Index
34 MonopoleNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Teilweise Zulässigkeit der Individualanträge auf Aufhebung von Bestimmungen des Tabakmonopolgesetzes hinsichtlich der Abgabe von Tabakwaren durch Trafikanten und der diesen zustehenden Handelsspanne; teils keine hinreichend genaue Bezeichnung der zur Aufhebung begehrten Fassung, teils keine Darlegung der Bedenken im Einzelnen; teils keine rechtliche Betroffenheit der Antragsteller; sachliche Rechtfertigung der unterschiedlichen Handelsspannen für Tabakfachgeschäfte und Tabakverkaufsstellen aufgrund der notwendigen Absicherung der wirtschaftlichen Existenz der Trafikanten und aus sozialpolitischen Gründen; keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit aufgrund öffentlichen Interesses; kein Verstoß gegen die bundesstaatliche KompetenzverteilungSpruch
I. 1. Die Anträge, §38 Tabakmonopolgesetz 1996, BGBl. Nr. 830/1995, zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben, werden zurückgewiesen.
2. Die zu G166/01 gestellten Anträge, §36 Abs11 Tabakmonopolgesetz 1996 als verfassungswidrig aufzuheben, in eventu in §36 Abs11 Tabakmonopolgesetz 1996 die Worte "nur zu" durch die Worte "nicht unter" zu ersetzen, werden zurückgewiesen.
3. Die Eventualanträge, die Wortfolge "für Inhaber von Tabakfachgeschäften" in Abs3 des §38 Tabakmonopolgesetz 1996 als verfassungswidrig aufzuheben, werden zurückgewiesen.
II. Die Eventualanträge, den gesamten Abs4 des §38 Tabakmonopolgesetz 1996 als verfassungswidrig aufzuheben, werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Zu G71/01 und G166/01 begehren zwei Inhaber von Tabakverkaufsstellen die Aufhebung des §38 Tabakmonopolgesetz 1996 (in der Folge: TabMG), in eventu die Aufhebung der Wortfolge "für Inhaber von Tabakfachgeschäften" in Abs3 und die Aufhebung des gesamten Abs4 des §38 TabMG.
Nur zu G166/01 wird darüber hinaus auch die Aufhebung des §36 Abs11 TabMG begehrt, in eventu der "Ersatz der Worte 'nur zu' in §36 Abs11 TabMG durch die Worte 'nicht unter'".
Die bekämpften Bestimmungen lauten:
"§36. (1) - (10)
(11) Tabakerzeugnisse dürfen von Tabaktrafikanten nur zu den veröffentlichten Kleinverkaufspreisen (§9) verkauft werden.
...
§38. (1) Den Tabaktrafikanten steht eine Handelsspanne zu, deren Höhe sich nach Abs2 bis 5 bestimmt.
(2) Berechnungsbasis der Nettohandelsspannen (ohne Umsatzsteuer) ist der Kleinverkaufspreis der gelieferten Tabakerzeugnisse abzüglich der Tabaksteuer und der Umsatzsteuer (Nettopreis). Die Berechnung der Handelsspannen hat je Liefereinheit zu erfolgen.
(3) Die Handelsspanne für Inhaber von Tabakfachgeschäften beträgt für
1.
Zigaretten 52,7%,
2.
Zigarren 45%,
3.
Feinschnitt 55%,
4.
Pfeifentabak 50%,
5.
andere Tabakerzeugnisse 37%
des Nettopreises.
(4) Die Handelsspanne für Inhaber von Tabakverkaufsstellen beträgt für
1.
Zigaretten 28,6%,
2.
Zigarren 27%,
3.
Feinschnitt 33%,
4.
Pfeifentabak 30%,
5.
andere Tabakerzeugnisse 22%
des Nettopreises.
(5) Die Handelsspanne bei Zigaretten darf nicht niedriger sein als jene Spanne, die sich bei der niedrigsten Preisklasse mit einem Marktanteil von mehr als 5% ergibt.
(6) Der Bundesminister für Finanzen hat jährlich nach Vorliegen der Meldungen für ein Kalenderjahr gemäß §11 Abs1 im Amtsblatt zur Wiener Zeitung jene Preisklasse kundzumachen, die der Berechnung der Mindesthandelsspanne gemäß Abs5 zugrunde zu legen ist. Die neue Mindesthandelsspanne gilt jeweils ab dem der Kundmachung zweitfolgenden Monatsersten."
§23 TabMG unterscheidet Tabaktrafiken von Tabakverkaufsstellen wie folgt:
"§23. (1) Tabaktrafiken sind Geschäfte, in denen der Kleinhandel mit Tabakerzeugnissen betrieben wird. Die Inhaber von Tabaktrafiken sind Tabaktrafikanten.
(2) Ein Tabakfachgeschäft ist eine Tabaktrafik, die ausschließlich Tabakerzeugnisse oder neben Tabakerzeugnissen andere im Abs3 angeführte Waren nur in einem solchen Umfang führt, daß der Charakter eines Tabakfachgeschäftes gewahrt bleibt.
(3) Der Inhaber eines Tabakfachgeschäftes darf, falls er die hiezu erforderlichen Berechtigungen besitzt,
1.
Stempelmarken, Postwertzeichen und Fahrscheine für öffentliche Verkehrsmittel und Parkscheine verkaufen,
2.
eine Lotto- und Totoannahmestelle betreiben sowie Spielanteile von Lotterien und Tombolaspielen vertreiben,
3.
Rauchrequisiten, Papier- und Schreibwaren, Galanteriewaren, Lederwaren, Reiseandenken, Zeitungen und Zeitschriften, Ansichts- und Spielkarten (Nebenartikel) verkaufen,
wenn nach Art und Umfang dieser Tätigkeit der Charakter eines Tabakfachgeschäftes gewahrt bleibt. Die Monopolverwaltung GmbH kann im Einvernehmen mit dem Bundesgremium der Tabaktrafikanten weitere Waren als Nebenartikel und bestimmte Dienstleistungen zulassen.
