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58 Berg- und EnergierechtNorm
B-VG Art94Leitsatz
Zurückweisung von Beschwerden gegen Bescheide der Elektrizitäts-Control Kommission betreffend die Zurückweisung von Anträgen auf Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens mangels Legitimation; Außerkrafttreten des Bescheides bei Anrufung des Gerichts gesetzlich vorgesehenSpruch
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Die beschwerdeführende Gesellschaft brachte am 30. November 2001 an die Elektrizitäts-Control Kommission gerichtete, auf §16 Abs1 Z5 Bundesgesetz über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektrizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission, BGBl. I Nr. 121/2000 (in der Folge: BG Regulierungsbehörden), iVm §21 Abs2 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz, BGBl. I Nr. 143/1998 in der Fassung BGBl. I Nr. 121/2000 (in der Folge: ElWOG), gestützte Anträge auf Durchführung von Streitbeilegungsverfahren ein und führte darin aus, sie habe als Betreiberin des österreichischen Hoch- und Höchstspannungsnetzes die Aufgabe der "Sekundärregelung" sowohl im "österreichischen Bereich" (das sind im Wesentlichen die Bundesländer Wien, Niederösterreich, Burgenland, Oberösterreich, Steiermark, Kärnten und Salzburg) als auch im "Vorarlberger Bereich" (Regelzone Vorarlberg) wahrzunehmen. Gemäß §6 Abs2 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Festlegung der Grundsätze, die bei der Bestimmung des Systemnutzungstarifes angewendet werden, BGBl. II Nr. 51/1999 (im Folgenden SNTGV) seien die Kosten der Sekundärregelung auf alle Betreiber von Elektrizitätserzeugungsanlagen mit einer Engpassleistung von mehr als 1 MW umzulegen. Die Antragsgegner (nunmehr: mitbeteiligten Parteien) seien sämtliche Betreiber einer Elektrizitätserzeugungsanlage mit einer Engpassleistung von mehr als 1 MW und gemäß §6 SNTGV verpflichtet, die zur Verrechnung der Systemdienstleistung erforderlichen Daten jährlich bekannt zu geben und das daraus ableitbare, von der Beschwerdeführerin vorzuschreibende Entgelt (sog. "Systemdienstleistungsentgelt") zu bezahlen. Dies sei nicht erfolgt.
2. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 13. Februar 2002 bzw. 27. Februar 2002 wies die Elektrizitäts-Control Kommission die auf die Kraftwerksbetreiber im österreichischen Bereich bzw. im Bereich Vorarlberg bezogenen Anträge der beschwerdeführenden Gesellschaft mangels Zuständigkeit der Elektrizitäts-Control Kommission zur Entscheidung gemäß §16 Abs1 Z5 BG Regulierungsbehörden iVm §21 Abs2 ElWOG zurück. In der Begründung dieser Bescheide führt die belangte Behörde aus:
"§21 Absl ElWOG bezieht sich auf das Netzzugangsverweigerungsverfahren gemäß §20 Abs2 ElWOG. In allen übrigen, d.h. von der Netzzugangsverweigerung unterschiedlichen, Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die aus diesem Verhältnis - gemeint ist das Verhältnis zwischen Netzbetreiber und Netzzugangsberechtigten - entspringenden Verpflichtungen, insbesondere über die anzuwendenden (Allgemeinen Bedingungen) und Systemnutzungstarife entscheiden die ordentlichen Gerichte. Mit dem 'Verhältnis' dürfte ausschließlich auf das vertragliche Verhältnis Netzbetreiber-Netzzugangsberechtigter, d.h. den Netzzugangsvertrag gemäß §7 Z32 ElWOG, abgestellt werden. Darauf deutet insbesondere die Formulierung des §21 Abs2 ElWOG betreffend die anzuwendenden (Allgemeinen