TE OGH 2002/5/7 7Ob77/02b

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Veröffentlicht am 07.05.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 14. Juli 1982 geborenen Mario K*****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Andreas K*****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 5. Februar 2002, GZ 44 R 571/01y-55, womit über Rekurs des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichtes Liesing vom 8. Oktober 2001, GZ 7 P 143/00g-44, zum Teil bestätigt, zum Teil abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 243/01f, § 12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idF BGBl 1977/646, als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 243/01f, Paragraph 12 a, Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in der Fassung BGBl 1977/646, als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.

Text

Begründung:

Die Eltern des inzwischen (nach der Antragstellung auf gerichtliche Unterhaltsfestsetzung) volljährig gewordenen ehelichen Sohnes leben getrennt. Der Sohn, der im Mai 2001 maturierte und seit 21. 9. 2001 Betriebswirtschaft studiert, verblieb im Haushalt der Mutter. In einem zwischen den Eltern abgeschlossenen "Trennungsvertrag" vom 19. 5. 1998 verpflichtete sich der Vater, für den Sohn monatlich S 9.000,-- an Unterhalt zu leisten. Ab 1. 1. 2000 erhöhte er seine Unterhaltszahlungen auf monatlich S 10.000,--.

Über Antrag der (mit Beschluss des Erstgerichts vom 22. 12. 2000 zur besonderen Sachwalterin des Sohnes zur Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gegen den Vater bestellten) Mutter vom 29. 9. 2000 bzw 21. 6. 2001, setzte das Erstgericht (im zweiten Rechtsgang) die Unterhaltspflicht des Vaters für die Zeit vom 1. 1. 2001 bis 14. 7. 2001 mit S 11.275,-- (= EUR 819,39) und ab 15. 7. 2001 mit monatlich S 14.200,-- (= EUR 1.031,95) fest. Es ging dabei von einem jährlichen Nettoeinkommen des Vaters von S 965.400,-- aus. Um an den gehobenen Lebensverhältnissen des Vaters teilhaben zu können, stehe dem Sohn das 2 ½-fache des Regelbedarfs zu (der sich ab 15. 7. 2001 entsprechend erhöht habe).

