Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Martin K*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Aigner, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wider die beklagte Partei Markus W*****, vertreten durch Dr. Hans-Jörg Schachner, Dr. Hubert Schweighofer und Dr. Gerhard Taufner, Rechtsanwälte in Melk, wegen 241.697,10 S (= 17.564,81 EUR) sA und Feststellung (Streitwert 10.000 S = 726,73 EUR) infolge ordentlicher Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 229.197,10 S = 16.656,40 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. Dezember 2001, GZ 13 R 169/00v-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 2. Juni 2000, GZ 4 Cg 124/99g-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 938,16 EUR (darin 156,36 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu zahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger nahm am 19. 11. 1996 als Milizsoldat im Gebiet einer niederösterreichischen Gemeinde an einer Bundesheerübung teil. Der Beklagte ist "Besitzer" eines dort gelegenen landwirtschaftlichen Anwesens. Am 19. 11. 1996 arbeitete er tagsüber im Wald. An diesem Tag ersuchte ein Vertreter des Bundesheers die Mutter des Beklagten, dessen Scheune während der Übung als Quartier verwenden zu dürfen. Diesem Begehren wurde mit dem Hinweis entsprochen, "keine Haftung für irgendwelche Unfälle zu übernehmen". Der Beklagte kam um etwa 16 Uhr nach Hause. Er erhob gegen die Überlassung der Scheune als Quartier keinen Einwand. Auf nicht abgesicherte Schächte im Scheunenbereich wies er nicht hin. Vor der Scheune war ein größerer asphaltierter Platz, über den die Zufahrt zum zweiflügeligen Scheunentor verlief. Rechts und links des Tores war je ein Fenster. Davor lagen Lichtschächte von etwa 1 m Breite und 1,5 m Tiefe. Der linksseitige betonierte Schacht grenzte unmittelbar an die Torzufahrt. Er war am 19. 11. 1996 "weder irgendwie abgesperrt noch besonders ersichtlich gemacht". Der rechtsseitige Schacht war dagegen durch eine Berberitzenhecke gegen die Asphaltfläche abgegrenzt. Der Kläger kam mit der Milizeinheit gegen 18 Uhr in die Ortschaft. Gegen 19 Uhr entfernte er sich mit Erlaubnis des Gruppenkommandanten von der Einheit und ging auf den asphaltierten Platz vor dem Scheunentor, wo einige Bundesheerkraftfahrzeuge abgestellt waren. Er war zuvor noch nie auf dem Anwesen des Beklagten, näherte sich dem Scheunentor und wollte aus Neugierde durch das beleuchtete linksseitige Fenster blicken, weil er in der Scheune die Anwesenheit von Soldaten vermutete. Am Scheunentor befand sich kein Hinweis auf eine Bundesheereinheit. Es gab keine Außenbeleuchtung im Bereich der Torzufahrt bzw der Schächte. Als sich der Kläger auf das linksseitige Fenster zubewegte, stürzte er in den davor gelegenen Schacht und erlitt dabei Brüche des rechten Unterschenkels und des rechten Außenknöchels.
Der Kläger begehrte den Zuspruch von 241.697,10 S (= 17.564,81 EUR) sA und die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle zukünftigen Schäden aufgrund des Unfalls vom 19. 11. 1996. Er brachte vor, die Scheune sei von der Straße her frei zugänglich und die Zufahrt sei asphaltiert gewesen. Der Schacht vor dem linksseitigen Scheunenfenster sei nicht gesichert gewesen. Er habe diesen Schacht vor dem Absturz nicht wahrnehmen können, weil es finster gewesen sei. Es habe an einer Außenbeleuchtung gefehlt. Der Beklagte habe für die geltend gemachten Ansprüche nach § 1319 ABGB und wegen der Verletzung der ihn gegenüber den Soldaten treffenden Verkehrssicherungspflicht einzustehen.
