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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
FlKonv;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. B. Trefil LL.M., über die Beschwerde des K in V, vertreten durch Dr. Herwig Hasslacher, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Hauptplatz 25, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 21. April 2005, Zl. 1W-PERS-6866/9-2005, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines seit dem Jahr 1990 in Österreich aufhältigen und als Flüchtling anerkannten albanischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "gemäß § 10 Abs. 1 und § 11 des StbG 1985, BGBl. Nr. 311, idgF" im zweiten Rechtsgang ab, nachdem der Verwaltungsgerichtshof mit hg. Erkenntnis vom 24. August 2004, Zl. 2004/01/0127, eine im Ergebnis gleichlautende Entscheidung der belangten Behörde vom 29. Jänner 2004 wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben hatte.
Zum bisherigen Verfahrensverlauf und den für die Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde im ersten Rechtsgang maßgeblichen Gründen wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen. Zusammenfassend führte der Verwaltungsgerichtshof darin aus, dem Beschwerdeführer sei mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 28. Februar 2003 die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigen Behinderten "zuerkannt" und der Grad seiner Behinderung mit 50 % festgestellt worden. Ungeachtet dessen habe die belangte Behörde die Abweisung des Verleihungsgesuches primär auf die "nicht vorhandene berufliche Integration" des Beschwerdeführers, die sie auf eine "mangelnde Arbeitsmoral" zurückführte, gestützt. Dem sei der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen entgegengetreten, er habe sich während seiner (unangemeldeten) beruflichen Tätigkeit in den Jahren 1991 und 1992 einen Bandscheibenvorfall zugezogen und sich von diesem nicht mehr erholt, wodurch er unverschuldet arbeitsunfähig geworden sei. Der Verwaltungsgerichtshof hielt dazu in dem oben zitierten Erkenntnis fest, dass bei Wahrunterstellung dieses Vorbringens dem Beschwerdeführer - aus näher dargestellten Gründen - weder die unterbliebene berufliche Integration noch eine mangelnde Bereitschaft zur Integration am inländischen Arbeitsmarkt im Rahmen der Ermessenentscheidung nach § 11 StbG entgegen gehalten werden könne. Die belangte Behörde sei zwar von der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen, habe sich insofern aber mit seinem Vorbringen nicht ausreichend auseinandergesetzt, weshalb ihre Entscheidung einen wesentlichen Begründungsmangel aufweise. Zudem habe sie bei ihrer Ermessensübung die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers unberücksichtigt gelassen.
Im fortgesetzten Verfahren holte die belangte Behörde ein berufskundliches Sachverständigengutachten vom 19. November 2004 ein, das sich in seinen Schlussfolgerungen auf ein medizinisches Sachverständigengutachten vom 7. November 2002 bezog, welches dem zuvor erwähnten Bescheid des Bundessozialamtes vom 28. Februar 2003 zugrundegelegen hatte. Zu dem eingeholten Gutachten erstattete der Beschwerdeführer mit Schriftsätzen seines Rechtsvertreters vom 25. Februar und 10. März 2005 Stellungnahmen, denen er weitere medizinische Unterlagen, darunter auch ein Schreiben des Bundessozialamtes vom 1. März 2005 betreffend den Antrag des Beschwerdeführers auf Neueinschätzung des Grades seiner Behinderung, und ein Schreiben der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. Eva Rupp vom 8. Februar 2005, vorlegte.
Diese Unterlagen führte die belangte Behörde keiner weiteren Überprüfung durch den Sachverständigen zu, sondern erließ den angefochtenen Bescheid, den sie - nach Wiedergabe des berufskundlichen Sachverständigengutachtens - im Wesentlichen mit folgendem Wortlaut begründete:
"Auf die bis ins Jahre 2002 vorgelegten Arztbestätigungen oder Befunde einzugehen erübrigt sich, da sie bereits in dem Bescheid des Bundessozialamtes des Jahres 2002 (gemeint: 2003( berücksichtigt sind und wird an dieser Stelle auf die bereits wiedergegebene Würdigung verwiesen.
Ende 2004 und Anfang 2005 befand sich Herr K. wegen eines akuten Nierensteinleidens in stationärer Behandlung im LKH Klagenfurt. Diese Krankheit kann mit den chronischen Gebrechen des Antragstellers nicht gleichgesetzt werden und es wurden vom Antragsteller auch keine Folgeschäden behauptet.
Die vorgelegten ärztlichen Bestätigungen ab dem Jahre 2002 beinhalten keine neuen Leiden, die nicht schon in die Gesamteinschätzung des ärztlichen Dienstes beim Bundessozialamtes eingeflossen sind und zu einem Grad der Behinderung von 50 v.H. geführt haben.
