Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef M*****, vertreten durch Dr. Karl König, Rechtsanwalt in Klosterneuburg, gegen die beklagten Parteien 1) Dr. Franz E*****, und 2) Edith E*****, beide *****, vertreten durch Dr. Werner Masser, Dr. Ernst Grossmann, Dr. Eduard Klinsbigl, Dr. Robert Lirsch und Mag. Florian Masser, Rechtsanwälte in Wien, wegen Herausgabe (Streitwert 48.472,09 EUR [= 666.990,46 S] sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25. Februar 2002, GZ 11 R 209/01p-27, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der beklagten Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 943 ABGB erwächst dem Geschenknehmer aus einem bloß mündlichen, ohne wirkliche Übergabe geschlossenen Schenkungsvertrag kein Klagerecht. Nur Schenkungen ohne wirkliche Übergabe bedürfen zu ihrer Gültigkeit eines Notariatsakts. "Wirkliche Übergabe" liegt vor, wenn neben dem Schenkungsvertrag ein anderer, von diesem verschiedener und als Übergabe erkennbarer Akt gesetzt wird, der nach außen in Erscheinung tritt und geeignet ist, dem Willen des Geschenkgebers Ausdruck zu verleihen, das Schenkungsobjekt aus dessen Gewahrsame in die des Beschenkten zu übertragen. Der Ausdruck "wirkliche Übergabe" bedeutet nichts anderes als das Gegenteil der bloßen Zusicherung oder des bloßen Schenkungsversprechens. Welche Zeichen zu einer wirklichen Übergabe von Forderungen ausreichen, ist nach den Umständen des einzelnen Falls und dem Zweck, den Zuwender vor übereilten Entschließungen zu schützen, zu beurteilen (JBl 2001, 313; 1 Ob 169/98d; NZ 1998, 246; EvBl 1982/137; Schubert in Rummel ABGB3 Rz 1 zu § 943 mwN).
Für ein Wertpapierdepot kann nichts anderes gelten als für ein deponiertes Sparbuch. Bei einem solchen wurde vom Obersten Gerichtshof bereits judiziert, dass wirkliche Übergabe im Sinne des § 943 ABGB vorliege, wenn der Hinterlegungsschein des deponierten Sparbuchs ausgefolgt, das Losungswort mitgeteilt und eine Vollmacht erteilt wird, die den Beschenkten zur Behebung des bei der Bank hinterlegten Sparbuchs berechtigt (ÖBA 1992, 746). Gleiches judizierte der OGH zu Wertpapieren, die sich in der Gewahrsame eines Dritten befinden: Dabei muss der Gegenstand der Schenkung nach außen erkennbar in die alleinige Verfügungsmacht des Geschenknehmers übergehen und dieser dadurch in die Lage versetzt werden, über die geschenkte Sache frei und ausschließlich zu verfügen (EvBl 1982/137; vgl SZ 54/51; SZ 39/140; SZ 22/27). Wenn nun - wie festgestellt - Verfügungen über das Wertpapierkonto unter Vorlage des Wertpapierbons bei gleichzeitiger Bekanntgabe des Losungswortes möglich waren, der Wertpapierbon dem Kläger in Schenkungsabsicht übergeben wurde und ihm das Losungswort bekannt war (Seite 7 f des Ersturteils), dann kann kein Zweifel daran bestehen, dass die in § 943 ABGB normierte "wirkliche Übergabe" im Sinne der oben zitierten Judikatur des Obersten Gerichtshofs erfolgt ist. Ob ein Dritter die Schenkung erkannt hat, ist nicht wesentlich, denn das Gesetz verlangt lediglich einem zum Schenkungsversprechen hinzutretenden sinnfälligen, nach außen hin erkennbaren Akt, aus dem der ernstliche Wille des Schenkers hervorgeht, den Gegenstand der Schenkung aus seiner Gewahrsame sogleich in die des Beschenkten zu übertragen (EvBl 1982/137; SZ 54/51 uva). Aus den von den Vorinstanzen festgestellten "nachfolgenden Rechtshandlungen" der an der Schenkung Beteiligten ergibt sich kein "Abgehen" von dieser Schenkung. Dass im Bevollmächtigungsvertrag vom 3. 