Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Linke Wienzeile 18, 1060 Wien, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte OEG in 1030 Wien, wider die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch DDr. Jörg Christian Horwath, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 4. Juni 2002, GZ 2 R 106/02h-6, womit der Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. April 2002, GZ 18 Cg 32/02h-3, zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.
Text
Begründung:
Mit der am 21. März 2002 beim Landesgericht Innsbruck eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei im Wege einer Verbandsklage nach den §§ 28, 29 KSchG von der Beklagten die Unterlassung der Verwendung einer in Vertragsformblättern verwendeten Klausel sowie die Urteilsveröffentlichung. Das Unterlassungsbegehren bewertete sie mit EUR 21.500,-, das Urteilsveröffentlichungsbegehren mit EUR 4.500,-.Mit der am 21. März 2002 beim Landesgericht Innsbruck eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei im Wege einer Verbandsklage nach den Paragraphen 28,, 29 KSchG von der Beklagten die Unterlassung der Verwendung einer in Vertragsformblättern verwendeten Klausel sowie die Urteilsveröffentlichung. Das Unterlassungsbegehren bewertete sie mit EUR 21.500,-, das Urteilsveröffentlichungsbegehren mit EUR 4.500,-.
Die Beklagte beantragte in der Klagebeantwortung, den Streitwert des Unterlassungsbegehrens auf EUR 7.500,- und jenen des Urteilsveröffentlichungsbegehrens auf EUR 2.000,- herabzusetzen. Weiters stellte sie den Antrag, die Klage mangels Aktivlegitimation zurück- bzw abzuweisen.
Mit Beschluss vom 30. April 2002 verwarf das Erstgericht - ohne vorausgegangene mündliche Verhandlung - die Einrede der mangelnden Aktivlegitimation (Punkt 1. des Spruches), setzte zufolge Antrages der Beklagten gemäß § 60 Abs 1 JN den Streitwert hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens auf EUR 7.500,-, jenen für das Urteilsveröffentlichungsbegehren auf EUR 2.000,- herab (Punkt 2. des Spruches) und trat die Streitsache gemäß § 60 Abs 3 JN dem Bezirksgericht Innsbruck ab (Punkt 3. des Spruches).Mit Beschluss vom 30. April 2002 verwarf das Erstgericht - ohne vorausgegangene mündliche Verhandlung - die Einrede der mangelnden Aktivlegitimation (Punkt 1. des Spruches), setzte zufolge Antrages der Beklagten gemäß Paragraph 60, Absatz eins, JN den Streitwert hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens auf EUR 7.500,-, jenen für das Urteilsveröffentlichungsbegehren auf EUR 2.000,- herab (Punkt 2. des Spruches) und trat die Streitsache gemäß Paragraph 60, Absatz 3, JN dem Bezirksgericht Innsbruck ab (Punkt 3. des Spruches).
Das Rekursgericht wies den gegen Punkt 2. und 3. des Spruches dieses Beschlusses erhobenen Rekurs zurück und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000,- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht vertrat die zweite Instanz die Auffassung, dass die vom Erstgericht vorgenommene Herabsetzung des Streitwertes nur einen (unselbständigen) Teil der Entscheidung aufgrund der Prüfung nach § 60 Abs 1 JN darstelle, sodass der Rechtsmittelausschluss des § 45 JN zum Tragen komme, weil das angerufene Landesgericht Innsbruck die Rechtssache an das Bezirksgericht Innsbruck - somit an ein Bezirksgericht mit Sitz in derselben Gemeinde - abgetreten habe. Dem Rekursgericht sei es daher verwehrt, in der Sache zu entscheiden. Der Gesetzgeber nehme bei jedem Rechtsmittelausschluss die Aufrechterhaltung sachlich unzutreffender Entscheidungen, die sonst einer Abänderung oder Aufhebung im Rechtsmittelweg unterlägen, in Kauf.Das Rekursgericht wies den gegen Punkt 2. und 3. des Spruches dieses Beschlusses erhobenen Rekurs zurück und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000,- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht vertrat die zweite Instanz die Auffassung, dass die vom Erstgericht vorgenommene Herabsetzung des Streitwertes nur einen (unselbständigen) Teil der Entscheidung aufgrund der Prüfung nach Paragraph 60, Absatz eins, JN darstelle, sodass der Rechtsmittelausschluss des Paragraph 45, JN zum Tragen komme, weil das angerufene Landesgericht Innsbruck die Rechtssache an das Bezirksgericht Innsbruck - somit an ein Bezirksgericht mit Sitz in derselben Gemeinde - abgetreten habe. Dem Rekursgericht sei es daher verwehrt, in der Sache zu entscheiden. Der Gesetzgeber nehme bei jedem Rechtsmittelausschluss die Aufrechterhaltung sachlich unzutreffender Entscheidungen, die sonst einer Abänderung oder Aufhebung im Rechtsmittelweg unterlägen, in Kauf.
