TE Vfgh Beschluss 2002/9/30 G204/02

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Veröffentlicht am 30.09.2002
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6845 Forst, Wald

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Bgld G über die Aufforstung von Nichtwaldflächen §2

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrages auf Aufhebung einer Bestimmung über Auflagen zum Schutz landwirtschaftlicher Grundstücke bei Erteilung einer Bewilligung zur Aufforstung von Grundstücken wegen zumutbaren Verwaltungsweges

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1.1. Der Antragsteller begehrt gestützt auf Art140 B-VG, "den §2 des burgenländischen Landesgesetzes LGBl. 1989/17 als verfassungswidrig aufzuheben".

1.2. Die §§1, 2 und 3 des Gesetzes vom 24. November 1988 über die Aufforstung von Nichtwaldflächen, LGBl. Nr. 17/1989 lauten (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"§1

(1) Grundstücke, die nach ihrer Beschaffenheit oder der Art ihrer tatsächlichen Verwendung der landwirtschaftlichen Nutzung gewidmet sind, und Grundstücke, die an solche Grundstücke angrenzen, dürfen nur mit Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde aufgeforstet oder zur Anlage von Forstgärten, Forstsamenplantagen oder Christbaumkulturen verwendet werden. Ebenso bedarf die Duldung des natürlichen Anfluges (Naturverjüngung) auf diesen Flächen einer Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde.

(2) Den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegen nicht Maßnahmen der Wiederbewaldung und die Errichtung von Windschutzanlagen. Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten ferner nicht für Grundstücke, die den forstrechtlichen Vorschriften unterliegen. Im Zweifelsfall hat die Bezirksverwaltungsbehörde vor ihrer Entscheidung die forstbehördliche Feststellung zu veranlassen, ob diese Voraussetzung gegeben ist (§5 Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440).

§2

(1) Wenn durch die beabsichtigte Maßnahme für ein angrenzendes landwirtschaftlich genutztes Grundstück Bewirtschaftungsnachteile, insbesondere infolge Durchwurzelung oder Beschattung zu erwarten sind, ist die Bewilligung mit der Auflage zu erteilen, einen 5 m breiten Streifen entlang der Grenze von der Holzvegetation freizuhalten. Dieser Abstand kann von der Bezirksverwaltungsbehörde je nach der Reichweite der zu erwartenden Einwirkungen der Holzvegetation auf das Nachbargrundstück durch Beschattung oder Durchwurzelung bis 3 m herabgesetzt oder bis 7 m erhöht werden.

(2) Die Bewilligung ist jedoch zu versagen, wenn durch die Kulturumwandlung auch bei Freihaltung eines Streifens von der Holzvegetation (Abs1) für das Nachbargrundstück ein Schaden zu erwarten ist.

§3

Die Grundeigentümer der anzupflanzenden Grundstücke, die Nutzungsberechtigten dieser Grundstücke, soweit sie zu einer solchen Maßnahme privatrechtlich befugt sind und die Eigentümer und Nutzungsberechtigten der angrenzenden Grundstücke haben im Verfahren nach diesem Gesetz Parteistellung."

1.3.1. Der Antragsteller führt zunächst aus, dass der mitbeteiligten Partei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 31. Juli 1998 gemäß den Bestimmungen des burgenländischen Landesgesetzes vom 24. November 1988 über die Aufforstung von Nichtwaldflächen die Bewilligung zur Aufforstung des Grundstückes Nr. 1370, KG Unterkohlstätten, erteilt worden sei.

1.3.2. Der Einschreiter legt dem Antrag ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 2002, Z98/07/0177-8 bei, aus welchem sich ergibt, dass die vom Antragsteller gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 31. Juli 1998 eingebrachte Berufung mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 5. November 1998 mit der Begründung als unbegründet abgewiesen wurde, dass der Zweck des Burgenländischen Landesgesetzes vom 24. November 1988 über die Aufforstung von Nichtwaldflächen allein der Schutz landwirtschaftlich genutzter Grundstücke vor den schädlichen Folgen einer Aufforstung sei. Der Eigentümer eines angrenzenden nicht landwirtschaftlich genutzten Grundstückes genieße nach §3 des genannten Landesgesetzes zwar Parteistellung, könne aber mangels materiell-rechtlichen Anspruches nach diesem Landesgesetz Schäden an seinem Grundstück nur aus dem Titel des §364 ABGB geltend machen. Die einschränkenden Bestimmungen des §2 des genannten Landesgesetzes seien nicht anzuwenden, weil das Grundstück des Beschwerdeführers nicht landwirtschaftlich genutzt sei.