4. 1997, mit dem dem Kläger die Verwaltung des Wertpapierbons aufgetragen wurde, nicht auf die stattgefundene Schenkung Bezug genommen wurde, hatte nämlich seinen Grund darin, dass die Schenkung gegenüber dem Erstbeklagten geheim gehalten und die Rolle des Klägers nicht öffentlich kundgemacht werden sollte (Seite 11 Ersturteil und Seite 12 Berufungsurteil). Die diesbezüglichen Ausführungen der Vorinstanzen sind logisch einwandfrei.Für ein Wertpapierdepot kann nichts anderes gelten als für ein deponiertes Sparbuch. Bei einem solchen wurde vom Obersten Gerichtshof bereits judiziert, dass wirkliche Übergabe im Sinne des § 943 ABGB vorliege, wenn der Hinterlegungsschein des deponierten Sparbuchs ausgefolgt, das Losungswort mitgeteilt und eine Vollmacht erteilt wird, die den Beschenkten zur Behebung des bei der Bank hinterlegten Sparbuchs berechtigt (ÖBA 1992, 746). Gleiches judizierte der OGH zu Wertpapieren, die sich in der Gewahrsame eines Dritten befinden: Dabei muss der Gegenstand der Schenkung nach außen erkennbar in die alleinige Verfügungsmacht des Geschenknehmers übergehen und dieser dadurch in die Lage versetzt werden, über die geschenkte Sache frei und ausschließlich zu verfügen (EvBl 1982/137; vergleiche SZ 54/51; SZ 39/140; SZ 22/27). Wenn nun - wie festgestellt - Verfügungen über das Wertpapierkonto unter Vorlage des Wertpapierbons bei gleichzeitiger Bekanntgabe des Losungswortes möglich waren, der Wertpapierbon dem Kläger in Schenkungsabsicht übergeben wurde und ihm das Losungswort bekannt war (Seite 7 f des Ersturteils), dann kann kein Zweifel daran bestehen, dass die in § 943 ABGB normierte "wirkliche Übergabe" im Sinne der oben zitierten Judikatur des Obersten Gerichtshofs erfolgt ist. Ob ein Dritter die Schenkung erkannt hat, ist nicht wesentlich, denn das Gesetz verlangt lediglich einem zum Schenkungsversprechen hinzutretenden sinnfälligen, nach außen hin erkennbaren Akt, aus dem der ernstliche Wille des Schenkers hervorgeht, den Gegenstand der Schenkung aus seiner Gewahrsame sogleich in die des Beschenkten zu übertragen (EvBl 1982/137; SZ 54/51 uva). Aus den von den Vorinstanzen festgestellten "nachfolgenden Rechtshandlungen" der an der Schenkung Beteiligten ergibt sich kein "Abgehen" von dieser Schenkung. Dass im Bevollmächtigungsvertrag vom 3. 4. 1997, mit dem dem Kläger die Verwaltung des Wertpapierbons aufgetragen wurde, nicht auf die stattgefundene Schenkung Bezug genommen wurde, hatte nämlich seinen Grund darin, dass die Schenkung gegenüber dem Erstbeklagten geheim gehalten und die Rolle des Klägers nicht öffentlich kundgemacht werden sollte (Seite 11 Ersturteil und Seite 12 Berufungsurteil). Die diesbezüglichen Ausführungen der Vorinstanzen sind logisch einwandfrei.
2. Ein Insichgeschäft liegt dann vor, wenn der Vertreter selbst kontrahiert, also ein Geschäft für den Vertretenen mit sich selbst abschließt. Grundsätzlich sind solche Insichgeschäfte unzulässig; ihre Zulässigkeit ist lediglich insoweit zu bejahen, als keine Interessenkollision droht (SZ 71/27). Ein Insichgeschäft liegt aber nicht vor. Der Wertpapierbon war im Zuge der Errichtung des Wertpapierkontos dem Kläger übergeben worden, also nicht der Depotbank (Seite 7 des Ersturteils). Es ist feststellungsfremd, dass der Kläger als Vertreter der Depotbank diesen Wertpapierbon der Geschenkgeberin überbracht hätte (so Seite 5 der Revision). Er gab vielmehr persönlich den Bon der Geschenkgeberin zurück, die ihm dieser aber abermals in Schenkungsabsicht aushändigte (Seite 8 des Ersturteils). Ebenso war der Kläger im Rahmen der Schenkung nicht als Vertreter der Geschenkgeberin tätig, hat doch diese die Schenkung an ihn bewirkt. Von einem Insichgeschäft kann sohin nicht die Rede sein.
3. Dafür, dass der Kläger seine Vertrauensposition ausgenützt hätte, mangelt es an jeglichem Feststellungssubstrat. Der Kläger hat der Wertpapierbon der Geschenkgeberin keineswegs deshalb überbracht, um eine Schenkung zu erwirken, sondern er wollte diese ihm schriftlich bereits mitgeteilte Schenkung ursprünglich nicht annehmen (Seite 8 des Ersturteils). Dass er die Schenkung dem Erstbeklagten gegenüber verheimlichte, hatte Gründe, auf die die Vorinsatnzen ausführlich eingegangen sind. Nicht jede Frage der Sittenwidrigkeit stellt sich als erhebliche Rechtsfrage dar (9 Ob 38/00d). Das Vorliegen einer Sittenwidrigkeit wurde im konkreten Fall logisch einwandfrei zu Recht verneint, ein durch die vom Obersten Gerichtshof entwickelten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit noch nicht ausjudizierter Zweifelsfall liegt nicht vor (vgl 3 Ob 1503/90).3. Dafür, dass der Kläger seine Vertrauensposition ausgenützt hätte, mangelt es an jeglichem Feststellungssubstrat. Der Kläger hat der Wertpapierbon der Geschenkgeberin keineswegs deshalb überbracht, um eine Schenkung zu erwirken, sondern er wollte diese ihm schriftlich bereits mitgeteilte Schenkung ursprünglich nicht annehmen (Seite 8 des Ersturteils). Dass er die Schenkung dem Erstbeklagten gegenüber verheimlichte, hatte Gründe, auf die die Vorinsatnzen ausführlich eingegangen sind. Nicht jede Frage der Sittenwidrigkeit stellt sich als erhebliche Rechtsfrage dar (9 Ob 38/00d). Das Vorliegen einer Sittenwidrigkeit wurde im konkreten Fall logisch einwandfrei zu Recht verneint, ein durch die vom Obersten Gerichtshof entwickelten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit noch nicht ausjudizierter Zweifelsfall liegt nicht vor vergleiche 3 Ob 1503/90).
4. Es ist irrelevant, ob der Kläger nach der Schenkung Verfügungen über das Wertpapierdepot getroffen hat, hat doch eine "wirkliche Übergabe" im Sinne des § 943 - wie zuvor ausgeführt - stattgefunden. In welcher Weise über das Wertpapierdepot verfügt werden konnte, haben die Vorinstanzen klar dargelegt (Seite 7 des Ersturteils), ebenso dass eine Verfügung über das Wertpapierkonto allein mit der Empfangsbestätigung und dem Losungswort nicht möglich war (Seite 8 des Ersturteils). Die Feststellungen sind eindeutig so zu verstehen, dass dem Kläger das Wertpapierdepot als solches geschenkt wurde und dass er unbeschränkt über dieses Depot verfügungsberechtigt war. Ob er die von ihm übernommenen Auflagen (Erbringung von Pflegeleistungen) jemals erfüllt hat, ist irrelevant, denn die Erfüllung dieser Auflagen können nicht die Beklagten einfordern. Im Übrigen ist die Geschenkgeberin bereits am 12. 12. 1997 verstorben, also etwa eineinhalb Jahre nach der Schenkung, sodass eine erhebliche "Pflegeleistung" vom Kläger wohl nicht zu erbringen war.
5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E65916European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:0010OB00115.02X.0611.000Im RIS seit
11.07.2002Zuletzt aktualisiert am
14.02.2011