Index
E3L E09301000;Norm
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art13;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde der W GmbH in St. V, vertreten durch Mag. Josef Koller-Mitterweissacher, Rechtsanwalt in 4320 Perg, Herrenstraße 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 29. April 2004, GZ. RV/2024-W/02, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1997, 1998 und 1999, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Umsatzsteuer für die Streitjahre festgesetzt. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die beschwerdeführende Gesellschaft-mbH (in der Folge: Beschwerdeführerin) betreibe ein Versicherungsmaklerbüro; ihre betriebliche Tätigkeit umfasse u. a. die Vermittlung von Versicherungs-, Bauspar- und Kreditverträgen aller Art, Beratung in Versicherungs-, Bauspar- und Kreditangelegenheiten, und Beratung sowie Übernahme von Schadensangelegenheiten.
Bei der Betriebsprüfung hinsichtlich der Streitjahre seien u. a. die Entgelte für die An- und Abmeldung von Kraftfahrzeugen, die Versicherungsnehmern gesondert in Rechnung gestellt worden seien, sowie Umsätze aus Schadensregulierungen und schließlich Beratungsleistungen, die nicht zu einem Versicherungsabschluss geführt hätten, der Umsatzbesteuerung unterzogen worden. Die Beschwerdeführerin habe zu Unrecht die Befreiungsbestimmung des § 6 Abs. 1 Z. 13 UStG 1994 in Anspruch genommen. Diese Umsätze seien aber mit 20 % zu versteuern.
In der Berufung gegen die - nach Wiederaufnahme der entsprechenden Verfahren erlassenen - Sachbescheide habe sich die Beschwerdeführerin gegen die Nichtanerkennung der Umsätze aus Kfz-An- und Abmeldungen als unecht befreite Umsätze gemäß § 6 Abs. 1 Z. 13 UStG 1994 ausgesprochen. Begründend sei ausgeführt worden, dass die Entgelte für die An- und Abmeldungen von Kraftfahrzeugen, die Versicherungsnehmern gesondert in Rechnung gestellt worden seien, als unselbständige Nebenleistung in die Hauptleistung eingegangen seien und sie daher das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung teilten.
In Beantwortung eines Vorhaltes der belangten Behörde habe die Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die Entgelte für die An- und Abmeldungen von Kraftfahrzeugen Leistungen für den Versicherungsnehmer betroffen hätten. Gegenstand dieser Leistung sei die Durchführung der An-, Ab- und Ummeldungen bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft und der Überbringung der Kfz-Kennzeichen gewesen.
Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin erbringe einem Versicherungsnehmer gegenüber neben einer Versicherungsleistung (Abschluss einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung) Leistungen, die in der Durchführung der An-, Ab- und Ummeldung von Kraftfahrzeugen und der Überbringung der Kfz-Kennzeichen bestehen, wobei in der Regel ein Auftreten vor der zuständigen Bezirkshauptmannschaft nur mittels Vollmacht des einzelnen Versicherungsnehmers möglich sei. Für die Anmeldungen seien S 150,-- und für Abmeldungen S 60,-- bzw. S 100,-- in Rechnung gestellt worden. Diese Art der Verrechnung spreche nicht für das Vorliegen einer Gesamtleistung. Umsatzsteuerlich sei der Umfang der einzelnen Leistungen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu bestimmen. Daraus ergebe sich, dass die Kunden zwei selbständige Dienstleistungen angestrebt hätten, nämlich eine steuerfreie Versicherungsdienstleistung und eine steuerpflichtige Leistung für die An- und Abmeldung des Kraftfahrzeuges. Bei der zuletzt genannten Leistung handle es sich um eine eigene, der Versicherungsleistung nachgelagerte Leistung. Bei der An- und Abmeldeleistung handle es sich um eine Leistung eigener Art, weil es sich um eine von der Versicherungsleistung zu trennende Leistung handle. Für die Trennbarkeit spreche, dass die An- und Abmeldeleistung auch durchgeführt werden könne, ohne dass daran die Versicherungsdienstleistung im engeren Sinne gekoppelt sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wird vorgetragen, es sei die Frage zu lösen, ob es sich um "Umsätze aus der Tätigkeit" im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 13 UStG 1994 handle, und andererseits sei das Verhältnis zwischen Hauptleistung und unselbständiger Nebenleistung zu klären. Nach § 6 Abs. 1 Z. 13 UStG 1994 komme es nur darauf an, dass ein Versicherungsvertreter als solcher tätig werde. Über die Beschaffenheit der Umsätze werde keine Aussage getroffen.