(4) Andere Tabaktrafiken als Tabakfachgeschäfte gelten als Tabakverkaufsstellen."
1. Die Antragsteller führen aus, sie seien verpflichtet, die von ihnen angebotenen Tabakwaren ausschließlich von einem Großhändler zu erwerben. Der Großhändler seinerseits sei durch §9 TabMG verpflichtet, jene Preise zu bestimmen, zu denen seine Tabakerzeugnisse von allen von ihm belieferten Tabaktrafikanten verkauft werden müssen. Der Lieferpreis des Großhändlers sei nach §8 Abs5 TabMG der Netto-Kleinverkaufspreis abzüglich der gemäß §38 TabMG vorgegebenen Handelsspanne. §38 Abs4 TabMG halbiere die Handelsspannen für Tabakverkaufsstellen gegenüber der in §38 Abs3 TabMG festgesetzten Handelsspannen für Tabakfachgeschäfte. In Verbindung mit §8 Abs5 TabMG und §9 TabMG führe dies dazu, dass die Großhändler verpflichtet sind, für Tabakerzeugnisse von den Antragstellern einen wesentlich höheren Preis zu verlangen als vom Inhaber eines Tabakfachgeschäftes. Da die Antragsteller verpflichtet seien, die Tabakwaren von einem Großhändler zu beziehen und alle Großhändler ihrerseits verpflichtet seien, dem Antragsteller einen höheren Lieferpreis zu verrechnen als einem Inhaber eines Tabakfachgeschäftes, würden die angefochtenen Bestimmungen unmittelbar wirksam werden und daher aktuell nachteilig in ihre Rechtssphäre eingreifen.
Auch die Beschreitung eines anderen Rechtsweges erachten die Antragsteller als unmöglich bzw. unzumutbar. Zu G166/01 wird ausgeführt, dass keine Konstellation denkbar wäre, in der ein Zivilgericht seiner Entscheidung die §§38 und 36 Abs11 TabMG zugrunde zu legen hätte.
Hinsichtlich beider Tabakverkaufsstellen sei versucht worden, sie in Tabakfachgeschäfte umwandeln zu lassen, woran die Monopolverwaltung GmbH kein Interesse gehabt habe.
In der Sache machen die Antragsteller vorerst einen Verstoß gegen die Erwerbsausübungsfreiheit geltend. Zweck des §38 TabMG sei die Verhinderung einer freien Konkurrenzsituation zwischen den Trafikanten. Der Konkurrenzschutz stelle für sich allein aber noch kein öffentliches Interesse dar; die geringere Handelsspanne für Tabakverkaufsstellen sei auch nicht geeignet, den Konkurrenzschutz für Tabakfachgeschäfte zu verstärken. Dieses Ziel sei schon auf Grund des Gebietsschutzes und des Umstandes, dass die Kleinverkaufspreise für Tabakfachgeschäfte und Tabakverkaufsstellen dieselben sind, verwirklicht.
Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sei aus folgenden Gründen verletzt:
"Zum ersten behandelt es [gemeint: das TabMG] die Inhaber von Tabakverkaufsstellen gegenüber den Inhabern von Tabakfachgeschäften ohne sachlichen Grund unterschiedlich. Die Gesetzesmaterialien gehen zwar davon aus, daß der Inhaber eines Tabakfachgeschäftes vor allem vom Verkauf von Tabakwaren leben muß, während der Inhaber einer Tabakverkaufsstelle in erster Linie vom Verkauf anderer Waren lebt und Tabakwaren nur nebenbei vertreibt, doch haben diese Überlegungen im Tabakmonopolgesetz selbst keinen Niederschlag gefunden. Insbesondere wurde die Monopolverwaltung GmbH nicht verpflichtet, beim Abschluß eines Bestellungsvertrags anhand von nachvollziehbaren Kriterien zu überprüfen, ob nun ein Tabakfachgeschäft oder eine Tabakverkaufsstelle besetzt wird. Warum die Handelsspanne geringer sein soll, nur weil der Anteil der Tabakwaren am Umsatz geringer ist, ist unerklärlich.
Zum zweiten fehlt im Tabakmonopolgesetz eine Regelung darüber, was zu geschehen hat, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Abschluß des Bestellungsvertrags wesentlich ändern. Wenn es etwa, wie im gegenständlichen Fall, aufgrund des Einkaufsverhaltens der Kundschaft dazu kommt, daß eine Tabakverkaufsstelle fast ausschließlich Tabakwaren verkauft und das übrige Sortiment nur einen geringfügigen Teil des Umsatzes ausmacht. Dadurch kommt es dazu, daß der Inhaber der Tabakverkaufsstelle nunmehr vor allem vom Tabakwarenumsatz leben muß, ihm aber nur die halbe Handelsspanne eines Inhabers eines Tabakfachgeschäftes zusteht, obwohl er in der gleichen Situation ist.
Zum dritten benachteiligt das Gesetz den Geschäftsnachfolger einer Tabakverkaufsstelle gegenüber dem Geschäftsnachfolger eines Tabakfachgeschäftes, und zwar auch dann, wenn es sich in beiden Fällen um einen Bevorrechteten im Sinne des §29 Abs3 TabMG handelt.
Der bevorzugte Geschäftsnachfolger eines Tabakfachgeschäftes kommt automatisch in den Genuß der höheren Handelsspanne, während der Geschäftsnachfolger einer Tabakverkaufsstelle diese unabhängige von den tatsächlichen Verhältnissen als Tabakverkaufsstelle mit der niedrigeren Handelsspanne weiterführen muß, wenn er sie nicht verlieren will. Falls die Tabakverkaufsstelle nämlich aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse anläßlich der Erledigung des bisherigen Bestellungsvertrags in ein Tabakfachgeschäft umgewandelt werden soll, so hat die Monopolverwaltung GmbH die Möglichkeit, mit dem Inhaber eines Tabakfachgeschäftes unter Umgehung des Geschäftsnachfolgers einen Bestellungsvertrag abzuschließen, weil Inhaber von Tabakfachgeschäften gegenüber anderen Bewerbern bevorzugt sind.