Netz-)Bedingungen bzw. die Systemnutzungstarife hin - beides Elemente des regulierten Netzzuganges gemäß §15 leg.cit., der sich in einem Kontrahierungszwang des Netzbetreibers manifestiert (vgl. auch Rabl, Liberalisierung des Strommarkts: Neues und Altes zum Vertragsrecht, ecolex 2000, 544; Schanda, Energierecht [2001] 60). Der privatrechtliche Charakter dieser Bestimmungen wird auch durch die grundsätzliche Zuweisung dieser Angelegenheiten an die ordentlichen Gerichte unterstrichen. Neu eingefügt wurde durch die Novelle BGBl. I Nr. 121/2000 eine sukzessive Zuständigkeit der Gerichtsbarkeit:
Eine Klage soll erst nach Zustellung des Bescheides der Elektrizitäts-Control Kommission 'im Streitschlichtungsverfahren gemäß Artikel 8 §7 Abs2 oder nach Verstreichen der im Artikel 8 §7 Abs3 vorgesehenen Frist' eingebracht werden können. §21 Abs2 Satz 2 scheint daher eine vorgelagerte Schlichtungskompetenz der Elektrizitäts-Control Kommission zu normieren (vgl. auch die ähnliche Regelungstechnik in §40 Abs1 Mietrechtsgesetz-MRG). Die Verweisung des §21 Abs2 ElWOG geht freilich ins Leere; gemeint ist hier mit 'Art 8' das Bundesgesetz betreffend die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission, konkret dessen §16 Abs1 Z5 bzw. §16 Abs3. Gemäß §16 Absl leg.cit. obliegt der Elektrizitäts-Control Kommission 'die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Marktteilnehmern (§21 ElWOG)'. Abs3 regelt, dass im Verfahren gemäß Abs1 Z5 durch Bescheid zu entscheiden ist sowie dass die Partei, die sich mit Entscheidungen gemäß Abs1 Z5 nicht zufrieden gibt, die Sache innerhalb von vier Wochen - dies ist die Frist gem. §21 Abs2 zweiter Satz ElWOG - nach Zustellung des Bescheides bei Gericht anhängig machen kann. Durch die Anrufung des Gerichts tritt die Entscheidung der Elektrizitäts-Control Kommission außer Kraft.
Die Verweisung des §21 Abs2 ElWOG auf §16 Abs3 [BG Regulierungsbehörden] bedeutet daher, dass eine gerichtliche Klage binnen vier Wochen nach Zustellung des Bescheides der Elektrizitäts-Control Kommission oder nach Verstreichen der in §16 Abs3 [BG Regulierungsbehörden] vorgesehenen Frist - d.h. bei Nichtentscheidung nach Ablauf von 4 Wochen ab Einlangen des Antrages - eingebracht werden kann.
§16 Abs1 Z5 [BG Regulierungsbehörden] scheint nun dem Wortlaut nach einen weiteren Anwendungsbereich als §21 Abs2 erster Satz zu haben, als hier einerseits allgemein - d.h. nicht auf das Netzzugangsverhältnis bezogen - von der 'Streitschlichtung' die Rede ist, andererseits der Kreis der Beteiligten nicht auf Netzzugangsberechtigte und Netzbetreiber beschränkt, sondern auf 'Marktteilnehmer' - das ElWOG enthält keine diesbezügliche Begriffsbestimmung - erweitert zu sein scheint. §16 Abs1 Z5 enthält jedoch einen Rückverweis auf §21 ElWOG, der sich nur auf dessen Abs2 beziehen kann, da Abs1 und 3 keine Streitschlichtungskompetenz beinhalten.
Da die Streitschlichtungskompetenz der Elektrizitäts-Control Kommission gemäß §21 Abs2 zweiter Satz ElWOG iVm. §16 Abs3 [BG Regulierungsbehörden] der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte vorgeschaltet ist, erscheint es logisch, dass der Umfang der Zuständigkeit der Elektrizitäts-Control Kommission mit dem der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte insoweit deckungsgleich ist, als sich diese ausschließlich auf das vertragliche Netzzugangsverhältnis und die daraus erwachsenden Verpflichtungen bezieht.
