Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Joachim S*****, vertreten durch Dr. Gabriela Auer-Welsbach, Rechtsanwältin in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Dr. Josef P*****, vertreten durch Dr. Rudolf Pototschnig und Dr. Hans Winkler, Rechtsanwälte in Villach, wegen 100.849,41 EUR und Feststellung Streitwert 7.267,28 EUR), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 11. April 2002, GZ 2 R 56/02a-24, womit die Rekursbeantwortung der beklagten Partei im Verfahren über den Rekurs gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 8. Jänner 2002, GZ 28 Cg 17/00m-20, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt vom Beklagten, der ihn rechtsfreundlich vertreten habe, Schadenersatz und die Feststellung der Haftung für alle aus der Beendigung seines Dienstverhältnisses zu seiner früheren Dienstgeberin entstehenden Folgeschäden. Vom Beklagten zu verantwortende Vertretungsfehler hätten dazu geführt, dass der Kläger seine Gewerbeberechtigung und seine Funktion als Geschäftsführer der B***** GmbH verloren habe.
Der Beklagte bestreitet, im Auftrag des Klägers tätig gewesen zu sein. Darüber hinaus sehe der Gesellschaftsvertrag der B***** GmbH als wichtigen Grund für den Ausschluss von der Geschäftsführung Konkurs und Zahlungsunfähigkeit des Geschäftsführers vor; aus dem gegen den Kläger beim Erstgericht geführten Strafverfahren gehe hervor, dass in der Person des Klägers dieser Ausschließungsgrund verwirklicht worden sei.
Das Erstgericht unterbrach mit Beschluss vom 8. 1. 2002 (ON 20) das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Strafverfahren gegen den Kläger. Diesen Beschluss bekämpft der Kläger mit Rekurs.
Das Rekursgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss die Rekursbeantwortung des Beklagten zurück, behielt sich die Entscheidung über den Rekurs bis zur Rechtskraft des Zurückweisungsbeschlusses vor und sprach aus, dass der ordentliche Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil nach dessen jüngster Rechtsprechung Zweifel daran bestünden, ob das Rekursverfahren nur einseitig sei. Zwar habe der Oberste Gerichtshof zuletzt ausgesprochen, dass der Rekurs betreffend das Konkurseröffnungsverfahren, in Verfahren nach der EO aber nur der Rekurs im Widerspruchsverfahren gemäß § 84 Abs 1 EO sowie im Verfahren über einstweilige Verfügungen zweiseitig sei. Im Fall der Unterbrechung eines Streitverfahrens liege nur ein prozessleitender Beschluss vor, der nicht unter die in § 521a ZPO angeführten Fälle eines zweiseitigen Rekurses falle. Auch Art 6 MRK verlange keine gegenteilige Auslegung.Das Rekursgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss die Rekursbeantwortung des Beklagten zurück, behielt sich die Entscheidung über den Rekurs bis zur Rechtskraft des Zurückweisungsbeschlusses vor und sprach aus, dass der ordentliche Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil nach dessen jüngster Rechtsprechung Zweifel daran bestünden, ob das Rekursverfahren nur einseitig sei. Zwar habe der Oberste Gerichtshof zuletzt ausgesprochen, dass der Rekurs betreffend das Konkurseröffnungsverfahren, in Verfahren nach der EO aber nur der Rekurs im Widerspruchsverfahren gemäß Paragraph 84, Absatz eins, EO sowie im Verfahren über einstweilige Verfügungen zweiseitig sei. Im Fall der Unterbrechung eines Streitverfahrens liege nur ein prozessleitender Beschluss vor, der nicht unter die in Paragraph 521 a, ZPO angeführten Fälle eines zweiseitigen Rekurses falle. Auch Artikel 6, MRK verlange keine gegenteilige Auslegung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des § 521a ZPO idF BGBl I 2001/98 im Verfahren über Unterbrechungsbeschlüsse fehlt; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des Paragraph 521 a, ZPO in der Fassung BGBl römisch eins 2001/98 im Verfahren über Unterbrechungsbeschlüsse fehlt; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.
