TE OGH 2002/8/29 8ObS136/02m

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Veröffentlicht am 29.08.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Hofrat DI Roland Bauer und Ulrike Kargl als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Othmar P*****, vertreten durch Franz P. Oberlercher, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wider die beklagte Partei IAF Service GesmbH, G*****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen EUR 47.469,39 Insolvenzausfallgeld (Revisionsinteresse EUR 38.235,14), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. April 2002, GZ 7 Rs 62/02w-16, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).Die außerordentliche Revision wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 46, Absatz eins, ASGG zurückgewiesen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Text

Begründung:

Auszugehen ist davon, dass der Kläger, der als Angestellter in gehobener Position in der Baubranche seit 1. 9. 1998 bei der späteren Gemeinschuldnerin tätig war, seit 1. 6. 1999 Lohnrückstände hatte und ab 1. 8. 1999 keinerlei Lohn mehr erhielt; dennoch blieb er bis 15. 6. 2000, also noch 10 ½ Monate ohne jede Bezahlung im Unternehmen tätig, obwohl alle anderen Dienstnehmer bereits Anfang März 2000 ausgetreten waren, forderte nie ernstlich seinen Lohn ein, beglich vielmehr für seine Arbeitgeberin in dieser Zeit Zahlungen von mehr als S 80.000, lebte im Übrigen von der Unterstützung seiner Gattin. Auf den vorliegenden Sachverhalt ist das IESG idF Nov BGBl 73/1999 anzuwenden (Konkurseröffnung 12. 5. 2000).Auszugehen ist davon, dass der Kläger, der als Angestellter in gehobener Position in der Baubranche seit 1. 9. 1998 bei der späteren Gemeinschuldnerin tätig war, seit 1. 6. 1999 Lohnrückstände hatte und ab 1. 8. 1999 keinerlei Lohn mehr erhielt; dennoch blieb er bis 15. 6. 2000, also noch 10 ½ Monate ohne jede Bezahlung im Unternehmen tätig, obwohl alle anderen Dienstnehmer bereits Anfang März 2000 ausgetreten waren, forderte nie ernstlich seinen Lohn ein, beglich vielmehr für seine Arbeitgeberin in dieser Zeit Zahlungen von mehr als S 80.000, lebte im Übrigen von der Unterstützung seiner Gattin. Auf den vorliegenden Sachverhalt ist das IESG in der Fassung Nov Bundesgesetzblatt 73 aus 1999, anzuwenden (Konkurseröffnung 12. 5. 2000).

Das Berufungsgericht hat diesen Sachverhalt als atypisches, einem Fremdvergleich nicht standhaltendes Arbeitsverhältnis beurteilt, das dazu führe, dass das Arbeitsverhältnis zur Gänze aus dem Schutzbereich des IESG falle. In diesem Fall gebühre überhaupt kein Insolvenz-Ausfallgeld, und zwar auch nicht für den Sechsmonatsraum des § 3a Abs 1 IESG oder etwaige Beendigungsansprüche.Das Berufungsgericht hat diesen Sachverhalt als atypisches, einem Fremdvergleich nicht standhaltendes Arbeitsverhältnis beurteilt, das dazu führe, dass das Arbeitsverhältnis zur Gänze aus dem Schutzbereich des IESG falle. In diesem Fall gebühre überhaupt kein Insolvenz-Ausfallgeld, und zwar auch nicht für den Sechsmonatsraum des Paragraph 3 a, Absatz eins, IESG oder etwaige Beendigungsansprüche.

Rechtliche Beurteilung

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes kann sich auf die ständige oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des Fremdvergleichs stützen. Die Durchführung des Fremdvergleiches ist eine Frage des Einzelfalles, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen - die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen kann (8 ObS 183/01x = ARD 5318/3/02). Eine solche krasse Fehlbeurteilung liegt vorliegendenfalls nicht vor:

Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass es

zwar dem Arbeitnehmer freisteht, auch wenn er kein Entgelt erhält, so

lange er will, im Betrieb seines Arbeitgebers zu verbleiben. Jedoch

verliert ein solches Arbeitsverhältnis, wenn die Frist erheblich

überschritten wird, die ein durchschnittlicher Arbeitnehmer im

Betrieb geblieben wäre, den Charakter eines “typischen”

Arbeitsverhältnisses und schließt ein solches Verhalten einen

Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld aus (8 ObS 57/00s = Arb 12.034; 8

ObS 153/01k = infas 2002 A 54 ua). Hätte ein “typischer” Arbeitnehmer

bereits wesentlich früher seinen vorzeitigen Austritt erklärt, hat

der Kläger im Falle nachfolgender Insolvenz des Dienstgebers

keinerlei Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld: Ein derartiges

Arbeitsverhältnis ist nach ständiger Rechtsprechung zur Gänze aus dem

Schutzbereich des IESG ausgenommen. In diesem Fall gebührt -

zumindest für die Zeit bis zum Wirksamwerden der Novelle BGBl I

42/2000 mit 1. 1. 2001, die auf den vorliegenden Fall noch nicht

anzuwenden ist - überhaupt kein Insolvenz-Ausfallgeld, und zwar auch

nicht für den Sechsmonatszeitraum des § 3a Abs 1 IESG oder für

etwaige Beendigungsansprüche (8 ObS 56/00v = WBl 2000/216 = ZIK

2000/231; 8 ObS 153/00h = DRdA 2000, 536 = Arb 12.027; 8 ObS 153/01k

= infas 2002 A 54; zuletzt 8 ObS 254/01p).

