TE OGH 2002/7/23 10ObS246/02b

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.07.2002
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Andrea Komar (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Pauline G***** vertreten durch Dr. Edeltraud Fichtenbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kriegsgefangenenentschädigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. April 2002, GZ 9 Rs 107/02z-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. Jänner 2002, GZ 4 Cgs 201/01w-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt lauten:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin ab 1. 1. 2002 eine Kriegsgefangenenentschädigung in Höhe von monatlich EUR 29,07 zu leisten.

Das Mehrbegehren auf Leistung einer Kriegsgefangenenentschädigung im Zeitraum 1. 2. 2001 bis 31. 12. 2001 wird abgewiesen."

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 30. 5. 1924 geborene Klägerin lebte zum Zeitpunkt ihrer Festnahme als rumänische Staatsangehörige (deutschstämmiger Abstammung) im Ort Deta, der 42 km von Temesvar (Rumänien) entfernt liegt. Dort wurde sie im Jänner 1945 gefangen genommen, nach Russland deportiert und in verschiedenen Arbeitslagern interniert, wo sie unter härtesten Bedingungen körperlich schwere Arbeit leisten musste, ohne dafür eine Entlohnung in Geld zu erhalten. Die Klägerin wurde im Mai 1949 aus der Gefangenschaft entlassen. Sie ist seit 1956 österreichische Staatsbürgerin.

Die Klägerin stellte am 31. 1. 2001 den Antrag auf Gewährung einer Kriegsgefangenenentschädigung. Mit Bescheid der beklagten Partei vom 12. 6. 2001 wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin erfülle nicht die Tatbestände des § 1 Z 1 - 3 KGEG. Kriegsgefangene iSd KGEG seien Personen, die vom Gewahrsamestaat als Angehörige der ehemaligen deutschen Wehrmacht oder deren Verbündeten behandelt und gefangen genommen worden seien.Die Klägerin stellte am 31. 1. 2001 den Antrag auf Gewährung einer Kriegsgefangenenentschädigung. Mit Bescheid der beklagten Partei vom 12. 6. 2001 wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin erfülle nicht die Tatbestände des Paragraph eins, Ziffer eins, - 3 KGEG. Kriegsgefangene iSd KGEG seien Personen, die vom Gewahrsamestaat als Angehörige der ehemaligen deutschen Wehrmacht oder deren Verbündeten behandelt und gefangen genommen worden seien.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Kriegsgefangenenentschädigung nach dem KGEG seien nicht erfüllt, weil die Klägerin, als sie festgenommen wurde, rumänische Staatsbürgerin gewesen und ihre Festnahme in Rumänien erfolgt sei. Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es die beklagte Partei verpflichtete, der Klägerin ab 1. 2. 2001 eine Kriegsgefangenenentschädigung in Höhe von S 400,-- (EUR 29,07) zu leisten. Der Berufung der Klägerin sei darin zu folgen, dass die österreichische Staatsbürgerschaft und der gewöhnliche Aufenthalt im Inland nur im Zeitpunkt der Antragstellung für den Anspruch auf Entschädigungsleistung nach dem KGEG maßgebend seien. Zwar falle die Klägerin nicht unter den völkerrechtlichen Kriegsgefangenenbegriff. § 1 KGEG orientiere sich jedoch am Vorbild des § 1 SpätheimkehrerG. Der Begriff der Kriegsgefangenschaft sei daher (nach den zur Auslegung dieses Gesetztes bereits herangezogenen Kriterien) weit und über das völkerrechtliche Verständnis hinausgehend auszulegen. Da die Klägerin in Bezug auf die Härten, denen sie ausgesetzt gewesen sei, gegenüber Kriegsgefangenen im völkerrechtlichen Sinn nicht begünstigt gewesen sei, erscheine ihre Beurteilung als Kriegsgefangene iSd § 1 Z 1 KGEG mit Bedachtnahme auf den sozialen Zweck des KGEG als sachgerecht. Gerade der in den ErlRV enthaltene Hinweis auf die Nachteile der Betroffenen durch „in vielen Fällen nicht adäquat abgegoltene Arbeitsleistungen unter oft schwierigsten Bedingungen" spreche für dieses Auslegungsergebnis. Die Klägerin habe daher im Hinblick auf die mindestens vier Jahre dauernde Gefangenschaft Anspruch auf eine monatliche Entschädigungsleistung in Höhe von monatlich S 400,-- (EUR 29,07).Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Kriegsgefangenenentschädigung nach dem KGEG seien nicht erfüllt, weil die Klägerin, als sie festgenommen wurde, rumänische Staatsbürgerin gewesen und ihre Festnahme in Rumänien erfolgt sei. Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es die beklagte Partei verpflichtete, der Klägerin ab 1. 2. 2001 eine Kriegsgefangenenentschädigung in Höhe von S 400,-- (EUR 29,07) zu leisten. Der Berufung der Klägerin sei darin zu folgen, dass die österreichische Staatsbürgerschaft und der gewöhnliche Aufenthalt im Inland nur im Zeitpunkt der Antragstellung für den Anspruch auf Entschädigungsleistung nach dem KGEG maßgebend seien. Zwar falle die Klägerin nicht unter den völkerrechtlichen Kriegsgefangenenbegriff. Paragraph eins, KGEG orientiere sich jedoch am Vorbild des Paragraph eins, SpätheimkehrerG. Der Begriff der Kriegsgefangenschaft sei daher (nach den zur Auslegung dieses Gesetztes bereits herangezogenen Kriterien) weit und über das völkerrechtliche Verständnis hinausgehend auszulegen. Da die Klägerin in Bezug auf die Härten, denen sie ausgesetzt gewesen sei, gegenüber Kriegsgefangenen im völkerrechtlichen Sinn nicht begünstigt gewesen sei, erscheine ihre Beurteilung als Kriegsgefangene iSd Paragraph eins, Ziffer eins, KGEG mit Bedachtnahme auf den sozialen Zweck des KGEG als sachgerecht. Gerade der in den ErlRV enthaltene Hinweis auf die Nachteile der Betroffenen durch „in vielen Fällen nicht adäquat abgegoltene Arbeitsleistungen unter oft schwierigsten Bedingungen" spreche für dieses Auslegungsergebnis. Die Klägerin habe daher im Hinblick auf die mindestens vier Jahre dauernde Gefangenschaft Anspruch auf eine monatliche Entschädigungsleistung in Höhe von monatlich S 400,-- (EUR 29,07).