Der Geschäftsnachfolger eines Tabakfachgeschäftes kann sich vor einer solchen Vorgangsweise absichern, indem er - als Geschäftsnachfolger - das ausschließliche Verfügungsrecht über das Geschäftslokal nachweist. Soll jedoch im Zuge der Neubesetzung die Tabakverkaufsstelle als Tabakfachgeschäft besetzt werden, ist ein sogenannter ausschließlicher Lokalnachweis gesetzlich nicht vorgesehen. Aus §25 Abs8 TabMG geht hervor, daß es sich in diesem Fall nicht um die Neuerrichtung eines Tabakfachgeschäftes handelt, wie sie in §25 Abs7 Zif. 4 TabMG angesprochen ist.
Aus dem TabMG sind keine Gründe für die Ungleichbehandlung abzuleiten."
Die Antragstellerin zu G166/01 hält ferner §36 Abs11 TabMG unter Hinweis auf das Erkenntnis VfSlg. 15.509/1999 wegen Verstoßes gegen die Erwerbsfreiheit für verfassungswidrig.
Schließlich lässt sich - nach Meinung der Antragsteller - die ersatzlose Streichung des Art54 B-VG, der dem Nationalrat die Kompetenz zur Mitwirkung an der Festsetzung der Preise von Monopolgegenständen eingeräumt hatte, nur so verstehen, dass der Verfassungsgesetzgeber dem einfachen Gesetzgeber die Möglichkeit entziehen wollte, an der Preisbildung mitzuwirken. Wenn der Nationalrat aber kein Mitwirkungsrecht bei der Preisgestaltung hat, so sei es ihm auch verwehrt, auf dem Umweg eines Gesetzes auf der Grundlage des Art10 Abs1 Z4 B-VG, von dem der Tatbestand der Preisgestaltung früher auf Grund des Art54 B-VG nicht erfasst gewesen sei, die Preise zu regeln. Es liege daher bei diesem Bundesgesetz ein Verstoß gegen die bundesstaatliche Kompetenzverteilung vor, da Kompetenzen, soweit sie nicht ausdrücklich dem Bund zugewiesen seien, den Ländern vorbehalten seien.
2. Die Bundesregierung hat zu beiden Anträgen eine Äußerung erstattet, in denen sie beantragt, die Anträge als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen. Sie begründet dies wie folgt:
Obwohl in den Anträgen die angefochtene Fassung des §38 TabMG nicht genannt werde, geht die Bundesregierung in Hinblick darauf, dass §38 bislang nicht novelliert wurde, davon aus, dass den Anträgen gerade noch mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden kann, dass sie sich auf §38 TabMG idF BGBl. 830/1995 beziehen.
Die Bundesregierung hält unter Verweis auf VfSlg. 15.343/1998 einen Weg für die Antragsteller, ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtenen Normen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, dergestalt für zumutbar, als die Monopolverwaltung GmbH vor den ordentlichen Gerichten auf Abschluss eines geänderten Bestellungsvertrages geklagt werden könnte, wenn eine Tabaktrafik als Verkaufsstelle vergeben wird, obwohl die Voraussetzungen für die Vergabe als Fachgeschäft zum Zeitpunkt der Vergabe vorgelegen wären.
Zu G166/01 führt die Bundesregierung aus, dass die Trafikantin überdies die Möglichkeit hätte, den sie beliefernden Großhändler auf Lieferung zu niedrigeren Lieferpreisen (Gewährung einer höheren Handelsspanne) zu klagen.
Dem Argument des Antrages zu G166/01, wonach die bekämpften Bestimmungen in einem von der Bundesregierung angesprochenen Verfahren vor den Zivilgerichten nicht anzuwenden wären, hält die Bundesregierung entgegen, dass diese Bestimmungen in einem engen Konnex zu den Regelungen des TabMG über die Rechtsstellung und die Verpflichtungen von Tabaktrafikanten stünden. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dürfe ein Antrag eines antragslegitimierten Gerichtes iSd Art140 B-VG nur dann wegen fehlender Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig denkunmöglich ist, dass das angefochtene Gesetz eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet.
Hinsichtlich des §36 Abs11 TabMG verweist die Bundesregierung darauf, dass es im Antrag zu G166/01 auf Grund zweimaliger Novellierung dieser Bestimmung des TabMG an der erforderlichen klaren und unmissverständlichen Bezeichnung der bekämpften Gesetzesstelle und darüber hinaus an der Darlegung der Bedenken im einzelnen fehle. Weiters hält sie auch die Erwirkung eines Feststellungsbescheides über die Zulässigkeit des Verkaufs zu anderen als den veröffentlichten Kleinverkaufspreisen für zumutbar.