Das Rekursgericht bestätigte die Unterhaltsfestsetzung der ersten Instanz; der Rekurs des Vaters sei nur insoweit berechtigt, als dessen im Jahr 2001 bereits erbrachten Unterhaltsleistungen auf die Unterhaltsverpflichtung anzurechnen seien. Die Ausführungen des Rekursgerichts lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Als Student sei dem Sohn weiter ein Unterhaltsanspruch zuzubilligen. Auch wenn man die (vom Erstgericht unerwähnte) den Vater gegenüber der Mutter als seiner Ehefrau treffende Sorgepflicht berücksichtige, errechne sich nach der Prozentkomponente noch immer ein höherer als der vom Erstgericht festgesetzte Unterhalt. Eine vom Vater reklamierte Unterhaltsüberzahlung in der Vergangenheit könne nicht mit laufendem Unterhalt aufgerechnet werden. Mangels pflegschaftsbehördlicher Genehmigung der von den Eltern hinsichtlich des Sohnes vereinbarten Unterhaltsregelung sei kein gerichtlicher Unterhaltstitel vorgelegen (an dem sich die Unterhaltsfestsetzung zu orientieren hätte). Schließlich komme eine Kürzung des Unterhalts auch auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/2000 (wonach die für ein unterhaltsberechtigtes Kind bezogenen Transferleistungen teilweise auf die Unterhaltsverpflichtung anzurechnen seien, damit im Ergebnis die Hälfte des geschuldeten Unterhalts von der Einkommenssteuer freigestellt werde) nicht in Betracht. Die Gerichte seien an dieses Erkenntnis nicht gebunden. Die Ansicht des Verfassungsgerichtshofs würde dazu führen, dass unterhaltsberechtigte Kinder dem Unterhaltspflichtigen das zu ersetzen hätten, was der Staat unrechtmäßig in Anspruch nehme.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil noch keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs darüber existiere, inwieweit die Ansicht des Verfassungsgerichtshofs in der zitierten Entscheidung für die ordentlichen Gerichte bindend bzw bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, den Unterhaltserhöhungsantrag des Unterhaltsberechtigten abzuweisen (gemeint: die Unterhaltsverpflichtung des Vaters gerichtlich lediglich mit S 10.000,-- festzusetzen); hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Revisionsrekurswerber wendet sich einerseits gegen die Ansicht des Rekursgerichts, dass bei der (Neu-)Festsetzung des Unterhalts mangels pflegschaftsbehördlicher Genehmigung der Unterhaltsvereinbarung der Eltern nicht auf diese vergleichsweise Regelung Bedacht zu nehmen sei. Andererseits hält der Vater (nachdem er umfangreich auch Gegenargumente vorbringt, letztlich doch) daran fest, dass ihm im Sinne des erwähnten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs zu seiner steuerlichen Entlastung die von der Mutter bzw dem Sohn bezogene Familienbeihilfe anzurechnen sein müsse, was zu einer Reduktion seiner Unterhaltsverpflichtung führe; er rege an, dass der Oberste Gerichtshof auch in seinem Fall beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) den Antrag stelle, § 12a FLAG 1967 als verfassungswidrig aufzuheben und mit der Fortführung des Revisionsrekursverfahrens gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innezuhalten.Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil noch keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs darüber existiere, inwieweit die Ansicht des Verfassungsgerichtshofs in der zitierten Entscheidung für die ordentlichen Gerichte bindend bzw bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, den Unterhaltserhöhungsantrag des Unterhaltsberechtigten abzuweisen (gemeint: die Unterhaltsverpflichtung des Vaters gerichtlich lediglich mit S 10.000,-- festzusetzen); hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Revisionsrekurswerber wendet sich einerseits gegen die Ansicht des Rekursgerichts, dass bei der (Neu-)Festsetzung des Unterhalts mangels pflegschaftsbehördlicher Genehmigung der Unterhaltsvereinbarung der Eltern nicht auf diese vergleichsweise Regelung Bedacht zu nehmen sei. Andererseits hält der Vater (nachdem er umfangreich auch Gegenargumente vorbringt, letztlich doch) daran fest, dass ihm im Sinne des erwähnten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs zu seiner steuerlichen Entlastung die von der Mutter bzw dem Sohn bezogene Familienbeihilfe anzurechnen sein müsse, was zu einer Reduktion seiner Unterhaltsverpflichtung führe; er rege an, dass der Oberste Gerichtshof auch in seinem Fall beim Verfassungsgerichtshof gemäß Artikel 89, Absatz 2, B-VG (Artikel 140, B-VG) den Antrag stelle, Paragraph 12 a, FLAG 1967 als verfassungswidrig aufzuheben und mit der Fortführung des Revisionsrekursverfahrens gemäß Paragraph 62, Absatz 3, VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innezuhalten.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, dass, da der gegenständliche Unterhaltsfestsetzungsantrag noch zur Zeit der Minderjährigkeit des inzwischen volljährig gewordenen Sohnes gestellt wurde, nach stRsp (RIS-Justiz RS0047381 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen) darüber sowie über die in diesem Zusammenhang erhobenen Rechtsmittel (weiterhin) im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist. Die Frage, ob einem getrennt lebenden, nicht die Familienbeihilfe beziehenden Geldunterhaltspflichtigen diese Transferleistung im Sinne des erwähnten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes zum Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung (teilweise) angerechnet werden muss, ist für das vorliegende Verfahren von wesentlicher Bedeutung, da eine Unterhaltsbemessung im Sinne dieses Erkenntnisses zu einer Reduzierung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters führen könnte (zumal die weiteren Rechtsansichten des Rekursgerichtes als im Einklang mit der stRsp stehend zu billigen sind).

Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 20. 12. 2001, 6 Ob 243/01f, aus Anlass des Revisionsrekurses eines anderen geldunterhaltspflichtigen Vaters an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, § 12a FLAG idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Diesem Antrag sind zahlreiche weitere Anträge des Obersten Gerichtshofs gefolgt, sodass derzeit bereits zahlreiche idente Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind (weitgehend zusammengefasst in RIS-Justiz RS0115895). Es ist anzunehmen, dass sich die Frage der Verfassungsgemäßheit des § 12a FLAG noch in vielen Verfahren stellen wird, weil sich die in dieser Bestimmung verfügte Nichtberücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Bemessung des Geldunterhalts in einer großen Zahl der Unterhaltsbemessungsverfahren auswirkt.Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 20. 12. 2001, 6 Ob 243/01f, aus Anlass des Revisionsrekurses eines anderen geldunterhaltspflichtigen Vaters an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, Paragraph 12 a, FLAG in der Fassung BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Diesem Antrag sind zahlreiche weitere Anträge des Obersten Gerichtshofs gefolgt, sodass derzeit bereits zahlreiche idente Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind (weitgehend zusammengefasst in RIS-Justiz RS0115895). Es ist anzunehmen, dass sich die Frage der Verfassungsgemäßheit des Paragraph 12 a, FLAG noch in vielen Verfahren stellen wird, weil sich die in dieser Bestimmung verfügte Nichtberücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Bemessung des Geldunterhalts in einer großen Zahl der Unterhaltsbemessungsverfahren auswirkt.

