Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter HR DI Roland Bauer und Ulrike Kargl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Jaroslav N*****, vertreten durch Dr. Georg Uitz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Flughafen ***** AG, *****, vertreten durch Cerha, Hempel & Spiegelfeld, Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, wegen EUR 38.647,41 sA, infolge Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse S 483.570,-- sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Oktober 2000, GZ 8 Ra 196/00b-75, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 21. März 2000, GZ 30 Cga 155/98b-69, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
I.) Das mit Beschluss vom 11. Juni 2001 zu 8 Ob 315/00g an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art 234 EG gestellte Vorabentscheidungsersuchen (C-267/01) wird hinsichtlich derrömisch eins.) Das mit Beschluss vom 11. Juni 2001 zu 8 Ob 315/00g an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Artikel 234, EG gestellte Vorabentscheidungsersuchen (C-267/01) wird hinsichtlich der
3. und der 4. Frage zurückgezogen.
II.) Das mit Beschluss vom 11. Juni 2001 zu 8 Ob 315/00g an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art 234 EG gestellte Vorabentscheidungsersuchen (C-267/01) bleibt hinsichtlich der 1. und der 2. Frage aufrecht und wird erneut gestellt.römisch II.) Das mit Beschluss vom 11. Juni 2001 zu 8 Ob 315/00g an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Artikel 234, EG gestellte Vorabentscheidungsersuchen (C-267/01) bleibt hinsichtlich der 1. und der 2. Frage aufrecht und wird erneut gestellt.
Text
Begründung:
Im vorliegenden Verfahren geht es um allfällige Ersatzansprüche des von dem beklagten Arbeitgeber an einen Flugzeuginstandhaltungsbetrieb verliehenen Klägers. Diese leitet der Kläger daraus ab, dass ihm bestimmte Bestätigungen über seine bisherige Tätigkeit als Luftfahrzeugmechaniker entgegen den Bestimmungen der sogenannten JAR 145 nicht ausgefolgt wurden und er wegen des Fehlens dieser Bestätigungen einen neuen Arbeitsplatz nicht erlangen konnte. Auch Art und Umfang der Bestätigungen sind zwischen den Parteien strittig. Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 11. Juni 2001 zu 8 ObA 315/00g an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art 234 EG folgende 4 Fragen zur Vorabentscheidung (C-267/01 des EuGH) betreffend Art 145.35 der eine Anlage der Verordnung (EWG) Nr 3922/91 des Rates vom 16. Dezember 1991 zur Harmonisierung der technischen Vorschriften und des Verwaltungsverfahrens in der Zivilluftfahrt (vgl ABl 373 vom 31. 12. 1991, 4) bildenden JAR 145 vorgelegt, die zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites erforderlich sind:Im vorliegenden Verfahren geht es um allfällige Ersatzansprüche des von dem beklagten Arbeitgeber an einen Flugzeuginstandhaltungsbetrieb verliehenen Klägers. Diese leitet der Kläger daraus ab, dass ihm bestimmte Bestätigungen über seine bisherige Tätigkeit als Luftfahrzeugmechaniker entgegen den Bestimmungen der sogenannten JAR 145 nicht ausgefolgt wurden und er wegen des Fehlens dieser Bestätigungen einen neuen Arbeitsplatz nicht erlangen konnte. Auch Art und Umfang der Bestätigungen sind zwischen den Parteien strittig. Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 11. Juni 2001 zu 8 ObA 315/00g an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Artikel 234, EG folgende 4 Fragen zur Vorabentscheidung (C-267/01 des EuGH) betreffend Artikel 145 Punkt 35, der eine Anlage der Verordnung (EWG) Nr 3922/91 des Rates vom 16. Dezember 1991 zur Harmonisierung der technischen Vorschriften und des Verwaltungsverfahrens in der Zivilluftfahrt vergleiche ABl 373 vom 31. 12. 1991, 4) bildenden JAR 145 vorgelegt, die zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites erforderlich sind:
