Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Komm.Rat Mag. Paul Kunsky (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Monika S*****, Raumpflegerin, ***** vertreten durch Goldsteiner & Strebinger Rechtsanwaltspartnerschaft KEG, Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Witwenpension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. August 2001, GZ 9 Rs 231/01h-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 1. Dezember 2000, GZ 6 Cgs 34/00w-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie ingesamt lauten:
Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin eine Witwenpension von zumindest EUR 436,04 (ATS 6.000,--) ab dem Stichtag zu bezahlen, und ihr eine vorläufige Zahlung im Ausmaß von zumindest EUR 436,04 (ATS 6.000,--) zu gewähren, wird abgwiesen. Die klagende Partei hat ihre Kosten des Verfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 22. 8. 1975 zwischen der Klägerin und Günter S***** geschlossene Ehe wurde mit Urteil des Kreisgerichts Wiener Neustadt vom 18. 12. 1985, 1 Cg 914/85, aus dem alleinigen Verschulden des Günter S***** geschieden. Der Scheidungsvergleich enthält keinen Unterhaltsverzicht.
Zum Zeitpunkt der Scheidung bewohnten die Klägerin und Günter S***** eine Mietwohnung in Wiener Neustadt, eine Dienstwohnung der Klägerin. Im Scheidungsvergleich verpflichtete sich Günter S*****, diese Wohnung bis 31. 3. 1986 unter Verzicht auf jedweden Räumungsaufschub zu räumen und der Klägerin geräumt zu übergeben. Ungeachtet dessen blieb Günter S***** weiterhin bei der Klägerin wohnhaft. Mit Kaufvertrag vom 5. 2. 1988 erwarb die Klägerin ein Grundstück, auf dem ein Einfamilienhaus errichtet wurde, das die Klägerin und Günter S***** dann gemeinsam bewohnten. Alleineigentümerin der Liegenschaft war die Klägerin.
Günter S***** ist am 11. 9. 1998 verstorben.
Im letzten Jahr vor seinem Tod bezog Günter S***** Krankengeld in Höhe von durchschnittlich EUR 650,82 (ATS 8.955,45) monatlich netto. Die Klägerin bezog als Raumpflegerin im Krankenhaus W***** ein durchschnittliches Monatsnettoeinkommen einschließlich anteiliger Sonderzahlungen von EUR 1.174,84 (ATS 16.166,14). An Betriebskosten des Hauses fielen EUR 270,92 (ATS 3.728,--) und an Kreditrückzahlungen EUR 781,05 (ATS 10.747,50) an. Damit verblieb der Klägerin ein restliches verfügbares Einkommen von EUR 122,86 (S 1.690,64) netto monatlich. Daraus musste die Klägerin noch die Grundsteuer sowie Kreditrückzahlungen für ihren PKW in nicht feststellbarer Höhe leisten.
Um diesen angespannten finanziellen Verhältnissen adäquat begegnen zu können, wurde das Einkommen des Verstorbenen Günter S***** dafür verwendet, den Lebensunterhalt von Monika S***** und Günter S***** zu begleichen. Das von Günter S***** bezogene Krankengeld wurde auf sein Konto überwiesen, über das Günter S***** der Klägerin die Verfügungsermächtigung erteilte. Von diesem Konto wurden zunächst regelmäßige Daueraufträge für die Mopedversicherung des Günter S***** in Höhe von monatlich EUR 12,21 (ATS 168,--) sowie für eine Personenversicherung im Betrag von EUR 28,63 (ATS 394,--) monatlich bedient. Darüber hinaus tätigte Monika S***** im Zeitraum von September 1997 bis August 1998 Barabhebungen in Höhe von ingesamt EUR 6.605,96 (ATS 90.900,--) in monatlich unterschiedlicher Höhe zwischen EUR 290,69 (ATS 4.000,--) und EUR 981,08 (ATS 13.500,--). Insgesamt wendeten Günter und Monika S***** monatlich ca EUR 363,36 (ATS 5.000,--) für Essen und Trinken auf, wovon jeweils die Hälfte auf Günter S***** und die Klägerin entfiel. Daneben wurden mittels der Barabhebungen die monatlichen Benzinkosten für den PKW der Klägerin in Höhe von ca EUR 72,67 (ATS 1.000,--) monatlich gedeckt. Das restliche Geld wurde zur Anschaffung von Kleidung, Haushaltsbedarf (Wasch- und Putzmittel, Toilettebedarf etc) sowie zur Tragung des sonstigen persönlichen Bedarfs verwendet, wobei dafür vom Konto des Günter S***** rund EUR 109,01 (ATS 1.500,--) monatlich für die Bedürfnisse der Klägerin aufgewendet wurden.
Vom seinem monatlichen Krankengeld von durchschnittlich EUR 650,82 (ATS 8.955,45) wurden somit folgende Aufwendungen für Günter S***** getätigt: EUR 12,28 (ATS 169,-- für die Mopedversicherung), EUR 28,63 (ATS 394,--) für eine Personenversicherung, ca EUR 181,68 (ATS 2.500,--) an Aufwendungen für Essen und Trinken sowie ca EUR 65,41 (ATS 900,--) an sonstigem kopfteiligen Haushaltsbedarf. Der restliche Betrag von monatlich rund EUR 363,36 (ATS 5.000,--), nämlich rund EUR 181,68 (ATS 2.500,--) für Essen und Trinken, EUR 72,67 (ATS 1.000,--) für Benzinkosten, EUR 65,41 (ATS 900,--) an anteiligem Haushaltsbedarf sowie EUR 43,60 (ATS 600,--) „wurde an Unterhaltsleistungen für die Bedürfnisse der Klägerin durch den Verstorbenen regelmäßig tatsächlich geleistet."
Mit Bescheid vom 8. 1. 1999 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 21. 10. 1998 auf Gewährung der Witwenpension im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass zum Zeitpunkt des Todes des Günter S***** kein materieller Unterhaltsbedarf der Klägerin bestanden habe.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei im zweiten Rechtsgang schuldig, der Klägerin „eine Witwenpension im gesetzlichen Umfang ausgehend von einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 5.000,-- ab 1. 11. 1998 zu gewähren sowie eine vorläufige Leistung im gesetzlichen Umfang zu bezahlen" und die Prozesskosten zu ersetzen. Nach § 258 Abs 4 lit d ASVG sei maßgeblich, ob der Versicherte zum Zeitpunkt seines Todes dem Überlebenden regelmäßige Zahlungen zur Deckung des Unterhaltsbedarfs geleistet habe. Eine Unterhaltsleistung liege immer dann vor, wenn ein Beitrag für Nahrung, Kleidung etc entweder in Form von Naturalunterhalt oder Geld zur Verfügung gestellt werde. Wenn geschiedene Ehegatten in der Weise wirtschaften, dass durch längere Zeit bestimmte dem Unterhalt zugehörige Aufwendungen immer vom Konto eines Partners beglichen werden, könne darin eine schlüssige Vereinbarung über die Leistung von Unterhalt erblickt werden. Falle die Haushaltsführung nur einem der Partner zu, der vom Konto des anderen nicht nur die der gemeinsamen Haushaltsführung dienenden Ausgaben tätige, sondern auch die eigenen übrigen Bedürfnisse (für Kleidung etc) über dieses Konto abgedeckt werde, dann seien sowohl diese Ausgaben wie auch die anteilig auf den haushaltsführenden Partner fallenden Ausgaben der gemeinsamen Haushaltsführung als Unterhaltsleistung durch den Haushaltsführenden anzusehen.Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei im zweiten Rechtsgang schuldig, der Klägerin „eine Witwenpension im gesetzlichen Umfang ausgehend von einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 5.000,-- ab 1. 11. 1998 zu gewähren sowie eine vorläufige Leistung im gesetzlichen Umfang zu bezahlen" und die Prozesskosten zu ersetzen. Nach Paragraph 258, Absatz 4, Litera d, ASVG sei maßgeblich, ob der Versicherte zum Zeitpunkt seines Todes dem Überlebenden regelmäßige Zahlungen zur Deckung des Unterhaltsbedarfs geleistet habe. Eine Unterhaltsleistung liege immer dann vor, wenn ein Beitrag für Nahrung, Kleidung etc entweder in Form von Naturalunterhalt oder Geld zur Verfügung gestellt werde. Wenn geschiedene Ehegatten in der Weise wirtschaften, dass durch längere Zeit bestimmte dem Unterhalt zugehörige Aufwendungen immer vom Konto eines Partners beglichen werden, könne darin eine schlüssige Vereinbarung über die Leistung von Unterhalt erblickt werden. Falle die Haushaltsführung nur einem der Partner zu, der vom Konto des anderen nicht nur die der gemeinsamen Haushaltsführung dienenden Ausgaben tätige, sondern auch die eigenen übrigen Bedürfnisse (für Kleidung etc) über dieses Konto abgedeckt werde, dann seien sowohl diese Ausgaben wie auch die anteilig auf den haushaltsführenden Partner fallenden Ausgaben der gemeinsamen Haushaltsführung als Unterhaltsleistung durch den Haushaltsführenden anzusehen.
