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19/05 Menschenrechte;Norm
FrPolG 2005 §60 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des SZ in A, geboren 1980, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Bahnhofstraße 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 5. Dezember 2006, Zl. St 118/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 5. Dezember 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, nach seinen Angaben ein Staatsangehöriger der "noch nicht anerkannten Republik Kosova", gemäß § 60 Abs. 1 und 2
Z. 9 sowie den §§ 63, 66, 86 und 87 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 18. Oktober 2002 in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, der vom unabhängigen Bundesasylsenat mit einem am 11. Dezember 2002 in Rechtskraft erwachsenen Bescheid abgewiesen worden sei. Die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung des Beschwerdeführers sei für zulässig erklärt worden. Am 10. April 2003 habe er einen weiteren Asylantrag gestellt, der vom unabhängigen Bundesasylsenat im Instanzenzug mit einem am 28. Jänner 2004 in Rechtskraft erwachsenen Bescheid wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden sei. Am 22. August 2003 habe er die österreichische Staatsbürgerin Sabine B. geheiratet und - nach negativem Abschluss seines letzten Asylverfahrens - am 27. Jänner 2004 einen Antrag auf Erteilung eines Niederlassungsnachweises für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger-Österreicher" gestellt.
Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe am 19. Oktober 2005
als Zeugin folgendes ausgesagt:
"Ich bin eine Scheinehe eingegangen.
Im Sommer vor 2 Jahren habe ich (ergänze: "den Beschwerdeführer") über Herrn N. (...) kennen gelernt. (...)
Er redete mich dann an, ob ich nicht für Geld eine Ehe eingehen möchte. Ich könnte Euro 4.000,-- daran verdienen. Ich habe es mir gut überlegt und willigte dann ein. Das Aufgebot wurde von mir gemeinsam mit N. und (dem Beschwerdeführer) bestellt. Am Tag der Eheschließung habe ich Euro 300,-- erhalten. Den Rest des Geldes habe ich nie mehr erhalten. N. sagte zu mir, ich brauche nur 1 Jahr verheiratet sein.
Zusammengelebt habe ich mit (dem Beschwerdeführer) nie. Er war nur in L. gemeldet, aber nicht wohnhaft.
Heuer im Frühjahr habe ich die Scheidung eingereicht. Der Scheidungstermin wurde von (dem Beschwerdeführer) nicht eingehalten. Sein Bruder, sein Name ist mir nicht bekannt, hat mich daraufhin angerufen und wollte meine Wohnadresse haben, diese gab ich nicht bekannt, und meinte dann nur ich soll aufpassen was ich tue.
Ich habe ein Kind und lebe mit dem Kindesvater zusammen. Mein
Lebensgefährte weiß über die ganze Sache bescheid.
Die Ehe wurde nicht vollzogen.
Ich möchte (den Beschwerdeführer) so schnell wie möglich
loswerden.
Ich werde mich bei Gericht erkundigen, ob ich die Ehe annullieren lassen kann."
Im Schriftsatz vom 7. März 2006 habe der Beschwerdeführer das Vorliegen einer Scheinehe bestritten und unter anderem vorgebracht, sein Bruder samt Familie wäre seit Jahren in Österreich wohnhaft und hätte bereits um die Zuerkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht. Es wäre daher ein Familienanschluss in Österreich gegeben, sodass Art. 8 EMRK zur Anwendung gelangen würde. In der Berufung habe er vorgebracht, seine Ehefrau hätte im Scheidungsverfahren von einer Liebesheirat gesprochen.
Die am 21. November 2006 ergänzend einvernommene Ehefrau des Beschwerdeführers habe dazu angegeben:
"Ich halte meine Angaben in der Niederschrift vom 19. 10. 2005 bei der BPD Linz vollinhaltlich aufrecht. Diese Angaben entsprechen der Wahrheit. Die gegenteiligen Angaben vor Gericht dahingehend, dass ich (den Beschwerdeführer) 'aus Liebe geheiratet hätte', sind deshalb entstanden bzw. habe ich deshalb gemacht, da mir von (dem Beschwerdeführer) ständig für den Fall gegenteiliger Angaben meinerseits gedroht wurde. Ich hatte einfach Angst und wollte aus der Beziehung raus."