Weiters wird argumentiert, aufgrund der politischen Verfolgung sei es zu einer chronischen depressiven Verstimmung mit körperlichen Leiden gekommen, obwohl von Anfang an eigentlich nur die degenerative Wirbelsäulenerkrankung als Grund für die Arbeitsunfähigkeit angeführt wurde. Dem ist entgegen zu halten, dass bereits im Bescheid des Jahres 2003 des Bundessozialamtes die dysthyme Verstimmung berücksichtigt wurde und auch im vom Antragsteller vorgelegten Schreiben des Bundessozialamtes vom 1.3.2005 die Dysthymie mit Somatisierung in die Gesamteinschätzung der Gesundheitsschädigung eingeflossen ist.
Zum Vorwurf, dass berufskundliche Sachverständigengutachten basiere aus dem Jahre 2002, ist zu entgegnen, dass das Gutachten sich auf den letzten gültigen Bescheid des Bundessozialamtes stützt. Auch in der vom Antragsteller vorgelegten neuesten Einschätzung des Bundessozialamtes vom 1.3.2005 wird der Grad der Behinderung wiederum mit 50 v.H. festgesetzt.
Dem gegenüber steht das berufskundliche Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes, dass der Antragsteller trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung, nicht arbeitsunfähig ist und er auch im Zeitpunkt der Gutachtenserstellung noch eine Vielzahl von einfachen Tätigkeiten ausüben kann ...
Die Staatsbürgerschaftsverleihungsbehörde wiederholt an dieser Stelle unmissverständlich und nachhaltig, dass der Antragsteller während seines langen Aufenthaltes keiner offiziellen Tätigkeit und sei es auch nur kurzfristig, nachgegangen ist. Somit kann es nicht im öffentlichen Interesse gelegen sein, einem Fremden, der seit über 14 Jahren in Österreich lebt und nie seinen Lebensunterhalt durch eigene Arbeitsleistung bestritten hat, die österr. Staatsbürgerschaft zu verleihen. Der Antragsteller hat trotz einer erwiesenen wenn auch eingeschränkten Arbeitsfähigkeit keine wie immer geartete Erwerbstätigkeit ausgeübt oder zumindest auszuüben versucht. Die von ihm während des ganzen Verfahrens behauptete Arbeitsunfähigkeit konnte durch das berufskundliche Sachverständigengutachten eindeutig widerlegt werden. Der Antragsteller ist zwar seit über 14 Jahren in Österreich. Diese Aufenthaltsdauer würde für eine Einbürgerung sprechen. Andererseits ist die nicht vorhandene berufliche Integration des Staatsbürgerschaftswerbers obwohl zumut- und erwartbar, zu berücksichtigen, insbesondere, wenn man bedenkt, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen am Anfang seiner Wohnsitznahme in Österreich vom Antragsteller nicht ins Treffen geführt wurden und die Behörde daher annehmen muss, dass diese gar nicht oder nur in untergeordneter Ausprägung existent waren. Auch der Nachweis, sich ernsthaft um Eingliederung in den Arbeitsprozess bemüht zu haben wurde nie zu erbringen versucht.
Zum Asylstatus des Antragstellers ist festzuhalten, dass für Asylberechtigte die Möglichkeit einer vorzeitigen Einbürgerung besteht. Trotzdem hat sich die Behörde, bei dem ihr im § 11 StbG eingeräumten freien Ermessen von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen. Unter dem Gesichtspunkt des allgemeine Wohles und der öffentlichen Interessen kommt die entscheidende Behörde zur Auffassung, dass die dem Verleihungswerber zu unterstellende mangelnde Arbeitsmoral und die nicht gegebene berufliche Integration viel negativer wiegt, als der Asylstatus des Antragstellers und die Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet. Es ist daher nicht möglich, das ihr im § 11 StbG eingeräumte freie Ermessen positiv auszuüben."
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Mit dem angefochtenen Ersatzbescheid hat die belangte Behörde dem hg. Erkenntnis vom 24. August 2004 nicht entsprochen.