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsabweisenden Sinne; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

§ 1 des im Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl I 2000/142, als Artikel 70 enthaltenen Bundesgesetzes, mit dem eine Entschädigung für Kriegsgefangene eingeführt wird (Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz), lautete in der Stammfassung wie folgt:Paragraph eins, des im Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl römisch eins 2000/142, als Artikel 70 enthaltenen Bundesgesetzes, mit dem eine Entschädigung für Kriegsgefangene eingeführt wird (Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz), lautete in der Stammfassung wie folgt:

„§ 1. Österreichische Staatsbürger, die

1. im Verlauf des Zweiten Weltkrieges in Kriegsgefangenschaft mittelost- oder osteuropäischer Staaten (wie Albaniens, Bulgariens, Polens, der ehemaligen Sowjetunion, Rumäniens, der ehemaligen Tschechoslowakei, des ehemaligen Jugoslawiens) gerieten, oder

2. während der Besetzung Österreichs durch die Alliierten Mächte von einer ausländischen Macht aus politischen oder militärischen Gründen in Österreich festgenommen und durch mittelost- oder osteuropäische Staaten angehalten wurden, oder

3. sich auf Grund politischer Verfolgung oder drohender politischer Verfolgung im Sinne des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947, außerhalb des Gebietes der Republik Österreich befanden und aus den in Z 2 angeführten Gründen von einer ausländischen Macht festgenommen und nach Beginn des Zweiten Weltkrieges durch mittelost- oder osteuropäische Staaten angehalten wurden,3. sich auf Grund politischer Verfolgung oder drohender politischer Verfolgung im Sinne des Opferfürsorgegesetzes, Bundesgesetzblatt Nr. 183 aus 1947,, außerhalb des Gebietes der Republik Österreich befanden und aus den in Ziffer 2, angeführten Gründen von einer ausländischen Macht festgenommen und nach Beginn des Zweiten Weltkrieges durch mittelost- oder osteuropäische Staaten angehalten wurden,

haben Anspruch auf eine Leistung nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes."