Es werde nicht in Abrede gestellt, dass die An-, Ab- und Ummeldung eines Kraftfahrzeuges für sich alleine als Dienstleistung entgeltlich ausgeführt werden könne. Es sei auf den Willen der Partei abzustellen, ob sie Leistung und Gegenleistung miteinander verknüpfte. Im vorliegenden Fall bedeute dies, dass ihre Kunden die genannten Meldungen nur dann von der Beschwerdeführerin ausführen ließen, wenn sie gleichzeitig Versicherungsleistungen erbracht habe. Dies habe die belangte Behörde nicht erkannt. Die Behörde habe ausgeführt, dass die Kunden zwei selbständige Dienstleistungen angestrebt hätten. Die Behörde habe jedoch in keiner Weise den Willen der Parteien dazu erforscht. Darin liege ein beachtlicher Verfahrensfehler.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 6 Abs. 1 Z. 13 UStG 1994 (in der für die Streitjahre geltenden Fassung) sind von den unter § 1 Abs. 1 Z. 1 und 2 fallenden Umsätzen steuerfrei die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassen- und Versicherungsvertreter. Nach den Materialien sollen mit der Befreiung nachteilige Folgen für die Vertreter vermieden werden, weil die von ihnen andernfalls in Rechnung gestellte Umsatzsteuer bei den Leistungsempfängern (Bausparkassen bzw. Versicherungen) nicht abzugsfähig wäre. Die Befreiung bewirkt im Ergebnis eine umsatzsteuerliche Gleichstellung der selbständigen mit der unselbständigen Vertretertätigkeit (vgl. Ruppe, UStG 19942, § 6 Tz. 327).
Diese Befreiung erstreckt sich auch auf Versicherungsmakler (vgl. Ruppe, a.a.O., § 6 Tz. 331 mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).
Der Auffassung der Beschwerde, es komme lediglich darauf an, dass ein Versicherungsvertreter als solcher tätig werde und Umsätze welcher Art auch immer (im Sinne des UStG) erziele, kann nicht gefolgt werden: Der in den oben wiedergegebenen Materialien genannte Grund für die Befreiung dieser Leistungen trifft auf die hier in Rede stehenden Leistungen der An-, Um- und Abmeldung von Kraftfahrzeugen nicht zu. Diese Leistungen werden nur gegenüber dem Versicherungsnehmer erbracht. Leistungsempfänger ist in diesem Fall nicht der Versicherer. Der Zweck der Norm verbietet eine Ausdehnung der Steuerfreiheit auf Umsätze welcher Art auch immer.
Gemeinschaftsrechtlich ergibt sich die Befreiung der Umsätze aus der Tätigkeit als Versicherungsvertreter aus Art. 13 Teil B lit. a der 6. Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (in der Folge: 6. Richtlinie), die folgenden Wortlaut hat:
"Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
a) Die Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden;"
Die 6. Richtlinie definiert weder den Begriff der "Versicherungsumsätze" noch den der "Versicherungsvertreter" in Art. 13 Teil B lit. a. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (vgl. etwa das Urteil vom 25. Februar 1999 in der Rechtssache C- 349/96, Rz. 15) sind die in Art. 13 der 6. Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen. In diesem Urteil hat der EuGH ausgesprochen, dass es nach allgemeinem Verständnis das Wesen eines Versicherungsumsatzes sei, dass der Versicherer sich verpflichte, dem Versicherten gegen vorherige Zahlung einer Prämie beim Eintritt des Versicherungsfalles die bei Vertragsschluss vereinbarte Leistung zu erbringen. Im Urteil vom 20. November 2003 in der Rechtsache C-8/01 (Rz 41) hat der EuGH festgehalten, dass der Versicherungsumsatz seinem Wesen nach eine Vertragsbeziehung zwischen dem Versicherer und dem Versicherten voraussetzt.
Auch diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall, wie bereits ausgeführt, nicht gegeben, weil die Beschwerdeführerin die An-, Ab- und Ummeldung von Kraftfahrzeugen nur über Auftrag des Versicherungsnehmers und nur für diesen erbringt. Dem Versicherer gegenüber wird damit keine Leistung erbracht. Es handelt sich damit auch nicht um "dazugehörige Dienstleistungen" im Sinne des Art. 13 Teil B lit. a der 6. Richtlinie. Nicht befreit sind nämlich Umsätze, die nicht berufstypisch sind, insbesondere Hilfsgeschäfte (vgl. Plückebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz, § 4 Rz. 21ff).