Der Kläger bestreitet in seiner außerordentlichen Revision nicht, dass ab 1. 3. 2000 ein atypisches Arbeitsverhältnis vorgelegen wäre, meint aber, dass ihm für die Zeit davor und für seine Beendigungsansprüche dennoch Insolvenz-Ausfallgeld gebühren könnte. Der Oberste Gerichtshof habe offensichtlich selbst Bedenken, ob seine Rechtsprechung mit der RL 80/987/EWG in Einklang stehe und habe deshalb eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes eingeholt und vergleichbare Fälle bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes unterbrochen.

Dem ist zu erwidern, dass dem Anlassfall 8 ObS 249/00a (WBl 2001/224

= EvBl 2001/171) und den weiteren Unterbrechungsfällen (8 ObS

223/00b; 8 ObS 90/01w = DRdA 2002, 247) andere Sachverhalte zu Grunde

lagen; es handelte sich dort stets um eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen; die dort klagenden Arbeitnehmer waren auch Gesellschafter ihrer Arbeitgeberin und ließen den Lohn in der Krise stehen, was dazu führt, dass solche Arbeitnehmer ihre Ansprüche gegen die Arbeitgeberin auch in deren Konkurs nicht geltend machen können, was auf nicht an der Arbeitsgemeinschaft beteiligende Arbeitnehmer, wie den Kläger, nicht zutrifft.

Der erkennende Senat hat Übrigen keine Bedenken gegen seine hier einschlägige ständige Rechtsprechung, dass ein Arbeitnehmer, der sich entschließt, trotz Nichtzahlung des Lohns über längere Zeit im Unternehmen tätig zu bleiben, ohne auch nur ernsthaft zu versuchen, die aushaftenden Beträge hereinzubringen, damit bewirkt, dass das insoweit atypisch gestaltete Arbeitsverhältnis insgesamt aus dem Schutzbereich des IESG fällt und die aus diesen Arbeitsverhältnis resultierenden Ansprüche in vollem Umfang ungesichert sind; er hat stets das sogenannte “splitting” (Ansprüche auf IESG bis zu dem Zeitpunkt, in dem ein typischer Arbeitnehmer ausgetreten wäre, auf das der Kläger nun offensichtlich im Revisionsverfahren abstellt), abgelehnt, ausgesprochen, dass in einem solchem Fall auch die beendigungsabhängigen Ansprüche ungesichert sind (siehe oben) und in seiner Entscheidung 8 ObS 206/00b (= DRdA 2001/37 [Anzenberger] = WBl 2001/91) dargelegt, dass seine diesbezügliche Rechtsprechung infolge des in Art 10 der RL 80/987/EWG enthaltenen Missbrauchsvorbehalts mit dieser vereinbar ist.Der erkennende Senat hat Übrigen keine Bedenken gegen seine hier einschlägige ständige Rechtsprechung, dass ein Arbeitnehmer, der sich entschließt, trotz Nichtzahlung des Lohns über längere Zeit im Unternehmen tätig zu bleiben, ohne auch nur ernsthaft zu versuchen, die aushaftenden Beträge hereinzubringen, damit bewirkt, dass das insoweit atypisch gestaltete Arbeitsverhältnis insgesamt aus dem Schutzbereich des IESG fällt und die aus diesen Arbeitsverhältnis resultierenden Ansprüche in vollem Umfang ungesichert sind; er hat stets das sogenannte “splitting” (Ansprüche auf IESG bis zu dem Zeitpunkt, in dem ein typischer Arbeitnehmer ausgetreten wäre, auf das der Kläger nun offensichtlich im Revisionsverfahren abstellt), abgelehnt, ausgesprochen, dass in einem solchem Fall auch die beendigungsabhängigen Ansprüche ungesichert sind (siehe oben) und in seiner Entscheidung 8 ObS 206/00b (= DRdA 2001/37 [Anzenberger] = WBl 2001/91) dargelegt, dass seine diesbezügliche Rechtsprechung infolge des in Artikel 10, der RL 80/987/EWG enthaltenen Missbrauchsvorbehalts mit dieser vereinbar ist.

Anmerkung

E66833 8ObS136.02m

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:008OBS00136.02M.0829.000

Dokumentnummer

JJT_20020829_OGH0002_008OBS00136_02M0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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