In der Sache stellt die Bundesregierung zuerst dar, dass das österreichische Tabakmonopol ein Finanzmonopol ist (Sicherung der Erhebung der Steuern auf Tabakwaren) und ein Einzelhandelsmonopol, ein wichtiger Faktor in der Nahversorgung. Es gewährleiste nicht nur österreichweit den flächendeckenden Tabakwarenverkauf, sondern sichere auch die flächendeckende Versorgung mit sonstigen wichtigen Waren (Zeitungen, Stempelmarken, Postwertzeichen etc.). Darüber hinaus diene das Tabakmonopol insbesondere auch sozialpolitischen Zielen. Die Bundesregierung führt dazu näher aus:
"Bei der Vergabe von Tabaktrafiken werden bestimmte Personen bevorzugt; dies gilt vor allem für so genannte selbständige Tabaktrafiken (Tabakfachgeschäfte). Es sind dies solche Trafiken, die nicht in Verbindung mit einem anderen Gewerbe geführt werden dürfen, weshalb die wirtschaftliche Existenz des Inhabers der Trafik allein aus den Erlösen der Trafik gesichert werden muss; dies wird mittels eines Gebietsschutzes (Verbot der Neuerrichtung bei unzumutbarer Schmälerung des Ertrages benachbarter Trafiken; siehe §24 und §36 Abs1, 2, 7 und 8 TabMG) und höhere Handelsspannen erreicht. Als bevorzugte Personen gelten Opferbefürsorgte, Kriegs- und Heeresopfer sowie deren Hinterbliebene und nach dem Behinderteneinstellungsgesetz begünstigte Personen (§29 TabMG). Diese Bevorzugung erfolgt aus Gründen der öffentlichen Fürsorge und ermöglicht diesem im wirtschaftlichen Leben benachteiligten Personenkreis oft erst die Gründung einer Existenz und die Ausübung eines Berufes.
Den Vorteilen, die dem Trafikanten aus seiner geschützten Stellung erwachsen, stehen strenge Pflichten gegenüber: Die Tabaktrafik ist persönlich zu führen; der Inhaber des Tabakfachgeschäftes darf keine andere selbständige Erwerbstätigkeit ausüben oder ein Arbeitsverhältnis eingehen und darf neben Tabakwaren andere Waren nur in einem solchen Umfang verkaufen, dass der Charakter eines Tabakfachgeschäftes gewahrt bleibt; er darf das Geschäft nicht abtreten oder verpachten. Der Trafikant darf nur am Standort verkaufen; er darf seinen Kunden keine direkten oder indirekten Vorteile (z.B. Rabatte oder Skonti) gewähren; bei der Haupterwerbsquelle der Tabakfachgeschäfte, dem Tabakwaren-Kleinhandel, besteht kein unternehmerischer Gestaltungsspielraum bei der Bildung des Einkaufspreises und des Verkaufspreises. Vorgeschrieben ist darüber hinaus ein weitreichendes Werbeverbot."
Weiters:
"Tabaktrafikanten dürfen Tabakerzeugnisse nur von behördlich zugelassenen Großhändlern, die ihrerseits strengen Zulassungsvoraussetzungen unterliegen, bereits versteuert beziehen. Der Einzelhandel mit Tabakerzeugnissen ist grundsätzlich den Trafikanten vorbehalten. Jedes Tabakerzeugnis, das im Steuer- bzw. Monopolgebiet außerhalb des Trafikensystems an Endverbraucher abgegeben wird, ist somit - von einigen gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - mit der Vermutung eines gesetzwidrigen Verkaufs behaftet. Der Verkauf von Tabakerzeugnissen an den Endverbraucher ist nur zu den im Amtsblatt zur Wiener Zeitung veröffentlichten Kleinverkaufspreisen zulässig. Die Trafikanten unterliegen einer strengen Überwachung (insbesondere) durch die Monopolverwaltung GmbH und haben an der Einhaltung der tabaksteuer- und monopolrechtlichen Vorschriften selbst großes Interesse, zumal ihnen bei Zuwiderhandlungen neben Geldbußen und finanzstrafrechtlichen Sanktionen die Kündigung ihres Bestellungsvertrages als schwerwiegendste Folge droht. Bei einem Wegfall des Einzelhandelsmonopols in der derzeit bestehenden Form müssten aufwändigere Alternativen (z.B. möglichst fälschungssichere Steuerzeichen in Form von Banderolen) entwickelt werden.
Sicherung der Nahversorgung
Gemäß §14 Abs1 TabMG gehören zu der Monopolverwaltung (§3 Abs1 TabMG), die von der Monopolverwaltung GmbH zu besorgen ist, die Angelegenheiten des Kleinhandels mit Tabakerzeugnissen. Dazu zählen insbesondere die Bestellung einer Zahl von Tabaktrafikanten, die zur Nahversorgung mit Tabakerzeugnissen erforderlich ist, und die damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten, z.B. die Durchführung von Ausschreibungen (§25 Abs2 TabMG) oder der Abschluss von Bestellungsverträgen (§34 TabMG). Durch das Erfordernis des dringenden Bedarfes und den Ausschluss einer nicht zumutbaren Schmälerung des Ertrages benachbarter Tabaktrafiken wird das wirtschaftliche Überleben der einzelnen Trafiken gesichert und damit die Nahversorgung mit den von Tabaktrafiken geführten Waren in einem weit größeren Ausmaß gewährleistet, als sie sonst auf dem Einzelhandelssektor für andere Güter des täglichen Bedarfes noch gegeben ist. Nach dem Konzept des TabMG soll grundsätzlich, wo immer es wirtschaftlich möglich ist, ein Tabakfachgeschäft eingerichtet werden. Dort wo es zur Nahversorgung notwendig ist, werden zusätzliche Tabakverkaufsstellen errichtet, bei denen die Tabaktrafik neben einer anderen Geschäftstätigkeit geführt wird (z.B. Lebensmittelhandel). Als Tabakfachgeschäfte sind hingegen nur solche Trafiken auszuschreiben, aus deren Erträgnissen voraussichtlich der Lebensunterhalt eines Trafikbewerbers bestritten werden kann (§25 Abs5 TabMG). Nach §23 Abs2 leg. cit. ist ein Tabakfachgeschäft eine Tabaktrafik, die ausschließlich Tabakerzeugnisse oder neben Tabakerzeugnissen andere - in §23 Abs3 leg. cit. angeführte - Waren nur in einem solchen Umfang führt, dass der Charakter eines Tabakfachgeschäftes gewahrt bleibt. Beim Tabakfachgeschäft bezieht der Inhaber somit den Großteil seiner Erträgnisse aus dem Tabakwarenverkauf. Die für Tabakfachgeschäftsinhaber gegenüber den Inhabern von Tabakverkaufsstellen höhere Handelsspanne hat ihre Rechtfertigung in dem Umstand der Sortimentsbeschränkung; es besteht für den Inhaber eines Fachgeschäftes keine Möglichkeit, auf Produkte mit einem höheren Ertrag auszuweichen bzw. seinen Umsatz auszuweiten.