Die Beschwerde räumt ein, dass die An-, Ab- und Ummeldung von Kraftfahrzeugen für sich allein als Dienstleistung entgeltlich ausgeführt werden kann. Es komme aber auf den Willen der Parteien an, ob sie die Leistung und Gegenleistung untrennbar miteinander verknüpfen.
Auch diese Auffassung führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Steuerobjekt der Umsatzsteuer ist grundsätzlich die einzelne Leistung. Besteuert wird demnach nicht die Gesamtheit der vom Unternehmer an einen Abnehmer erbrachten Leistungen, auch wenn mehrere Leistungen auf einem einzigen Vertrag beruhen. Der Umfang der einzelnen Leistung ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu bestimmen (vgl. Ruppe, a.a.O., § 1 Tz. 30f). Die belangte Behörde hat die Auffassung der Beschwerdeführerin, bei den in Rede stehenden Meldeleistungen handle es sich um unselbständige Nebenleistungen für die Vermittlung des Versicherungsvertrages, zu Recht verneint. Eine unselbständige Nebenleistung ist nach der Rechtsprechung anzunehmen, wenn sie im Vergleich zur Hauptleistung untergeordnete Bedeutung besitzt (nebensächlich ist), mit der Hauptleistung im konkreten Fall eng zusammenhängt und in ihrem Gefolge üblicherweise vorkommt. Dies ist zu bejahen, wenn die Leistung die Hauptleistung ermöglicht, abrundet oder ergänzt (vgl. Ruppe, a.a.O., § 1 Tz. 31 mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung). An-, Ab- und Ummeldungen von Kraftfahrzeugen wurden im Beschwerdefall nach dem Abschluss eines Versicherungsvertrages durchgeführt. Wie auch die Beschwerde anerkennt, kann diese bei der Behörde vorzunehmende Meldung für sich alleine als Dienstleistung entgeltlich in Auftrag gegeben und ausgeführt werden. Ein enger Zusammenhang dieser Leistung mit der Hauptleistung, nämlich Abschluss des Haftpflichtversicherungsvertrages, liegt hier nicht vor. Ob der Versicherungsnehmer diese Leistungen selbst vornimmt oder sie von einem Dritten oder, wie im Beschwerdefall, vom Versicherungs(- vertreter)makler vornehmen lässt, hat auf den bereits stattgefundenen Abschluss des Haftpflichtversicherungsvertrages keinen Einfluss. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise handelt es sich daher um zwei einzelne, selbständige Leistungen.
Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. das oben zitierte Urteil vom 25. Februar 1999 in der Rechtssache C-349/96, Rz. 29- 32) ist jede Dienstleistung in der Regel als eigene selbständige Leistung zu betrachten. Es ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist. Eine einheitliche Leistung liegt insbesondere vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile aber Nebenleistungen darstellen, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Kunden keinen anderen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Nach den von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zitierten Urteil des EuGH in der Rechtssache 126/78 ist eine Nebenleistung anzunehmen, wenn die eine Leistung nach dem Willen der Parteien so eng mit der anderen verbunden ist, dass die eine nicht ohne die andere erbracht werden kann.
Auch aus dem Blickwinkel dieser Urteile können die in Rede stehenden An-, Ab- und Ummeldungen von Kraftfahrzeugen nicht als Nebenleistungen einer Hauptleistung, nämlich Abschluss eines Haftpflichtversicherungsvertrages, angesehen werden. Aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers ist die in Rede stehende Meldung in Bezug auf das Kfz mit dem Abschluss eines Haftpflichtvertrages nicht so eng verbunden, dass die eine Leistung nicht ohne die andere Leistung erbracht werden könnte. Dass es sich um zwei getrennte, voneinander unabhängige Leistungen handelt, die auch von verschiedenen Personen erbracht werden können, wird in der Beschwerde zugestanden.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 1 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden. Die Durchführung der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war auch nicht unter dem Aspekt des Art. 6 MRK erforderlich, weil Abgabenangelegenheiten nicht "civil rights" betreffen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 1. März 2007
Gerichtsentscheidung
EuGH 61996J0349 CPP VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2004150090.X00Im RIS seit
03.05.2007Zuletzt aktualisiert am
17.05.2013