Der Beklagte wendete ein, die dem Bundesheer überlassenen Flächen hätten den Platz vor dem linksseitigen Scheunenfenster nicht inkludiert. Mit Vertretern des Bundesheers sei überdies ein Haftungsausschluss vereinbart worden. Für den Kläger habe keine Veranlassung bestanden, sich in den Schachtbereich zu begeben. Er habe einen natürlichen Zaun aus Berberitzen übersteigen und ein Rasenstück überqueren müssen. Sollte eine Haftung des Beklagten bejaht werden, träfe den Kläger ein Mitverschulden. Dieser habe sich an einen Ort begeben, wo er "überhaupt nichts verloren" gehabt habe. Er hätte den Unfall bei gehöriger Aufmerksamkeit vermeiden können. Die geltend gemachten Ansprüche seien auch überhöht.
Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren zur Gänze statt und sprach dem Kläger im Übrigen 219.197,10 S sA zu. Das Mehrbegehren von 22.500 S sA wies es ab. Nach dessen Ansicht ist ein ungesicherter Lichtschacht als Werk im Sinne des § 1319 ABGB anzusehen. Die mangelhafte Beschaffenheit dieses Werks habe am 19. 11. 1996 in der fehlenden Absicherung durch ein stabiles Geländer bestanden, sei doch der unmittelbar neben der Scheunenzufahrt gelegene Lichtschacht frei zugänglich gewesen. Der Beklagte hafte daher nach § 1319 ABGB für die geltend gemachten Ansprüche. Dem Kläger sei kein Mitverschulden anzulasten. Er sei ortsunkundig gewesen, habe einen Schacht vor dem Fenster nicht vermuten müssen und den ungesicherten Schacht mangels Außenbeleuchtung nicht sehen können. Es habe auch an einem Hinweis für den Kläger gefehlt, sich im Bereich der Scheune nicht aufhalten zu dürfen.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S nicht übersteige, und ließ die ordentliche Revision zu. Es trat der Begründung des Erstgerichts zur Haftung des Beklagten nach § 1319 ABGB bei. Es seien keine Umstände behauptet worden bzw hervorgekommen, die den Beklagten an der Wahrnehmung seiner Sicherungspflicht gehindert hätten. Die auf dem Boden allgemeiner Schutzpflichten zu besorgende Sicherungspflicht nach § 1319 ABGB bestehe unabhängig von sonstigen Verkehrssicherungs- oder Wegehalterpflichten. Der Besitzer eines Werks mangelhafter Beschaffenheit könne sich nur durch den Beweis entlasten, alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt geübt zu haben. Diesen Beweis habe der Beklagte nicht erbracht. Sein rechtliches Verhältnis zum Sturzraum im Unfallszeitpunkt sei nicht von Bedeutung; maßgebend sei vielmehr nur seine Eigenschaft als Sachbesitzer. Der Beklagte sei wohl als beliehener Unternehmer im Sinne des § 1 AHG und somit als Organ anzusehen. Er müsse als solches nicht selbst hoheitlich handeln. Das könnte "für den Kläger auf einen weiteren Haftungsträger hinweisen", den Beklagten jedoch nicht "seiner aus § 1319 ABGB erfließenden Pflichten entheben". Das Erstgericht habe überdies ein Mitverschulden des Klägers an seinem Sturz zutreffend verneint. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil "zur Frage, ob neben der Amtshaftung auch noch die direkten privatrechtlichen Ansprüche des Klägers" bestünden, keine "ausreichende Rechtsprechung" des Obersten Gerichtshofs vorliege. Zu klären sei nämlich, ob der Beklagte durch die vorübergehende Organstellung von seinen privatrechtlichen Pflichten befreit worden sei. Der Oberste Gerichtshof habe zu diesem Problemkreis lediglich in der Entscheidung 2 Ob 63/93 kurz Stellung genommen.