Wie auch schon die Vorinstanzen dargestellt haben, fällt die Gefangenschaft der Klägerin bei wörtlicher Auslegung der Bestimmung nicht unter eine der drei aufgezählten Alternativen des § 1 KGEG idF BGBl I 2000/142, insbesondere nicht unter den Begriff der Kriegsgefangenschaft, mag die Klägerin auch unter vergleichbaren, wenn nicht schlechteren Bedingungen angehalten worden sein wie Kriegsgefangene. Im Hinblick auf den klaren Gesetzeswortlaut und die Gesetzesmaterialien, aus denen eine bewusst enge Abgrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises hervorgeht, versagt auch die vom Berufungsgericht herangezogene Ausdehnung des Begriffs durch Analogie; was sich - entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Auffassung - auch darin zeigt, dass der Gesetzgeber nunmehr den anspruchsberechtigten Personenkreis so formuliert hat, dass auch Personen, die nicht dem (engen) Begriff des Kriegsgefangenen unterliegen, ab 1. 1. 2002 einbezogen sind (stRsp; RIS-Justiz RS0116324).Wie auch schon die Vorinstanzen dargestellt haben, fällt die Gefangenschaft der Klägerin bei wörtlicher Auslegung der Bestimmung nicht unter eine der drei aufgezählten Alternativen des Paragraph eins, KGEG in der Fassung BGBl römisch eins 2000/142, insbesondere nicht unter den Begriff der Kriegsgefangenschaft, mag die Klägerin auch unter vergleichbaren, wenn nicht schlechteren Bedingungen angehalten worden sein wie Kriegsgefangene. Im Hinblick auf den klaren Gesetzeswortlaut und die Gesetzesmaterialien, aus denen eine bewusst enge Abgrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises hervorgeht, versagt auch die vom Berufungsgericht herangezogene Ausdehnung des Begriffs durch Analogie; was sich - entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Auffassung - auch darin zeigt, dass der Gesetzgeber nunmehr den anspruchsberechtigten Personenkreis so formuliert hat, dass auch Personen, die nicht dem (engen) Begriff des Kriegsgefangenen unterliegen, ab 1. 1. 2002 einbezogen sind (stRsp; RIS-Justiz RS0116324).

Der Gesetzgeber hat nämlich die ursprünglich im KGEG vorgesehenen Differenzierung ua zwischen Kriegsgefangenen und sonstigen im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen gefangen genommenen Personen mittlerweile durch eine Novellierung des § 1 KGEG durch das Bundesgesetz BGBl I 2002/40 insoweit beseitigt als § 1 (Personenkreis) seit 1. 1. 2002 lautet:Der Gesetzgeber hat nämlich die ursprünglich im KGEG vorgesehenen Differenzierung ua zwischen Kriegsgefangenen und sonstigen im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen gefangen genommenen Personen mittlerweile durch eine Novellierung des Paragraph eins, KGEG durch das Bundesgesetz BGBl römisch eins 2002/40 insoweit beseitigt als Paragraph eins, (Personenkreis) seit 1. 1. 2002 lautet:

"§ 1. Österreichische Staatsbürger, die

1. im Verlauf des Ersten oder Zweiten Weltkrieges in Kriegsgefangenschaft gerieten, oder

2. im Verlauf des Zweiten Weltkrieges oder während der Besetzung Österreichs durch die Alliierten Mächte von einer ausländischen Macht aus politischen oder militärischen Gründen festgenommen und angehalten wurden, oder