...
Zu den Ausführungen der Antragstellerin [des Antragstellers], die fixe Spannenregelung lasse keinen Spielraum zur Preisgestaltung, sie [er] sei hinsichtlich der Verkaufspreise an die Vorgaben des Großhändlers gebunden, der wiederum verpflichtet sei, ihr [ihm] einen höheren Lieferpreis zu berechnen als dem Inhaber eines Tabakfachgeschäftes, ist zu bemerken, dass in Österreich die Kleinverkaufspreise für Tabakwaren (= Preise zu denen ein Trafikant die Waren an Kunden abgibt) von den Großhändlern zu bestimmen sind (siehe §5 Abs3 und 4 Tabaksteuergesetz 1995). Der Grund für diese Regelung ist, dass als Bemessungsgrundlage für die Tabaksteuer (auch) der Kleinverkaufspreis heranzuziehen ist (siehe §4 Abs1 und §5 Abs1 TabStG 1995). Steuerschuldner für die Tabaksteuer ist jedoch nicht der Trafikant, sondern in der Regel der Großhändler. Um die Tabaksteuer berechnen zu können, muss er den Kleinverkaufspreis kennen. Die Regelungen ergeben sich aus dem EU-Recht (siehe Art8 und 9 der Richtlinie 95/59/EG, ABl. EG Nr. L 291, S. 40). Es ist demnach schon auf Grund der steuerlichen Vorgaben der unternehmerische Spielraum für den Händler mit Tabakwaren (Trafikanten) wesentlich eingeschränkt.
Ein Inhaber eines Fachgeschäftes soll von den Erträgnissen der Trafik leben können. Der Vertrieb von Nebenartikeln ist nur in beschränktem Umfang erlaubt, anderen Wirtschaftstreibenden soll nicht unbeschränkt Konkurrenz gemacht werden. Die Errichtung von Tabakverkaufsstellen ist nur in jenen Fällen vorgesehen, in denen eine Nahversorgung mit Tabakwaren durch ein Tabakfachgeschäft nicht möglich scheint. In diesen Fällen würde üblicherweise durch die Führung eines Tabakfachgeschäftes der Lebensunterhalt des Inhabers nicht gesichert werden können. Tabakverkaufsstellen unterliegen daher keinen monopolrechtlichen Beschränkungen hinsichtlich anderer Waren."
Bei Tabakverkaufsstellen gehe der Gesetzgeber davon aus,
"dass deren Inhaber nicht von den Erträgnissen des Tabakwarenverkaufs leben muss, sondern überwiegend vom Umsatz anderer Waren bzw. Dienstleistungen. Tabakfachgeschäfte werden zwar in einer stetig steigenden Zahl an behinderte Personen vergeben, sodass die höhere Spanne verstärkt eben diesem Personenkreis zugute kommt, es entspricht jedoch nicht der Intention des Gesetzgebers, die Höhe der Spanne vom (Nicht)Vorliegen einer Behinderung abhängig zu machen. Eine solche Regelung wäre im Hinblick auf die für Fachgeschäfte geltende Sortimentsbeschränkung (siehe hiezu auch die Ausführungen [zur Sicherung der Nahversorgung]) nicht zu rechtfertigen, falls der Inhaber des Fachgeschäftes keine Behinderung aufweist."
Hinsichtlich des §36 Abs11 TabMG verweist die Äußerung der Bundesregierung zu G166/01 auf die europarechtlichen, zwingenden Vorgaben zur Festsetzung von Kleinverkaufshöchstpreisen und führt weiters dazu aus:
"Das von der Antragstellerin zitierte Erkenntnis G239/96 betraf einen Sonderfall (Verkauf von Tabakwaren durch Gastwirte im Rahmen ihres Gastgewerbes). Der Verfassungsgerichtshof bewertete unter dem Gesichtspunkt eines angestrebten Existenzschutzes für Tabaktrafikanten (Schutz vor einer Konkurrenzierung durch Gastwirte) die Normierung eines Höchstpreises für den Verkauf durch Gastwirte als überschießend und damit als unsachlichen Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit. Gastwirte sind jedoch verpflichtet, die Tabakwaren zu den veröffentlichten Kleinverkaufspreisen in einer Tabaktrafik zu erwerben."
Dem behaupteten Verstoß gegen die bundesstaatliche Kompetenzverteilung hält die Bundesregierung entgegen, dass sich die frühere Bestimmung des Art54 B-VG lediglich auf die konkrete Preisfestsetzung im Einzelfall bezogen hat, und dass aus dem Umstand, dass diese Bestimmung nicht mehr Bestandteil der Bundesverfassung ist, nicht geschlossen werden könne, dass der Bund nicht zuständig wäre, gewisse Vorgaben für die Preisbildung aufzustellen. §38 TabMG sei daher sehr wohl Art10 Abs1 Z4 B-VG zu unterstellen.
