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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §73 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, in der Beschwerdesache des SS in W, geboren 1980, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bundesminister für Inneres wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Mit der vorliegenden, am 9. Juni 2005 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Beschwerde macht der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) mit dem Vorbringen geltend, der Beschwerdeführer habe gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 12. Mai 2004, mit welchem gegen ihn ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen worden sei, am 18. Mai 2004 Berufung erhoben. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien habe darüber bis zum 2. Dezember 2004 nicht entschieden. Deshalb habe er an diesem Tag bei der belangten Behörde einen Devolutionsantrag eingebracht. Über diesen bzw. über seine Berufung sei bis zum Tag der Beschwerdeeinbringung ebenfalls nicht entschieden worden.
2. Zur Bescheinigung dieses Vorbringens legte der Vertreter des Beschwerdeführers jeweils in Kopie den Devolutionsantrag vom 2. Dezember 2004 an die belangte Behörde sowie einen kanzleiinternen "Auszug aus der Portoliste Dezember 2004" vor.
Dieser Portoliste sind unter anderem folgende Eintragungen zu entnehmen:
"Datum
Klient
Gegner
Betrag
02.12.2004
(Beschwerdeführer)
NLNW
0,55
02.12.2004
(Beschwerdeführer)
NLNW
0,55"
Mit Stellungnahme vom 12. November 2006 brachte die belangte Behörde vor, dass der Devolutionsantrag "weder in der ho. Abteilung eingegangen ist, noch - wie entsprechende weiterführende Nachforschungen ergeben haben - Anhaltspunkte vorliegen, dass ein solcher in einer anderen Organisationseinheit des BM. I. eingelangt war." Eine Durchsicht des Aktes der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien habe ebenfalls ergeben, dass kein derartiger Antrag eingetroffen sei. Es müsse davon ausgegangen werden, dass kein Devolutionsantrag erhoben worden sei, weshalb keine Säumnis der belangten Behörde habe eintreten können. Bemerkt werde, dass der Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes eingebracht habe.
Mit Note vom 17. November 2006 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, dazu, insbesondere zum behaupteten Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes, der den Eintritt der Rechtskraft des Aufenthaltsverbotsbescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 12. Mai 2004 vorauszusetzen scheine, eine Stellungnahme abzugeben.
In der Äußerung vom 27. November 2006 führte der Beschwerdeführer aus, dass er die zuständige Referentin im Bundesministerium für Inneres mit e-mail vom 28. April 2005 kontaktiert habe, "um eine ehebaldigste Aufhebung des Aufenthaltsverbotes zu erreichen". Er habe am 20. März 2006 bei der Bundespolizeidirektion Wien "neuerlich" den Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gestellt. Dies mit der Überlegung, dass die Verwaltungsbehörde gemäß § 68 Abs. 2 AVG im Stande sei, Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen sei, aufzuheben oder abzuändern.
Mit hg. Verfügung vom 14. Dezember 2006 wurde der Beschwerdeführer ergänzend aufgefordert, die behauptete Einbringung des schriftlichen Devolutionsantrages bei der belangten Behörde (§ 73 Abs. 2 AVG) nachzuweisen. Dies unter Hinweis darauf, dass sich der erwähnten Portoliste lediglich eine Frankierung von zwei den Beschwerdeführer betreffenden Briefen in Sachen "NLNW" entnehmen lasse.
Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2006 verwies der Beschwerdeführer nochmals auf die Eintragung im erwähnten Portobuch. Der "nicht eingeschriebene Brief" sei am 2. Dezember 2004 zur Post gebracht worden. Die Bezeichnung "NLNW" sei die kanzleiinterne Abkürzung für "Niederlassungsnachweis". Der Vertreter des Beschwerdeführers habe bereits "etliche Devolutionsanträge an das BMI gestellt", welche dort immer angekommen seien. Er habe keine Veranlassung gesehen, gerade den gegenständlichen Devolutionsantrag per "Einschreiben" an die belangte Behörde zu übermitteln. Das genannte e-mail vom 28. April 2005 sei bisher nicht beantwortet worden. Es sei "daher davon auszugehen, dass mein Devolutionsantrag zwar beim BMI eingelangt sein musste, aber nicht innerhalb der gesetzlichen Frist eine Entscheidung gefällt wurde."
3.1. Gemäß § 27 erster Satz VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Weg eines Antrags auf Übergang der Entscheidungspflicht, oder der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Weg eines Antrags auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine kürzere oder längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat.
Demnach setzt die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde voraus, dass der Beschwerdeführer die höchste sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Weg eines Antrages gemäß § 73 Abs. 2 AVG angerufen hat.
3.2. Der Verwaltungsgerichtshof geht vorliegend davon aus, dass eine solche Anrufung nicht erfolgt ist. Es liegt zwar ein Devolutionsantrag vom 2. Dezember 2004 in Kopie vor, der Beschwerdeführer vermochte jedoch nicht den Nachweis zu erbringen, dass dieser Devolutionsantrag tatsächlich bei der belangten Behörde eingebracht worden ist. Das liegt zum einen daran, dass - folgt man den Behauptungen des Beschwerdeführers - der Devolutionsantrag lediglich auf dem normalen Postweg, also nicht eingeschrieben, übermittelt worden sein soll, womit ein Verlust des Poststückes vor Einlangen bei der belangten Behörde nicht ausgeschlossen und der Behauptung der belangten Behörde, es sei kein derartiger Antrag eingelangt, nicht entgegen getreten werden kann. Auch aus dem Umstand, dass die belangte Behörde auf ein die beantragte Aufhebung des Aufenthaltsverbotes betreffendes e-mail des Vertreters des Beschwerdeführers nicht regiert hat, lässt sich nicht auf die erfolgte Einbringung des Devolutionsantrages schließen. Der Verwaltungsgerichtshof kann darüber hinaus aber nicht einmal die Feststellung treffen, dass der besagte Devolutionsantrag tatsächlich zur Post gegeben wurde, denn der vom Beschwerdeführer vorgelegten "Portoliste" lässt sich lediglich entnehmen, dass am 2. Dezember 2004 zwei den Beschwerdeführer betreffende Briefe, die jeweils mit einem Niederlassungsnachweis (und sohin nicht mit dem hier gegenständlichen Aufenthaltsverbot) zu tun hatten, zur Post gegeben worden sind.
3.3. Da vorliegend der Beschwerdeführer von der Möglichkeit, die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, an die durch Devolution die Zuständigkeit zur Entscheidung übergeht, nämlich den Bundesminister für Inneres, anzurufen, keinen Gebrauch gemacht hat, liegt Säumnis im Sinn des Art. 132 B-VG und des § 27 VwGG nicht vor.
4. Die vorliegende Säumnisbeschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.
Wien, am 13. März 2007
Schlagworte
Allgemein Anrufung der obersten Behörde Offenbare Unzuständigkeit des VwGH DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005180217.X00Im RIS seit
19.06.2007