TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/21 2006/19/0289

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Veröffentlicht am 21.03.2007
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Index

E3R E19103000;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

32003R0343 Dublin-II Art16 Abs1 litc;
AsylG 1997 §5 Abs1;
AsylG 1997 §5a Abs1;
AsylG 1997 §5a Abs4;
MRK Art3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Dr. Pollak sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des V, vertreten durch Eckert & Fries Rechtsanwälte Gesellschaft m.b.H. in 2500 Baden, Erzherzog Rainer-Ring 23, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 8. März 2005, Zl. 258.360/0-VIII/23/05, betreffend §§ 5 und 5a Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Georgien, reiste am 28. Jänner 2005 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag Asyl.

Eine vom Bundesasylamt eingeholte EURODAC-Auskunft ergab, dass der Beschwerdeführer am 31. Dezember 2004 und am 16. Jänner 2005 in der Slowakei bereits Asylanträge gestellt hatte. Bei Einvernahmen am 1. und 4. Februar 2005 gab der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt dazu an, er wolle nicht in die Slowakei zurück. Im slowakischen Flüchtlingslager sei es sehr kalt gewesen und er habe Nierenschmerzen bekommen. Er sei nicht medizinisch versorgt worden. Ein zu Hilfe gerufener Arzt habe vielmehr Geld von ihm verlangt. Hätten tschetschenische Asylwerber dem Beschwerdeführer nicht Kleidung gegeben, wäre er erfroren.

Der Rechtsberater des Beschwerdeführers äußerte in einer Stellungnahme (auch unter Bezugnahme auf die Judikatur der belangten Behörde) allgemeine Bedenken an der slowakischen Asylrechtspraxis und führte abschließend aus, dem Beschwerdeführer drohe im Falle der Rückstellung in die Slowakei eine Kettenabschiebung.

Die zuständige Dienststelle des slowakischen Innenministeriums teilte mit Schreiben vom 14. Februar 2005 mit, den Beschwerdeführer gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin-Verordnung), wieder aufzunehmen und die Verpflichtung zur Prüfung seines Asylantrages zu akzeptieren.

Mit Bescheid vom 14. Februar 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (AsylG) als unzulässig zurück, erklärte die Slowakei "gemäß Art. 16 (1) (c)" der Dublin-Verordnung für zuständig und wies den Beschwerdeführer gemäß § 5a Abs. 1 iVm § 5a Abs. 4 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Slowakei aus. Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in dem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden solle, nicht genüge, um diese Abschiebung als unzulässig erscheinen zu lassen. Zudem habe der Beschwerdeführer diesbezüglich kein hinreichend konkretes Vorbringen erstattet.

In der dagegen erhobenen Berufung an die belangte Behörde führte der Beschwerdeführer aus, dass man ihm im slowakischen Flüchtlingslager seine Schuhe weggenommen hätte. Er sei gezwungen gewesen, mit bloßen Füßen auf dem nassen Boden zu gehen. Zudem habe ihm ein Aufseher mitgeteilt, dass er einen Arzt nur gegen Bezahlung "sehen könne". Der Zugang zu sanitären Anlagen im Flüchtlingslager sei beschränkt gewesen. Man habe ihn zur Unterschrift von Dokumenten genötigt, deren Inhalt er bis heute nicht kenne. Auch sei ihm kein Dolmetsch zur Verfügung gestellt worden. Eine Befragung zu den Fluchtgründen sei während seines gesamten Aufenthaltes in der Slowakei nicht erfolgt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers "gemäß § 5 Abs. 1 AsylG" ab. In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesasylamtes. Habe schon die Erstbehörde die Unbestimmtheit des Vorbringens des Beschwerdeführers dargetan, so zeige auch die Berufung keine geeigneten Umstände auf, welche die belangte Behörde "zu neuerlichen Sachverhaltsermittlungen verpflichten würden".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der vorliegende Beschwerdefall gleicht zu den entscheidungswesentlichen Fragen jenem, der mit hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2006, Zl. 2005/01/0317, entschieden wurde. Auf die in diesem Erkenntnis angeführten Gründe und die dort zitierte Rechtsprechung wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers in seinen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt und in seiner Berufung erweist sich in diesem Zusammenhang als ausreichend konkret, die belangte Behörde zu einer fallbezogenen Gefahrenprognose im Sinne der zuvor genannten Judikatur zu veranlassen. Anlässlich einer solchen Gefahrenprognose hätte die belangte Behörde die Glaubwürdigkeit der Behauptungen des Beschwerdeführers auch im Vergleich zu den der belangten Behörde bekannten Erfahrungsberichten über die Verhältnisse in der Slowakischen Republik zu messen gehabt. Bei allfälliger Wahrunterstellung seines Vorbringens hätte die belangte Behörde beurteilen müssen, ob der Beschwerdeführer bei Rückstellung in die Slowakische Republik mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr liefe, neuerlich einer derartigen Behandlung unterzogen zu werden. Eine solche individuelle Prüfung des ausreichend konkreten Vorbringens hat die belangte Behörde jedoch nicht vorgenommen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 21. März 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006190289.X00

Im RIS seit

16.07.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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