Der gegen diesen Beschluss gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei ist zulässig, weil zu der Frage, ob der Rechtsmittelausschluss des § 45 JN auch dann zur Anwendung gelangt, wenn ein Unzuständigkeits- und Abtretungsbeschluss nach § 60 Abs 1 und Abs 3 JN ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gefasst wurde, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; er ist auch berechtigt.Der gegen diesen Beschluss gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei ist zulässig, weil zu der Frage, ob der Rechtsmittelausschluss des Paragraph 45, JN auch dann zur Anwendung gelangt, wenn ein Unzuständigkeits- und Abtretungsbeschluss nach Paragraph 60, Absatz eins, und Absatz 3, JN ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gefasst wurde, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; er ist auch berechtigt.
Vorauszuschicken ist, dass hier das Revisionsrekursverfahren zweiseitig ist (JBl 1997, 326).
Die beklagte Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung die Zurück- bzw Abweisung des Rechtsmittels der klagenden Partei.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 45 JN idF des Art II Z 14 ZVN BGBI 1983/135 sind nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Zuständigkeit bejaht, unanfechtbar, solche mit denen es seine sachliche Unzuständigkeit ausspricht, nur dann, wenn das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz nicht in derselben Gemeinde hat. Erklärtes Ziel der Neufassung war es, Zuständigkeitsstreitigkeiten weiter zurückzudrängen (EB zur RV 669 Blg.NR 15.GP, 32). § 60 JN ermöglicht dem Gerichtshof erster Instanz durch eine amtswegige Richtigstellung des Streitwertes seine sachliche Unzuständigkeit wahrzunehmen bzw. durch Ablehnung der begehrten Streitwertherabsetzung auf seiner sachlichen Zuständigkeit zu beharren. Die Entscheidung über die Herabsetzung des Streitwertes und die Abtretung der Rechtssache an das Bezirksgericht stellt einen Bestandteil der Entscheidung über die sachliche Unzuständigkeit dar und ist demnach grundsätzlich den Anfechtungsbeschränkungen des § 45 JN unterworfen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn sowohl der Wortlaut als auch der Zweck des § 60 Abs 1 JN einer Streitwertüberprüfung durch das Gericht entgegenstehen. Der Gerichtshof erster Instanz hat nur für den Fall, dass vom Kläger eine übermäßig hoch gegriffene Bewertung des Streitgegenstandes vorgenommen wurde und es zugleich wahrscheinlich ist, dass bei richtiger Bewertung die für die Zuständigkeit des Gerichtshofes oder für die Besetzung des Gerichtes maßgebende Grenze nicht erreicht würde, eine Herabsetzung des Streitwertes vorzunehmen. Ausschließlicher Zweck des § 60 JN ist es demnach, die Erschleichung der Gerichtshofzuständigkeit (bzw. der Senatsbesetzung) hintanzuhalten (1 Ob 505/87). Spricht aber ein Gerichtshof erster Instanz in einer Streitigkeit nach den §§ 28 bis 30 KSchG, welche gemäß § 51 Abs 2 Z 10 JN ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes vor ein Handelsgericht gehört, unter Bezugnahme auf § 60 JN aus, dass der Streitwert unter die bezirksgerichtliche Wertgrenze herabgesetzt und die Streitsache einem Bezirksgericht abgetreten werde, dann geschieht dies ohne jegliche gesetzliche Grundlage.Gemäß Paragraph 45, JN in der Fassung des Art römisch II Ziffer 14, ZVN BGBI 1983/135 sind nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Zuständigkeit bejaht, unanfechtbar, solche mit denen es seine sachliche Unzuständigkeit ausspricht, nur dann, wenn das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz nicht in derselben Gemeinde hat. Erklärtes Ziel der Neufassung war es, Zuständigkeitsstreitigkeiten weiter zurückzudrängen (EB zur RV 669 Blg.NR 15.GP, 32). Paragraph 60, JN ermöglicht dem Gerichtshof erster Instanz durch eine amtswegige Richtigstellung des Streitwertes seine sachliche Unzuständigkeit wahrzunehmen bzw. durch Ablehnung der begehrten Streitwertherabsetzung