Die belangte Behörde holte zwar ein berufskundliches Gutachten vom 19. November 2004 ein, das dem Beschwerdeführer die Fähigkeit zur Verrichtung einer "Vielzahl von einfacheren (Hilfs-)Arbeiten" bescheinigte, diese Einschätzung aber auf ein medizinisches Kalkül vom November 2002 stützte, also auf ein im Zeitpunkt der Begutachtung bereits zwei Jahre zurückliegendes Gesundheitsbild des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer legte in seiner Stellungnahme zu dem berufskundlichen Gutachten weitaus aktuellere medizinische Unterlagen vor, so etwa das Schreiben der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. Eva Rupp vom 8. Februar 2005, die darin festhielt, es bestehe beim Beschwerdeführer "ein Zustand nach langjähriger politischer Verfolgung und Haft", aufgrund dessen es "zur Ausbildung einer chronischen depressiven Verstimmung" gekommen sei. Auch zeigten sich immer wieder deutliche Somatisierungen. Beim Beschwerdeführer bestehe das Bild einer chronischen Dysthymie, zu werten als chronische posttraumatische Belastungsstörung. Dem hielt die belangte Behörde im Wesentlichen nur entgegen, dass im Bescheid des Bundessozialamtes aus dem Jahre 2003 bereits eine dysthyme Verstimmung berücksichtigt wurde. Dabei übersah sie allerdings, dass dieser Bescheid auf demselben ärztlichen Gutachten aus dem Jahr 2002 beruhte, auf dem auch das berufskundliche Gutachten basierte, und das zwar eine "dysthyme Verstimmung", jedoch kein "depressives Zustandsbild" diagnostiziert hatte. Von dieser letztgenannten medizinischen Tatsache ist somit auch der berufskundliche Gutachter in seinen Erwägungen ausgegangen. Diese stehen aber in einem von der belangten Behörde nicht aufgeklärten (möglichen) Gegensatz zur Einschätzung der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 8. Februar 2005 und hätten schon deshalb Anlass zu ergänzenden Ermittlungen geben müssen. Hinzu kommt, dass dem vom Beschwerdeführer ebenfalls vorgelegten Schreiben des Bundessozialamtes vom 1. März 2005 zwar keine Erhöhung des Grades der Behinderung entnommen werden konnte (wie die belangte Behörde richtig ausführte), die dieser Beurteilung zugrundeliegenden gesundheitlichen Probleme aber eine Verschiebung erfahren haben dürften, weil etwa die degenerative Wirbelsäulenerkrankung im Unterschied zu früher mit einem etwas höheren Grad der Behinderung angesetzt wurde. Dass diese Veränderungen von vornherein ungeeignet wären, den (damit nicht befassten) berufskundlichen Gutachter zu einer anderen Einschätzung zu führen, kann nicht ohne Weiteres gesagt werden. Das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde erweist sich daher auch deshalb als mangelhaft, weil sie den Vorwurf "mangelnder Arbeitsmoral" an den Beschwerdeführer mit einem Gutachten zu untermauern versucht, das auf einer zeitlich überholten medizinischen Beurteilung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers beruhen könnte.
Auch kann der Verwaltungsgerichtshof nicht erkennen, dass die belangte Behörde dem Umstand der Zuerkennung von Asyl an den Beschwerdeführer im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung - entsprechend der mit hg. Erkenntnis vom 24. August 2004 überbundenen Rechtsansicht - tatsächlich Rechnung getragen hat. Die belangte Behörde erwähnte zwar den Asylstatus des Beschwerdeführers, schob in anschließend aber wieder unter Hinweis auf nicht näher umschriebenes "allgemeines Wohl" und "öffentliche Interessen" beiseite, um das Verleihungsgesuch letztlich neuerlich wegen "mangelnder Arbeitsmoral" und "nicht gegebener beruflicher Integration" abzuweisen. In Ergänzung zu seinen im obgenannten Erkenntnis angestellten Erwägungen hält der Verwaltungsgerichtshof fest, dass die berufliche Integration eines Verleihungswerbers zwar ein wichtiger, aber nur ein Teil der von der belangten Behörde in ihrer Ermessenübung zu berücksichtigenden Umstände ist (vgl. zur notwendigen Gesamtschau etwa das hg. Erkenntnis vom 30. August 2005, Zl. 2004/01/0442, mwN). Daneben sind die persönliche Integration des Verleihungswerbers (mit der sich der angefochtene Bescheid nicht beschäftigt) und die besondere Situation eines Flüchtlings im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, der sein Leben in einer neuen Umgebung unter Bewältigung der in der Vergangenheit erlittenen Verfolgung aufzubauen gezwungen ist, ins Blickfeld zu nehmen. Diese letztgenannten Aspekte können dazu führen, dass sich die berufliche und persönliche Integration eines Flüchtlings schwieriger gestaltet als bei anderen - unverfolgt in das Bundesgebiet gelangten - Verleihungswerbern. Diesem Umstand ist bei der Ermessenentscheidung entsprechende Beachtung zu schenken, was auch eine Auseinandersetzung mit der Lebensgeschichte des Verleihungswerbers erfordert, die von der belangten Behörde - offenbar in fortdauernder Verkennung der Bedeutung des Flüchtlingsstatus für die Ermessensentscheidung - bislang nicht vorgenommen wurde.
Der angefochtene Bescheid war daher vorrangig wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 26. März 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005010199.X00Im RIS seit
18.05.2007Zuletzt aktualisiert am
31.03.2011