TE OGH 2002/6/5 2Ob133/02a

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Veröffentlicht am 05.06.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Georg O*****, vertreten durch Dr. Peter Stromberger, Rechtsanwalt in Wolfsberg, gegen die beklagte Partei G***** AG, *****, vertreten durch Mag. Oliver Lorber, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Leistung einer Rente, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 9. November 2001, GZ 4 R 283/01m-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Wolfsberg vom 19. Juli 2001, GZ 4 C 3284/00m-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das (abweisende) Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.757,54 (darin EUR 204,59 USt und EUR 530,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 9. 10. 1994 wurde der Kläger als Beifahrer in einem PKW im Zuge eines Verkehrsunfalles schwer verletzt. Die Beklagte galt als Haftpflichtversicherer dieses Fahrzeuges sämtliche Sachschäden sowie den Schmerzengeldanspruch des Klägers aus diesem Unfall ab und gab ein konstitutives Anerkenntnis mit Wirkung eines Feststellungsurteils für künftig kausale Schäden des Klägers aus diesem Ereignis ab.

Mit der am 30. 11. 2000 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger von der Beklagten die Zahlung einer monatlichen Rente von zuletzt S 2.260,-- mit der Begründung, die verletzungsbedingten Dauerfolgen zögen eine 20 %-ige Minderung der Erwerbsfähigkeit nach sich. Sowohl die Ausgleichs- als auch die Sicherungsfunktion einer abstrakten Rente seien gegeben.

Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, die Voraussetzungen für die Gewährung einer abstrakten Rente lägen im konkreten Fall nicht vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil eine konkrete Gefährdung des Arbeitsplatzes des Klägers nicht feststellbar sei und daher eine abstrakte Rente nicht zugesprochen werden könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil im klagsstattgebenden Sinne ab. Es sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es führte ua aus, dass der Kläger mit einem deutlich höheren Risiko der Arbeitslosigkeit behaftet sei als ein gesunder Arbeitnehmer. Wenngleich der Arbeitsplatz des Klägers derzeit nicht gefährdet sei, könne dies lediglich auf den hohen persönlichen Einsatz des Klägers zurückgeführt werden, der allerdings nach der Lebenserfahrung mit einem schnelleren Verschleiß der Arbeitskraft einhergehe.

Auf Antrag der Beklagten änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision dahin ab, dass die ordentliche Revision für zulässig erklärt wurde (§ 508 Abs 3 ZPO), weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den Voraussetzungen für den Zuspruch einer abstrakten Rente nicht völlig einheitlich sei.Auf Antrag der Beklagten änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision dahin ab, dass die ordentliche Revision für zulässig erklärt wurde (Paragraph 508, Absatz 3, ZPO), weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den Voraussetzungen für den Zuspruch einer abstrakten Rente nicht völlig einheitlich sei.

In ihrer Revision gegen die Berufungsentscheidung macht die Beklagte unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Sie beantragt, das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner ihm vom Berufungsgericht freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der (jüngeren) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; sie ist auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht im Wesentlichen geltend, dem Kläger gebühre keine abstrakte Rente, weil derzeit keine konkrete Gefährdung seines Arbeitsplatzes feststellbar sei.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Die Rechtsprechung hat in Ausnahmefällen dem Verletzten auf seinen Antrag eine abstrakte Rente gewährt, wenn zunächst kein konkreter Verdienstentgang eingetreten, ein künftiger Entgang aber wegen des erlittenen Dauerschadens wahrscheinlich war. Für den Anspruch auf eine abstrakte Rente genügt nach dieser Rechtsprechung aber nicht eine Verminderung der Erwerbsfähigkeit schlechthin oder eine bloße Erschwernis der Arbeit, es muss vielmehr eine Einkommensminderung wegen der unfallsbedingten Verletzungen nach den konkreten Umständen des Einzelfalles zu erwarten oder doch wahrscheinlich sein. Voraussetzung für die Gewährung einer abstrakten Rente ist, dass die Möglichkeit einer früheren Erschöpfung der Arbeitskraft des Verletzten gegeben ist (Ausgleichsfunktion) und der Geschädigte der Gefahr einer Benachteiligung im Wettbewerb mit gesunden Menschen ausgesetzt ist (Sicherungsfunktion). Wenn nur eine dieser Aufgaben erfüllt ist, gebührt die abstrakte Rente nicht, vielmehr muss ein so enger Zusammenhang mit einem tatsächlichen Verdienstausfall infolge konkret und absehbar drohenden Verlustes der gegenwärtigen Erwerbsgelegenheit gegeben sein, dass es schon jetzt geboten ist, durch Rücklagen einen Fonds zur Deckung des Ausfalles zu schaffen (2 Ob 9/93 = ZVR 1993/165 mwN; 2 Ob 27/95; 2 Ob 9/00p).