Die Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Konkurrenz der Amtshaftung mit anderen Ansprüchen
1. 1. Bei Anwendung des Amtshaftungsgesetzes wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob dieses Gesetz die ausschließliche Haftung von Rechtsträgern für Schäden aus Akten hoheitlicher Vollziehung abschließend regelt, soweit es an besonderen Rechtsgrundlagen für eine Haftungsanknüpfung mangelt. Solche besonderen Grundlagen können sich etwa aus dem Gemeinschaftsrecht, aus einfachen Gesetzen mit verfassungsrechtlicher Deckung - wie etwa der nach Art 23 Abs 5 B-VG - oder aus der Verfassung selbst ergeben, wenn verfassungsunmittelbare Ansprüche - wie etwa die nach Art 5 Abs 5 EMRK (JBl 1996, 35) bzw Art 7 PersFrG - geltend gemacht werden. Außerhalb dieses Kreises an Ausnahmen ist zu klären, ob Ersatzansprüche aus Hoheitsakten wahlweise auch auf andere gesetzliche Bestimmungen gestützt werden können, mit denen - anders als beispielsweise nach § 27 GUG, § 39 Abs 6 MedG, § 15 Abs 6 OGHG idF BGBl I 2001/95, § 2 iVm §§ 7, 9, 10 PolBEG, § 11 StEG, § 453a ZPO - nicht spezifische andere Ansprüche ausdrücklich neben Amtshaftungsansprüchen gewährt werden. Die erörterte Abgrenzungsfrage wurde vom erkennenden Senat im Grundsätzlichen dahin gelöst, dass das auf Art 23 B-VG beruhende Amtshaftungsgesetz an sich "eine abschließende Regelung des Rechtsgebiets der Haftung von Rechtsträgern für ihre Organe einschließlich (der) von beliehenen Unternehmen", also insoweit eine lex specialis "zu den schadenersatzrechtlichen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts in seiner Gesamtheit" ist und demzufolge "im Rahmen der Sonderbestimmungen den allgemeinen Bestimmungen des Schadenersatzrechts" vorgeht (SZ 68/191; idS etwa schon SZ 59/112; SZ 52/186). Diese Maxime gilt jedoch im Lichte von Rechtsschutzerwägungen, die die Vermeidung einer ungerechtfertigten Immunisierung von Rechtsträgern bzw Organen gegen bestimmte Ansprüche bezwecken, nicht ausnahmslos.1. 1. Bei Anwendung des Amtshaftungsgesetzes wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob dieses Gesetz die ausschließliche Haftung von Rechtsträgern für Schäden aus Akten hoheitlicher Vollziehung abschließend regelt, soweit es an besonderen Rechtsgrundlagen für eine Haftungsanknüpfung mangelt. Solche besonderen Grundlagen können sich etwa aus dem Gemeinschaftsrecht, aus einfachen Gesetzen mit verfassungsrechtlicher Deckung - wie etwa der nach Art 23 Abs 5 B-VG - oder aus der Verfassung selbst ergeben, wenn verfassungsunmittelbare Ansprüche - wie etwa die nach Art 5 Abs 5 EMRK (JBl 1996, 35) bzw Art 7 PersFrG - geltend gemacht werden. Außerhalb dieses Kreises an Ausnahmen ist zu klären, ob Ersatzansprüche aus Hoheitsakten wahlweise auch auf andere gesetzliche Bestimmungen gestützt werden können, mit denen - anders als beispielsweise nach § 27 GUG, § 39 Abs 6 MedG, § 15 Abs 6 OGHG in der Fassung BGBl I 2001/95, § 2 in Verbindung mit §§ 7, 9, 10 PolBEG, § 11 StEG, § 453a ZPO - nicht spezifische andere Ansprüche ausdrücklich neben Amtshaftungsansprüchen gewährt werden. Die erörterte Abgrenzungsfrage wurde vom erkennenden Senat im Grundsätzlichen dahin gelöst, dass das auf Art 23 B-VG beruhende Amtshaftungsgesetz an sich "eine abschließende Regelung des Rechtsgebiets der Haftung von Rechtsträgern für ihre Organe einschließlich (der) von beliehenen Unternehmen", also insoweit eine lex specialis "zu den schadenersatzrechtlichen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts in seiner Gesamtheit" ist und demzufolge "im Rahmen der Sonderbestimmungen den allgemeinen Bestimmungen des Schadenersatzrechts" vorgeht (SZ 68/191; idS etwa schon SZ 59/112; SZ 52/186). Diese Maxime gilt jedoch im Lichte von Rechtsschutzerwägungen, die die Vermeidung einer ungerechtfertigten Immunisierung von Rechtsträgern bzw Organen gegen bestimmte Ansprüche bezwecken, nicht ausnahmslos.
