Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des A S in W, geboren 1971, vertreten durch Dr. Gerhard Koller, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Friedrich Schmidt-Platz 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. Dezember 2006, Zl. SD 1592/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. Dezember 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkisches Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer habe am 17. Oktober 2002 in der Türkei eine österreichische Staatsangehörige geheiratet und habe darauf gestützt zunächst eine bis 1. Juli 2004 befristete Niederlassungsbewilligung erhalten. Im Zug eines Verlängerungsverfahrens habe die Gattin am 28. Jänner 2005 Selbstanzeige erstattet. Sie wäre die Ehe nur zum Schein eingegangen, weil sie Geld benötigt hätte. Sie hätte mit dem Beschwerdeführer nie zusammen gelebt; ein Eheleben wäre nie geführt worden.
Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 7. Oktober 2005 sei die Ehe gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden, weil sie ausschließlich zur Verschaffung einer Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung für den Beschwerdeführer geschlossen worden und die Aufnahme einer ehelichen Gemeinschaft nie beabsichtigt gewesen sei.
Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG sei somit erfüllt. Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots im Grund des § 60 Abs. 1 FPG seien gegeben.
Der Beschwerdeführer sei geschieden und für ein Kind sorgepflichtig, das mit seiner Mutter in Wien lebe. Die Beziehung zu diesem Kind werde dadurch relativiert, dass dem Beschwerdeführer die Obsorge nicht zukomme. Weitere familiäre Bindungen seien nicht geltend gemacht worden. Angesichts dieser Umstände sei das Aufenthaltsverbot mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Wahrung eines geordneten Fremdenwesens, Verhinderung von Scheinehen) dringend geboten. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Die Eingehung einer Ehe zum Schein zur Erlangung eines Aufenthaltsrechts stelle eine gravierende Beeinträchtigung dieses öffentlichen Interesses dar. Solcherart könne kein Zweifel daran bestehen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots im Grund des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten sei.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 2 FPG sei auf die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration Bedacht zu nehmen. Diese wiege jedoch nicht schwer, weil der gesamte Aufenthalt erst auf Grund des dargestellten Fehlverhaltens ermöglicht worden sei. Die familiäre Bindung zum Sohn werde dadurch relativiert, dass dem Beschwerdeführer kein Sorgerecht zukomme. Den Kontakt zu den Familienangehörigen könne er - wenn auch eingeschränkt - vom Ausland aus wahrnehmen. Insgesamt komme den persönlichen Interessen an einem Weiterverbleib in Österreich nur ein geringes Gewicht zu. Dem stehe das große öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens und an der Verhinderung von Scheinehen gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch im Grund des § 66 Abs. 2 FPG zulässig.
Im Hinblick auf das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers könne auch unter Bedachtnahme auf die aktenkundige Lebenssituation des Beschwerdeführers vor Ablauf von zehn Jahren nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden. Die Gültigkeitsdauer dieser Maßnahme sei daher mit zehn Jahren zu bemessen gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt und die in § 60 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet auf Grundlage der nicht substantiiert bestrittenen Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid keinen Bedenken.
2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass die Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG auf Grund seines inländischen Aufenthalts seit dem Frühjahr 2003 und des Umstandes, dass die rechtsmissbräuchliche Eheschließung bereits Jahre zurück liege, zu seinen Gunsten hätte ausgehen müssen.
2.2. Die belangte Behörde hat bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG die Dauer des durch die rechtsmissbräuchliche Eheschließung am 17. Oktober 2002 ermöglichten inländischen Aufenthalts ohnehin berücksichtigt. Darüber hinaus hat sie dem Beschwerdeführer auch den inländischen Aufenthalt seines Kindes aus einer geschiedenen Ehe zugute gehalten. Wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, wird die aus der - ohnehin noch nicht langen - Aufenthaltsdauer ableitbare Integration dadurch wesentlich geschmälert, dass die Berechtigung des Aufenthalts nur auf die rechtsmissbräuchlich eingegangene Ehe zurückzuführen ist.
Den nicht allzu schwerwiegenden persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die aus der - wenn auch bereits etwa vier Jahre und zwei Monate zurückliegenden - rechtsmissbräuchlichen Eheschließung zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Vorteile resultierende gewichtige Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Von daher kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.
3. Der angefochtene Bescheid ist auch in Ansehung der darin festgesetzten Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots unbedenklich. Gemäß § 63 Abs. 1 FPG kann ein Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 60 Abs. 2 Z. 1, 5 und 12 bis 14 leg. cit. unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Nach § 63 Abs. 2 FPG ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer - im Rahmen des § 63 Abs. 1 leg. cit. - auf die für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Das Aufenthaltsverbot ist somit für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0453).
Der belangten Behörde kann nicht entgegen getreten werden, wenn sie angesichts des gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers - das ihm die Berechtigung zum Aufenthalt verschaffte - die Auffassung vertreten hat, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen von zehn Jahren erwartet werden könne.
4. Mit dem Beschwerdevorbringen, es hätte "sowohl die Abtretung der Berufung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien als auch die Erklärung der Unzuständigkeit durch den unabhängigen Verwaltungssenat Wien jedenfalls in Form einer Bescheiderledigung zu erfolgen" gehabt, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, durch den gegenständlichen Aufenthaltsverbotsbescheid in subjektiven Rechten verletzt zu werden.
Im Übrigen hat eine Behörde gemäß § 6 Abs. 1 AVG bei ihr einlangende Anbringen, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen. Bei einer Weiterleitung nach dieser Norm handelt es sich nicht um einen Bescheid (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 29. November 2006, Zl. 2006/18/0385).
5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 13. März 2007
Schlagworte
Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Weiterleitung an die zuständige Behörde auf Gefahr des EinschreitersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007180026.X00Im RIS seit
16.05.2007Zuletzt aktualisiert am
23.06.2009