Index
L5 KulturrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Strafbestimmung des Tiroler Nationalparkgesetzes Hohe Tauern infolge Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges angesichts der Anhängigkeit eines StrafverfahrensSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 24. Jänner 2001, Z4-ST 43454/00 wurde über den Antragsteller wegen Verletzung von §6 litg Tiroler Nationalparkgesetz Hohe Tauern eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen verhängt, weil er am 24. Juli 2000 ein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug bis zur Schusteralm gelenkt und anschließend dieses Fahrzeug bis mindestens 7.00 Uhr des 25 Juli 2000 dort abgestellt habe. Damit habe der Antragsteller das Kraftfahrzeug verwendet, obwohl das Verwenden von Kraftfahrzeugen im gesamten Gebiet des Nationalparks verboten sei und der Antragsteller nicht unter die gesetzlichen Ausnahmen falle.
1.2. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol mit Bescheid vom 17. April 2001, Z uvs-2001/11/016-1 insoweit Folge, als er die verhängte Geldstrafe von S 2.000,- auf S 1.000,- und die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen auf einen Tag herabsetzte.
1.3. Dieser Bescheid wurde dem Antragsteller am 25. April 2001 zugestellt. Mit Schreiben vom 29. Mai 2001, zur Post gegeben am 7. Juni 2001, erhob der Antragsteller dagegen eine zu B893/01 protokollierte Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, welche mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 24. September 2001 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als verspätet zurückgewiesen wurde, da die sechswöchige Beschwerdefrist am 6. Juni 2001 abgelaufen war.
1.4. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2001 stellte der Antragsteller daraufhin beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, welcher mit Beschluss vom 25. Februar 2002, B1655/01, als unbegründet abgewiesen wurde.
2. Mit Schreiben vom 3. Mai 2002 stellt der Antragsteller nun den auf Art140 B-VG gestützten Antrag, "der Verfassungsgerichtshof möge §6 litg des Gesetzes vom 09.10.1991 über die Errichtung des Nationalparkgesetzes Hohe Tauern (Tiroler Nationalparkgesetz Hohe Tauern) Tir. LGBl Nr. 103/1991 als gesetz- und / oder verfassungswidrig aufheben".
Begründend wird dazu ua. vorgebracht, dass dem Antragsteller als Pächter der "Schusteralm" im Nationalpark Hohe Tauern mit der Einschränkung der Verwendung von Kraftfahrzeugen auf die im Gesetz genannten Ausnahmefälle jede Möglichkeit der eigenen Zufahrt zu der von ihm gepachteten Alm genommen werde.
II. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit des Antrages erwogen:
1.1. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur - beginnend mit seinen Beschlüssen VfSlg. 8009/1977 zu Art140 B-VG und VfSlg. 8058/1977 zu Art139 B-VG - ausführt, erfordert die Antragslegitimation nicht nur, dass die antragstellende Partei behauptet, unmittelbar durch die als verfassungs-(gesetz-)widrig angefochtene Gesetzes-(Verordnungs-) Bestimmung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sondern sie setzt auch voraus, dass dieses Gesetz (diese Verordnung) für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam wurde. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation bildet dabei der Umstand, dass das angefochtene Gesetz (die angefochtene Verordnung) die Rechtssphäre der betreffenden (natürlichen oder juristischen) Person berührt und - im Fall der Verfassungs-(Gesetz-)widrigkeit - verletzt. Jedoch nicht jedem Normadressaten kommt die Anfechtungsberechtigung zu; es ist vielmehr auch notwendig, dass unmittelbar durch das Gesetz (die Verordnung) selbst - tatsächlich - in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen wird. Ein solcher, die Antragslegitimation begründender Eingriff in die Rechtssphäre einer Person muss jedenfalls nach Art und Ausmaß durch das Gesetz (die Verordnung) eindeutig bestimmt sein und die rechtlich geschützten Interessen des Betroffenen nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen. Ein derartiger "unmittelbarer" Eingriff fehlt dann, wenn dem Antragsteller zur Abwehr der - ihm durch die angebliche Verfassungswidrigkeit des angefochtenen Gesetzes (Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung) entstandenen - Rechtsverletzung ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung steht. Dazu legte der Verfassungsgerichtshof bereits in wiederholten Entscheidungen (vgl. etwa VfSlg. 8890/1980 und die dort zitierte Judikatur) dar, dass das mit Art139 Abs1 und Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen Normunterworfenen eingeräumte Rechtsinstrument dafür bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen - gleichsam lückenschließend - nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht in Betracht kommt; andernfalls gelangte man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit der grundsätzlichen Aufgabe des Individualantrages, bloß subsidiärer Rechtsbehelf zu sein, keineswegs im Einklang stünde.
1.2. Ein solcher - die Antragslegitimation ausschließender - zumutbarer Weg besteht grundsätzlich dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist, das dem von der generellen Rechtsnorm Betroffenen letztlich Gelegenheit bietet, die Einleitung eines amtswegigen Normenprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof anzuregen; eine Ausnahme besteht nur für den Fall, dass besondere, außergewöhnliche Umstände vorliegen, um der Partei des gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahrens trotz der ihr dort offen stehenden Möglichkeiten das Recht auf Einbringung eines Normenprüfungsantrages einzuräumen (vgl. zB VfSlg. 8312/1978, 8552/1979, 10.251/1984). Zwar ist es unzumutbar, ein Strafverfahren zu provozieren, um solcherart Gelegenheit zu finden, ein amtswegiges Normenprüfungsverfahren zu initiieren (vgl. zB VfSlg. 8396/1978, 8464/1978); ist ein Strafverfahren aber ohnehin im Gange, so muss es dem Beschuldigten durchaus zugemutet werden, den administrativen Instanzenzug auszuschöpfen und sodann beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde nach Art144 B-VG zu erheben und darin seine Bedenken gegen die generelle Norm vorzubringen (vgl. zB VfSlg. 11.481/1987).
1.3. Die Bezirkshauptmannschaft Lienz leitete nun gegen den Antragsteller wegen Übertretung des §6 litg Tiroler Nationalparkgesetz Hohe Tauern, LGBl. Nr. 103/1991, ein Verwaltungsstrafverfahren ein, das zur Erlassung des Straferkenntnisses vom 24. Jänner 2001 führte (s. Punkt 1.1.). Dem Einschreiter stand somit die - iS der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 11.684/1988) zumutbarer Weise zu nutzende - Möglichkeit offen, nach Ausschöpfung des administrativen Instanzenzuges im Wege einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof seine Bedenken gegen das dem Straferkenntnis zugrundegelegte Gesetz geltend zu machen, um auf diese Weise eine gegebenenfalls von Amts wegen zu veranlassende Überprüfung dieser Norm auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu erwirken. Damit aber erweist sich der vorliegende (Individual-) Antrag als unzulässig. Daran ändert auch nichts, dass der Antragsteller die ihm hier gegeben gewesenen administrativen Rechtsverfolgungsmöglichkeiten nicht fristgerecht in Anspruch nahm.
Der Antrag war daher zurückzuweisen.
2. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
Schlagworte
Naturschutz, Nationalpark, Verwaltungsstrafrecht, Straferkenntnis, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:G189.2002Dokumentnummer
JFT_09979070_02G00189_00