Da das Ermittlungsverfahren ergeben hat, dass zwischen der Antragstellerin und den Antragsgegnern keine vertraglichen Netzzugangsverhältnisse bestehen, da sämtliche Antragsgegner nicht in das von der Antragstellerin betriebene Übertragungsnetz, sondern in Verteilnetze der Netzebenen 5 bis 7 gemäß §25 Abs5 Z5-7 ElWOG elektrische Energie einspeisen, waren die Anträge mangels Zuständigkeit der Elektrizitäts-Control Kommission zurückzuweisen. Insoweit von der Antragstellerin das Vorliegen von - durch die Inanspruchnahme der Sekundärregeldienstleistungen durch die Antragsgegner - konkludent geschlossenen Verträgen vorgebracht wird, vermag dieses Vorbringen an der Unzuständigkeit der Elektrizitäts-Control Kommission nichts zu ändern, da es sich hier - ohne eine weitere Beurteilung des Vorbringens vorzunehmen - jedenfalls nicht um vertragliche Verhältnisse betreffend den Netzzugang handeln würde."
3. Die beschwerdeführende Gesellschaft führt zur Zulässigkeit der Beschwerden aus, gegen die bekämpften Bescheide sei gemäß §20 Abs2 BG Regulierungsbehörden ein weiteres ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig, da die Elektrizitäts-Control Kommission in oberster (letzter) Instanz entscheide. Der Instanzenzug sei damit erschöpft. Auch die in §16 Abs3 BG Regulierungsbehörden bzw. §21 Abs2 ElWOG vorgesehene sukzessive Kompetenz der ordentlichen Gerichte stehe der Beschwerdeerhebung an den Verfassungsgerichtshof nicht entgegen. Schon der Wortlaut dieser Bestimmungen (arg. "sich nicht zufrieden gibt" in §16 Abs3 BG Regulierungsbehörden) spreche dafür, die sukzessive Kompetenz "auf tatsächliche inhaltliche Entscheidungen" zu beschränken. Doch auch teleologische und systematische Argumente sprächen dafür: Bei dem bekämpften Bescheid handle es sich nicht um eine meritorische, sondern um eine verfahrensrechtliche Entscheidung, in der die Zuständigkeit der Elektrizitäts-Control Kommission verneint werde. Die Überprüfung einer solchen Entscheidung durch die ordentlichen Gerichte sei schon angesichts des von Art94 B-VG normierten Gewaltentrennungsgrundsatzes nicht zulässig. Müssten auch gegen derartige Bescheide die ordentlichen Gerichte angerufen werden, so hätte dies die Überordnung der Gerichte über Verwaltungsbehörden zur Konsequenz, weil jene nun über die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde zu befinden hätten. Die angeordnete sukzessive Kompetenz beziehe sich daher nur auf meritorische Sachentscheidungen. Dieses Verständnis sei wohl auch dem Erkenntnis VfSlg. 7273/1974 zugrunde gelegen. Im Erkenntnis VfSlg. 14.972/1997 habe der Verfassungsgerichtshof in diesem Sinne zur vergleichbaren Bestimmung des §172 Abs6 BergG ausgesprochen, dass verfahrensrechtliche Bescheide, welche nicht die Sache selbst entscheiden, mittels Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bekämpfbar seien. Auch aus der Überlegung der Gewährung eines möglichst effektiven Rechtsschutzes müsse folgen, dass verfahrensrechtliche Entscheidungen der Elektrizitäts-Control Kommission, in der sie ihre Zuständigkeit verweigert, mittels direkter Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bekämpfbar sein müssten. Andernfalls könnte die belangte Behörde - geradezu unüberprüfbar - jedenfalls die Zuständigkeit in einer Verwaltungssache verweigern und der Rechtsunterworfene wäre in all diesen Fällen gehalten, auch in Anbetracht des damit verbundenen Kostenrisikos die ordentlichen Gerichte anzurufen und müsste riskieren, dass diese sich auch für unzuständig erklären bzw. die Angelegenheit wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückweisen. Negative Kompetenzkonflikte, deren Lösung letztlich auch dem Verfassungsgerichtshof obläge, wären geradezu vorprogrammiert.