Der Beklagte vermeint, dass die angefochtene Entscheidung gegen Art 6 MRK verstoße. Dem kann nicht beigepflichtet werden.Der Beklagte vermeint, dass die angefochtene Entscheidung gegen Artikel 6, MRK verstoße. Dem kann nicht beigepflichtet werden.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits - wenn auch ohne eingehende Begründung - ausgesprochen, dass das Rechtsmittelverfahren gegen einen berufungsgerichtlichen Beschluss, mit dem die Unterbrechung des Berufungsverfahrens wegen Konkurseröffnung über das Vermögen einer Partei festgestellt wird, nicht zweiseitig iSd § 521a ZPO ist (2 Ob 7/94 = ZIK 1995, 88); gleiches gilt für das Verfahren über einen Unterbrechungsantrag im Zivilprozess (6 Ob 2094/96a = MietSlg 48.672). An dieser Beurteilung ist auch nach der durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte veranlassten Neufassung des § 521a Abs 1 Z 4 ZPO durch BGBl I 2001/98 festzuhalten.Der Oberste Gerichtshof hat bereits - wenn auch ohne eingehende Begründung - ausgesprochen, dass das Rechtsmittelverfahren gegen einen berufungsgerichtlichen Beschluss, mit dem die Unterbrechung des Berufungsverfahrens wegen Konkurseröffnung über das Vermögen einer Partei festgestellt wird, nicht zweiseitig iSd Paragraph 521 a, ZPO ist (2 Ob 7/94 = ZIK 1995, 88); gleiches gilt für das Verfahren über einen Unterbrechungsantrag im Zivilprozess (6 Ob 2094/96a = MietSlg 48.672). An dieser Beurteilung ist auch nach der durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte veranlassten Neufassung des Paragraph 521 a, Absatz eins, Ziffer 4, ZPO durch BGBl römisch eins 2001/98 festzuhalten.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sprach in seinem Urteil vom 6. 2. 2001 Beer gegen Österreich (= ÖJZ 2001, 516) aus, der aus Art 6 Abs 1 MRK herleitbare Grundsatz der Waffengleichheit in einem Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen erfordere eine angemessene Gelegenheit für jede Partei, ihren Fall unter Bedingungen zu präsentieren, die keinen wesentlichen Nachteil gegenüber dem Verfahrensgegner realisierten. Jede Partei müsse daher die gegnerischen Stellungnahmen zur Kenntnis nehmen und kommentieren können. Das gelte sogar in untergeordneten Angelegenheiten wie bei Bestimmung der Verfahrenskosten, weil das Recht zur Stellungnahme als elementarer Grundsatz jedes kontradiktorischen Verfahrens zu wahren sei. Die Partei habe die Notwendigkeit der Stellungnahme zu einem Schriftstück selbst zu beurteilen. Das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Justiz sei unter anderem auf das Wissen der Parteien gegründet, eine Gelegenheit gehabt zu haben, ihre Ansichten zu jedem Schriftstück im Akt darzulegen. Die unterbliebene Zustellung eines Kostenrekurses und die mangelnde Möglichkeit, ihn zu beantworten, seien daher eine Verletzung des durch Art 6 Abs 1 MRK garantierten Grundsatzes der Waffengleichheit.Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sprach in seinem Urteil vom 6. 2. 2001 Beer gegen Österreich (= ÖJZ 2001, 516) aus, der aus Artikel 6, Absatz eins, MRK herleitbare Grundsatz der Waffengleichheit in einem Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen erfordere eine angemessene Gelegenheit für jede Partei, ihren Fall unter Bedingungen zu präsentieren, die keinen wesentlichen Nachteil gegenüber dem Verfahrensgegner realisierten. Jede Partei müsse daher die gegnerischen Stellungnahmen zur Kenntnis nehmen und kommentieren können. Das gelte sogar in untergeordneten Angelegenheiten wie bei Bestimmung der Verfahrenskosten, weil das Recht zur Stellungnahme als elementarer Grundsatz jedes kontradiktorischen Verfahrens zu wahren sei. Die Partei habe die Notwendigkeit der Stellungnahme zu einem Schriftstück selbst zu beurteilen. Das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Justiz sei unter anderem auf das Wissen der Parteien gegründet, eine Gelegenheit gehabt zu haben, ihre Ansichten zu jedem Schriftstück im Akt darzulegen. Die unterbliebene Zustellung eines Kostenrekurses und die mangelnde Möglichkeit, ihn zu beantworten, seien daher eine Verletzung des durch Artikel 6, Absatz eins, MRK garantierten Grundsatzes der Waffengleichheit.
In Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung hat die Oberste Rückstellungskommission beim Obersten Gerichtshof in ihrem Beschluss vom 28. 11. 2001, Rkv 1/01, ausgeführt, dass es zur Umsetzung des Erfordernisses der Waffengleichheit im Rückstellungsverfahren nicht erforderlich sei, dass jeder anfechtbare Beschluss im Zuge des Verfahrens in konventionskonformer Auslegung der anzuwendenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen dem Regime eines zweiseitigen Rechtsmittelverfahrens zu unterwerfen wäre. Es sei vielmehr zwischen prozessleitenden Beschlüssen einerseits und Beschlüssen, mit denen über Rechtsschutzansprüche abgesprochen werde, zu unterscheiden. Dieser Beurteilung ist nach Auffassung des erkennenden Senates auch für den Bereich der ZPO zuzustimmen.
Der Beschluss auf Unterbrechung des Verfahrens ist prozessleitender Natur (Fucik in Rechberger, ZPO² § 192 Rz 1). Mit einem solchen Beschluss wird zweifellos nicht über einen materiellen oder prozessualen Rechtsschutzanspruch erkannt, sondern nur ein vorläufiger Verfahrensstillstand bewirkt. Auch eine konventionskonforme Auslegung des § 521a ZPO verlangt daher keine Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens über einen Unterbrechungsbeschluss gem §§ 190 f ZPO.Der Beschluss auf Unterbrechung des Verfahrens ist prozessleitender Natur (Fucik in Rechberger, ZPO² Paragraph 192, Rz 1). Mit einem solchen Beschluss wird zweifellos nicht über einen materiellen oder prozessualen Rechtsschutzanspruch erkannt, sondern nur ein vorläufiger Verfahrensstillstand bewirkt. Auch eine konventionskonforme Auslegung des Paragraph 521 a, ZPO verlangt daher keine Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens über einen Unterbrechungsbeschluss gem Paragraphen 190, f ZPO.
Das Rekursgericht hat somit die Rekursbeantwortung des Beklagten ohne Rechtsirrtum zurückgewiesen. Dem Revisionsrekurs kann deshalb kein Erfolg beschieden sein.
Textnummer
E66210European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:0040OB00133.02S.0702.000Im RIS seit
01.08.2002Zuletzt aktualisiert am
18.02.2014