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L08010 Vereinbarungen nach Art 15a;Norm
Geltungsbereich VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1976/15;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Schick, Dr. Köhler und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des Landes Wien, vertreten durch Schwartz und Huber-Medek Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Stubenring 2, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Dezember 2006, Zl. GS5-A-11/043-2006, betreffend Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 14. September 2006 auf Ersatz der Sozialhilfekosten für Walter E, Manuela W sowie Gina und Iris E ab.
Begründend führte sie aus, die beschwerdeführende Partei habe mit Schreiben vom 24. Juli 2006 bekannt gegeben, dass Walter E am 12. Jänner 2005 nach Wien verzogen sei und dort seit 13. Jänner 2005 laufend aus Sozialhilfemitteln unterstützt werden müsse. Seine Gattin und die beiden Töchter seien bis 27. Jänner 2005 in K gemeldet gewesen und dann ebenfalls nach Wien verzogen. Seit ihrer Übersiedlung nach Wien hätten sie ebenfalls laufend Sozialhilfeleistungen erhalten. Mit Schreiben vom 31. Juli 2006 habe die beschwerdeführende Partei um Anerkennung der endgültigen Kostentragungspflicht ersucht und darauf hingewiesen, dass auf den Ersatz der Kosten, die vor dem 31. Jänner 2006 entstanden seien, verzichtet werde. Die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten habe mit Schreiben vom 7. August 2006 sowie vom 31. August 2006 die Abgabe eines Kostenanerkenntnisses verweigert. Dies sei damit begründet worden, dass gemäß Art. 6 der Ländervereinbarung in den Angelegenheiten der Sozialhilfe die Anzeige innerhalb von sechs Monaten zu erfolgen habe. Da die Familie E bereits seit 13. Jänner 2005 seitens des Magistrates der Stadt Wien unterstützt werde, sei die Anzeigepflicht gemäß Art. 6 der Ländervereinbarung verletzt worden. Nach der Vereinbarung über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe seien die Träger der Sozialhilfe eines Vertragslandes verpflichtet, dem Träger eines anderen Vertragslandes die für Sozialhilfe aufgewendeten Kosten nach den in der Vereinbarung enthaltenen Bestimmungen zu ersetzen. Nach Art. 7 habe über die Verpflichtung zum Kostenersatz im Streitfalle die Landesregierung, in deren Bereich der zum Kostenersatz angesprochene Träger liege, im Verwaltungsweg zu entscheiden. Gemäß Art. 6 habe der Träger, dem im Sinn des Art. 2 Kosten erwüchsen, dem voraussichtlich zum Kostenersatz verpflichteten Träger die Hilfeleistung unverzüglich, längstens aber innerhalb von sechs Monaten ab Beginn der Hilfeleistung anzuzeigen und diesem hiebei alle für die Beurteilung des Kostenersatzes maßgebenden Umstände mitzuteilen. Seitens der belangten Behörde werde die von der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vertretene Rechtsansicht geteilt, dass die Anzeige gemäß Art. 6 der Ländervereinbarung längstens innerhalb von sechs Monaten ab Beginn der Hilfeleistung zu erfolgen habe. Ein Verzicht auf die Geltendmachung bereits verjährter Kosten sei demnach nicht möglich, weil der Anspruch auf Kostenersatz nach der Vereinbarung über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe sechs Monate nach Beginn der Hilfeleistung überhaupt nicht mehr geltend gemacht werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattete, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit § 1 der aufgrund des § 61 des NÖ Sozialhilfegesetzes, LGBl. 9200 erlassenen Verordnung der NÖ Landesregierung über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe, LGBl. 9200/06 - diese Verordnung gilt gemäß § 78 Abs. 10 Z. 2 des Sozialhilfegesetzes 2000 als solche nach letzterem Gesetz -, wurden die Art. 1 bis 7 der in der Anlage enthaltenen Vereinbarung über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe (im Folgenden: Ländervereinbarung), "in Kraft gesetzt". Der gemäß Art. 107 B-VG idF vor der Novelle BGBl. Nr. 444/1974 am 13./14./17. Dezember abgeschlossenen Vereinbarung der Bundesländer Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe sind unter Anderem die Bundesländer Niederösterreich (LGBl. 9200/6-0 idF der VO LGBl. 9200/6-1) und Wien (LGBl. Nr. 9/1974) beigetreten. Der Beitritt des jeweils anderen Bundeslandes wurde kundgemacht (§ 2 Abs. 2 VO NÖ LGBl. Nr. 9200/6-0, Wr. LGBl. Nr. 15/1976).