4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete Gegenschriften, in denen sie die Zurückweisung, in eventu Abweisung der Beschwerden beantragt und zur Zulässigkeit der Beschwerden ausführt:
"Wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt, handelt es sich bei der Zurückweisung der Anträge durch den angefochtenen Bescheid nicht um eine meritorische Entscheidung. Der von der Beschwerdeführerin daraus gezogene Schluss, dass eine sukzessive Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte bei Zurückweisung des Antrages aus formellen Gründen durch die Verwaltungsbehörde mit dem Gewaltentrennungsprinzip gem. Art94 B-VG nicht in Einklang stehe, ist jedoch nicht nachvollziehbar: Die Unzuständigkeitsentscheidung der belangten Behörde unterliegt als solche - wie auch eine allfällige meritorische Entscheidung - nicht der Überprüfung durch die ordentlichen Gerichte, da sie mit Anrufung des Gerichts außer Kraft tritt. Eine Verletzung des Art94 B-VG kommt damit von vornherein nicht in Betracht (vgl. auch VwGH 22.10.1992, Zl. 92/06/0199).
Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. Erk. v. 12.3.1974, B339/73) und des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das oben zitierte Erk.) zur Anrufbarkeit der ordentlichen Gerichte bei Zurückweisung des Antrages durch die Verwaltungsbehörde aus formellen Gründen erscheint die Zulässigkeit der gegenständlichen Beschwerde zumindest fraglich. Im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin dem Vernehmen nach vor Einbringung der Bescheidbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof Klagen bei den ordentlichen Gerichten eingebracht hat - womit der Bescheid gem. §16 Abs3 [BG Regulierungsbehörden] ex lege außer Kraft getreten ist - ist die Beschwerde jedoch unzulässig, da der Gegenstand der Beschwerde nicht mehr dem Rechtsbestand angehört."
II. Die (in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35
VfGG zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen) Beschwerden sind nicht zulässig.
1. Zur maßgeblichen Rechtslage:
§21 ElWOG lautet:
"Streitbeilegungsverfahren
§21. (unmittelbar anwendbares Bundesrecht) (1) In
Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern
über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Netzzuganges entscheidet
- sofern keine Zuständigkeit des Kartellgerichtes (§43 Kartellgesetz
1988, BGBl. Nr. 600) vorliegt - die Elektrizitäts-Control Kommission.
(2) In allen übrigen Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen, insbesondere die anzuwendenden Bedingungen und Systemnutzungstarife, entscheiden die Gerichte. Eine Klage kann erst nach Zustellung des Bescheides der Elektrizitäts-Control Kommission im Streitschlichtungsverfahren gemäß Artikel 8 §7 Abs2 oder nach Verstreichen der im Artikel 8 §7 Abs3 vorgesehenen Frist eingebracht werden.
(3) Unbeschadet der Bestimmung des Abs2 kann eine Klage wegen Ansprüchen, die sich auf eine Verweigerung des Netzzuganges gründen, erst nach Rechtskraft der Entscheidung der Regulierungsbehörde über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Netzzuganges eingebracht werden; bildet eine solche Entscheidung eine Vorfrage für das gerichtliche Verfahren, so ist dieses bis zur Rechtskraft der Entscheidung der Regulierungsbehörde zu unterbrechen."
§§16 und 20 BG Regulierungsbehörden lauten:
"Aufgaben der Elektrizitäts-Control Kommission
§16. (1) (Verfassungsbestimmung) Der Elektrizitäts-Control Kommission sind folgende Aufgaben zugewiesen:
1. [...]
5. die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Marktteilnehmern (§21 ElWOG);
6. [...]
