Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan und Dr. Vera Moczarski als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Eva N*****, vertreten durch Dr. Peter Keul und Dr. Alexander Burkovski, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei IAF-Service GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen EUR 3.322,46 infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. September 2001, GZ 11 Rs 288/01d-9, mit dem dieses aus Anlass der Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 24. April 2001, GZ 11 Cgs 1/01d-4, und das ihr vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen hat, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben. Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin hat ihren Antrag gegenüber dem Sozialamt auf Insolvenz-Ausfallgeld nur mit dem Hinweis auf eine Beschäftigung nach den Bestimmungen des MuttSchG begründet. Erst in der Klage stützt sie ihren Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld für eine Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 25. 3. bis 2. 6. 1999 auf eine mit ihrem Arbeitgeber vor dem Austrittszeitpunkt getroffene Vereinbarung eines Karenzurlaubes im Anschluss an den Wochengeldbezug.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil darin eine Änderung des Klagegrundes zu erblicken sei.
Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung der Klägerin das angefochtene Urteil und das vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück.
Es sei ständige oberstgerichtliche Rechtsprechung, dass wegen der sukzessiven Kompetenz nicht nur eine qualitative, sondern auch eine quantitative Änderung der Klage in gerichtlichen Sozialrechtsverfahren nach § 65 Abs 1 Z 7 ASGG gegenüber dem vor dem Bundessozialamt (nunmehr IAF-Service GesmbH) geltend gemachten Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld unzulässig sei. Hiebei bestehe im Sinn der herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie lediglich eine Bindung hinsichtlich des Begehrens (Betrages) und des anspruchsbegründenden Sachverhalts. Es komme daher darauf an, ob der anspruchsbegründende Sachverhalt gegenüber dem im Verwaltungsverfahren geltend gemachten durch weitere Sachverhaltselemente ergänzt werden musste; bejahendenfalls liege eine unzulässige Klagsänderung vor (8 ObS 248/00d = WBl 2001/191 = ZIK 2001/283 ua). Das sei hier der Fall. Voraussetzung für die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren begehrte Kündigungsentschädigung für den dort angegebenen Zeitraum von 25. 3. bis 2. 6. 1999 sei das Vorliegen eines besonderen Kündigungsschutzes nach § 15 Abs 4 MuttSchG. Die Klägerin könne jedoch nur dann in den Genuss dieses besonderen Kündigungsschutzes kommen und damit Kündigungsentschädigung auch für diesen Zeitraum erhalten, wenn sie bereits vor dem Zeitpunkt ihres vorzeitigen Austritts aus dem Dienstverhältnis gemäß § 25 Abs 1 Z 1 KO (in der damals gültigen Fassung BGBl 153/1994) mit ihrem Arbeitgeber einen Karenzurlaub iSd § 15 Abs 1 MuttSchG "vereinbart" hätte. Nur dann hätte der Masseverwalter das Dienstverhältnis erst bis zum Ablauf von vier Wochen nach Beendigung des Karenzurlaubes unter Berücksichtigung der gesetzlichen Kündigungsfrist beenden können, und die Klägerin hätte insofern für diesen Zeitraum einen Ersatzanspruch nach § 29 AngG gehabt. Diesen notwendigen anspruchsbegründenden Sachverhalt habe die Klägerin jedoch im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht.Es sei ständige oberstgerichtliche Rechtsprechung, dass wegen der sukzessiven Kompetenz nicht nur eine qualitative, sondern auch eine quantitative Änderung der Klage in gerichtlichen Sozialrechtsverfahren nach Paragraph 65, Absatz eins, Ziffer 7, ASGG gegenüber dem vor dem Bundessozialamt (nunmehr IAF-Service GesmbH) geltend gemachten Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld unzulässig sei. Hiebei bestehe im Sinn der herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie lediglich eine Bindung hinsichtlich des Begehrens (Betrages) und des anspruchsbegründenden Sachverhalts. Es komme daher darauf an, ob der anspruchsbegründende Sachverhalt gegenüber dem im Verwaltungsverfahren geltend gemachten durch weitere Sachverhaltselemente ergänzt werden musste; bejahendenfalls liege eine unzulässige Klagsänderung vor (8 ObS 248/00d = WBl 2001/191 = ZIK 2001/283 ua). Das sei hier der Fall. Voraussetzung für die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren begehrte Kündigungsentschädigung für den dort angegebenen Zeitraum von 25. 3. bis 2. 6. 1999 sei das Vorliegen eines besonderen Kündigungsschutzes nach Paragraph 15, Absatz 4, MuttSchG. Die Klägerin könne jedoch nur dann in den Genuss dieses besonderen Kündigungsschutzes kommen und damit Kündigungsentschädigung auch für diesen Zeitraum erhalten, wenn sie bereits vor dem Zeitpunkt ihres vorzeitigen Austritts aus dem Dienstverhältnis gemäß Paragraph 25, Absatz eins, Ziffer eins, KO (in der damals gültigen Fassung Bundesgesetzblatt 153 aus 1994,) mit ihrem Arbeitgeber einen Karenzurlaub iSd Paragraph 15, Absatz eins, MuttSchG "vereinbart" hätte. Nur dann hätte der Masseverwalter das Dienstverhältnis erst bis zum Ablauf von vier Wochen nach Beendigung des Karenzurlaubes unter Berücksichtigung der gesetzlichen Kündigungsfrist beenden können, und die Klägerin hätte insofern für diesen Zeitraum einen Ersatzanspruch nach Paragraph 29, AngG gehabt. Diesen notwendigen anspruchsbegründenden Sachverhalt habe die Klägerin jedoch im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht.