II. Die Anträge erweisen sich - mit Ausnahme der Eventualanträge, §38 Abs4 TabMG als verfassungswidrig aufzuheben - als unzulässig:
1. Die Unzulässigkeit des zu G166/01 gestellten Antrages, §36 Abs11 TabMG als verfassungswidrig aufzuheben, begründet sich wie folgt:
Um die strengen Formerfordernisse des ersten Satzes des §62 Abs1 VfGG zu erfüllen, müssen die bekämpften Stellen des Gesetzes genau und eindeutig bezeichnet werden (vgl. etwa VfSlg. 11.888/1988, 12.062/1989, 12.263/1990, 15.983/2000). Es darf nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschriften nach Auffassung des Antragstellers tatsächlich der Aufhebung verfallen sollen. Denn dem Verfassungsgerichtshof ist es verwehrt, Gesetzesbestimmungen auf Grund bloßer Vermutungen darüber, in welcher Fassung ihre Aufhebung begehrt wird, zu prüfen und im Falle des Zutreffens der geltend gemachten Bedenken aufzuheben (vgl. VfSlg. 11.802/1988).
Der Antrag bezieht sich laut seinem ersten Satz allgemein auf das TabMG, BGBl. 830/1995. Für §36 Abs11 TabMG, der zweimal (BGBl. 44/1996, BGBl. I 186/1998) novelliert wurde, wird aber nicht angegeben, in welcher Fassung die Aufhebung dieser Bestimmung begehrt wird. Da die zur Aufhebung beantragte Fassung der angefochtenen Bestimmung nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu ersehen ist, erweist sich dieser Antrag als unzulässig und ist daher schon deshalb zurückzuweisen.
2. Auch der zu G166/01 in eventu gestellte Antrag, in §36 Abs11 TabMG die Worte "nur zu" durch die Worte "nicht unter" zu ersetzen, ist unzulässig:
Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen im Wege ihrer Aufhebung oder durch den Ausspruch, dass die angefochtenen Gesetzesbestimmungen verfassungswidrig waren. Zur Entscheidung über einen auf Art140 B-VG gestützten, an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Antrag, der den Ersatz einer Regelung durch eine andere begehrt, ist der Verfassungsgerichtshof daher offenbar unzuständig. Ein solcher Antrag ist daher zurückzuweisen.
3. Hinsichtlich des Hauptbegehrens, §38 TabMG zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben, kann den Anträgen zwar - da diese Bestimmung von den Novellen des TabMG nicht betroffen ist - mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, auf welche Gesetzesbestimmung sie sich beziehen; sie erweisen sich trotzdem als unzulässig:
In ihren Anträgen behaupten die Antragsteller ausschließlich die Verfassungswidrigkeit der im TabMG vorgesehenen unterschiedlich hohen Handelsspannen für Tabakwaren für Inhaber von Tabakfachgeschäften einerseits und Tabakverkaufsstellen andererseits. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Antragsteller beziehen sich daher keineswegs auf den gesamten Inhalt des §38 TabMG, insbesondere soweit dieser in seinen Abs1, 2, 5 und 6 allgemeine Vorschriften über die den Trafikanten zustehende Handelsspanne und ihre Berechnung umfasst. Fehlt es im Gesetzesprüfungsantrag an einer gemäß §62 Abs1 VfGG erforderlichen Darlegung der im Einzelnen gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesvorschrift ihrem ganzen Inhalt nach sprechenden Bedenken, so ist der Antrag zurückzuweisen (VfSlg. 12.464/1990, 13.140/1992, 13.916/1994).
Soweit die Anträge daher undifferenziert die Aufhebung des gesamten §38 TabMG begehren, sind sie mangels gehöriger Darlegung darauf bezogener Bedenken zurückzuweisen.
4. Die Eventualanträge, die Wortfolge "für Inhaber von Tabakfachgeschäften" in Abs3 des §38 TabMG als verfassungswidrig aufzuheben, sind aus folgenden Gründen unzulässig:
Die Wortfolge "für Inhaber von Tabakfachgeschäften" in Abs3 des §38 TabMG legt ausschließlich die Handelsspanne für diese Personengruppe fest. Adressaten dieser Bestimmung sind nur Inhaber von Tabakfachgeschäften. Inhaber von Tabakverkaufsstellen sind hingegen in ihrer Rechtssphäre davon nicht betroffen. Eine (möglicherweise) durch diese Regelung bewirkte wirtschaftliche Betroffenheit der Antragsteller ist nicht geeignet, die Zulässigkeit eines Antrages nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG zu begründen.
III. Die Eventualanträge, §38 Abs4 TabMG als verfassungswidrig aufzuheben, sind hingegen zulässig:
1. Wie schon dargelegt, ist den Anträgen betreffend §38 TabMG mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen (vgl. VfSlg. 14.077/1995), dass sie sich auf die Stammfassung des Gesetzes, BGBl. 830/1995, beziehen.
2. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht.
3. Die Antragsteller als Inhaber von Tabakverkaufsstellen dürfen Tabakerzeugnisse gemäß §36 Abs9 TabMG nur von Großhändlern zu den Lieferpreisen gemäß §8 Abs5 leg.cit. beziehen. Dieser Lieferpreis errechnet sich gemäß §8 Abs5 TabMG aus dem Kleinverkaufspreis vermindert um die jeweilige Handelsspanne gemäß §38 TabMG, die dem Tabakfabrikanten gemäß §8 Abs6 TabMG zusteht. Die den Inhabern von Tabakverkaufsstellen zustehende Handelsspanne wird im Abs4 des §38 TabMG für die einzelnen Tabakwaren in einem Prozentsatz des Nettopreises festgelegt. Diese Regelung der Handelsspanne im eingangs wiedergegebenen §38 Abs4 TabMG greift unmittelbar in die Vertragsfreiheit und damit in die Rechtssphäre der Inhaber von Tabakverkaufsstellen ein und wird für diese ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides wirksam.
4. Die Antragsteller sind auch mit ihrer Auffassung im Recht, dass ihnen kein zumutbarer Rechtsweg zur Verfügung steht, die Frage der Verfassungsmäßigkeit des §38 Abs4 TabMG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Entgegen der Auffassung der Bundesregierung bildet nämlich die die Handelsspanne für den Verkauf von Tabakwaren normierende Vorschrift des §38 Abs4 TabMG keine Rechtsgrundlage eines zivilgerichtlichen Verfahrens, in dem ein Trafikant die Monopolverwaltung GmbH auf Abänderung seines Bestellungsvertrages klagt.