"1. Ist Art 145.35 der eine Anlage der Verordnung (EWG) Nr 3922/91 des Rates vom 16. Dezember 1991 zur Harmonisierung der technischen Vorschriften und des Verwaltungsverfahrens in der Zivilluftfahrt (vgl ABl 373 vom 31. 12. 1991, 4) bildenden JAR 145 allenfalls unter Berücksichtigung der von der Joint Aviation Authority (JAA) getroffenen Auslegung dahin zu interpretieren, dass der Inhaber eines Instandhaltungsbetriebes über das bei ihm zur Freigabe berechtigte Personal so detaillierte Aufzeichnungen zu führen hat, dass diesen neben den Befugnissen auch die im Einzelnen konkret erledigten Aufträge an bestimmten Flugzeugtypen in einem bestimmten Zeitraum (Jahr) zu entnehmen sind."1. Ist Artikel 145 Punkt 35, der eine Anlage der Verordnung (EWG) Nr 3922/91 des Rates vom 16. Dezember 1991 zur Harmonisierung der technischen Vorschriften und des Verwaltungsverfahrens in der Zivilluftfahrt vergleiche ABl 373 vom 31. 12. 1991, 4) bildenden JAR 145 allenfalls unter Berücksichtigung der von der Joint Aviation Authority (JAA) getroffenen Auslegung dahin zu interpretieren, dass der Inhaber eines Instandhaltungsbetriebes über das bei ihm zur Freigabe berechtigte Personal so detaillierte Aufzeichnungen zu führen hat, dass diesen neben den Befugnissen auch die im Einzelnen konkret erledigten Aufträge an bestimmten Flugzeugtypen in einem bestimmten Zeitraum (Jahr) zu entnehmen sind.
2. Ist Art 145.35 der eine Anlage der Verordnung (EWG) Nr 3922/91 des Rates vom 16. Dezember 1991 bildenden JAR 145 allenfalls unter Berücksichtigung der von der Joint Aviation Authority (JAA) getroffenen Auslegung dahin zu interpretieren,2. Ist Artikel 145 Punkt 35, der eine Anlage der Verordnung (EWG) Nr 3922/91 des Rates vom 16. Dezember 1991 bildenden JAR 145 allenfalls unter Berücksichtigung der von der Joint Aviation Authority (JAA) getroffenen Auslegung dahin zu interpretieren,
A dass sie den Inhaber des Instandhaltungsbetriebes verpflichtet, dem freigabeberechtigten Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses diese Aufzeichnungen zu überlassen,
B dass zur Erfüllung dieser Verpflichtung die Überlassung von Kopien ausreichend ist, bzw C diese Kopien vom Arbeitgeber durch Unterfertigung bestätigt werden müssen.
3. Wen treffen allenfalls im Sinne der Frage 2 bestehende Verpflichtungen, wenn der Arbeitgeber des freigabeberechtigten Arbeitnehmers nicht der Inhaber des Instandhaltungsbetriebes, sondern ein Dritter ist, der den Arbeitnehmer diesem Inhaber aufgrund eines Konzernverhältnisses oder eines eigenen Vertrages zur Erbringung von Arbeitsleistungen überlassen hat.
4. Steht eine der sich allenfalls aus der Beantwortung der Fragen 1 bis 3 ergebenden Verpflichtungen weitergehenden nationalen Bestimmungen entgegen."
Die Kommission und der Kläger haben in ihren Stellungnahmen diese Fragen als klärungsbedürftig erachtet. Die Beklagte vertritt entsprechend ihrem bisherigen Prozessstandpunkt die Ansicht, dass sie diese Verpflichtungen nicht treffen würden und hat die Klärung der Fragen als nicht erforderlich erachtet.
