TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/26 2007/01/0074

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Veröffentlicht am 26.03.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §32 Abs1 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. B. Trefil LL.M., über die Beschwerde des B in W, geboren 1985, vertreten durch Dr. Günther Sulan, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 10/9, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 27. Oktober 2006, Zl 306.386-C1/E1- XIX/61/06, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Serbien, stammt aus dem Kosovo und gehört der Volksgruppe der Goraner an. Er reiste am 7. Dezember 2005 in das Bundesgebiet ein und stelle am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl.

Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er werde im Kosovo auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Goraner unterdrückt. 2004 sei der Beschwerdeführer von Albanern auf der Straße angegriffen und geschlagen worden. Sein Dorf würde nur 4 km von der albanischen Grenze entfernt liegen und es sei einige Male vorgekommen, dass bewaffnete Männer aus Albanien in das Dorf gekommen seien und Vieh gestohlen hätten. Es seien auch zweimal Busse angegriffen worden, in denen hauptsächlich Goraner gewesen seien. Beim ersten Vorfall am 4. Dezember 2005 sei der Beschwerdeführer im Nachfolgebus gesessen. Aus diesen Gründen habe sich der Beschwerdeführer entschlossen, den Kosovo zu verlassen.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28. September 2006 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen. Gleichzeitig wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien, Provinz Kosovo, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien, Provinz Kosovo, ausgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 16. Oktober 2006 Berufung, in welcher er unter anderem anführte, er habe sich kurz vor seiner Ausreise in einer Buslinie befunden, die hauptsächlich von Goranern genutzt werde, da sie nach Belgrad fahre und der Bus vor dem Beschwerdeführer sei mit Granaten beschossen worden. Er lebe in seiner Heimat in ständiger Unsicherheit und Angst vor Übergriffen auf seine Person. Zum Beweis, dass die Lage für den Beschwerdeführer als Goraner im Kosovo gefährlich sei und es entgegen der vom Bundesasylamt zitierten Länderberichte tatsächlich zu ethisch motivierten Gewaltverbrechen komme, legte der Beschwerdeführer einen Zeitungsartikel vom 2. Oktober 2006 einer serbischen Zeitung vor sowie einen Bericht aus dem Internet der serbischen Fernsehstation RTC, in welchen von einem Vorfall am 1. Oktober 2006 berichtet werde, bei dem in der Heimatgemeinde des Beschwerdeführers das Haus eines Goraners durch eine Bombe zerstört worden sei. Dieser Vorfall sei ethnisch motiviert gewesen. Weiters verwies der Beschwerdeführer in seiner Berufung zum Beweis seines Vorbringens der Beschießung seines Reisebusses auf einen Artikel des Standards vom 5. Jänner 2005, aus welchem ersichtlich sei, dass sich die Situation der Goraner im Kosovo verschlechtert habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung "gemäß §§ 7 und 8 AsylG ab".

Begründend verwies die belangte Behöre alleine auf die Ausführungen des Bundesasylamtes, denen sie sich anschloss und zum Inhalt des angefochtenen Bescheides erhob. Weiters führte die belangte Behörde aus, von einer mündlichen Verhandlung habe Abstand genommen werden können, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung (in welcher der Beschwerdeführer keine neuen Tatsachenbehauptungen aufgestellt habe) zur Beurteilung ausreichend geklärt erscheine. So finde sich im Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers kein zusätzliches Tatsachenvorbringen hinsichtlich allfälliger Fluchtgründe und werde der durch das Bundesasylamt getroffenen Beurteilung kein konkretes und stichhaltiges Argument entgegengehalten. Zu den in der Berufung angeführten Zeitungsberichten sei zu bemerken, dass durch diese kein dem Beschwerdeführer individuell und konkret betreffender neuer Sachverhalt, der zu einer anderen Entscheidung führen könne, behauptet werde, da diese Berichte einzelne Vorkommnisse dokumentierten, von denen der Beschwerdeführer in keinster Weise persönlich betroffen gewesen sei oder betroffen sein werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde rügt vor allem die Verletzung der Verhandlungspflicht der belangten Behörde und ist damit im Recht:

Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung sachverhaltsmäßig auf einen Vorfall am 1. Oktober 2006 verwiesen, bei dem in seiner Heimatgemeinde das Haus eines Goraners durch eine Bombe zerstört worden sei und einen Zeitungs- bzw. einen Internetbericht beigelegt. Zum Beweis seines (bereits in erster Instanz erstatteten) Vorbringens, er sei in einen Vorfall verwickelt gewesen, bei dem ein Reisebus, dessen Insassen in der Regel Goraner seien, mit einer Granante beschossen worden sei, legte der Beschwerdeführer als Beleg eine Zeitungsmeldung vor. Diese vorgelegten Beweismittel würden - dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers folgend - zeigen, dass sich die Situation der Goraner im Kosovo verschlechtert habe.

Diesem (zum Teil auch neuen) Vorbringen hat die belangte Behörde nicht etwa unter Hinweis auf § 32 Abs. 1 AsylG (in der Fassung der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101) die Beachtlichkeit abgesprochen, wofür es im Übrigen einer Auseinandersetzung mit für die Annahme eines Neuerungsverbotes erforderlichen Voraussetzung der missbräuchlichen Verlängerung des Asylverfahrens bedurft hätte (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. September 2005, Zl. 2005/01/0313). Sie hat vielmehr unter Verwendung des in der ständigen Rechtsprechung zur Verhandlungspflicht gebräuchlichen Rechtssatzes die Voraussetzungen für die Abhaltung einer Berufungsverhandlung verneint, obwohl nach eben diesen rechtlichen Grundsätzen von einer Verhandlungspflicht auszugehen gewesen wäre. So ist insbesondere auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer keine neuen Tatsachenbehauptungen aufgestellt habe.

Da nicht auszuschließen ist, dass bei Einhaltung der außer Acht gelassenen Verfahrensvorschriften für den Beschwerdeführer ein anderes Verfahrensergebnis zu erzielen gewesen wäre, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 26. März 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007010074.X00

Im RIS seit

18.05.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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