auf seiner sachlichen Zuständigkeit zu beharren. Die Entscheidung über die Herabsetzung des Streitwertes und die Abtretung der Rechtssache an das Bezirksgericht stellt einen Bestandteil der Entscheidung über die sachliche Unzuständigkeit dar und ist demnach grundsätzlich den Anfechtungsbeschränkungen des Paragraph 45, JN unterworfen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn sowohl der Wortlaut als auch der Zweck des Paragraph 60, Absatz eins, JN einer Streitwertüberprüfung durch das Gericht entgegenstehen. Der Gerichtshof erster Instanz hat nur für den Fall, dass vom Kläger eine übermäßig hoch gegriffene Bewertung des Streitgegenstandes vorgenommen wurde und es zugleich wahrscheinlich ist, dass bei richtiger Bewertung die für die Zuständigkeit des Gerichtshofes oder für die Besetzung des Gerichtes maßgebende Grenze nicht erreicht würde, eine Herabsetzung des Streitwertes vorzunehmen. Ausschließlicher Zweck des Paragraph 60, JN ist es demnach, die Erschleichung der Gerichtshofzuständigkeit (bzw. der Senatsbesetzung) hintanzuhalten (1 Ob 505/87). Spricht aber ein Gerichtshof erster Instanz in einer Streitigkeit nach den Paragraphen 28 bis 30 KSchG, welche gemäß Paragraph 51, Absatz 2, Ziffer 10, JN ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes vor ein Handelsgericht gehört, unter Bezugnahme auf Paragraph 60, JN aus, dass der Streitwert unter die bezirksgerichtliche Wertgrenze herabgesetzt und die Streitsache einem Bezirksgericht abgetreten werde, dann geschieht dies ohne jegliche gesetzliche Grundlage.
Wie der Oberste Gerichtshof bereits in ständiger Rechtsprechung zu § 261 Abs 6 ZPO dargelegt hat, gilt der Satz 5 leg. cit. normierte Rechtsmittelausschluss dann nicht, wenn eine Überweisung ohne gesetzliche Grundlage erfolgt ist, wenn sie also den Bestimmungen des § 261 Abs 6 ZPO derart widerspricht, dass der Zweck des dort verfügten Rechtsmittelausschlusses nicht erfüllt wird (EvBl 1974/289, EvBl 1981/220, 4 Ob 1639/95, zuletzt 1 Ob 2115/96b, Fasching, Kommentar3 zu § 261 Abs 6 Anm. 16). Unter Zugrundelegung dieses Gedankens ist auch § 45 JN auf namentlich nach § 60 JN ergangene Entscheidungen dann nicht anzuwenden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung der Gesetzstelle nicht gegeben waren. § 45 JN bezweckt nicht, ohne gesetzliche Grundlage ergangene Entscheidungen über die sachliche Zuständigkeit unanfechtbar zu machen. Demnach war dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der klagenden Partei - unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund - aufzutragen.Wie der Oberste Gerichtshof bereits in ständiger Rechtsprechung zu Paragraph 261, Absatz 6, ZPO dargelegt hat, gilt der Satz 5 leg. cit. normierte Rechtsmittelausschluss dann nicht, wenn eine Überweisung ohne gesetzliche Grundlage erfolgt ist, wenn sie also den Bestimmungen des Paragraph 261, Absatz 6, ZPO derart widerspricht, dass der Zweck des dort verfügten Rechtsmittelausschlusses nicht erfüllt wird (EvBl 1974/289, EvBl 1981/220, 4 Ob 1639/95, zuletzt 1 Ob 2115/96b, Fasching, Kommentar3 zu Paragraph 261, Absatz 6, Anmerkung 16). Unter Zugrundelegung dieses Gedankens ist auch Paragraph 45, JN auf namentlich nach Paragraph 60, JN ergangene Entscheidungen dann nicht anzuwenden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung der Gesetzstelle nicht gegeben waren. Paragraph 45, JN bezweckt nicht, ohne gesetzliche Grundlage ergangene Entscheidungen über die sachliche Zuständigkeit unanfechtbar zu machen. Demnach war dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der klagenden Partei - unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund - aufzutragen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.Der Kostenvorbehalt beruht auf Paragraph 52, Absatz eins, zweiter Satz ZPO.
Textnummer
E66541European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:0020OB00169.02W.0808.000Im RIS seit
07.09.2002Zuletzt aktualisiert am
21.04.2011