3. sich auf Grund politischer Verfolgung oder drohender politischer Verfolgung im Sinne des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947, außerhalb des Gebietes der Republik Österreich befanden und aus den in Z 2 angeführten Gründen von einer ausländischen Macht festgenommen und nach Beginn des Zweiten Weltkrieges angehalten wurden, haben Anspruch auf eine Leistung nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes."3. sich auf Grund politischer Verfolgung oder drohender politischer Verfolgung im Sinne des Opferfürsorgegesetzes, Bundesgesetzblatt Nr. 183 aus 1947,, außerhalb des Gebietes der Republik Österreich befanden und aus den in Ziffer 2, angeführten Gründen von einer ausländischen Macht festgenommen und nach Beginn des Zweiten Weltkrieges angehalten wurden, haben Anspruch auf eine Leistung nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes."

In der Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz geändert wird (944 BlgNR XXI. GP 3) heißt es dazu: "Durch die vorgesehene Gesetzesänderung sollen auch Kriegsgefangene der Westalliierten, zivilinternierte Personen, die außerhalb Österreichs festgenommen wurden, sowie Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, einen Entschädigungsanspruch nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz erhalten."In der Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz geändert wird (944 BlgNR römisch XXI. GP 3) heißt es dazu: "Durch die vorgesehene Gesetzesänderung sollen auch Kriegsgefangene der Westalliierten, zivilinternierte Personen, die außerhalb Österreichs festgenommen wurden, sowie Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, einen Entschädigungsanspruch nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz erhalten."

Die ursprünglich (bis 31. 12. 2001) in § 1 Z 1 KGEG vorgesehene Differenzierung zwischen "Ost-" und "Westgefangenen" wurde zwischenzeitig zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit an den Verfassungsgerichtshof herangetragen. In seinem Erkenntnis vom 8. 3. 2002, G 308, 312/01, hat der Verfassungsgerichtshof die entsprechenden Gesetzesprüfungsanträge des Oberlandesgerichts Innsbruck abgewiesen und in der Sache (Punkt 2.) unter anderem ausgeführt:Die ursprünglich (bis 31. 12. 2001) in Paragraph eins, Ziffer eins, KGEG vorgesehene Differenzierung zwischen "Ost-" und "Westgefangenen" wurde zwischenzeitig zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit an den Verfassungsgerichtshof herangetragen. In seinem Erkenntnis vom 8. 3. 2002, G 308, 312/01, hat der Verfassungsgerichtshof die entsprechenden Gesetzesprüfungsanträge des Oberlandesgerichts Innsbruck abgewiesen und in der Sache (Punkt 2.) unter anderem ausgeführt:

"III. ... 2.1. Das antragstellende Oberlandesgericht macht geltend, die in § 1 Z 1 KGEG getroffene Differenzierung zwischen 'Ost-' und 'Westgefangenen' sei sachlich nicht gerechtfertigt. Die Bundesregierung hat dem im wesentlichen die Begründung der Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2001 (311 BlgNR XXI. GP, zu Art. 70 Budgetbegleitgesetz 2001) entgegengehalten, worin ausgeführt wird, daß österreichische Staatsbürger, die während des Zweiten Weltkrieges in Kriegsgefangenschaft osteuropäischer Staaten gerieten oder während der Besetzung Österreichs von einer ausländischen Macht festgenommen und in osteuropäischen Staaten angehalten wurden, dadurch vielfältige Nachteile erlitten hätten."III. ... 2.1. Das antragstellende Oberlandesgericht macht geltend, die in Paragraph eins, Ziffer eins, KGEG getroffene Differenzierung zwischen 'Ost-' und 'Westgefangenen' sei sachlich nicht gerechtfertigt. Die Bundesregierung hat dem im wesentlichen die Begründung der Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2001 (311 BlgNR römisch XXI. GP, zu Artikel 70, Budgetbegleitgesetz 2001) entgegengehalten, worin ausgeführt wird, daß österreichische Staatsbürger, die während des Zweiten Weltkrieges in Kriegsgefangenschaft osteuropäischer Staaten gerieten oder während der Besetzung Österreichs von einer ausländischen Macht festgenommen und in osteuropäischen Staaten angehalten wurden, dadurch vielfältige Nachteile erlitten hätten.