(3) Die Elektrizitäts-Control Kommission hat in den Fällen des Abs1 [...] bescheidmäßig zu entscheiden. Die Partei, die sich mit Entscheidungen gemäß Abs1 Z [...] 5 [...] nicht zufrieden gibt, kann die Sache innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides bei Gericht anhängig machen. Durch die Anrufung des Gerichts tritt die Entscheidung der Elektrizitäts-Control Kommission außer Kraft. Sie tritt jedoch wieder in Kraft, wenn der Antrag auf Entscheidung des Gerichts zurückgezogen wird. Die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen den Ablauf der Anrufungsfrist obliegt dem Gericht; der Wiedereinsetzungsantrag ist unmittelbar bei Gericht einzubringen.
[...]
Verfahrensvorschriften, Instanzenzug
§20. (1) Sofern dieses Bundesgesetz oder das ElWOG nichts anderes bestimmen, wendet die Elektrizitäts-Control Kommission das AVG 1991 an.
(2) Die Elektrizitäts-Control Kommission entscheidet in oberster Instanz. Ihre Entscheidungen unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg; die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedoch zulässig."
2. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 4788/1964, 4972/1965, 13.979/1994; vgl. auch VfSlg. 3424/1958, 3425/1958, 4266/1962, 5941/1969, 9630/1983) ist die Legitimation zur Erhebung einer auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht gegeben, wenn die Möglichkeit der Anrufung eines Gerichtes als ein Mittel, um den bekämpften Bescheid außer Kraft zu setzen und geltend gemachte Ansprüche anderweitig endgültig durchzusetzen, gesetzlich vorgesehen ist.
In den vorliegenden Beschwerdefällen ist strittig, ob gemäß §16 Abs3 BG Regulierungsbehörden die beschwerdeführende Gesellschaft die Möglichkeit hatte, das Außerkrafttreten der bekämpften Bescheide - mit denen die belangte Behörde ihre Anträge auf Streitschlichtung mangels Zuständigkeit zurückwies - zu bewirken, indem sie "die Sache" bei Gericht anhängig machte.
Die beschwerdeführende Gesellschaft führt aus, eine "Zurückweisung der Verwaltungssache" wegen Unzuständigkeit sei eine rein verfahrensrechtliche Erledigung, die angeordnete sukzessive Kompetenz der ordentlichen Gerichte beziehe sich jedoch nur auf meritorische Sachentscheidungen. Sie verweist auf das Erkenntnis VfSlg. 7273/1974, in dem der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen habe, dass Rechtsmittel gegen verfahrensrechtliche Bescheide denselben Vorschriften unterlägen, die für den Instanzenzug in der Verfahrensangelegenheit maßgebend seien. Sei gegen diese Bescheide - wie in concreto - kein ordentliches Rechtsmittel mehr zulässig, stehe die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof offen.
Das von der beschwerdeführenden Gesellschaft zitierte Erkenntnis lässt einen solchen Schluss jedoch nicht zu. Mit dem dort angefochtenen Bescheid hatte die dort belangte Behörde einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer mündlichen Verhandlung in einem Verfahren vor einer Schlichtungsstelle der Gemeinde gemäß MietenG zurückgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof ließ - bei annähernd wortgleicher gesetzlicher Anordnung einer "sukzessiven Kompetenz" der ordentlichen Gerichte wie im vorliegenden Fall - die Bescheidbeschwerde zu und führte aus:
"'Sache' des angefochtenen Bescheides ist somit eine verfahrensrechtliche, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens vor der Gemeinde betreffende Frage. Derartige Entscheidungen können nicht gemäß §37 Abs1 [Mietengesetz] bei Gericht anhängig gemacht werden. Dies ist auch die allein verfassungskonforme Auslegung, die im Zweifel Platz zu greifen hätte (vgl. Erk. Slg. Nr. 6610/1971 und 6672/1972 und die dort angeführte Vorjudikatur). Andernfalls hätte das Gericht im Widerspruch zu Art94 B-VG über eine verfahrensrechtliche Frage des verwaltungsbehördlichen Verfahrens vor der Gemeinde zu entscheiden (vgl. Erk. Slg. Nr. 2778/1954)."