1. 2. So ist etwa auf dem Boden der zuvor erwähnten Rechtsschutzerwägungen anerkannt, dass das hoheitliche Verhalten eines Rechtsträgers auf einem in seinem Eigentum stehenden Grund dessen verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Haftung nicht ausschließt, weil er seine privatrechtliche Pflicht als Grundeigentümer, Nachbarn nicht zu schädigen, mangels einer ihn zu Lasten von Geschädigten privilegierenden gesetzlichen Regelung ungeachtet der hoheitlichen Besorgung öffentlich-rechtlicher Agenden erfüllen muss. Deshalb werden Nachbarn Immissionsansprüche nach allgemeinem bürgerlichen Recht aufgrund einer durch hoheitliches Verhalten verursachten Schädigung - also neben allfälligen Amtshaftungsansprüchen - zugebilligt (JBl 1991, 247 [Rummel]; SZ 62/41 je mwN). Hervorzuheben ist dabei, dass die Ersatzpflicht nach § 364a ABGB als nachbarrechtliche Gefährdungshaftung bezeichnet wird und diese Beurteilung auch auf die Haftung für hoheitlich bewirkte Immissionen zutrifft (Oberhammer in Schwimann, ABGB² § 364 Rz 10 iVm § 364a Rz 5).
1. 3. Mit der Begründung, aus Art 23 Abs 1 B-VG und § 1 Abs 1 AHG sei nicht abzuleiten, dass "mit dem Inkrafttreten des Amtshaftungsgesetzes andere, auf Gefährdung abstellende Haftungsgründe ausgeschlossen seien, wurde überdies - in Ablehnung vereinzelter kritischer Stimmen im Schrifttum - auch schon ganz allgemein ausgesprochen, bei Bestehen einer Gefährdungshaftung könnten die aus einem hoheitlichen Verhalten abgeleiteten Ansprüche "je nach Absicht des Gesetzgebers wahl-, hilfs- oder ergänzungsweise nach dem einen oder nach dem anderen Rechtsgrund geltend gemacht werden". Deshalb habe der Geschädigte die Möglichkeit, neben oder anstelle eines Amtshaftungsanspruchs etwa die Gefährdungshaftung des Kraftfahrzeughalters nach dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz in Anspruch zu nehmen (SZ 56/133; so zuvor schon SZ 38/183). An der referierten Maxime von allgemeiner Bedeutung, die Amts- und die Gefährdungshaftung schlössen einander nicht aus, wurde seither stets festgehalten (JBl 2001, 722; SZ 69/188 mwN). Daher wird etwa dem durch einen Verkehrsunfall im Zuge einer hoheitlichen Dienstfahrt Geschädigten auch die Direktklage gegen den Haftpflichtversicherer des beteiligten Kraftfahrzeugs - also gegen eine Person, die als Rechtsträger nicht in Betracht kommt, - gewährt (SZ 56/133). In konsequenter Umsetzung des erörterten Konkurrenzgrundsatzes kann der Geschädigte aus dem Rechtsgrund der Gefährdungshaftung auch ein Organ nach § 1 Abs 2 AHG als Kraftfahrzeughalter persönlich in Anspruch nehmen (2 Ob 15/94; SZ 43/167; SZ 38/183; SZ 37/158). Die bereits unter 1. erwähnten sondergesetzlichen Regelungen gemäß § 27 GUG, § 39 Abs 6 MedG, § 15 Abs 6 OGHG idF BGBl I 2001/95, § 2 iVm §§ 7, 9, 10 PolBEG, § 11 StEG und § 453a ZPO sind ihrem rechtlichen Wesen nach gleichfalls Tatbestände einer Gefährdungshaftung. Aus diesen ist allgemein ableitbar, dass der Gesetzgeber den durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der Konkurrenz der Amts- und der Gefährdungshaftung aus hoheitlichem Verhalten billigt. Die bisherigen Erwägungen sind somit dahin zusammenzufassen, dass Ansprüche aus einer Schädigung durch einen Hoheitsakt auch auf Tatbestände der Gefährdungshaftung gestützt und diesfall auch gegen ein Organ im Sinne des § 1 Abs 2 AHG geltend gemacht werden können, soweit das Organ nach der jeweils anzuwendenden gesetzlichen Bestimmung als Haftungssubjekt in Betracht kommt.1. 3. Mit der Begründung, aus Art 23 Abs 1 B-VG und § 1 Abs 1 AHG sei nicht abzuleiten, dass "mit dem Inkrafttreten des Amtshaftungsgesetzes andere, auf Gefährdung abstellende Haftungsgründe ausgeschlossen seien, wurde überdies - in Ablehnung vereinzelter kritischer Stimmen im Schrifttum - auch schon ganz allgemein ausgesprochen, bei Bestehen einer Gefährdungshaftung könnten die aus einem hoheitlichen Verhalten abgeleiteten Ansprüche "je nach Absicht des Gesetzgebers wahl-, hilfs- oder ergänzungsweise nach dem einen oder nach dem anderen Rechtsgrund geltend gemacht werden". Deshalb habe der Geschädigte die Möglichkeit, neben oder anstelle eines Amtshaftungsanspruchs etwa die Gefährdungshaftung des Kraftfahrzeughalters nach dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz in Anspruch zu nehmen (SZ 56/133; so zuvor schon SZ 38/183). An der referierten Maxime von allgemeiner Bedeutung, die Amts- und die Gefährdungshaftung schlössen einander nicht aus, wurde seither stets festgehalten (JBl 2001, 722; SZ 69/188 mwN). Daher wird etwa dem durch einen Verkehrsunfall im Zuge einer hoheitlichen Dienstfahrt Geschädigten auch die Direktklage gegen den Haftpflichtversicherer des beteiligten Kraftfahrzeugs - also gegen eine Person, die als Rechtsträger nicht in Betracht kommt, - gewährt (SZ 56/133). In konsequenter Umsetzung des erörterten Konkurrenzgrundsatzes kann der Geschädigte aus dem Rechtsgrund der Gefährdungshaftung auch ein Organ nach § 1 Abs 2 AHG als Kraftfahrzeughalter persönlich in Anspruch nehmen (2 Ob 15/94; SZ 43/167; SZ 38/183; SZ 37/158). Die bereits unter 1. erwähnten sondergesetzlichen Regelungen gemäß § 27 GUG, § 39 Abs 6 MedG, § 15 Absatz 6, OGHG idF BGBl I 2001/95, § 2 iVm §§ 7, 9, 10 PolBEG, § 11 StEG und § 453a ZPO sind ihrem rechtlichen Wesen nach gleichfalls Tatbestände einer Gefährdungshaftung. Aus diesen ist allgemein ableitbar, dass der Gesetzgeber den durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der Konkurrenz der Amts- und der Gefährdungshaftung aus hoheitlichem Verhalten billigt. Die bisherigen Erwägungen sind somit dahin zusammenzufassen, dass Ansprüche aus einer Schädigung durch einen Hoheitsakt auch auf Tatbestände der Gefährdungshaftung gestützt und diesfall auch gegen ein Organ im Sinne des § 1 Abs 2 AHG geltend gemacht werden können, soweit das Organ nach der jeweils anzuwendenden gesetzlichen Bestimmung als Haftungssubjekt in Betracht kommt.