Der Verfassungsgerichtshof hat in ähnlich gelagerten Fällen gemäß § 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG ausgesprochen, dass die angefochtene und von ihm aufgehobene Gesetzesbestimmung nicht mehr anzuwenden sei (s VfGH 1. 10. 2001, G 224/01). Es wäre eine unsachliche Verschiedenbehandlung, würde der Verfassungsgerichtshof - sollte er § 12a FLAG aufheben - nicht auch in den bereits anhängigen Verfahren aussprechen, dass die Bestimmung nicht bloß im jeweiligen Anlassfall, sondern auch in allen übrigen Fällen nicht mehr anzuwenden sei. Ist aber davon auszugehen, dass der Verfassungsgerichtshof im Falle einer Aufhebung des § 12a FLAG die Anlassfallwirkung auf die rechtlich gleichgelagerten Verfahren erstrecken wird, wie dies der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. 3. 2001, G 7/02-6, bereits in Aussicht gestellt hat, so sind die bei ihm anhängigen Verfahren präjudiziell auch für das vorliegende Verfahren, weil nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs eine Berücksichtigung der Familienbeihilfe an § 12a FLAG scheitern muss (6 Ob 243/01f; 6 Ob 262/01z ua) und eine Unterhaltsbemessung im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs nur nach Aufhebung dieser Norm möglich erscheint.Der Verfassungsgerichtshof hat in ähnlich gelagerten Fällen gemäß Paragraph 140, Absatz 7, zweiter Satz B-VG ausgesprochen, dass die angefochtene und von ihm aufgehobene Gesetzesbestimmung nicht mehr anzuwenden sei (s VfGH 1. 10. 2001, G 224/01). Es wäre eine unsachliche Verschiedenbehandlung, würde der Verfassungsgerichtshof - sollte er Paragraph 12 a, FLAG aufheben - nicht auch in den bereits anhängigen Verfahren aussprechen, dass die Bestimmung nicht bloß im jeweiligen Anlassfall, sondern auch in allen übrigen Fällen nicht mehr anzuwenden sei. Ist aber davon auszugehen, dass der Verfassungsgerichtshof im Falle einer Aufhebung des Paragraph 12 a, FLAG die Anlassfallwirkung auf die rechtlich gleichgelagerten Verfahren erstrecken wird, wie dies der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. 3. 2001, G 7/02-6, bereits in Aussicht gestellt hat, so sind die bei ihm anhängigen Verfahren präjudiziell auch für das vorliegende Verfahren, weil nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs eine Berücksichtigung der Familienbeihilfe an Paragraph 12 a, FLAG scheitern muss (6 Ob 243/01f; 6 Ob 262/01z ua) und eine Unterhaltsbemessung im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs nur nach Aufhebung dieser Norm möglich erscheint.

Gemäß § 190 Abs 1 ZPO kann ein Rechtsstreit unterbrochen werden, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist, oder welches in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist. Eine derartige Unterbrechungsmöglichkeit ist zwar weder bei einem vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen präjudiziellen Verfahren noch für das Außerstreitverfahren vorgesehen. Diese planwidrige Gesetzeslücke ist jedoch durch analoge Anwendung des § 190 ZPO zu schließen, weil der Zweck der Bestimmung - widersprechende Entscheidungen im Sinne der Einheit der Rechtsordnung zu verhindern - auch im vorliegenden Fall zutrifft (4 Ob 46/02x; 4 Ob 52/02d; 2 Ob 63/02g; 7 Ob 71/02w). Das Verfahren war daher bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die Anfechtung des § 12a FLAG zu unterbrechen.Gemäß Paragraph 190, Absatz eins, ZPO kann ein Rechtsstreit unterbrochen werden, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist, oder welches in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist. Eine derartige Unterbrechungsmöglichkeit ist zwar weder bei einem vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen präjudiziellen Verfahren noch für das Außerstreitverfahren vorgesehen. Diese planwidrige Gesetzeslücke ist jedoch durch analoge Anwendung des Paragraph 190, ZPO zu schließen, weil der Zweck der Bestimmung - widersprechende Entscheidungen im Sinne der Einheit der Rechtsordnung zu verhindern - auch im vorliegenden Fall zutrifft (4 Ob 46/02x; 4 Ob 52/02d; 2 Ob 63/02g; 7 Ob 71/02w). Das Verfahren war daher bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die Anfechtung des Paragraph 12 a, FLAG zu unterbrechen.

Anmerkung

E65663 7Ob77.02b

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0070OB00077.02B.0507.000

Dokumentnummer

JJT_20020507_OGH0002_0070OB00077_02B0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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