Der Kanzler des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften hat dem Obersten Gerichtshof nunmehr mit Schreiben vom 2. Juli 2002 im Vorabentscheidungsverfahren C-267/01 unter Bezugnahme auf Artikel 104 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes mitgeteilt, dass nach Ansicht des Gerichtshofes eindeutig sei, dass Art 145.35 nur Verpflichtungen des genehmigten Instandhaltungsbetriebes festlege (Frage 3); ebenso eindeutig sei, dass diese Bestimmung weitergehenden aus dem innerstaatlichen Arbeitsrecht abgeleiteten Verpflichtungen nicht entgegenstehe (Frage 4).Der Kanzler des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften hat dem Obersten Gerichtshof nunmehr mit Schreiben vom 2. Juli 2002 im Vorabentscheidungsverfahren C-267/01 unter Bezugnahme auf Artikel 104 Paragraph 3, der Verfahrensordnung des Gerichtshofes mitgeteilt, dass nach Ansicht des Gerichtshofes eindeutig sei, dass Artikel 145 Punkt 35, nur Verpflichtungen des genehmigten Instandhaltungsbetriebes festlege (Frage 3); ebenso eindeutig sei, dass diese Bestimmung weitergehenden aus dem innerstaatlichen Arbeitsrecht abgeleiteten Verpflichtungen nicht entgegenstehe (Frage 4).
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof zieht im Hinblick auf diese Mitteilung sein Vorabentscheidungsersuchen hinsichtlich der Fragen 3 und 4 zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen zurück. Hinsichtlich der Fragen 1 und 2, die den wesentlichen Kern des Vorabentscheidungsersuchens bilden, bleibt dieses aber aufrecht und wird es mit diesem Beschluss wiederholt. Der Umfang der aus Art 145.35 ableitbaren Verpflichtungen ist für die Entscheidung des Rechtsstreites ausschlaggebend. Der EuGH geht davon aus, dass sich aus dem vorrangigen Gemeinschaftsrecht eine Verpflichtung des Arbeitgebers überlassener Arbeitskräfte im Zusammenhang mit den Aufzeichnungen und deren Ausfolgung an den Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eindeutig nicht ableiten lässt, sondern diese den Instandhaltungsbetrieb treffen. Die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften stehen nach der Auslegung des EuGH aber auch keinen innerstaatlichen arbeitsrechtlichen Ansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber (Überlasser) entgegen. Wie der Oberste Gerichtshof aber bereits dem Vorlagebeschluss zugrundegelegt hat (vgl etwa S 29 des Beschlusses) ist dann aus dem nachrangigen innerstaatlichen Arbeitsrecht die Verpflichtung des Arbeitgebers der überlassenen Arbeitskraft abzuleiten, darauf hinzuwirken, dass der Arbeitnehmer vom Instandhaltungsbetrieb (Beschäftiger) die den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Bestätigungen erhält. Daher hat der Oberste Gerichtshof in seinem Vorabentscheidungsersuchen die Beantwortung der auf die Klärung des Umfanges dieser Verpflichtungen abzielenden Fragen 1 und 2 auch völlig unabhängig von der Beantwortung der Fragen 3 und 4 begehrt. Die Fragen 3 und 4 sollten nur dazu dienen, allfällige weitere Vorabentscheidungsersuchen in dieser Rechtssache zu vermeiden.Der Oberste Gerichtshof zieht im Hinblick auf diese Mitteilung sein Vorabentscheidungsersuchen hinsichtlich der Fragen 3 und 4 zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen zurück. Hinsichtlich der Fragen 1 und 2, die den wesentlichen Kern des Vorabentscheidungsersuchens bilden, bleibt dieses aber aufrecht und wird es mit diesem Beschluss wiederholt. Der Umfang der aus Artikel 145 Punkt 35, ableitbaren Verpflichtungen ist für die Entscheidung des