Rechtliche Beurteilung
Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es auf diese zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). In ihren Rekursausführungen behauptet die Klägerin, sie habe in der Klage nur ein zusätzliches Sachverhaltselement zur Untermauerung ihres bereits im Verwaltungsverfahren "völlig gleich geltend gemachten" Anspruches vorgebracht, das aber nicht notwendig gewesen wäre, weil es keinesfalls erforderlich sei, dass der Karenzurlaub vor oder bei Austritt tatsächlich vereinbart worden sei. Es genüge, dass sie im Zeitpunkt des Austritts die Absicht gehabt habe, Karenzurlaub gemäß § 15 Abs 1 MuttSchG in Anspruch zu nehmen. Deshalb sei ihre Klage ohne dieses unnötige Neuvorbringen gegenüber ihrem Antrag im Verwaltungsverfahren sachlich zu prüfen.Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es auf diese zu verweisen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO). In ihren Rekursausführungen behauptet die Klägerin, sie habe in der Klage nur ein zusätzliches Sachverhaltselement zur Untermauerung ihres bereits im Verwaltungsverfahren "völlig gleich geltend gemachten" Anspruches vorgebracht, das aber nicht notwendig gewesen wäre, weil es keinesfalls erforderlich sei, dass der Karenzurlaub vor oder bei Austritt tatsächlich vereinbart worden sei. Es genüge, dass sie im Zeitpunkt des Austritts die Absicht gehabt habe, Karenzurlaub gemäß Paragraph 15, Absatz eins, MuttSchG in Anspruch zu nehmen. Deshalb sei ihre Klage ohne dieses unnötige Neuvorbringen gegenüber ihrem Antrag im Verwaltungsverfahren sachlich zu prüfen.
Diesen Rekursausführungen ist entgegen zuhalten:
Es mag dahinstehen, ob ein unnötiges zusätzliches Vorbringen in der Klage schädlich ist oder ob es einfach unbeachtlich ist. Vorliegendenfalls ist - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - das Neuvorbringen in der Klage für ihren Anspruch unerlässlich, weil es sich beim Vorbringen des bereits vor ihrem Austritt vereinbarten - oder zumindest gegenüber dem Dienstnehmer in Anspruch genommenen - Karenzurlaubes um eine zur Begründung des Anspruchs auf Insolvenz-Ausfallgeld unerlässliche Tatsachenbehauptung handelt, die sie in der Klage nicht mehr nachholen kann, wenn sie sie im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht hat.
Es bedarf wohl keiner Begründung, dass der Ansicht der Klägerin nicht näher getreten werden kann, dass für die Inanspruchnahme des Karenzurlaubs und der sich daraus ergebenden Ansprüche iSd § 15 Abs 4 MuttSchG die nicht nach Außen artikulierte Absicht, Karenzurlaub später in Anspruch nehmen zu wollen, genügt, um in den Genuss des Kündigungs- und Entlassungsschutz des § 15 Abs 4 MuttSchG zu kommen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG; für einen Billigkeitskostenzuspruch besteht kein Anlass.Es bedarf wohl keiner Begründung, dass der Ansicht der Klägerin nicht näher getreten werden kann, dass für die Inanspruchnahme des Karenzurlaubs und der sich daraus ergebenden Ansprüche iSd Paragraph 15, Absatz 4, MuttSchG die nicht nach Außen artikulierte Absicht, Karenzurlaub später in Anspruch nehmen zu wollen, genügt, um in den Genuss des Kündigungs- und Entlassungsschutz des Paragraph 15, Absatz 4, MuttSchG zu kommen. Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera b, ASGG; für einen Billigkeitskostenzuspruch besteht kein Anlass.
Anmerkung
E66089 8ObS297.01mEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:008OBS00297.01M.0516.000Dokumentnummer
JJT_20020516_OGH0002_008OBS00297_01M0000_000