TE OGH 2002/5/16 8Ob84/02i

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.05.2002
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Robert J*****, vertreten durch Mag. Günther Petzelbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Dr. Heinz Kosesnik-Wehrle, Rechtsanwalt, 1030 Wien, Ölzeltgasse 4, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Z***** GesmbH, *****, 2.) Harald S*****, vertreten durch Dr. Johann Kölly, Rechtsanwalt in Oberpullendorf, wegen EUR 18.168,21 sA und Feststellung, infolge Revisionen der beklagten Parteien gegen das Teilzwischenurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 27. Februar 2001, GZ 13 R 195/00t-33, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30. August 2000, GZ 8 Cg 56/99k-20, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 913,72 (darin EUR 152,29 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahren binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit seiner am 28. 5. 1999 bei Gericht eingebrachten Klage nahm der Kläger die Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes auf Zahlung von Schmerzengeld und auf Feststellung in Anspruch. Er sei am 4. 6. 1997 von einem Baugerüst 12 Meter in die Tiefe gestürzt und habe schwere Verletzungen, unter anderem im Kopfbereich, erlitten. Der Zweitbeklagte habe dem Kläger den Auftrag gegeben, das Gerüst zu besteigen, obwohl ihm bekannt gewesen sei, oder zumindest hätte bekannt sein müssen, dass das Gerüst noch nicht freigegeben war und dass zur Absicherung dienende Verstrebungen fehlten. Die Erstbeklagte habe für ihren Repräsentanten einzustehen.

Die Beklagten bestritten und wendeten im Wesentlichen ein, der Kläger sei bei einem auf der Baustelle selbständig agierenden Unternehmen beschäftigt gewesen und infolge eigener Entscheidung in den Gefahrenbereich gelangt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil dem Kläger - als mit auf Baustellen möglichen Gefahren vertrautem Handwerker - das Fehlen der zur Absicherung dienenden Querstangen erkennbar gewesen sei. Er hätte seine Arbeiten entweder einstellen oder den Gefahrenbereich meiden müssen. Ein Verschulden des Zweitbeklagten, der den Kläger zur Arbeit auf dem unfertigen Gerüst aufgefordert habe, trete demgegenüber zurück.

Das Berufungsgericht hob die Abweisung des Feststellungsbegehrens gegenüber der Erstbeklagten - infolge zwischenzeitig über deren Vermögen erfolgter Konkurseröffnung und mangels Anmeldung des Anspruchs im Konkurs - wegen Rechtswegunzulässigkeit als nichtig auf und stellte mit dem Zwischenurteil unter Abweisung des Mehrbegehrens die darüberhinausgehenden (angemeldeten) Ansprüche des Klägers - in Ansehung der Erstbeklagten als Konkursforderung - mit zwei Drittel als zu Recht bestehend fest. Hinsichtlich des gegen den Zweitbeklagten gerichteten zu zwei Drittel als berechtigt erkannten Feststellungsbegehrens hob es das erstinstanzliche Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, dass Revision und Revisionsrekurs zulässig seien. Der Zweitbeklagte habe gegen Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung (BV) und damit gegen Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB verstoßen, weil er dem Kläger den Auftrag zum Besteigen des nicht fertig montierten Gerüstes erteilt habe. Die nunmehrige Gemeinschuldnerin habe für das Fehlverhalten ihres Repräsentanten einzustehen. Der Kläger habe allerdings ein nicht unerhebliches Mitverschulden zu vertreten, das mit einem Drittel zu bewerten sei. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren Feststellungen zur Höhe des angemessenen Schmerzengeldes und zur Berechtigung des gegen den Zweitbeklagten verbliebenen Feststellungsbegehrens zu treffen haben.Das Berufungsgericht hob die Abweisung des Feststellungsbegehrens gegenüber der Erstbeklagten - infolge zwischenzeitig über deren Vermögen erfolgter Konkurseröffnung und mangels Anmeldung des Anspruchs im Konkurs - wegen Rechtswegunzulässigkeit als nichtig auf und stellte mit dem Zwischenurteil unter Abweisung des Mehrbegehrens die darüberhinausgehenden (angemeldeten) Ansprüche des Klägers - in Ansehung der Erstbeklagten als Konkursforderung - mit zwei Drittel als zu Recht bestehend fest. Hinsichtlich des gegen den Zweitbeklagten gerichteten zu zwei Drittel als berechtigt erkannten Feststellungsbegehrens hob es das erstinstanzliche Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, dass Revision und Revisionsrekurs zulässig seien. Der Zweitbeklagte habe gegen Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung (BV) und damit gegen Schutzgesetze im Sinne des Paragraph 1311, ABGB verstoßen, weil er dem Kläger den Auftrag zum Besteigen des nicht fertig montierten Gerüstes erteilt habe. Die nunmehrige Gemeinschuldnerin habe für das Fehlverhalten ihres Repräsentanten einzustehen. Der Kläger habe allerdings ein nicht unerhebliches Mitverschulden zu vertreten, das mit einem Drittel zu bewerten sei. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren Feststellungen zur Höhe des angemessenen Schmerzengeldes und zur Berechtigung des gegen den Zweitbeklagten verbliebenen Feststellungsbegehrens zu treffen haben.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobenen Revisionen beider Beklagter sind unzulässig. Beide Revisionen werfen keine Rechtsfragen auf, die im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO als erheblich zu beurteilen wären, weil das Berufungsgericht bei seiner einzelfallbezogenen Beurteilung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gefolgt ist:Die dagegen erhobenen Revisionen beider Beklagter sind unzulässig. Beide Revisionen werfen keine Rechtsfragen auf, die im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO als erheblich zu beurteilen wären, weil das Berufungsgericht bei seiner einzelfallbezogenen Beurteilung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gefolgt ist:

Mehrere auf einer Baustelle tätige Unternehmer haften für die Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten. In den Schutzkreis der einzelnen Werkverträge sind jeweils auch die bei einem anderen Unternehmen beschäftigten Dienstnehmer einbezogen. Diese können Schäden direkt gegen den für seinen Erfüllungsgehilfen haftenden weiteren Unternehmer geltend machen (3 Ob 520/93 = ecolex 1994, 13 mwN). Die Gewährleistung der Sicherheit auf einer Baustelle ist eine vertragliche Nebenverpflichtung des Werkvertrages (6 Ob 2208/96s). Der Schutzzweck der Bauarbeiterschutzverordnung umfasst diejenigen Personen, die sich befugt auf der Baustelle aufhalten (SZ 63/38). Die nunmehrige Gemeinschuldnerin haftet für das Verschulden ihres Poliers, des Zweitbeklagten, als ihres Repräsentanten (JBl 1998, 713 [dort Bauleiter]). Das Revisionsvorbringen, der Auftrag Fensterbleche zu entfernen, hab sich nicht auf die oberen Gebäudeteile, wo das Gerüst noch ungesichert war, bezogen, ist - weil in den erstinstanzlichen Feststellungen nicht gedeckt - nicht geeignet, diese Haftung abzuwehren.

Auch die Bejahung der deliktischen Haftung des Zweitbeklagten für die Verletzung des Klägers in seinem absoluten Recht auf körperliche Unversehrtheit, weil er dem Kläger trotz noch nicht erfolgter Freigabe des Gerüstes den Auftrag zur sofortigen Durchführung von Arbeiten gegeben hat, die das Besteigen des Gerüstes erforderlich machten, bewegt sich im Rahmen gesicherter Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0022481; RS0022801). Entgegen den Revisionsausführungen wurde weder festgestellt noch erstinstanzlich vorgebracht, der Auftrag des Zweitbeklagten habe sich nur auf den gesicherten Teil des Gerüstes bezogen. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes hatte der Zweitbeklagte die Arbeiten auf der Baustelle zu koordinieren und war somit auch gegenüber dem Kläger zur Arbeitseinteilung befugt, weshalb keine Rede davon sein kann, der Kläger habe das Gerüst eigenmächtig bestiegen.

Was die in beiden Revisionen bekämpfte Verschuldensteilung betrifft, ist eine krasse Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht nicht zu erkennen. Eine erhebliche Rechtsfrage stellt sich daher im Zusammenhang mit dieser einzelfallbezogenen Ermessensentscheidung nicht (RIS-Justiz RS0087606). Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, konnte auf die Haftungsbeschränkung des § 333 ASVG nicht Bedacht genommen werden, weil dieser Einwand weder ausdrücklich erhoben wurde noch sich dem Vorbringen der Beklagten (AS 51), sie seien dem Kläger gegenüber nicht weisungsbefugt gewesen, der Kläger habe völlig eigenverantwortlich gehandelt, ein Einwand in dieser Richtung entnehmen lässt; auch noch in der Revision des Zweitbeklagten wird das Fehlen jeder Weisungsbefugnis gegenüber dem Kläger mehrfach betont (siehe RIS-Justiz RS0085007, insbes 2 Ob 387/97v; 2 Ob 181/98a = SZ 71/120; 2 Ob 353/97v).Was die in beiden Revisionen bekämpfte Verschuldensteilung betrifft, ist eine krasse Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht nicht zu erkennen. Eine erhebliche Rechtsfrage stellt sich daher im Zusammenhang mit dieser einzelfallbezogenen Ermessensentscheidung nicht (RIS-Justiz RS0087606). Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, konnte auf die Haftungsbeschränkung des Paragraph 333, ASVG nicht Bedacht genommen werden, weil dieser Einwand weder ausdrücklich erhoben wurde noch sich dem Vorbringen der Beklagten (AS 51), sie seien dem Kläger gegenüber nicht weisungsbefugt gewesen, der Kläger habe völlig eigenverantwortlich gehandelt, ein Einwand in dieser Richtung entnehmen lässt; auch noch in der Revision des Zweitbeklagten wird das Fehlen jeder Weisungsbefugnis gegenüber dem Kläger mehrfach betont (siehe RIS-Justiz RS0085007, insbes 2 Ob 387/97v; 2 Ob 181/98a = SZ 71/120; 2 Ob 353/97v).

Beide Revisionen sind zurückzuweisen.

Dem Kläger sind gemäß §§ 50, 41 ZPO die Kosten der Revisionsbeantwortung zuzusprechen, weil er auf die Unzulässigkeit der Rechtsmittel hingewiesen hat.Dem Kläger sind gemäß Paragraphen 50,, 41 ZPO die Kosten der Revisionsbeantwortung zuzusprechen, weil er auf die Unzulässigkeit der Rechtsmittel hingewiesen hat.

Anmerkung

E66086 8Ob84.02i

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0080OB00084.02I.0516.000

Dokumentnummer

JJT_20020516_OGH0002_0080OB00084_02I0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten