TE OGH 2002/6/11 1Ob114/02z

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Veröffentlicht am 11.06.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Birgit H*****, geboren am *****, und der mj Petra H*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Josef H*****, vertreten durch Siemer-Siegl-Füreder & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 28. Februar 2002, GZ 20 R 204/01t-61, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Hollabrunn vom 16. November 2001, GZ 1 P 1362/95d-55, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 262/01z, § 12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 262/01z, § 12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in der Fassung BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erhöhte den vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhalt für die Zeit vom 1. 1. 1999 bis 31. 12. 1999 auf S 7.150 für die mj Birgit und auf S 7.950 für die mj Petra. Ab 1. 1. 2000 wurde der Vater zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von S 9.900 für Birgit und von S 11.000 für Petra verpflichtet. In der Entscheidungsbegründung führte das Gericht erster Instanz aus, dass die von der Mutter bezogene Familienbeihilfe bei der Unterhaltsbemessung nicht berücksichtigt werden könne, auch wenn der Verfassungsgerichtshof eine andere Ansicht vertrete, zumal dieses Höchstgericht keine "Oberbehörde" der (ordentlichen) Gerichte darstelle.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Auch das Rekursgericht erachtete sich im Rahmen einer Unterhaltsfestsetzung nicht an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs gebunden, zumal dessen Ansicht dem klaren Gesetzeswortlaut des § 12a FamLAG widerspreche. Die Familienbeihilfe solle nach dem Willen des Gesetzgebers zur Gänze dem Haushalt zukommen, in dem das Kind betreut werde, sie dürfe nicht auf die Unterhaltspflicht des geldunterhaltspflichtigen Elternteils angerechnet werden.

Gegen diesen Beschluss erhob der Vater Revisionsrekurs mit dem Antrag, ihn für die Zeit vom 1. 1. bis 31. 12. 1999 nur zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 446,94 EUR (= S 6.150) für Birgit und von 505,08 EUR (= S 6.950) für Petra zu verpflichten bzw den Unterhalt ab 1. 1. 2000 für Birgit mit 646,79 EUR (= S 8.900) monatlich und für Petra mit 726,73 EUR (= S 10.000) monatlich festzusetzen. Begründet wurde dieser Antrag ausschließlich damit, dass die Unterhaltspflicht auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00, zum Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung des Vaters reduziert werden müsse.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 20. 12. 2001, 6 Ob 262/01z, gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) beantragt, § 12a FamLAG 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Diesem Antrag sind weitere Anträge gefolgt, sodass schon derzeit zahlreiche Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind. Es ist anzunehmen, dass sich die Frage der Verfassungsgemäßheit des § 12a FamLAG noch in vielen Verfahren stellen wird, weil sich die in dieser Bestimmung verfügte Nichtberücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Bemessung des Geldunterhalts auswirkt. Nun hat der Verfassungsgerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG ausgesprochen, dass eine angefochtene und von ihm aufgehobene Gesetzesbestimmung nicht mehr anzuwenden sei (siehe unter anderem VfGH 1. 10. 2001, G 224/01). Es wäre eine unsachliche Verschiedenbehandlung, würde der Verfassungsgerichtshof im Falle der Aufhebung des § 12a FamLAG nicht aussprechen, dass sich die Anlassfallwirkung auch auf die rechtlich gleich gelagerten, bei den anfechtungsberechtigten Zivilgerichten anhängigen Rechtsmittelverfahren erstrecke. Ist aber von einer solchen Erstreckung der Anlassfallwirkung - die der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. 3. 2002, G 7/02-6, sogar ausdrücklich "in Aussicht genommen" hat - auszugehen, dann sind die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell, weil nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs eine Berücksichtigung der Familienbeihilfe im Rahmen der Unterhaltsfestsetzung an § 12a FamLAG scheitern muss (6 Ob 262/01z) und eine Unterhaltsbemessung im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00, nur nach Aufhebung dieser Norm möglich erscheint.Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 20. 12. 2001, 6 Ob 262/01z, gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) beantragt, § 12a FamLAG 1967 in der Fassung BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Diesem Antrag sind weitere Anträge gefolgt, sodass schon derzeit zahlreiche Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind. Es ist anzunehmen, dass sich die Frage der Verfassungsgemäßheit des § 12a FamLAG noch in vielen Verfahren stellen wird, weil sich die in dieser Bestimmung verfügte Nichtberücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Bemessung des Geldunterhalts auswirkt. Nun hat der Verfassungsgerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG ausgesprochen, dass eine angefochtene und von ihm aufgehobene Gesetzesbestimmung nicht mehr anzuwenden sei (siehe unter anderem VfGH 1. 10. 2001, G 224/01). Es wäre eine unsachliche Verschiedenbehandlung, würde der Verfassungsgerichtshof im Falle der Aufhebung des § 12a FamLAG nicht aussprechen, dass sich die Anlassfallwirkung auch auf die rechtlich gleich gelagerten, bei den anfechtungsberechtigten Zivilgerichten anhängigen Rechtsmittelverfahren erstrecke. Ist aber von einer solchen Erstreckung der Anlassfallwirkung - die der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. 3. 2002, G 7/02-6, sogar ausdrücklich "in Aussicht genommen" hat - auszugehen, dann sind die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell, weil nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs eine Berücksichtigung der Familienbeihilfe im Rahmen der Unterhaltsfestsetzung an § 12a FamLAG scheitern muss (6 Ob 262/01z) und eine Unterhaltsbemessung im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00, nur nach Aufhebung dieser Norm möglich erscheint.

Gemäß § 190 Abs 1 ZPO kann ein Rechtsstreit unterbrochen werden, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist oder das in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist. Eine derartige Unterbrechungsmöglichkeit ist weder bei einem vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen präjudiziellen Verfahren noch für das Außerstreitverfahren vorgesehen. Diese planwidrige Gesetzeslücke ist durch analoge Anwendung des § 190 ZPO zu schließen, weil diese Bestimmung die Verhinderung widersprechender Entscheidungen im Sinne der Einheit der Rechtsordnung bezweckt.

Das Verfahren über den Revisionsrekurs des Vaters ist daher bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Anfechtung des § 12a FamLAG zu unterbrechen. Die Fortsetzung des Verfahrens erfolgt von Amts wegen.

Textnummer

E65597

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0010OB00114.02Z.0611.000

Im RIS seit

11.07.2002

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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