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ergibt sich aus den Feststellungen des Erstgerichtes, dass eine konkrete Gefährdung des Arbeitsplatzes des Klägers derzeit nicht feststellbar ist. Die bei ihm nach wie vor bestehenden Dauerfolgen sind im Betrieb bekannt, es werden vom Kläger allerdings die gleichen Arbeiten durchgeführt wie von seinen Arbeitskollegen. Seit seinem Eintritt bei seinem jetzigen Arbeitgeber 1999 wurden schon mehrere Arbeitnehmer gekündigt, der Kläger war davon nicht betroffen. Im Durchschnitt befindet er sich im Jahr ca drei bis vier Tage im Krankenstand, dies allerdings nicht wegen unfallskausaler Dauerfolgen. Sein durchschnittlicher Monatsverdienst ist seit 1999 gestiegen.

Diese Umstände lassen die Annahme eines künftigen Arbeitsplatzverlustes samt Minderung des Arbeitseinkommens wegen der Unfallsfolgen als nicht wahrscheinlich erscheinen (vgl RIS-Justiz RS0030672, RS0030666). Sollte der Kläger in Zukunft auf Grund der Verletzungsfolgen tatsächlich einen Verdienstentgang erleiden, wäre sein Anspruch auf Ersatz des konkreten Verdienstentganges durch das mit der Wirkung eines Feststellungsurteiles abgegebene konstitutive Anerkenntnis der Beklagten abgesichert (vgl 2 Ob 9/00p). Der Ausgleich für verletzungsbedingte größere Anstrengungen und Mühen bei der Arbeit hat schließlich im Rahmen der Schmerzengeldbemessung zu erfolgen (2 Ob 83/99s = ZVR 2000/92 mwN).Diese Umstände lassen die Annahme eines künftigen Arbeitsplatzverlustes samt Minderung des Arbeitseinkommens wegen der Unfallsfolgen als nicht wahrscheinlich erscheinen vergleiche RIS-Justiz RS0030672, RS0030666). Sollte der Kläger in Zukunft auf Grund der Verletzungsfolgen tatsächlich einen Verdienstentgang erleiden, wäre sein Anspruch auf Ersatz des konkreten Verdienstentganges durch das mit der Wirkung eines Feststellungsurteiles abgegebene konstitutive Anerkenntnis der Beklagten abgesichert vergleiche 2 Ob 9/00p). Der Ausgleich für verletzungsbedingte größere Anstrengungen und Mühen bei der Arbeit hat schließlich im Rahmen der Schmerzengeldbemessung zu erfolgen (2 Ob 83/99s = ZVR 2000/92 mwN).

Da somit die begehrte abstrakte Rente schon nach der zitierten - seit Jahren restriktiven (vgl schon RIS-Justiz RS0030912) - Judikatur nicht zugesprochen werden kann, war das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen. Es kann dabei auf sich beruhen, ob die Rechtsprechung zur abstrakten Rente - schon im Interesse von Geschädigten, die später einen höheren konkreten Verdienstentgang erleiden, der durch eine abstrakte Rente aber abgegolten wäre (vgl RIS-Justiz RS0030920) - nicht überhaupt aufgegeben werden sollte (vgl nur Reischauer in Rummel2 § 1325 ABGB Rz 36; Harrer in Schwimann2 § 1325 ABGB Rz 57).Da somit die begehrte abstrakte Rente schon nach der zitierten - seit Jahren restriktiven vergleiche schon RIS-Justiz RS0030912) - Judikatur nicht zugesprochen werden kann, war das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen. Es kann dabei auf sich beruhen, ob die Rechtsprechung zur abstrakten Rente - schon im Interesse von Geschädigten, die später einen höheren konkreten Verdienstentgang erleiden, der durch eine abstrakte Rente aber abgegolten wäre vergleiche RIS-Justiz RS0030920) - nicht überhaupt aufgegeben werden sollte vergleiche nur Reischauer in Rummel2 Paragraph 1325, ABGB Rz 36; Harrer in Schwimann2 Paragraph 1325, ABGB Rz 57).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf den Paragraphen 41,, 50 ZPO.

Textnummer

E66112

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0020OB00133.02A.0605.000

Im RIS seit

05.07.2002

Zuletzt aktualisiert am

21.04.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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