Angesichts dessen sei aus budgetären Erwägungen (vorerst) davon abgesehen worden, auch Kriegsgefangenen der Westalliierten einen Anspruch auf Entschädigung einzuräumen. Eine Neuregelung dahin, daß künftig auch diesem Personenkreis eine Entschädigung zuerkannt werden könne, sei aber in Aussicht genommen, allerdings erst mit Wirkung vom 1. 1. 2002 (s. nunmehr das Bundesgesetz, mit dem das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 40/2002, mit dem ua. § 1 Z 1 Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz dahin neu gefaßt wurde, daß künftig im Verlauf des Ersten oder Zweiten Weltkriegs als Kriegsgefangene Angehaltene - ohne jede Differenzierung - eine Entschädigung erhalten.Angesichts dessen sei aus budgetären Erwägungen (vorerst) davon abgesehen worden, auch Kriegsgefangenen der Westalliierten einen Anspruch auf Entschädigung einzuräumen. Eine Neuregelung dahin, daß künftig auch diesem Personenkreis eine Entschädigung zuerkannt werden könne, sei aber in Aussicht genommen, allerdings erst mit Wirkung vom 1. 1. 2002 (s. nunmehr das Bundesgesetz, mit dem das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz geändert wird, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 40 aus 2002,, mit dem ua. Paragraph eins, Ziffer eins, Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz dahin neu gefaßt wurde, daß künftig im Verlauf des Ersten oder Zweiten Weltkriegs als Kriegsgefangene Angehaltene - ohne jede Differenzierung - eine Entschädigung erhalten.

2.2. Dem Gesetzgeber des KGEG ging es - im zeitlichen Zusammenhang mit der Gewährung von Entschädigungsleistungen an ehemalige Zwangsarbeiter des NS-Regimes -, wie den Materialien zum Budgetbegleitgesetz 2001 (EB 311 BlgNR XXI. GP, zu Art. 70) entnommen werden kann, vorrangig darum, auch eine finanzielle Anerkennung bzw. Entschädigung für vergleichbare Anhaltungen von Kriegsgefangenen unter besonders erschwerten Bedingungen vorzusehen, wie sie nach Einschätzung des Gesetzgebers in den genannten mittelost- oder osteuropäischen Staaten bestanden haben.2.2. Dem Gesetzgeber des KGEG ging es - im zeitlichen Zusammenhang mit der Gewährung von Entschädigungsleistungen an ehemalige Zwangsarbeiter des NS-Regimes -, wie den Materialien zum Budgetbegleitgesetz 2001 (EB 311 BlgNR römisch XXI. GP, zu Artikel 70,) entnommen werden kann, vorrangig darum, auch eine finanzielle Anerkennung bzw. Entschädigung für vergleichbare Anhaltungen von Kriegsgefangenen unter besonders erschwerten Bedingungen vorzusehen, wie sie nach Einschätzung des Gesetzgebers in den genannten mittelost- oder osteuropäischen Staaten bestanden haben.

2.2.1. Das antragstellende Oberlandesgericht räumt hiezu selbst ein, daß es besonders schwierig sei, die (unterschiedlichen) Bedingungen der Anhaltung als Kriegsgefangener durch einzelne Staaten in aussagekräftiger Weise miteinander zu vergleichen.

Nun mag es zutreffen, daß (auch) die Kriegsgefangenen der Westalliierten - wie das Oberlandesgericht ausführt - jedenfalls im unmittelbaren Anschluß an die Kapitulation und Internierung 'heute wohl kaum mehr vorstellbare Strapazen und Schwierigkeiten zu erleiden' hatten.