2. § 1319 ABGB - Gefährdungshaftung
2. 1. Der Oberste Gerichtshof tritt der Ansicht des Berufungsgerichts bei, dass der Beklagte durch die Überlassung seiner Scheune an das Bundesheer zu Quartierzwecken im Rahmen einer militärischen Übung als beliehener öffentlicher Unternehmer in den Bereich hoheitlicher Vollziehung einbezogen wurde. Soweit der Kläger diese Rechtsfolge in der Revisionsbeantwortung in Zweifel zieht, wird seine Ansicht durch die von ihm selbst zitierte Rechtsprechung widerlegt. Danach kann die Organstellung einer Privatperson nach § 1 Abs 2 AHG auch dann entstehen, wenn sie zwar nicht selbst mit der Kompetenz ausgestattet wurde, über die Erlassung von Hoheitsakten selbständig zu entscheiden, jedoch andere Organe bei der Besorgung hoheitlicher Aufgaben - hier für Zwecke der Landesverteidigung - unterstützen oder entlasten soll und daher auf dieser Ebene in deren Vollziehung eingebunden wurde (SZ 69/132). Die Organstellung des Beklagten lässt sich - entgegen der Meinung des Klägers - auch nicht mit dem Argument verneinen, der ungesicherte Lichtschacht vor dem linksseitigen Scheunenfenster sei "von der Benützung durch das Bundesheer" nicht umfasst gewesen, gehört doch der das Quartier umgebende Aufenthalts- und Annäherungsbereich ebenfalls zu jenem Raum, der durch Soldaten bei Inanspruchnahme des Quartiers und beim Personenverkehr rund um das Quartier zwangsläufig benützt wird. Um die Frage nach einer persönlichen Haftung des Beklagten als Besitzer des Soldatenquartiers im Sinne des § 1319 ABGB trotz dessen Organstellung nach § 1 Abs 2 AHG beantworten zu können, ist also - vor dem Hintergrund der Erwägungen unter 1. - zu klären, ob § 1319 ABGB als Tatbestand der Gefährdungshaftung zu qualifizieren ist.
2. 2. Der erkennende Senat befasste sich bereits in der Entscheidung 1 Ob 93/00h (= ZVR 2002/21 = RZ 2002/4) näher mit der Rechtsnatur der Haftung nach § 1319 ABGB und gelangte dort zum Ergebnis, sie treffe den "Besitzer" nach § 1319 ABGB. Als solcher werde der "Halter" des Gebäudes oder Werks verstanden, also derjenige, der die Verfügungsgewalt über sie habe und deshalb in der Lage sei, eine Gefahr durch die erforderlichen Vorkehrungen rechtzeitig abzuwenden und hiezu durch eine Beziehung zu dem Gebäude oder dem Werk auch verpflichtet sei. Diese Haftung, die in der Rechtsprechung gewöhnlich als "Verschuldenhaftung mit verschobener Beweislast" bezeichnet werde, sei in Wahrheit eine Gefährdungshaftung, von der sich der Halter nur durch den Beweis, alle zur Gefahrenabwehr erforderliche Sorgfalt angewendet zu haben, befreien könne. Eine solche Haftung könne unter Umständen auch bei fehlendem Verschulden eintreten. Sie setze jedenfalls die Erkennbarkeit oder doch die Vorhersehbarkeit der Gefahr voraus. Der Geschädigte habe nach § 1319 ABGB den Schaden, dessen Verursachung durch den Einsturz des Werks oder die Ablösung eines Teils davon, den Besitz des Beklagten und die mangelhafte Beschaffenheit als Schadensursache zu behaupten und zu beweisen. Der Besitzer könne sich - gelängen dem Geschädigten diese Beweise - nur durch den Beweis entlasten, alle zur Gefahrenabwehr erforderliche Sorgfalt aufgewendet zu haben. Damit stelle der Gesetzgeber auf einen objektiven Sorgfaltsbegriff ab, weshalb der Entlastungsbeweis nur dann erbracht sei, wenn der Besitzer beweise, dass er Vorkehrungen getroffen habe, die nach der Auffassung des Verkehrs vernünftigerweise zu erwarten gewesen seien.
