, also unabhängig vom Wert des Entscheidungsgegenstands und ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage, gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO anfechtbar sei, weshalb ein Bewertungs- und Zulassungsausspruch unterbleiben könne.

Rechtliche Beurteilung

Es trifft zu, dass diese Auffassung in vergleichbaren Fällen auch vom Obersten Gerichtshof vertreten wurde (RZ 1992/1, ecolex 1992, 695 ua), doch wurde vor allem in der Lehre immer wieder auf einen Wertungswiderspruch zur Regelung über die beschränkte Anfechtbarkeit einer Entscheidung des Rekursgerichts (§ 528 Abs 2 ZPO hingewiesen (Kodek in Rechberger2, Rz 3 zu § 519 ZPO mwN): Hätte nämlich das Erstgericht über die vom Beklagten erhobene Prozesseinrede mit abgesondertem Beschluss entschieden (§ 261 Abs 4 ZPO), dann wäre dagegen Rekurs zu erheben gewesen; die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen eine abändernde Entscheidung des Rekursgerichts wäre dann den Beschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO unterlegen.

Die Auffassung, dass zur Vermeidung des aufgezeigten Wertungswiderspruchs auch eine Entscheidung des Berufungsgerichts, das ein bereits im Verfahren erster Instanz eingewendetes Prozesshinderniss wahrnimmt und die Zurückweisung der Klage ausspricht, den Anfechtungsbeschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO unterliegen soll, wurde von der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs aufgegriffen. So wurde etwa in 1 Ob 3/95 (= JBl 1996, 58) der in der Lehre aufgezeigte (unerwünschte) Wertungswiderspruch für jene Fälle zugestanden, in denen das Berufungsgericht erstmals in Abänderung des in die Entscheidung über die Hauptsache aufgenommenen, eine Prozesseinrede verwerfenden Ausspruchs der Einrede stattgibt und insoweit funktionell als Rekursgericht entscheidet. In einer weiteren Entscheidung (4 Ob 512/96 = AnwBl 1996, 703) wurde die Anwendbarkeit des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO nur für jene Fälle bejaht, in denen das Berufungsgericht erstmals die Unzulässigkeit aufgegriffen und - auf Nichtigkeitsrüge oder von Amts wegen - den Zurückweisungsgrund wahrgenommen hat; hatte sich aber bereits das Erstgericht mit einer entsprechenden Prozesseinrede auseinanderzusetzen, sei ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof nur unter den Voraussetzungen des § 528 Abs 2 ZPO zulässig.

Der erkennende Senat tritt dieser Auffassung bei, weil es in der Tat nicht sachgerecht wäre, die Möglichkeit der Bekämpfung der Entscheidung eines Gerichts zweiter Instanz mit dem selben Inhalt davon abhängig zu machen, ob über die Prozesseinrede vom Erstgericht abgesondert oder aber (erst) im Urteil entschieden wurde. Gleiches muss für den hier vorliegenden Fall gelten, in dem das Erstgericht zwar eine formelle (spruchmäßige) Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs unterlassen, aber in den Entscheidungsgründen unmissverständlich zu erkennen gegeben hat, dass es diese Einrede verwerfen will. Auch in diesem Fall wird das Gericht zweiter Instanz, das sich mit dieser Prozesseinrede befasst, funktionell als Rekursgericht tätig, sodass sich die Zulässigkeit eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof nach § 528 ZPO richtet.

Das Berufungsgericht wird daher seine Entscheidung durch einen Bewertungsausspruch - der Entscheidungsgegegenstand besteht nicht in einem Geldbetrag (§ 500 Abs 2 Z 1 ZPO), auch § 60 Abs 2 JN ist nicht anwendbar (EFSlg 72.807 ua) - sowie - bei einer Bewertung mit mehr als S 52.000,-- - durch einen Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses (§ 526 Abs 3, § 500 Abs 2 Z 3 ZPO) zu ergänzen haben. Bei einem Zulässigkeitsausspruch wird wohl die ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu beachten sein, dass mit einer Eigentumsfreiheitsklage stets ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird (RIS-Justiz RS0012079; vgl insbesondere 4 Ob 524/93 = RZ 1994/32).Das Berufungsgericht wird daher seine Entscheidung durch einen Bewertungsausspruch - der Entscheidungsgegegenstand besteht nicht in einem Geldbetrag (§ 500 Abs 2 Z 1 ZPO), auch § 60 Abs 2 JN ist nicht anwendbar (EFSlg 72.807 ua) - sowie - bei einer Bewertung mit mehr als S 52.000,-- - durch einen Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses (§ 526 Abs 3, § 500 Abs 2 Z 3 ZPO) zu ergänzen haben. Bei einem Zulässigkeitsausspruch wird wohl die ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu beachten sein, dass mit einer Eigentumsfreiheitsklage stets ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird (RIS-Justiz RS0012079; vergleiche insbesondere 4 Ob 524/93 = RZ 1994/32).

Textnummer

E65348

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0010OB00063.02Z.0430.000

Im RIS seit

30.05.2002

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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