Aber auch eine zivilgerichtliche Klage eines Inhabers einer Tabakverkaufsstelle auf Herabsetzung des sich unter Berücksichtigung der jeweiligen Handelsspanne errechnenden Lieferpreises in §8 Abs5 TabMG gegenüber dem Großhändler scheidet als zumutbarer Weg zur Abwehr des vermeintlich verfassungswidrigen Eingriffes aus, zumal der Rechtsgrund der Zahlungsverpflichtung des Tabakverkaufsstelleninhabers dessen Vertrag mit dem Großhändler und nicht das TabMG ist.
IV. In der Sache hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:
1. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 15.509/1999 anlässlich der Prüfung des §40 Abs3 TabMG feststellte, beschränkt sich die Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofes nach ständiger Rechtsprechung auf die konkret angefochtenen gesetzlichen Vorschriften und die hiezu in der Anfechtungsschrift vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch VfSlg. 9185/1981, 13.335/1993 mwH). Es geht hier nicht um das System des Tabakwarenhandels in seiner Ausprägung nach dem TabMG, weshalb sich die Prüfung im vorliegenden Fall auf die unterschiedliche Handelsspanne bei Inhabern von Tabakverkaufsstellen im Vergleich zu Inhabern von Tabakfachgeschäften zu beschränken hat.
2. Der von den Antragstellern behauptete Verstoß des §38 TabMG gegen die bundesstaatliche Kompetenzverteilung trifft nicht zu. Da der vom Bundesverfassungsgesetzgeber aufgehobene Art54 B-VG lediglich die verfassungsrechtliche Grundlage für die Mitwirkung des Nationalrats an einem Akt der Vollziehung, nämlich der Festsetzung der Endverkaufspreise von Monopolgegenständen bildete, kam dieser Verfassungsvorschrift keine spezifisch kompetenzrechtliche Bedeutung zu. Art10 Abs1 Z4 B-VG ("Bundesfinanzen, insbesondere öffentliche Abgaben, die ausschließlich oder teilweise für den Bund einzuheben sind; Monopolwesen") wurde demgemäß in seiner kompetenzrechtlichen Bedeutung durch die Beseitigung des Art54 B-VG keineswegs verändert. Da die Regelung der Handelsspanne für Tabakwaren in Zusammenhang mit der Errichtung des Einzelhandelsmonopols steht und auch in Zusammenhang mit tabaksteuerlichen Vorschriften zu sehen ist, weil der Kleinverkaufspreis die Bemessungsgrundlage für die Tabaksteuer bildet, stützt sich die von den Antragstellern angefochtene gesetzliche Regelung über die Handelsspannen zweifelsfrei auf Art10 Abs1 Z4 B-VG.
3. Die unterschiedliche Handelsspanne für Tabakverkaufsstelleninhaber einerseits und Tabakfachgeschäftsinhaber andererseits entspricht dann dem Gleichheitssatz, wenn sachliche Gründe dafür ins Treffen geführt werden können und die Regelung in diesem Sinne sachlich gerechtfertigt ist. Sachlich gerechtfertigt ist die unterschiedliche Handelsspanne nur dann, wenn die rechtliche und die dementsprechende wirtschaftliche Position der Inhaber von Tabakfachgeschäften derart von Inhabern von Tabakverkaufsstellen abweicht, dass die höhere Handelsspanne der Tabakfachgeschäftsinhaber bzw. die niedrigere Handelsspanne der Tabakverkaufsstelleninhaber daraus zu rechtfertigen ist.
Gemäß §23 Abs2 TabMG ist ein Tabakfachgeschäft eine Tabaktrafik, die ausschließlich Tabakerzeugnisse oder neben Tabakerzeugnissen andere, im Gesetz ausdrücklich angeführte Waren nur in einem solchen Umfang führt, dass der Charakter des Tabakfachgeschäftes gewahrt bleibt. Andere Tabaktrafiken als Tabakfachgeschäfte gelten gemäß §23 Abs4 TabMG als Tabakverkaufsstellen. Als Tabakfachgeschäfte dürfen gemäß §25 Abs5 nur solche Trafiken ausgeschrieben werden, "aus deren Erträgnissen voraussichtlich der Lebensunterhalt eines Trafikbewerbers bestritten werden kann". Wie aus §34 Abs4 Z3 iVm Z7 TabMG hervorgeht, ist eine Tabakverkaufsstelle regelmäßig in Verbindung mit einem Gewerbe, das im Bestellungsvertrag zu benennen ist, zu führen.
Zusätzlich ist zu beachten, dass auf Grund der sozialpolitischen Zielsetzungen des TabMG bei der Vergabe von Tabaktrafiken gemäß §29 TabMG Begünstigten nach dem Opferfürsorge-, dem Kriegsopfer- und dem Heeresversorgungsgesetz und deren Hinterbliebenen sowie den Begünstigten nach dem Behinderteneinstellungsgesetz "Vorzugsrechte" eingeräumt wurden. Wie den Materialien zum TabMG (vgl. BlgNR 390, 19. GP, S 1) zu entnehmen ist, wird auf diese Weise den im wirtschaftlichen Leben benachteiligten Personen durch die Bestellung zum Tabaktrafikanten oft erst die Gründung einer eigenständigen materiellen Existenz und die Ausübung eines Berufes ermöglicht. Dies setzt aber, da das Tabakfachgeschäft nicht in Verbindung mit einem anderen Gewerbe geführt wird, voraus, dass die wirtschaftliche Existenz des Inhabers des Tabakfachgeschäftes aus dessen Erlösen allein gesichert ist. Wie die Bundesregierung in ihrer Äußerung ausführt, sind etwa 36 % der Inhaber der rund 3.100 Tabakfachgeschäfte in Österreich vorzugsberechtigt.