Nach Art. 1 der Ländervereinbarung sind die Träger der Sozialhilfe eines Vertragslandes verpflichtet, den Trägern eines anderen Vertragslandes die für Sozialhilfe aufgewendeten Kosten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ersetzen.
Zu den Kosten der Sozialhilfe gehören nach Art. 2 die Kosten, die einem Träger für einen Hilfesuchenden
a) nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Sozialhilfe oder
b) nach den landesrechtlichen Vorschriften über die
Jugendwohlfahrtspflege ... erwachsen.
Gemäß Art. 3 Abs. 1 ist, soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, jener Träger zum Kostenersatz verpflichtet, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens durch fünf Monate aufgehalten hat und der nach den für ihn geltenden landesrechtlichen Vorschriften die Kosten für die Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zugrunde liegen, zu tragen hat.
Nach Art. 5 Abs. 2 lit. e sind unter anderem jene Kosten nicht zu ersetzen, die sechs Monate vor der Anzeige nach Art. 6 entstanden sind.
Gemäß Art. 6 hat der Träger, dem im Sinne des Art. 2 Kosten erwachsen, dem voraussichtlich zum Kostenersatz verpflichteten Träger die Hilfeleistung unverzüglich, längstens aber innerhalb von sechs Monaten ab Beginn der Hilfeleistung anzuzeigen und diesem hiebei alle für die Beurteilung der Kostenersatzpflicht maßgebenden Umstände mitzuteilen.
Über die Verpflichtung zum Kostenersatz hat im Streitfall gemäß Art. 7 die Landesregierung, in deren Bereich der zum Kostenersatz angesprochene Träger liegt, im Verwaltungsweg zu entscheiden.
In der Beschwerde wird im Wesentlichen der Standpunkt vertreten, die verspätete Anzeige gemäß Art. 6 der Ländervereinbarung habe zur Folge, dass gemäß Art. 5 Abs. 2 lit. e der Ländervereinbarung jene Kosten, die sechs Monate vor der Anzeige entstanden seien, nicht (mehr) zu ersetzen seien. Lasse also das ersatzbegehrende Land die in Art. 6 der Ländervereinbarung vorgesehene Anzeigefrist von sechs Monaten ungenützt verstreichen, so könne es für Leistungen, die mehr als sechs Monate vor Erstattung der Anzeige erbracht worden seien, keinen Ersatz mehr begehren. Das Recht auf Kostenersatz für alle jene Leistungen, die kürzer als sechs Monate nach Anzeige zurücklägen, bleibe jedenfalls bestehen.
Die Beschwerde ist begründet.
Art. 5 Abs. 2 lit. e sieht vor, dass - im hier maßgeblichen Zusammenhang kann lit. f außer Betracht bleiben - nur diejenigen Kosten nicht zu ersetzen sind, die sechs Monate vor der Anzeige nach Art. 6 entstanden sind. Das sind im Beschwerdefall nur die Kosten, die länger als sechs Monate vor der am 31. Juli 2006 erfolgten Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten entstanden sind.
Dagegen kann Art. 6 nicht ins Treffen geführt werden. Diese Bestimmung regelt ausschließlich die Anzeigepflicht. Selbst wenn man - was hier dahingestellt bleiben kann - der Auffassung wäre, dass Art. 6 mit der Wendung "ab Beginn der Hilfeleistung" im Falle einer durchgehenden Hilfeleistung (wie im Beschwerdefall) auf den Zeitpunkt einer erstmals erfolgten Hilfeleistung abstellte und daraus folgerte, dass im Beschwerdefall die Anzeige auch für alle folgenden Zeiträume der Hilfeleistung verspätet wäre, ergäbe sich die Einschränkung der Kostenersatzpflicht doch nur nach Maßgabe des Art. 5 Abs. 2 lit. e. Die Kostenersatzpflicht wurde daher zu Unrecht verneint.
Der angefochtene Bescheid war daher im Sinne obiger Ausführungen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 26. März 2007
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007100008.X00Im RIS seit
23.05.2007Zuletzt aktualisiert am
31.03.2011