TE OGH 2002/6/11 Bsw36042/97

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Veröffentlicht am 11.06.2002
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Kopf

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer IV, Beschwerdesache Willis gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 11.6.2002, Bsw. 36042/97.Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer römisch IV, Beschwerdesache Willis gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 11.6.2002, Bsw. 36042/97.

Spruch

Art. 14 EMRK, Art. 1 1. ZP EMRK - Geschlechterspezifische Diskriminierung im Sozialrecht.Artikel 14, EMRK, Artikel eins, 1. ZP EMRK - Geschlechterspezifische Diskriminierung im Sozialrecht.

Verletzung von Art. 14 EMRK iVm. Art. 1 1. ZP EMRK (einstimmig).Verletzung von Artikel 14, EMRK in Verbindung mit Artikel eins, 1. ZP EMRK (einstimmig).

Entschädigung nach Art. 41 EMRK: GBP 25.000,- für materiellen Schaden, GBP 12.500,- für Kosten und Auslagen (einstimmig).Entschädigung nach Artikel 41, EMRK: GBP 25.000,- für materiellen Schaden, GBP 12.500,- für Kosten und Auslagen (einstimmig).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Die Ehegattin des Bf. verstarb im Juni 1996. Sie war bis 1994 berufstätig und leistete den überwiegenden Beitrag zum Familieneinkommen. Der Bf. gab seine Anstellung auf, um seine Frau zu pflegen bzw. um sich um die Kinder zu kümmern. Nach dem Tod seiner Gattin stellte er einen Antrag auf Gewährung jener Beihilfen, die einer Witwe in seiner Situation zugestanden wären. Sein Antrag wurde abgelehnt, weil die entsprechenden Beihilfen nur für Witwen, nicht aber für hinterbliebene Ehemänner gesetzlich vorgesehen waren. Das dagegen erhobene Rechtsmittel blieb erfolglos.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Der Bf. behauptet, die Verweigerung der Beihilfen, auf die er als Frau in einer vergleichbaren Situation einen Anspruch gehabt hätte, stelle eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts dar und verstoße damit gegen Art. 14 (Diskriminierungsverbot) iVm. Art. 1Der Bf. behauptet, die Verweigerung der Beihilfen, auf die er als Frau in einer vergleichbaren Situation einen Anspruch gehabt hätte, stelle eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts dar und verstoße damit gegen Artikel 14, (Diskriminierungsverbot) in Verbindung mit Artikel eins,

1. ZP EMRK (Recht auf Achtung des Eigentums).

Zur Anwendbarkeit von Art. 14 iVm. Art. 1 1.ZP EMRK:Zur Anwendbarkeit von Artikel 14, in Verbindung mit Artikel eins, 1.ZP EMRK:

Der Anspruch auf Witwenbeihilfe ist ein vermögenswertes Recht iSd. Art. 1 1.ZP EMRK. Dem Bf. wurde die Beihilfe aufgrund des Geschlechts verweigert, somit ist auch Art. 14 EMRK anwendbar.Der Anspruch auf Witwenbeihilfe ist ein vermögenswertes Recht iSd. Artikel eins, 1.ZP EMRK. Dem Bf. wurde die Beihilfe aufgrund des Geschlechts verweigert, somit ist auch Artikel 14, EMRK anwendbar.

Zur behaupteten Verletzung von Art. 14 iVm. Art. 1 1.ZP EMRK:Zur behaupteten Verletzung von Artikel 14, in Verbindung mit Artikel eins, 1.ZP EMRK:

Nach der st. Rspr. des GH ist eine unterschiedliche Behandlung diskriminierend, wenn sie keine sachliche Rechtfertigung aufweist, dh. kein legitimes Ziel verfolgt oder wenn sie unverhältnismäßig ist. Die Ehegattin des Bf. war während des überwiegenden Teils der Ehe unselbständig erwerbstätig und leistete exakt die gleichen Sozialabgaben wie ein Mann in ihrer Position. Ungeachtet dessen hatte der Bf. nach ihrem Tod nur einen Anspruch auf erheblich geringere Beihilfen, als er gehabt hätte, wäre er eine Frau.

Der GH stellt fest, dass die unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen bezüglich der Gewährung von Beihilfen für hinterbliebene Ehegatten keine sachliche Rechtfertigung aufweist. Verletzung von Art. 14 iVm. Art. 1 1.ZP EMRK (einstimmig).Der GH stellt fest, dass die unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen bezüglich der Gewährung von Beihilfen für hinterbliebene Ehegatten keine sachliche Rechtfertigung aufweist. Verletzung von Artikel 14, in Verbindung mit Artikel eins, 1.ZP EMRK (einstimmig).

Entschädigung nach Art. 41 EMRK:Entschädigung nach Artikel 41, EMRK:

GBP 25.000,-- für materiellen Schaden, GBP 12.500,-- für Kosten und Auslagen (einstimmig).

Vom GH zitierte Judikatur:

Gaygusuz/A v. 16.9.1996 (= NL 1996, 135 = ÖJZ 1996, 955).

Van Raalte/NL v. 21.2.1997 (= NL 1997, 49 = ÖJZ 1998, 117).

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 11.6.2002, Bsw. 36042/97, entstammt der Zeitschrift „ÖIMR-Newsletter" (NL 2002, 107) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/02_3/Willis.pdf

Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.

Anmerkung

EGM00395 Bsw36042.97-U

Dokumentnummer

JJT_20020611_AUSL000_000BSW36042_9700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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