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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. B. Trefil LL.M., über die Beschwerde des H in F, geboren 1978, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 1. März 2005, Zl. 256.469/0- III/07/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Mauretanien (Islamische Republik Mauretanien), reiste am 27. November 2004 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl.
Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 30. November 2004 gab der Beschwerdeführer an, er sei Angehöriger der Volksgruppe "Fula", seine Muttersprache sei "fulla". Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer (zusammengefasst) an, er habe für einen "Arbeitgeber Mohammed Zwangsarbeiten verrichten müssen"; dieser habe ihn gezwungen zu arbeiten, ihn dafür aber nicht bezahlt; dieser Mann sei "Araber"; ihm (dem Beschwerdeführer) habe man gesagt, "dass wir Schwarzen Sklaven sind". Von dem "Arbeitgeber" sei er immer wieder geschlagen worden (Anmerkung: der Beschwerdeführer zeigte bei seiner Vernehmung seinen Rücken). Sein Bruder habe auch für "diesen Mann" gearbeitet; über Anraten des Bruders sei er in die Wüste geflohen; schließlich habe ihn ein "Autofahrer" in den Senegal mitgenommen. Er "kenne" seine Eltern nicht, weil er seit dem achten Lebensjahr für diesen Mann (Mohammed) arbeiten habe müssen (die Namen der Eltern habe er von seinem Bruder erfahren). Er habe in der Wüste (für Mohammed) als Schaf- und Kamelhirte, aber auch in der Küche arbeiten müssen; auch Tee habe er zubereitet. Nahrung und Kleidung (einmal im Jahr einen Umhang) habe er von Mohammed erhalten; die "Araber haben zuerst gegessen, dann kam ich dran". Er sei "oftmals" geschlagen worden, wenn er etwas gemacht habe, was ihm (Mohammed) nicht gefallen habe. Die Flucht sei ihm in der Nacht gelungen; er sei weggelaufen, ohne das Mohammed ihn gesehen habe. Weil man ihn (und seinen Bruder) mitgenommen habe, um Zwangsarbeiten zu verrichten, habe er Angst, in Mauretanien zu bleiben. Mohammed habe nämlich gedroht, "uns (gemeint: den Beschwerdeführer und seinen Bruder) zu töten, falls wir fliehen"; Mohammed habe das immer gesagt. Über Vorhalt, er sei ein "freier Mann", antwortete der Beschwerdeführer: "Dort ist das nicht so. Wir werden dort wie Sklaven behandelt. Ich bin dort nicht frei. Dort in der Wüste, wo ich war, ist es nicht so". Im Falle seiner Rückkehr befürchte er dasselbe Problem: "Die Araber, die fangen Schwarze in der Wüste ein und zwingen sie zu arbeiten".
Bei seiner weiteren (zweiten) Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 2. Dezember 2004 wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass er "keine der in der GFK angeführten Verfolgungsgründe" geltend gemacht habe. Er erwiderte, dass er hier Asyl bekommen wolle; in seinem Land gebe es "Rassismus und Zwangsarbeit", er habe Angst dorthin zurückzukehren; Es sei ihm lieber er sterbe, als er müsse in sein Land zurückkehren. Über Befragen des anwesenden Rechtsberaters gab der Beschwerdeführer an, die "Weißen (gemeint damit: die Araber) sagen, dass die Schwarzen Sklaven sind, wir sagen das aber nicht". Daraufhin regte der Rechtsberater an, das Verfahren zuzulassen und eingehender zu überprüfen, es liege (nach Ansicht des Rechtsberaters) sehr wohl ein "GFK relevanter Fluchtgrund aufgrund einer sozialen Gruppe (Sklave)" vor.
Mit Bescheid vom 13. Dezember 2004 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mauretanien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. "aus dem österreichischen Bundesgebiet aus". Diese Entscheidung begründete das Bundesasylamt (zusammengefasst) damit, der Beschwerdeführer habe "keine Verfolgung im Sinne des GFK vorgebracht". Zu der behaupteten "Sklaverei" sei festzustellen, dass diese im Jahr 1980 offiziell abgeschafft worden sei; die mauretanische Regierung (zu ergänzen: unternehme) "alle Anstrengungen um die Schwarzafrikaner, die in Mauretanien leben, in das kulturelle, soziale und politische Leben einzugliedern". Der Besitz von Sklaven sei in Mauretanien bereits im Jahr 1905 verboten worden. Auf Grund einer 1983/84 verkündeten Bodenreform habe jeder Mauretanier ohne Diskriminierung Grundeigentümer werden können.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde (ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung) die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Abweisung seines Asylantrages gemäß § 7 AsylG ab, stellt die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mauretanien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 57 FrG fest und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. "aus dem österreichischen Bundesgebiet aus".
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe sich in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Erstbehörde zentral darauf berufen, "aufgrund der ihm widerfahrenen wirtschaftlichen Ausbeutung seitens einer Privatperson namens Mohammed geflohen zu sein". In der Berufung habe der Beschwerdeführer "im Wesentlichen die Glaubwürdigkeit seines Vorbringens verteidigt". Rechtlich folge aus seinem Vorbringen, dass er nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sei. Aus seinen Angaben ergebe sich, dass er Opfer privater wirtschaftlicher Ausbeutung geworden sei. Anhaltspunkte dafür, dass seine wirtschaftliche Ausbeutung Ausfluss einer dahinterstehenden anderen Verfolgungsmotivation gewesen sei, seien nicht zu finden. Die wirtschaftliche Ausbeutung sei "alleiniger Selbstzweck". Das präsentierte Bedrohungsszenario gründe sich nur auf "niedrige bereicherungsmotivierte Aspekte". Im Rahmen der Begründung ihrer Refoulemententscheidung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe sich der wirtschaftlichen Ausbeutung (durch Private) letztendlich entziehen können. Anhaltspunkte dafür, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Mauretanien landesweit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit erneut in eine derartige Situation geraten würde, seien nicht vorhanden. Im Senegal sei es dem Beschwerdeführer möglich gewesen, seine Existenz durch Gelegenheitsarbeiten bei Fischern zu erwirtschaften, weshalb davon auszugehen sei, dass ihm dies in Mauretanien auch möglich wäre.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung zwar das vor dem Bundesasylamt erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers zu Grunde, sie reduzierte sein Vorbringen ("zentral") jedoch unrichtig darauf, der Beschwerdeführer habe Mauretanien allein wegen "wirtschaftlicher Ausbeutung durch eine Privatperson" verlassen. Daher sei er - weil das präsentierte Bedrohungsszenario sich nach Ansicht der belangten Behörde auf "niedrige bereicherungsmotivierte" Aspekte gründe - nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention.
Bei Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Beschwerdeführers (zu seiner Verfolgung) hätte die belangte Behörde in Betracht ziehen müssen, dass der Beschwerdeführer der schwarzafrikanischen Bevölkerung in Mauretanien angehört und seinem Vorbringen zu entnehmen ist, dass die von ihm vorgebrachte "Zwangsarbeit" für einen "Weißen" (Araber) in seiner Rasse bzw. Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe begründet war. Dass die Behandlung des Beschwerdeführers (Misshandlungen, Bedrohung mit dem Tode für den Fall der Flucht) asylrelevante Verfolgungshandlungen darstellen, steht außer Frage (vgl. zur unveränderten Existenz der Sklaverei in Mauretanien etwa den Lagebericht Mauretanien der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Juli 2000; Jahresberichte 2002 und 2006 von amnesty international Deutschland; Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Rheinland-Pfalz vom 2. Dezember 2005, Zl. 10 A 10610/05.OVG).
Die belangte Behörde hätte sich vor dem Hintergrund des Berufungsvorbringens damit auseinandersetzen müssen und auch, ob und inwieweit der Beschwerdeführer Hilfe von Seiten des mauretanischen Staates erwarten könne.
Indem die belangte Behörde - ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht - das Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht asylrelevant beurteilte, belastete sie ihre Entscheidung über die Abweisung des Asylantrages mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Damit verlieren auch die Aussprüche gemäß § 8 Abs. 1 und 2 AsylG ihre rechtliche Grundlage.
Nach dem Vorgesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 26. März 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005010102.X00Im RIS seit
18.05.2007