Der Verfassungsgerichtshof traf damit keine Aussage über die Zulässigkeit der Beschwerdeerhebung gegen verfahrensrechtliche Bescheide in Bereichen der "sukzessiven Kompetenz" von Gerichten schlechthin, sondern stellte darauf ab, dass ein Gericht nicht in die Lage kommen dürfe, "über eine verfahrensrechtliche Frage des verwaltungsbehördlichen Verfahrens zu entscheiden." Der Verwaltungsgerichtshof beruft sich ua. auf eben dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, wenn er in ständiger Rechtsprechung (zB VwGH vom 17. Dezember 1998, Z98/06/0160, VwGH vom 22. Oktober 1992, Z92/06/0199, zu den §§39 und 40 MRG; VwGH vom 16. Februar 1994, Z93/03/0308, zu §77 Abs1 OÖ JagdG) ausführt, die Judikatur habe die Unzuständigkeit der Gerichte und demgemäß die Möglichkeit, gegen den Bescheid der Schlichtungsstelle unmittelbar den Verwaltungs- oder den Verfassungsgerichtshof anzurufen, nur für Fälle "selbständiger verfahrensrechtlicher Entscheidungen" (zB Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Berichtigungsbescheid gemäß §62 Abs4 AVG) bejaht. Am ausführlichsten beschäftigt sich der Verwaltungsgerichtshof mit diesen Fragen in seinem (nach einer die Zulässigkeit der Beschwerde offen lassenden Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof vom 9. Juni 1992, B422/91, ergangenen) Beschluss vom 22. Oktober 1992, Z92/06/0199:
"Voraussetzung für die Anrufung des Gerichtes im Sinne des §40 Abs1 MRG ist im Sinne des §39 Abs1 MRG, daß 'die Sache vorher bei der Gemeinde anhängig gemacht worden ist'. Die Partei, die sich 'mit der Entscheidung der Gemeinde' nicht zufrieden gibt, kann 'die Sache bei Gericht anhängig machen' (§40 Abs1 MRG). Daraus ergibt sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes, daß es nicht Voraussetzung für die Anrufung des Gerichtes ist, daß die Gemeinde über den Antrag INHALTLICH entschieden hat, sondern nur, daß das Rechtsschutzanliegen bei der Gemeinde ANHÄNGIG gemacht worden ist und die Partei sich mit der Entscheidung der Gemeinde nicht zufrieden gibt. Diese Entscheidung der Gemeinde kann in einer meritorischen (negativen) Erledigung, aber auch darin bestehen, daß der Antrag - aus welchen Gründen immer - für unzulässig gehalten wird.
In beiden Fällen tritt die Entscheidung mit Anrufung des Gerichtes außer Kraft (weshalb eine Verletzung des Art94 B-VG durch die Anrufung des Gerichtes von vornherein nicht in Betracht kommt) und eröffnet dem Gericht die volle Jurisdiktion in der (eigentlichen) 'Sache', welche die Partei zunächst an die Schlichtungsstelle und in weiterer Folge an das Gericht herangetragen hat, wozu auch die Prüfung der Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens gehört. Andererseits kann in Fällen, in denen die Gemeinde den Antrag der Partei als unzulässig zurückweist (d.h. eine Sachentscheidung inhaltlich verweigert), unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht anderes gelten als in jenen Fällen, in denen die Gemeinde über den Antrag innerhalb der ihr gemäß §40 Abs2 MRG eingeräumten gesetzlichen Frist von drei Monaten nicht entschieden hat. In beiden Fällen fehlt eine meritorische Erledigung der Gemeinde, weshalb der (meritorischen) Entscheidung des Gerichtes in der Sache selbst (einschließlich der Zulässigkeit des Verfahrens außer Streitsachen, ein verwaltungsbehördlicher Bescheid in derselben Sache nicht entgegensteht. Es geht daher auch das Argument des Bezirksgerichtes St. Pölten fehl, durch das Außerkrafttreten des Zurückweisungsbeschlusses als Folge der Anrufung des Gerichtes wäre das Verfahren vor der Schlichtungsstelle 'wieder offen', weil dasselbe auch für den Fall des Außerkrafttretens einer meritorischen Entscheidung gälte. Das Außerkrafttreten der Entscheidung der Gemeinde bedeutet hier kein Wiederaufleben von deren Zuständigkeit, sondern ist lediglich notwendige Voraussetzung für die Zulässigkeit einer gerichtlichen Entscheidung unter dem Gesichtspunkt des in Art94 B-VG verankerten Grundsatzes der Trennung der Justiz von der Verwaltung."