Nach dem Konzept des TabMG sollen so hin zum Zweck der Sicherung der Nahversorgung mit Tabakwaren grundsätzlich Tabakfachgeschäfte eingerichtet werden, die im Wesentlichen den Lebensunterhalt des Trafikinhabers aus dem Verkauf von Tabakwaren allein bestreiten lassen. Zusätzliche Tabakverkaufsstellen sollen im Interesse der Nahversorgung nur dort errichtet werden, wo kein hinreichender Ertrag für ein Tabakfachgeschäft zu erwarten ist und der Tabakwareneinzelhandel sohin lediglich eine zusätzliche Einnahmequelle zu sonstiger gewerblicher (insbesondere Lebensmittelhandels-)Tätigkeit bildet. Tabakfachgeschäftsinhaber haben im Gegensatz zu Tabakverkaufsstelleninhabern keine Möglichkeit, ihren Geschäftsbetrieb und ihren Umsatz durch den Handel mit anderen als Tabakwaren zu erweitern und derart ihre wirtschaftliche Existenz sicherzustellen.
Angesichts der dargestellten rechtlichen und wirtschaftlichen Situation erscheint es sachlich gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber den Inhabern von Tabakfachgeschäften im Vergleich zu Inhabern von Tabakverkaufsstellen höhere Handelsspannen für Tabakwaren eingeräumt hat. Während die - normalen - Handelsspannen für Tabakverkaufsstellen in Anbetracht des Umstandes des üblicherweise weit über Tabakwaren hinausreichenden Warenumsatzes gerechtfertigt sind, bedürfen Tabakfachgeschäfte einer höheren Handelsspanne für Tabakwaren, weil im Wesentlichen allein aus deren Verkauf die wirtschaftliche Existenz der Tabakfachgeschäftsinhaber - nicht zuletzt auch aus den geschilderten sozialpolitischen Gründen - abgesichert werden sollte.
Unsachlich und daher gleichheitswidrig wird diese gesetzliche Regelung einer unterschiedlichen Handelsspanne für Tabakfachgeschäfte und Tabakverkaufsstellen auch nicht durch die Möglichkeit, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Abschluss des Bestellungsvertrages derart ändern, dass von einer Tabakverkaufsstelle entgegen den ursprünglichen wirtschaftlichen Erwartungen im Wesentlichen Tabakwaren umgesetzt werden. Denn zum einen trägt der Inhaber der Tabakverkaufsstelle selbst das wirtschaftliche Risiko dafür, dass und in welchem Umfang er im Rahmen seiner Gewerbeberechtigung über den Tabakwarenumsatz hinaus weitere wesentliche Umsätze tätigt; und zum anderen wäre nach Kündigung des Bestellungsvertrages durchaus die Möglichkeit gegeben - soweit dies in Betracht kommt -, die Tabakverkaufsstelle in ein Tabakfachgeschäft umzuwandeln, das freilich zur Besetzung neuerlich öffentlich auszuschreiben und unter Wahrung der Vorzugsrechte zu besetzen wäre.
Was schließlich die von den Antragstellern behauptete Benachteiligung des Geschäftsnachfolgers einer Tabakverkaufsstelle im Vergleich zum Geschäftsnachfolger eines Tabakfachgeschäftes anlangt, so kann hier dahingestellt bleiben, ob dieser Nachteil, den die Bundesregierung in ihrer Äußerung bestreitet, überhaupt besteht, denn die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Bedenken richten sich nicht gegen die angefochtene Bestimmung des §38 Abs4 TabMG.
Die angefochtene Bestimmung des Abs4 des §38 TabMG widerspricht sohin insgesamt jedenfalls aus den von den Antragstellern vorgetragenen Gründen nicht dem Gleichheitssatz.
4. Die Antragsteller sehen ferner in der gesetzlichen Verpflichtung der Großhändler, den Inhabern von Tabakverkaufsstellen "einen höheren Lieferpreis zu berechnen als dem Inhaber eines Tabakfachgeschäftes" einen verfassungswidrigen Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art6 StGG. Nach Auffassung der Antragsteller ist der Zweck des §38 TabMG "die Verhinderung einer freien Konkurrenzsituation zwischen Tabaktrafikanten", wobei aber der Konkurrenzschutz schon "[a]uf Grund des Gebietsschutzes und des Umstandes, daß die Kleinverkaufspreise für Tabakfachgeschäfte und Tabakverkaufsstellen dieselben" seien, verwirklicht würde.
Der Verfassungsgerichtshof stimmt den Antragstellern zu, dass die Festsetzung einer Handelsspanne für Tabakverkaufsstellen in das gemäß Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung der Inhaber jener Tabaktrafiken eingreift. Der Gerichtshof ist jedoch der Meinung, dass im Wesentlichen bereits aus den im Zusammenhang mit dem Gleichheitssatz angestellten Überlegungen (oben Pkt. IV. 3.) ersichtlich ist, dass die gesetzliche Festlegung der nur die Kehrseite der niedrigeren Handelsspanne für Tabakverkaufsstellen bildenden höheren Handelsspanne für die Inhaber von Tabakfachgeschäften im öffentlichen Interesse gelegen ist und im Sinne der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 15.509/1999 mwH) ein zur Verfolgung dieses Interesses taugliches und adäquates Mittel darstellt.
V. Die von den Antragstellern vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Abs4 des §38 TabMG treffen sohin nicht zu. Die Anträge auf Aufhebung dieser Bestimmung waren daher abzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita und e sowie Abs4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Erwerbsausübungsfreiheit, Kompetenz Bund - Länder, Monopolwesen, Tabakmonopol, VfGH / Antrag, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Individualantrag, VfGH / ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:G71.2001Dokumentnummer
JFT_09979070_01G00071_00