Demgegenüber durfte der Gesetzgeber aber davon ausgehen, daß insbesondere für die durch die ehemalige UdSSR Inhaftierten auch über die unmittelbar der Kapitulation und dem Beginn der Internierung nachfolgende Zeit hinaus wegen der kriegsbedingt auf längere Zeit hindurch extrem schlechten Versorgungslage in den mittelost- und osteuropäischen Staaten besonders ungünstige Anhaltebedingungen für die Kriegsgefangenen bestanden haben, unter denen jene, die sich in der Gewahrsame der Westalliierten befunden hatten, (im allgemeinen und Ausnahmen auf Grund besonderer Verhältnisse außer Betracht lassend) nicht zu leiden hatten.

2.2.2. Dem Gesetzgeber kommt in der Frage, in welchem Umfang er die unterschiedlichen Erscheinungsformen kriegs- und verfolgungsbedingter Haft und Anhaltung im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg als entschädigungswürdig erachtet, ein weiter - letztlich auch wohl von politischen Bewertungen geprägter - Beurteilungsspielraum zu. In welchem Ausmaß die der zur Prüfung gestellten Entschädigungsregelung allenfalls zugrunde liegende politische Bewertung geteilt wird, ist jedenfalls keine Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm. Es kann dem Gesetzgeber daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn er vorweg - mit Blick auf die Entschädigung für die Sklaven- und Zwangsarbeiter des nationalsozialistischen Regimes (vgl. hiezu AB 255 BlgNR XXI. GP, Allgemeiner Teil, zum Versöhnungsfonds-Gesetz) - nur jenen Kriegsgefangenen eine Entschädigung zukommen lassen wollte, die typischerweise unter vergleichbaren menschenunwürdigen Bedingungen angehalten wurden. Es läßt sich auch nicht sagen, daß der Gesetzgeber die historischen Gegebenheiten grob verkannt hätte, wenn er davon ausgegangen ist, daß eine derartige Vergleichbarkeit in erster Linie bei den ehemaligen Kriegsgefangenen der ost- und mittelosteuropäischen Staaten besteht.2.2.2. Dem Gesetzgeber kommt in der Frage, in welchem Umfang er die unterschiedlichen Erscheinungsformen kriegs- und verfolgungsbedingter Haft und Anhaltung im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg als entschädigungswürdig erachtet, ein weiter - letztlich auch wohl von politischen Bewertungen geprägter - Beurteilungsspielraum zu. In welchem Ausmaß die der zur Prüfung gestellten Entschädigungsregelung allenfalls zugrunde liegende politische Bewertung geteilt wird, ist jedenfalls keine Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm. Es kann dem Gesetzgeber daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn er vorweg - mit Blick auf die Entschädigung für die Sklaven- und Zwangsarbeiter des nationalsozialistischen Regimes vergleiche hiezu AB 255 BlgNR römisch XXI. GP, Allgemeiner Teil, zum Versöhnungsfonds-Gesetz) - nur jenen Kriegsgefangenen eine Entschädigung zukommen lassen wollte, die typischerweise unter vergleichbaren menschenunwürdigen Bedingungen angehalten wurden. Es läßt sich auch nicht sagen, daß der Gesetzgeber die historischen Gegebenheiten grob verkannt hätte, wenn er davon ausgegangen ist, daß eine derartige Vergleichbarkeit in erster Linie bei den ehemaligen Kriegsgefangenen der ost- und mittelosteuropäischen Staaten besteht.