Der Einschreiter erhob gegen diesen Bescheid der Burgenländischen Landesregierung Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof, welche mit dem genannten Erkenntnis vom 21. März 2002 als unbegründet abgewiesen wurde. Der Verwaltungsgerichtshof sprach dazu aus, es könne nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die belangte Behörde auf der Sachverhaltsebene von der im Ermittlungsverfahren hervorgekommenen und von der Vertreterin des Beschwerdeführers unbestritten gebliebenen Tatsache ausgegangen sei, dass das Grundstück des Beschwerdeführers nicht landwirtschaftlich genutzt sei. Der Gesetzesauslegung der belangten Behörde, das betroffene Landesgesetz diene seinem Zweck nach allein dem Schutz landwirtschaftlich genutzter Grundstücke, hafte der vom Beschwerdeführer gesehene rechtliche Fehler nicht an. Die Bestimmung des §2 Abs2 des genannten Landesgesetzes habe, was sich auch durch den in Klammer gesetzten Verweis auf die Bestimmung des ersten Absatzes ableiten lasse, ihren Anwendungsbereich auch nur für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke. Deren Schutz diene die in §2 Abs1 des Gesetzes vorgesehene Vorschreibung der Freihaltung eines Streifens entlang der Grenze von der Holzvegetation und deren Schutz allein diene die in §2 Abs2 des Gesetzes statuierte Rechtsfolge einer Versagung der Bewilligung für den Fall, dass die Freihaltung eines Streifens den Eintritt eines Schadens für ein Grundstück im Sinne des §2 Abs1 leg. cit. nicht zuverlässig hintanhalten könne. Auch mit dem Ausdruck "das Nachbargrundstück" in §2 Abs2 des Landesgesetzes sei ein Grundstück im Sinne des §2 Abs1 dieses Gesetzes, nämlich ein solches gemeint, das landwirtschaftlich genutzt sei.

1.3.3. Der Antragsteller bringt zur Frage seiner Antragslegitimation lediglich vor, er sei Eigentümer des Grundstückes Nr. 1175 und damit Anrainer gegenüber dem aufzuforstenden Grundstück Nr. 1370.

In der Sache selbst führt er ua. aus, das angeführte Landesgesetz schütze bei der Aufforstung lediglich landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, obwohl die im Gesetz angeführten Schäden infolge der Holzvegetation auch auf nicht landwirtschaftlich genutzten Grundstücken eintreten würden. Die durch Aufforstung entstehenden Einwirkungen seien bei nicht landwirtschaftlich genutzten, im konkreten Fall bei bebauten, Grundstücken schädlicher, da schon die extreme Schattenwirkung und die Durchwurzelung an Gebäuden des Nachbargrundstücks nicht nur Schäden am Bauwerk selbst, sondern auch eine Entwertung des Baugrundes hervorrufen könne. Die unterschiedliche Behandlung von Grundstücken bei der Beurteilung von Gefährdungen durch Aufforstung sei sachlich nicht gerechtfertigt und rein willkürlich. Die Einwirkungen durch Beschattung und Durchwurzelung seien bei nicht landwirtschaftlich genutzten Grundstücken zumindest gleich, wenn nicht größer.

Er sei in seinem "subjektiven und verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung" deswegen verletzt, weil einem Eigentümer eines landwirtschaftlichen Grundstücks ein Schutz gegen Einwirkungen durch zu bewilligende Aufforstungen zugestanden werde, nicht aber ihm als Eigentümer eines nicht landwirtschaftlich genutzten Grundstücks. Es erfolge ein Eingriff in seine rechtliche Position, der Eingriff sei auch unmittelbar. Ein anderer Weg als der Individualantrag stehe ihm nicht zur Verfügung, weil "selbst der VwGH im Erkenntnis vom 21.3.2002, 98/07/0177-8, ausgesprochen" habe, dass "die im mehrfach erwähnten Landesgesetz statuierten Einschränkungen bei einer Aufforstung nur für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke gelten".

II. 1. Der Antrag ist unzulässig.

1.1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, dass die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG voraussetzt, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt sind und dass der durch Art140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (vgl. zB VfSlg. 10.481/1985, 11.684/1988).

Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes u.a. dann gegeben, wenn bereits ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren läuft, das den Betroffenen Gelegenheit zu einer amtswegigen Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof bietet (VfSlg. 8312/1978, 9939/1984, 10.857/1986, 11.045/1986, 11.823/1988). Dieser Grundsatz gilt auch für den Fall, dass ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren anhängig war, in welchem der Antragsteller über die Möglichkeit verfügte, eine amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (VfSlg. 8890/1980 und 12.810/1991). In so einem Fall wäre ein Individualantrag nur bei Vorliegen - im gegenständlichen Verfahren gar nicht behaupteter - besonderer, außergewöhnlicher Umstände zulässig (VfSlg. 8312/1978, 11.344/1987, 11.823/1988).

1.2. Im konkreten Fall stand dem Antragsteller als Partei des durchgeführten Verwaltungsverfahrens jedenfalls die Möglichkeit offen, seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des §2 des Gesetzes vom 24. November 1988 über die Aufforstung von Nichtwaldflächen im Beschwerdeverfahren gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 5. November 1998 an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Die angefochtene Bestimmung ist nämlich im vorangegangenen Verwaltungsverfahren insofern als präjudiziell anzusehen, als die Behörde sie bei der Prüfung der Frage, ob sich der Schutz auch auf nichtlandwirtschaftliche Grundstücke erstreckt, jedenfalls anzuwenden hatte.

Daraus ergibt sich, dass dem Antragsteller ein zumutbarer Weg zur Verfügung gestanden wäre, über eine Beschwerde gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 5. November 1998 seine Bedenken gegen die nunmehr angefochtene Norm an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

1.3. Der Individualantrag war darum allein schon aus dieser Erwägung heraus als unzulässig zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Forstwesen, Wiederbewaldung, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G204.2002

Dokumentnummer

JFT_09979070_02G00204_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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