Rechtsstreites ausschlaggebend. Der EuGH geht davon aus, dass sich aus dem vorrangigen Gemeinschaftsrecht eine Verpflichtung des Arbeitgebers überlassener Arbeitskräfte im Zusammenhang mit den Aufzeichnungen und deren Ausfolgung an den Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eindeutig nicht ableiten lässt, sondern diese den Instandhaltungsbetrieb treffen. Die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften stehen nach der Auslegung des EuGH aber auch keinen innerstaatlichen arbeitsrechtlichen Ansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber (Überlasser) entgegen. Wie der Oberste Gerichtshof aber bereits dem Vorlagebeschluss zugrundegelegt hat vergleiche etwa S 29 des Beschlusses) ist dann aus dem nachrangigen innerstaatlichen Arbeitsrecht die Verpflichtung des Arbeitgebers der überlassenen Arbeitskraft abzuleiten, darauf hinzuwirken, dass der Arbeitnehmer vom Instandhaltungsbetrieb (Beschäftiger) die den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Bestätigungen erhält. Daher hat der Oberste Gerichtshof in seinem Vorabentscheidungsersuchen die Beantwortung der auf die Klärung des Umfanges dieser Verpflichtungen abzielenden Fragen 1 und 2 auch völlig unabhängig von der Beantwortung der Fragen 3 und 4 begehrt. Die Fragen 3 und 4 sollten nur dazu dienen, allfällige weitere Vorabentscheidungsersuchen in dieser Rechtssache zu vermeiden.
Das Vorabentscheidungsersuchen muss daher hinsichtlich der Fragen 1 und 2 aufrecht bleiben und ist zu wiederholen. Es schiene auch gerade bei häufig zwischen den Mitgliedstaaten wechselnden Arbeitnehmern schlecht vertretbar, wenn eine unterschiedliche Auslegung in den Mitgliedstaaten etwa dazu führte, dass zwar die Gerichte in dem einen Mitgliedstaat die Ausfolgung von pauschalen Bestätigungen oder Kopien als ausreichend erachteten, in dem anderen Mitgliedstaat aber die Vorlage von detaillierten Originaldokumenten verlangt wird. Hingewiesen wird darauf, dass dem Obersten Gerichtshof nach dem Wortlaut des Art 234 Abs 3 EGV bei der Frage der Einleitung des Vorabentscheidungsverfahrens kein Ermessen etwa unter Bedachtnahme auf die allgemeine Bedeutung der jeweiligen Fragen eingeräumt ist, sondern er bei Vorliegen von Auslegungsfragen zur Einleitung verpflichtet ist (vgl Dauses, Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art 177 des EG-Vertrages2 116 mwN).Das Vorabentscheidungsersuchen muss daher hinsichtlich der Fragen 1 und 2 aufrecht bleiben und ist zu wiederholen. Es schiene auch gerade bei häufig zwischen den Mitgliedstaaten wechselnden Arbeitnehmern schlecht vertretbar, wenn eine unterschiedliche Auslegung in den Mitgliedstaaten etwa dazu führte, dass zwar die Gerichte in dem einen Mitgliedstaat die Ausfolgung von pauschalen Bestätigungen oder Kopien als ausreichend erachteten, in dem anderen Mitgliedstaat aber die Vorlage von detaillierten Originaldokumenten verlangt wird. Hingewiesen wird darauf, dass dem Obersten Gerichtshof nach dem Wortlaut des Artikel 234, Absatz 3, EGV bei der Frage der Einleitung des Vorabentscheidungsverfahrens kein Ermessen etwa unter Bedachtnahme auf die allgemeine Bedeutung der jeweiligen Fragen eingeräumt ist, sondern er bei Vorliegen von Auslegungsfragen zur Einleitung verpflichtet ist vergleiche Dauses, Das Vorabentscheidungsverfahren nach Artikel 177, des EG-Vertrages2 116 mwN).
Anmerkung
E66623 8ObA315.00g-2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:008OBA00315.00G.0829.000Dokumentnummer
JJT_20020829_OGH0002_008OBA00315_00G0000_000