Da sämtliche Aufwendungen für das vom Verstorbenen und der Klägerin bewohnte Haus ausschließlich vom Konto der Klägerin getragen worden seien, während andere Aufwendungen wie etwa Essen und Trinken, Kleidung und sonstige Haushaltsgegenstände ausschließlich vom Konto des Verstorbenen beglichen worden seien, sei ein Betrag von rund EUR 363,36 (ATS 5.000,--) für die Klägerin an Unterhaltsleistung geleistet worden. Dieser Betrag sei als durchschnittliche monatliche Unterhaltsleistung des Verstorbenen an die Klägerin gemäß § 273 Abs 1 ZPO festzusetzen und der Bemessung über die Witwenpension zugrunde zu legen gewesen.Da sämtliche Aufwendungen für das vom Verstorbenen und der Klägerin bewohnte Haus ausschließlich vom Konto der Klägerin getragen worden seien, während andere Aufwendungen wie etwa Essen und Trinken, Kleidung und sonstige Haushaltsgegenstände ausschließlich vom Konto des Verstorbenen beglichen worden seien, sei ein Betrag von rund EUR 363,36 (ATS 5.000,--) für die Klägerin an Unterhaltsleistung geleistet worden. Dieser Betrag sei als durchschnittliche monatliche Unterhaltsleistung des Verstorbenen an die Klägerin gemäß Paragraph 273, Absatz eins, ZPO festzusetzen und der Bemessung über die Witwenpension zugrunde zu legen gewesen.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und sah die Rechtsrüge als unberechtigt an. Für das Berufungsgericht bestehe kein Anlass, von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum Witwenpensionsanspruch nach § 258 Abs 4 lit d ASVG abzugehen.Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und sah die Rechtsrüge als unberechtigt an. Für das Berufungsgericht bestehe kein Anlass, von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum Witwenpensionsanspruch nach Paragraph 258, Absatz 4, Litera d, ASVG abzugehen.
Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
In der vor dem Inkrafttreten des SRÄG 1993 (51. ASVG-Novelle, BGBl 193/335) geltenden Fassung lautete § 258 Abs 4 ASVG wie folgt:In der vor dem Inkrafttreten des SRÄG 1993 (51. ASVG-Novelle, BGBl 193/335) geltenden Fassung lautete Paragraph 258, Absatz 4, ASVG wie folgt:
"Die Pension nach Abs. 1 gebührt nach Maßgabe der Abs. 2 und 3 auch"Die Pension nach Absatz eins, gebührt nach Maßgabe der Absatz 2 und 3 auch
"(4) Die Pension nach Abs. 1 gebührt nach Maßgabe der Abs. 2 und 3 auch"(4) Die Pension nach Absatz eins, gebührt nach Maßgabe der Absatz 2 und 3 auch
Anmerkung
E65692 10ObS370.01mEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:010OBS00370.01M.0514.000Dokumentnummer
JJT_20020514_OGH0002_010OBS00370_01M0000_000