3. Haftung eines Organs gemäß § 1 Abs 2 AHG nach § 1319 ABGB
3. 1. Die unter 2. 2. erläuterte Beurteilung der Rechtsnatur des § 1319 ABGB als Tatbestand der Gefährdungshaftung ist fortzuschreiben. Ist aber diese Haftung eine Gefährdungshaftung, so besteht sie nach den Erwägungen unter 1. im Falle einer Schädigung zufolge Unterlassung der für die Gefahrenabwehr erforderlichen Vorkehrungen durch ein Organ im Sinne des § 1 Abs 2 AHG neben der Amtshaftung des Rechtsträgers. Auf deren Grundlage kann aber auch ein Organ nach § 1 Abs 2 AHG persönlich als Haftungssubjekt in Anspruch genommen werden, das - wie hier der Beklagte - die unter 2. 2. erläuterte Beziehung zu dem als Schadensursache wirksam gewordenen Gebäude bzw Werk hat. In diesem Kontext ist überdies noch festzuhalten, dass die Eigenschaft des Beklagten als "Besitzer" seines landwirtschaftlichen Anwesens gemäß § 1319 ABGB durch dessen temporäre Organstellung nach § 1 Abs 2 AHG als Quartiergeber nicht aufgehoben wurde.
3. 2. Die Ausführungen des Beklagten, der in der Revision die materiell- und prozessrechtliche Immunisierung eines Organs nach § 1 Abs 2 AHG gegen Ersatzansprüche gemäß § 1 Abs 1 und § 9 Abs 5 AHG für sich in Anspruch nehmen will, sind durch die voranstehenden Erwägungen widerlegt. Der zutreffenden Beurteilung durch die Vorinstanzen, dass auch ein Lichtschacht als Werk im Sinne des § 1319 ABGB anzusehen sei, tritt der Beklagte nicht entgegen. Insofern genügt es daher, auf die Erwägungen des Berufungsgerichts zu verweisen. Nicht beizutreten ist der Auffassung des Beklagten, dem Kläger sei ein überwiegendes Mitverschulden am geltend gemachten Schaden anzulasten, weil er "überhaupt keine Veranlassung" gehabt habe, "sich so knapp an den Mauerbereich zu begeben". Für den Kläger war der durch ein Geländer nicht abgesicherte Lichtschacht mangels Beleuchtung nicht wahrnehmbar. Er hatte mangels Ortskundigkeit im Übrigen keine Kenntnis vom Schacht links neben dem Scheunentor und musste mit dessen Vorhandensein gerade an dieser Stelle auch nicht rechnen. Demgegenüber lag es für den Beklagten auf der Hand, dass Soldaten zwangsläufig den Raum vor seiner als Quartier dienenden Scheune begehen werden und es daher einer Schachtabsicherung zur Vermeidung von Unfällen bei Dunkelheit bedurft hätte. Soweit in der Revision ins Treffen geführt wird, das "Führungspersonal" des Bundesheers hätte die Sperre "gefährlicher Zonen" im Quartierbereich veranlassen müssen, kann das den Beklagten nicht von seiner persönlichen Haftung als Besitzer gemäß § 1319 ABGB im Verhältnis zum Kläger befreien. Ob und bejahendenfalls wie weit er beim Bund als amtshaftungsrechtlichem Rechtsträger Regress nehmen kann, ist im Anlassfall nicht zu beurteilen.
Der Revision ist somit ein Erfolg zu versagen.
4. Prozesskosten
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf Paragraph 41, iVm § 50 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E66102European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:0010OB00129.02F.0625.000Im RIS seit
25.07.2002Zuletzt aktualisiert am
14.02.2011