Diese Argumente sind auf die im Wesentlichen gleichlautenden Regelungen des ElWOG und des BG Regulierungsbehörden übertragbar. Wenn durch die Anrufung des Gerichts zur Entscheidung der Frage, ob die geltend gemachten Ansprüche auf Leistung des Systemdienstleistungsentgelts zustehen, also zur Entscheidung der "eigentlichen Sache", der bekämpfte Bescheid (Zurückweisung des Streitschlichtungsantrags mangels Zuständigkeit) außer Kraft tritt, kommt das Gericht nicht in die Lage, "über eine verfahrensrechtliche Frage des verwaltungsbehördlichen Verfahrens zu entscheiden" (VfSlg. 7273/1974). Deshalb gebietet die Verfassung, insb. Art94 B-VG, für den vorliegenden Fall keine einschränkende Auslegung des nicht zwischen verfahrensrechtlichen und anderen Bescheiden diffenzierenden Gesetzeswortlauts (vgl. die im Ergebnis gleiche Beurteilung der Rechtslage gemäß §77 Abs1 OÖ JagdG im Beschluss des VwGH vom 16. Februar 1994, Z93/03/0308). Damit ist die Möglichkeit der Anrufung eines Gerichtes als ein Mittel, um den bekämpften Bescheid außer Kraft zu setzen und geltend gemachte Ansprüche anderweitig endgültig durchzusetzen, gesetzlich vorgesehen, weshalb keine Legitimation zur Erhebung einer auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof besteht.
Die beschwerdeführende Gesellschaft verweist zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Beschwerden schließlich auf das Erkenntnis VfSlg. 14.972/1997, insbesondere auf die Passage:
"Zwar ist in §172 Abs6 BergG eine sukzessive Zuständigkeit der Gerichte vorgesehen; danach tritt mit Anrufung des Gerichtes der Ausspruch der Berghauptmannschaft über die Entschädigung außer Kraft. Da jedoch die bekämpften Bescheide verfahrensrechtliche Bescheide sind, die nicht über die Entschädigung absprechen, hinsichtlich deren Kontrolle die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes nicht ausgeschlossen ist, hat der Verfassungsgerichtshof in der Sache zu entscheiden. [...] Die Beschwerden sind sohin insgesamt zulässig."
Dabei übersieht die beschwerdeführende Gesellschaft jedoch, dass in diesem Verfahren nicht über Entschädigungsansprüche absprechende Bescheide der Berghauptmannschaft angefochten wurden, sondern Bescheide des Bundesministers, mit denen dieser Berufungen des dortigen Beschwerdeführers gegen Bescheide der Berghauptmannschaft zurückwies. Diese Bescheide stellten "selbständige verfahrensrechtliche Bescheide" im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dar. Die bekämpften Bescheide des vorliegenden Verfahrens sind jedoch keine derartigen selbständigen verfahrensrechtlichen Bescheide dieser Art und stehen daher in einem Konnex zur Sache.
3. Die Beschwerden waren daher mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Energierecht, Elektrizitätswesen, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, Kompetenz sukzessive, VfGH / Legitimation, Gerichtsbarkeit Trennung von der VerwaltungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B633.2002Dokumentnummer
JFT_09978999_02B00633_00