Am 28. November 2006 habe der Beschwerdeführer deponiert, die Angaben seiner Ehefrau wären unrichtig und würden eine Verleumdung darstellen.
Die Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers seien schlüssig, nachvollziehbar und glaubwürdig. Die belangte Behörde lege diese Angaben ihrer Entscheidung zu Grunde. Es liege eine Scheinehe vor. Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG sei erfüllt. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG sei dringend erforderlich, weil sich das Eingehen von Scheinehen zu einer "beliebten Spielart entwickelt hat, um so leichter Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt bzw. zu einer Aufenthaltsberechtigung zu kommen."
Hinsichtlich der persönlichen und familiäre Situation des Beschwerdeführers sei zu beachten, dass er erst am 18. Oktober 2002, also vor ca. vier Jahren, in das Bundesgebiet eingereist sei. Der Beschwerdeführer habe "nähere verwandtschaftlichen oder sonstigen Bindungen im Bundesgebiet" nicht geltend gemacht. Auch wenn aus der Berufungsschrift vom 13. Juni 2006 hervorgehe, dass er einer Erwerbstätigkeit nachgehe, so könne "ein Aufenthalt in der Dauer von (erst) vier Jahren (auch) im beruflichen Bereich noch keine weitergehende Integration bewirken". Da - unter Abwägung aller oben angeführten Tatsachen - im Hinblick auf die für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation, sei das Aufenthaltsverbot auch zulässig im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG. Bei der Ehe handle es sich um eine elementare gesellschaftliche Institution, die man nicht zu einer Ware herabsinken lassen dürfe. Das Eingehen einer Scheinehe sei gesellschafts- und integrationspolitisch unerwünscht und stelle einen krassen Rechtsmissbrauch dar. Aus dieser Sicht ergebe sich nicht nur eine tatsächliche und gegenwärtige, sondern auch eine erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Dieses Grundinteresse liege darin, dass die gesamte staatliche Verwaltung auf fundierten und der Richtigkeit entsprechenden Angaben beruhen müsse. Das Erschleichen von Leistungen oder Rechten durch unwahre Angaben bis hin zu kriminellen Handlungen sei im Licht einer geordneten Gesellschaft verpönt. Aus den genannten Gründen sei auch von der Ermessensbestimmung des § 60 Abs. 1 FPG Gebrauch zu machen gewesen, weil eine Abstandnahme von der Erlassung der Maßnahme die öffentliche Ordnung zu schwer beeinträchtigt hätte. Das vorwerfbare Fehlverhalten des Eingehens einer Scheinehe überwiege im Verhältnis zu der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Integration ("zweijähriger Aufenthalt mit teilweiser Erwerbstätigkeit"). Weder aus dem Verwaltungsakt noch aus der Berufungsschrift könnten besondere Umstände ersehen werden, die eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers begründen würde. Auch sei die Ermessensübung zu seinem Nachteil schon deshalb erforderlich, weil eine gegenteilige Handlungsweise einen zu starken Anreiz für andere Fremde bieten würde, in diesem Bereich Missbrauch zu treiben. Das Eingehen von Scheinehen dürfe nicht zu einem "Kavaliersdelikt" herabsinken.
Die Dauer des von der Erstbehörde verhängten Aufenthaltsverbotes habe mit fünf Jahren neu befristet werden müssen. Nach Ablauf dieser Zeit könne erwartet werden, dass sich der Beschwerdeführer an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten würde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen einer nicht freizügigkeitsberechtigten Österreicherin im Sinn des § 87 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Bei der Beurteilung kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0440).
1.2. Nach § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.
1.3. Die Beschwerde wendet sich mit Blick auf diesen Tatbestand gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde und bringt vor, dass zwar seine Ehegattin, nicht aber die im Verwaltungsverfahren beantragten Zeugen Z. und N. einvernommen worden seien. Diese Zeugen hätten aussagen können, "wie sie die Ehegatten in ihrem Zusammenleben erlebten bzw. wie die Ehegattin kennen lernten."
