TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/21 2006/19/0390

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Veröffentlicht am 21.03.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §10;
AsylG 1997 §11;
AsylG 1997 §7;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2006/19/0391

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Nedwed, die Hofrätin Dr. Pollak und den Hofrat Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde 1. des V, und 2. der O, vertreten durch Dr. Horst Koch, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Hopfengasse 23, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. September 2004, Zl. 244.270/0-VII/20/03, betreffend § 7 Asylgesetz 1997, und Zl. 244.271/0-VII/20/03, betreffend §§ 10, 11 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführenden Parteien, ein Ehepaar georgischer Staatsangehörigkeit, kamen im Mai 2003 nach Österreich und beantragten Asyl für den Erstbeschwerdeführer und die Erstreckung der Asylgewährung auf die Zweitbeschwerdeführerin.

Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 21. August 2003 gab der Erstbeschwerdeführer an, seine beiden Söhne würden aus unterschiedlichen, ihm nur zum Teil bekannten Gründen von Privatpersonen verfolgt und dies habe auch zu Maßnahmen gegen den - gesundheitlich bereits durch Schlaganfälle beeinträchtigten - Erstbeschwerdeführer geführt.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Erstbeschwerdeführers mit Bescheid vom 28. Oktober 2003 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab, erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien aber gemäß § 8 AsylG für nicht zulässig und erteilte ihm gemäß § 15 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung. Es stützte diese Entscheidung darauf, dass das Vorbringen zwar glaubwürdig sei und stichhaltige Gründe für die Annahme sprächen, dass der Erstbeschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Georgien der Gefahr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre, den gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen aber "kein GFK-relevantes Verfolgungsmotiv zu Grunde" liege.

Mit einem zweiten Bescheid vom selben Tag wies das Bundesasylamt den Asylerstreckungsantrag der Zweitbeschwerdeführerin gemäß §§ 10 und 11 AsylG ab, weil dem Erstbeschwerdeführer nicht Asyl gewährt worden sei.

Gegen die Abweisung des Asylantrages des Erstbeschwerdeführers und des Asylerstreckungsantrages der Zweitbeschwerdeführerin erhoben die beschwerdeführenden Parteien Berufungen.

Mit den angefochtenen, ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung erlassenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufung des Erstbeschwerdeführers gemäß § 7 AsylG und die Berufung der Zweitbeschwerdeführerin gemäß §§ 10, 11 AsylG ab.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat ihre den Erstbeschwerdeführer betreffende Entscheidung - ausgehend von seinem Vorbringen und von ergänzenden, die Aussicht auf staatlichen Schutz noch stärker als der erstinstanzliche Bescheid in Frage stellenden Feststellungen zu den Verhältnissen in Georgien - in rechtlicher Hinsicht zunächst auf die Ansicht gestützt, das geltend gemachte Bedrohungsbild entspreche der in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes behandelten "Sippenhaftung" in der Form einer "Bestrafung" des Erstbeschwerdeführers anstelle seiner Söhne. In der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes werde in diesem Zusammenhang auf den Familienverband als "soziale Gruppe" gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv verwiesen. Es stelle sich jedoch "die Frage nach der Abhängigkeit der Asylrelevanz der Sippenhaftung von der Asylrelevanz der Maßnahmen gegen den Verwandten des Asylwerbers, in concreto, ob die auf den Berufungswerber 'durchschlagende' Verfolgung seiner Söhne nicht auch ihrerseits auf einem Konventionsgrund beruhen muss." Davon sei der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 19. Dezember 2001, Zl. 98/20/0330, ausgegangen.

Die Frage der Abhängigkeit der Asylrelevanz einer unter dem Gesichtspunkt der Zugehörigkeit zu einer bestimmten "sozialen Gruppe" zu würdigenden Verfolgung von Familienmitgliedern von einem Konventionsgrund bei anderen, zunächst betroffenen Familienmitgliedern hat der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis aber nicht bejaht, sondern nur offen gelassen, und in der Folge in dem von der belangten Behörde ebenfalls erwähnten Erkenntnis vom 14. Jänner 2003, Zl. 2001/01/0508, verneint (vgl. dazu auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zlen. 2006/19/0083 bis 0085).

Dadurch, dass die belangte Behörde ihre den Erstbeschwerdeführer betreffende Entscheidung - ohne nähere Prüfung des Falles unter allfälligen anderen gegen eine Asylgewährung sprechenden Gesichtspunkten - ausschließlich auf die dargestellte, vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilte Rechtsmeinung gestützt hat, hat sie den erstangefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dies entzieht auch dem zweitangefochtenen Bescheid die rechtliche Grundlage.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren (zusätzlicher Zuspruch von Umsatzsteuer) findet in diesen Vorschriften keine Deckung.

Wien, am 21. März 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006190390.X00

Im RIS seit

18.05.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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