Für welchen Zeitpunkt es dem Gesetzgeber unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten gestattet wäre, eine Begünstigung der hier zu beurteilenden Art für bloß eine Gruppe der ehemaligen Kriegsgefangenen zu gewähren, muß aus Anlaß dieses Verfahrens nicht abschließend geklärt werden, weil mittlerweile die Entschädigungszahlungen mit Wirkung vom 1. 1. 2002 auf alle Kriegsgefangenen ausgeweitet wurden (s. oben Pkt. III.2.1.) und der Gesetzgeber durch diese Art der stufenweisen Einführung seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum - vor dem Hintergrund seiner oben wiedergegebenen Motive - keinesfalls überschritten hat.Für welchen Zeitpunkt es dem Gesetzgeber unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten gestattet wäre, eine Begünstigung der hier zu beurteilenden Art für bloß eine Gruppe der ehemaligen Kriegsgefangenen zu gewähren, muß aus Anlaß dieses Verfahrens nicht abschließend geklärt werden, weil mittlerweile die Entschädigungszahlungen mit Wirkung vom 1. 1. 2002 auf alle Kriegsgefangenen ausgeweitet wurden (s. oben Pkt. römisch III.2.1.) und der Gesetzgeber durch diese Art der stufenweisen Einführung seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum - vor dem Hintergrund seiner oben wiedergegebenen Motive - keinesfalls überschritten hat.

2.2.3. Es begegnet daher auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Gesetzgeber eine Regelung getroffen hat, die - ohne Bedachtnahme auf die besonderen Bedingungen der Anhaltung in jedem Einzelfall - nur daran anknüpft, von welchem Staat der Betroffene als Kriegsgefangener angehalten wurde:

Nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofs ist es nämlich mit dem Gleichheitssatz vereinbar, wenn der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung ausgeht (zB VfSlg. 3595/1959, 5318/1966, 8457/1978, 11.615/1988 uva.) und dabei auch eine pauschalierende Regelung trifft, insbesondere wenn dies der Verwaltungsökonomie dient (VfSlg. 9258/1981, 10.089/1984). Es wird ein solches Gesetz nicht schon deshalb gleichheitswidrig, weil dabei Härtefälle entstehen (zB VfSlg. 3568/1959, 9908/1983, 10.276/1984).

Unter diesem Aspekt trifft es auch nicht zu, wenn das antragstellende Oberlandesgericht meint, die durch das KGEG zuerkannte Entschädigungsleistung sei allein von dem rein zufälligen (und damit als sachliches Differenzierungskriterium untauglichen) Umstand abhängig gemacht, von welcher kriegsführenden Macht der Betroffene in Kriegsgefangenschaft genommen wurde. Soweit - auch zufällig eintretende - Ereignisse typischerweise zB grundlegend voneinander abweichende Kriegsgefangenenschicksale zur Folge hatten, ist es nicht von vornherein unsachlich, wenn der Gesetzgeber an diese Unterschiede im Tatsächlichen bei einer Entschädigungsregelung der vorliegenden Art anknüpft.

2.3. Die Anträge waren daher abzuweisen."

Aus der Interpretation, dass dem Gesetzgeber in der Frage, in welchem Umfang er die unterschiedlichen Erscheinungsformen kriegs- und verfolgungsbedingter Haft und Anhaltung im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg als entschädigungswürdig erachtet, ein weiter - letztlich auch wohl von politischen Bewertungen geprägter - Beurteilungsspielraum zukommt, folgt, dass auch die bis 31. 12. 2001 bestandene Differenzierung zwischen Kriegsgefangenen und und sonstigen im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen gefangen genommenen Personen keinen Bedenken hinsichtlich ihrer Verfassungsgemäßheit begegnet.

Im Sinne der obigen Ausführungen ist ein Anspruch der Klägerin auf Kriegsgefangenenentschädigung für den Zeitraum bis 31. 12. 2001 zu verneinen, während die Klägerin ab 1. 1. 2002 unter den anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 1 Z 2 KGEG idF BGBl I 2002/40 fällt.Im Sinne der obigen Ausführungen ist ein Anspruch der Klägerin auf Kriegsgefangenenentschädigung für den Zeitraum bis 31. 12. 2001 zu verneinen, während die Klägerin ab 1. 1. 2002 unter den anspruchsberechtigten Personenkreis nach Paragraph eins, Ziffer 2, KGEG in der Fassung BGBl römisch eins 2002/40 fällt.