1.4. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde begegnet im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Kontrollbefugnis (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, mwN) schon in Anbetracht der in ihrer Gesamtheit keine Zweifel hervorrufenden und vom Beschwerdeführer nicht konkret bestrittenen Aussage seiner Ehefrau keinen Bedenken. Wenn der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel das Unterbleiben der Vernehmung der von ihm beantragten Zeugen rügt, so ist nicht ersichtlich, inwiefern dem behaupteten Verfahrensmangel Relevanz zukommen soll, legt er doch nicht dar, welches für ihn im gegebenen Zusammenhang günstige Ergebnis deren Einvernahme erbracht hätte. Er unterlässt es insbesondere, konkrete, zeitlich und örtlich nachvollziehbarer Fakten vorzutragen, mit denen die Führung eines gemeinsamen Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK belegt und die von den genannten Zeugen bestätigt werden könnten.
1.5. Der Beschwerdeführer bestreitet im Übrigen nicht, sich zur Erlangung seiner Aufenthaltsberechtigung auf die Ehe berufen zu haben. Die Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG (als "Orientierungsmaßstab") verwirklicht sei, begegnet daher keinem Einwand.
2. Angesichts des hohen Stellenwertes, der der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt, ist auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die im § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbedenklich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0440). Es trifft auch das Beschwerdevorbringen nicht zu, dass die belangte Behörde durch ihren (zusätzlichen) Verweis auf "Gesellschaftspolitik und Integrationspolitik" eine - nach § 86 Abs. 1 vierter Satz FPG unzulässige - vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründung gewählt hätte. Vielmehr hat die belangte Behörde lediglich in der Begründung ihrer Ermessensentscheidung darauf verwiesen, dass eine Abstandnahme von der aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen Anreiz bieten könnte, in diesem Bereich Missbrauch zu betreiben; das Eingehen von Scheinehen solle nicht zu einem "Kavaliersdelikt" herabsinken.
Zu der in § 86 Abs. 1 FPG umschriebenen Annahme hat die belangte Behörde indes ausgeführt, dass das Eingehen einer Ehe lediglich zu dem Zweck, einen Aufenthaltstitel zu erlangen, einen krassen Rechtsmissbrauch darstelle. Daraus hat sie zutreffend abgeleitet, dass vom persönlichen Verhalten des Beschwerdeführers die im § 86 Abs. 1 zweiter Satz umschriebene Gefahr ausgeht, wobei sie noch gesondert ausgeführt hat, worin das Grundinteresse der Gesellschaft besteht, das von der genannten Gefahr berührt wird.
3. Bei der gemäß § 60 Abs. 6 FPG bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes durchzuführenden Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 leg. cit. hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit ca. vier Jahren und seine Berufstätigkeit berücksichtigt. Im Hinblick darauf, dass die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes anfänglich nur auf einem sich als ungerechtfertigt erweisenden Asylantrag und später auf dem besagten rechtsmissbräuchlichen Verhalten basierte, sind die aus der Aufenthaltsdauer und der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers ableitbaren Interessen wesentlich zu relativieren. Die belangte Behörde hat ausgeführt, dass der Beschwerdeführer "nähere verwandtschaftliche oder sonstige Bindungen im Bundesgebiet" nicht geltend gemacht habe. Am Fehlen solcher engen familiären Bindungen ändert sich nichts, wenn man mit dem Beschwerdevorbringen berücksichtigt, dass der Bruder des Beschwerdeführers mit seiner Familie in Österreich lebt, zumal nicht behauptet wurde, dass der Beschwerdeführer mit diesen Familienangehörigen im gemeinsamen Haushalt leben würde. Dieser Umstand kann die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleiben im Bundesgebiet nicht wesentlich verstärken.
Angesichts der den nicht sonderlich schwer wiegenden persönlichen Interessen des Beschwerdeführers gegenüberstehenden erheblichen Gefährdung öffentlicher Interessen durch sein rechtsmissbräuchliches Verhalten kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und dass die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), nicht als rechtswidrig erkannt werden.
4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 13. März 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007180009.X00Im RIS seit
08.05.2007Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009