Nach der ständigen Rechtsprechung hat das Rechtsmittelgericht auf eine Änderung der Rechtslage Bedacht zu nehmen, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das umstrittene Rechtsverhältnis anzuwenden sind (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 11 zu § 482 mwN uva; RIS-Justiz RS0031419). Insbesondere sind Änderungen des zwingenden Rechts, sofern nicht Übergangsrecht etwas anderes bestimmt, vom Rechtsmittelgericht ohne weiteres von Amts wegen seiner Entscheidung zugrundezulegen, auch wenn der zu beurteilende Sachverhalt bereits vor In-Kraft-Treten des neuen Rechts verwirklicht wurde (SZ 71/89; SZ 69/238 ua; RIS-Justiz RS0106868).Nach der ständigen Rechtsprechung hat das Rechtsmittelgericht auf eine Änderung der Rechtslage Bedacht zu nehmen, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das umstrittene Rechtsverhältnis anzuwenden sind (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 11 zu Paragraph 482, mwN uva; RIS-Justiz RS0031419). Insbesondere sind Änderungen des zwingenden Rechts, sofern nicht Übergangsrecht etwas anderes bestimmt, vom Rechtsmittelgericht ohne weiteres von Amts wegen seiner Entscheidung zugrundezulegen, auch wenn der zu beurteilende Sachverhalt bereits vor In-Kraft-Treten des neuen Rechts verwirklicht wurde (SZ 71/89; SZ 69/238 ua; RIS-Justiz RS0106868).

Nach § 23 Abs 3 KGEG tritt § 1 KGEG idF des Bundesgesetzes BGBl I 2002/40 mit 1. 1. 2002 in Kraft. Nach § 21 KGEG gebühren Leistungen nach dem KGEG frühestens mit dem In-Kraft-Treten. Gemäß § 21a KGEG idF der Z 3 BGBl I 2002/40 ist die Leistung nach diesem Bundesgesetz, wenn die durch die Novelle (BGBl I 2002/40) begünstigten Personen bis zum 31. 12. 2002 einen Antrag stellen, bei Vorliegen der Voraussetzungen frühestens ab 1. 1. 2002 zu erbringen. Dies gilt auch für Anträge, die vor dem 1. 1. 2002 eingebracht wurden, unabhängig davon, ob über sie bereits rechtskräftig entschieden wurde oder nicht.Nach Paragraph 23, Absatz 3, KGEG tritt Paragraph eins, KGEG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl römisch eins 2002/40 mit 1. 1. 2002 in Kraft. Nach Paragraph 21, KGEG gebühren Leistungen nach dem KGEG frühestens mit dem In-Kraft-Treten. Gemäß Paragraph 21 a, KGEG in der Fassung der Ziffer 3, BGBl römisch eins 2002/40 ist die Leistung nach diesem Bundesgesetz, wenn die durch die Novelle (BGBl römisch eins 2002/40) begünstigten Personen bis zum 31. 12. 2002 einen Antrag stellen, bei Vorliegen der Voraussetzungen frühestens ab 1. 1. 2002 zu erbringen. Dies gilt auch für Anträge, die vor dem 1. 1. 2002 eingebracht wurden, unabhängig davon, ob über sie bereits rechtskräftig entschieden wurde oder nicht.

Die Klägerin, die sich nach den Feststellungen von Jänner 1945 bis Mai 1949 in russischer Gefangenschaft befand, gebührt daher ab 1. 1. 2002 eine monatliche Geldleistung in Höhe von EUR 29,07 (§ 4 Abs 1 KGEG), da ihre Gefangenschaft mindestens als vier Jahre andauerte.Die Klägerin, die sich nach den Feststellungen von Jänner 1945 bis Mai 1949 in russischer Gefangenschaft befand, gebührt daher ab 1. 1. 2002 eine monatliche Geldleistung in Höhe von EUR 29,07 (Paragraph 4, Absatz eins, KGEG), da ihre Gefangenschaft mindestens als vier Jahre andauerte.

Anmerkung

E66516 10ObS246.02b

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:010OBS00246.02B.0723.000

Dokumentnummer

JJT_20020723_OGH0002_010OBS00246_02B0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten