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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des MD in S, vertreten durch Dr. Waneck und Dr. Kunze, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Schellinggasse 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 1. Dezember 2003, Zl. UVS-18/10.238/7-2003, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Unter Anführung der Tatzeit (10. Dezember 2002, 09:30 Uhr) und unter Angabe einer bestimmten im Bezirk Salzburg-Umgebung gelegenen Adresse als Tatort wurde der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 15. Oktober 2003 als bestellter verantwortlicher Beauftragter für die Filiale Nr. 525 0 in E schuldig gesprochen,
1. er habe es zu verantworten, dass diese Filiale in diesem Geschäftslokal das Lebensmittel "Gourmet Räucherlachs, zu verbrauchen bis 16.12., 0.200 kg" in der Selbstbedienungs-Kühlvitrine zum Verkauf feilgehalten und somit in Verkehr gebracht habe, obwohl die Vorschriften der Lebensmittelhygieneverordnung nicht eingehalten worden seien. In der untersuchten Probe "Gourmet Räucherlachs" seien Listerien in 25 g nachgewiesen, jedoch in einer Größenordnung von <100/g. Dabei handle es sich um Listeria monocytogenes. Das Lebensmittel sei nachteilig hygienisch beeinträchtigt gewesen. Nach § 3 Lebensmittelhygieneverordnung, BGBl. II Nr. 31/1998, habe der Inhaber oder Geschäftsführer für die Lebensmittelsicherheit kritische Punkte im Prozessablauf festzustellen und dafür Sorge zu tragen, dass angemessene Sicherheitsmaßnahmen festgelegt, eingehalten und überprüft werden.
2. er habe es zu verantworten, dass diese Filiale in diesem Geschäftslokal das Lebensmittel "Räucherlachs, zu verbrauchen bis 10.12., 0.200 kg" in der Selbstbedienungs-Kühlvitrine zum Verkauf feilgehalten und somit in Verkehr gebracht habe, obwohl die Vorschriften der Lebensmittelhygieneverordnung nicht eingehalten worden seien. In der untersuchten Probe "Räucherlachs" seien Listerien in 25 g nachgewiesen worden, jedoch in einer Größenordnung von <100/g. Dabei handle es sich um Listeria monocytogenes. Das Lebensmittel sei nachteilig hygienisch beeinträchtigt gewesen. Nach § 3 Lebensmittelhygieneverordnung, BGBl. II Nr. 31/1998, habe der Inhaber oder Geschäftsführer für die Lebensmittelsicherheit kritische Punkte im Prozessablauf festzustellen und dafür Sorge zu tragen, dass angemessene Sicherheitsmaßnahmen festgelegt, eingehalten und überprüft werden.
Der Beschwerdeführer habe dadurch folgende Verwaltungsübertretungen begangen:
1. Übertretung gemäß § 3 Lebensmittelhygieneverordnung in Verbindung mit § 9 Abs. 2 VStG und
2. Übertretung gemäß § 3 Lebensmittelhygieneverordnung in Verbindung mit § 9 Abs. 2 VStG.
Es wurden gegen den Beschwerdeführer sowohl hinsichtlich Spruchpunkt 1. als auch hinsichtlich Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses Verwaltungsstrafen gemäß § 74 Abs. 5 Z 1 Lebensmittelgesetz 1975 (in der Folge: LMG) in der Höhe von jeweils EUR 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: jeweils 60 Stunden) verhängt. Als Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 2 VStG ein Betrag von EUR 30,-- und als Barauslagen gemäß § 45 Abs. 2 LMG Untersuchungskosten in der Höhe von EUR 339,04,-- vorgeschrieben.
1.2. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
In einer ergänzenden Stellungnahme zu seiner Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe im Rahmen der von ihm geleiteten Filiale sehr wohl ein Eigenkontrollsystem im Sinne von HACCP (Hazard Analysis and Critical Control Points) angewendet. Es handle sich dabei um ein Eigenkontrollsystem, wonach eine Gefahrenanalyse und Bestimmung kritischer Kontrollpunkte vorgenommen werde. Es sei dabei zu unterscheiden, auf welcher Stufe des Inverkehrbringens eine derartige Gefahrenanalyse und Bestimmung kritischer Kontrollpunkte vorzunehmen sei. Es werde immer eine Frage der Zumutbarkeit sein, welche Maßnahme auf welcher Stufe des Inverkehrsetzens durchzuführen sei. Im Rahmen der vom Beschwerdeführer geleiteten Filiale sei ein entsprechendes Eigenkontrollsystem, welches von der Konzernleitung erarbeitet worden sei, implementiert worden. Von diesem Eigenkontrollsystem seien insbesondere grobsinnliche Warenkontrollen umfasst, aber auch Reinigung und Desinfizierung nach vorgegebenen Plänen, Temperaturkontrollen, allgemeine Hygiene, Personalhygiene und Personalschulung. Nicht umfasst vom vorgegebenen Eigenkontrollsystem sei die Kontrolle originalverpackter Wareneinheiten über eine grobsinnliche Überprüfung hinaus. Eine solche sei jedenfalls unzumutbar. Auf Grund dieser Ausführungen ergebe sich, dass es bereits an der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes mangle.
Der Beschwerdeführer legte ein Schreiben der Magistratsabteilung 38, der Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien, vom 20. November 2003 vor, in der die Leitung der Magistratsabteilung 38 zu der Anfrage, ob es der Filialleiter der Firma B durch Einhalten von § 3 Lebensmittelhygieneverordnung hätte verhindern können, dass der gegenständliche verpackte Räucherlachs mit Listeria monocytogenes (<100/g) kontaminiert gewesen sei und daher ein Verstoß gegen die Lebensmittelhygieneverordnung vorliege, Folgendes mitteilte:
Eigenkontrollsysteme im Sinne von HACCP, wie es § 3 Lebensmittelhygieneverordnung verlange, seien für die Lebensmittelsicherheit von sehr großer Bedeutung. Jedoch sei bei der Erfüllung der Verordnung eine wesentliche Forderung, dass die Maßnahmen für derartige Sicherheitsmaßnahmen auch zumutbar sein müssten. Für einen Filialleiter sei es ohne weiteres zumutbar, dass verschiedene Temperaturanforderungen eingehalten würden. Da es sich im gegenständlichen Fall um eine verpackte Ware handle, sei es eine unzumutbare Forderung, das Eigenkontrollsystem in der Filiale so zu erweitern, dass eine Kontaminierung mit Listeria monocytogenes verhindert werden könne. Dies sei eine Forderung, die ausschließlich den Produzenten beziehungsweise denjenigen, der die Ware verpacke, treffe.
1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und bestätigte den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses mit der Maßgabe, dass die Strafbestimmung jeweils "§ 74 Abs. 4 Z 1 Lebensmittelgesetz" zu lauten habe. Der Beschwerdeführer habe zudem gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von EUR 60,-- zu leisten.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Berufungsverhandlung am 21. November 2003 Folgendes angegeben habe:
"Ich bin seit Dezember 2000 Filialleiter in der gegenständlichen B Filiale in E. Die in Rede stehenden Produkte Räucherlachs bzw. Gourmeträucherlachs werden schon seit dieser Zeit bei der Firma B zum Verkauf angeboten. Die Anlieferung dieser Produkte erfolgt in einem Kühl-LKW, es wird sodann das Produkt im Kühlcontainer gelagert und in den Kühlvitrinen zum Verkauf angeboten. Meine Mitarbeiter und ich kontrollieren täglich sowohl die in den Kühlregalen angebotenen Waren, als auch die gegenständlichen Produkte, in der Hinsicht, ob augenfällige Beeinträchtigungen entweder an der Verpackung bzw. am Produkt selbst feststellbar sind. Die Produkte werden täglich umgeschlichtet zu diesem Zweck. Uns ist eigentlich noch nie irgendetwas Negatives in Bezug auf die gegenständlichen Produkte aufgefallen. Mir ist nicht bekannt, ob seitens der Firma B bzw. der Erzeugerfirma Untersuchungen bezüglich der gegenständlichen Produkte auf Verderblichkeit vorgenommen worden sind oder nicht. In meiner Filiale sind jedenfalls keine diesbezüglichen Unterlagen vorhanden. Die von mir beschriebene Kontrolltätigkeit wurde mir so gelernt. Es hat in meiner Zeit als Filialleiter der Filiale E auch noch keine schriftlichen Mitteilungen der Firma des Inhalts gegeben, dass etwa bezüglich spezieller Produkte Augenmerk auf allfällige Beeinträchtigungen, spezielle Kontrolluntersuchungen, etc. zu legen wäre. Die Haltbarkeitsfrist bzw. die Ablauffrist wird vom Erzeuger festgelegt, der entsprechende Aufdruck ist bereits am Produkt vorhanden, wenn es bei uns angeliefert wird. Ich habe auch selbst privat schon des öfteren das gegenständliche Produkt Räucherlachs gegessen, das Produkt ist mir dabei immer einwandfrei erschienen. Dienstliche Verkostungen im Sinne einer Kontrolle des Lebensmittels habe ich aber nicht durchgeführt."
Daraus folgerte die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren nicht bestritten habe, dass die gegenständlichen Produkte "Räucherlachs" und "Gourmet Räucherlachs" in der in Rede stehenden Filiale am Tag der Kontrolle, am 10. Dezember 2002, zum Verkauf bereit gehalten und somit in Verkehr gebracht worden seien und diese Produkte mit Listerien kontaminiert gewesen seien. Ebenso klar sei aber auch, dass eine lediglich augenscheinliche Überprüfung der Ware in diesem Fall völlig unzulänglich sei, da die Kontamination mit Listerien durch eine Augenscheinsprüfung nicht feststellbar sei. Hiezu hätte es entgegen der Meinung der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers entsprechender Aktivitäten des Verkäufers bedurft, konkret also hätten vom Erzeuger Nachweise über eine mikrobiologische Prozesskontrolle und Untersuchungsbefunde eingefordert werden müssen beziehungsweise hätten allenfalls konzernintern eigene Untersuchungen bezüglich des Befalls mit Listerien durchgeführt werden müssen. Nur dann könne von angemessenen Sicherheitsmaßnahmen gemäß § 3 Lebensmittelhygieneverordnung gesprochen werden. Da der Beschwerdeführer mit Urkunde vom 1. Jänner 2002 zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG für die von ihm geleitete Filiale und hier wiederum auch ausdrücklich für die Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes 1975 und der Lebensmittelhygieneverordnung bestellt worden sei, zur Erfüllung seiner Obliegenheiten spezielle Anweisungen für seinen Verantwortungsbereich habe erlassen können und diese Bestellung zustimmend zur Kenntnis genommen habe, sei der Beschwerdeführer auch zu Recht als Beschuldigter belangt worden. Aus diesem Grund habe er die ihm vorgeworfenen Taten zu verantworten. Der Schuldspruch des Straferkenntnisses erster Instanz sei daher zu Recht ergangen, wobei die anzuwendende Strafbestimmung zu korrigieren gewesen sei, da die Lebensmittelhygieneverordnung ihre Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 1 LMG habe.
1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
1.5. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
2.1. Die im Tatzeitpunkt maßgeblichen Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes 1975 (im Folgenden: LMG), BGBl. Nr. 86/1975 (§ 74 idF BGBl. I Nr. 98/2001), lauten auszugsweise:
"§ 10. (1) Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz hat, wenn das zur Sicherung einer einwandfreien Nahrung oder zum Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschädigung oder Täuschung geboten ist, unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand der Wissenschaft und der Technologie nach Anhören der Codexkommission
1. festzustellen, in welcher Beschaffenheit Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe gesundheitsschädlich, verdorben, unreif, nachgemacht, verfälscht, falsch bezeichnet oder wertgemindert sind;
2. für Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe bestimmte Beschaffenheiten oder bestimmte Zusätze anzuordnen oder bestimmte Beschaffenheiten zu verbieten
3. für bestimmte Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe Bezeichnungen, Hinweise oder Aufmachungen oder die Verwendung bestimmter Indikatoren vorzuschreiben;
4. Vorschriften für das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen und für die hiebei verwendeten Gebrauchsgegenstände zu erlassen oder bestimmte Arten des Inverkehrbringens zu verbieten oder zu beschränken oder von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen, insbesondere Verfahren, Einrichtungen, Kontrollaufzeichnungen, Kontrollmaßnahmen, Überprüfungen oder Sicherheitsvorkehrungen vorzuschreiben;
5. das Inverkehrbringen bestimmter Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe von einer vorhergehenden Untersuchung durch eine inländische staatliche Untersuchungsanstalt oder von bestimmten Anmeldungen oder vom Nachweis ausreichender Fachkenntnisse für bestimmte Tätigkeiten abhängig zu machen;
6. bestimmte Tätigkeiten mit gesundheitsschädlichen oder sonst nachteiligen Einflüssen ausübenden Stoffen beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen zu verbieten oder zu beschränken;
7. vorzuschreiben, dass bestimmte Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe nur in bestimmten Verpackungen oder Gebinden in Verkehr gebracht werden.
...
Verwaltungsstrafen
§ 74. (1) Wer (...) macht sich, sofern die Tat nicht nach § 63 Abs. 2 Z 1 einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 7 300 Euro zu bestrafen.
(...)
(4) Wer
1. den Bestimmungen einer auf Grund des § 10, des § 12 Abs. 2 hinsichtlich der Deklaration von Zusatzstoffen, des § 16 Abs. 4 hinsichtlich vorgeschriebener Bezeichnungen, der §§ 21, 27 Abs. 1, 29, 30 Abs. 5 oder 33 Abs. 1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt,
(...)
macht sich, sofern die Tat nicht nach den §§ 56 bis 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist wie nach Abs. 1 zu bestrafen."
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz über allgemeine Lebensmittelhygiene (Lebensmittelhygieneverordnung), BGBl. II Nr. 31/1998, lauteten auszugsweise:
"Auf Grund der §§ 10 Abs. 1, 21 und 29 lit. b des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl. Nr. 86, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 21/1997, wird im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft verordnet:
(...)
§ 3. Der Inhaber oder Geschäftsführer eines Lebensmittelunternehmens hat die für die Lebensmittelsicherheit kritischen Punkte im Prozessablauf festzustellen und dafür Sorge zu tragen, dass angemessene Sicherheitsmaßnahmen festgelegt, durchgeführt, eingehalten und überprüft werden, und zwar nach folgenden, bei der Ausgestaltung des HACCP-Systems (Hazard Analysis and Critical Control Points) verwendeten Grundsätzen:
a) Analyse der potentiellen Risiken für Lebensmittel in den Prozessen eines Lebensmittelunternehmens;
b) Identifizierung der Punkte in diesen Prozessen, an denen Risiken für Lebensmittel auftreten können;
c) Festlegung, welche dieser Punkte für die Lebensmittelsicherheit kritisch sind - "kritische Punkte'';
d) Feststellung und Durchführung wirksamer Prüf- und Überwachungsverfahren für diese kritischen Punkte und
e) Überprüfung der Gefährdungsanalyse für Lebensmittel, der kritischen Kontrollpunkte und der Prüf- und Überwachungsverfahren in regelmäßigen Abständen und bei jeder Änderung der Prozesse in dem Lebensmittelunternehmen."
2.2. In der Beschwerde wird vorgebracht, dass es sich bei den beanstandeten Produkten um Waren handle, die originalverpackt und etikettiert in die Filiale geliefert würden. Aufgabe des Beschwerdeführers sei es, vor Ort anlässlich der Anlieferung entsprechende grobsinnliche Überprüfungen vorzunehmen und bei "positivem" Ergebnis dieser Überprüfungen die Ware in der dafür vorgesehenen Verkaufskühlvitrine bei entsprechenden Temperaturen zum Verkauf anzubieten. Es sei nicht Aufgabe des Beschwerdeführers als Detaillist, über die geschilderten Überprüfungen hinausgehende Untersuchungen, insbesondere solche bei autorisierten Untersuchungsanstalten, zu veranlassen, um die Verkehrsfähigkeit eines Produktes zu gewährleisten. Derartige Maßnahmen wären auch nicht zumutbar. Im Rahmen eines Eigenkontrollsystems im Sinne der Lebensmittelhygieneverordnung sei jedenfalls zu unterscheiden, auf welcher Stufe des Inverkehrbringens eines Lebensmittels eine Gefahrenanalyse und Bestimmung kritischer Kontrollpunkte vorzunehmen sei. Es sei immer eine Frage der Zumutbarkeit, welche Maßnahmen auf welcher Stufe des Inverkehrsetzens durchzuführen seien. Den Einkäufer des Dienstgeberunternehmens des Beschwerdeführers träfen andere Verpflichtungen als den Beschwerdeführer selbst, der vor Ort lediglich stichprobenartige, grobsinnliche Überprüfungen vornehmen könne. Darüber hinausgehende Maßnahmen seien weder zumutbar, noch seien diese vom eingerichteten Kontrollsystem für die Filiale umfasst. Der Beschwerdeführer könne berechtigterweise davon ausgehen, dass der zuständige Ressorteinkäufer seines Dienstgeberunternehmens seinen Verpflichtungen insoferne nachkomme, als er sich auch entsprechende Verkehrsfähigkeitszeugnisse des Lieferanten beschaffe, was auch tatsächlich erfolge. Es sei nicht vorgesehen, derartige Bestätigungen in allen Filialen im gesamten Bundesgebiet zu deponieren. Der Beschwerdeführer sei weder Inhaber noch Geschäftsführer des verfahrensgegenständlichen Lebensmittelunternehmens. Er selbst arbeite in der von ihm geleiteten Filiale nach einem von der Unternehmensleitung vorgegebenen Eigenkontrollsystem im Sinne der Lebensmittelhygieneverordnung. Dieses Eigenkontrollsystem für die Filialen sei auf die letzte Stufe des Inverkehrbringens von Lebensmitteln zugeschnitten. Darüber hinausgehende Maßnahmen, wie sie nunmehr von der belangten Behörde gefordert würden, seien im Sinne der Lebensmittelhygieneverordnung jedenfalls unzumutbar.
2.3. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer die Übertretung des § 3 Lebensmittelhygieneverordnung vorgeworfen und ihn nach § 74 Abs. 4 Z 1 LMG wegen Zuwiderhandlung gegen eine nach § 10 LMG erlassene Verordnung bestraft.
Wie der Verwaltungsgerichtshof zu dem ähnlichen Tatbestand des § 20 LMG iVm § 74 Abs. 5 Z 3 LMG ausgesprochen hat, ist bei einer Verwaltungsübertretung, bei der zum Tatbild die Unterlassung der Vorsorge zur Vermeidung der hygienisch nachteiligen Beeinflussung zählt, die Verwaltungsstrafbehörde nach § 44a Z 1 VStG verpflichtet, im Tatvorwurf eine individualisierte Beschreibung jener Handlungen vorzunehmen, die der Täter hätte setzen müssen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. März 1983, Zl. 82/10/0191, Slg. 10.998/A, vom 19. November 1990, Zl. 89/10/0201, und vom 11. November 1991, Zl. 91/10/0026). Da auch § 3 Lebensmittelhygieneverordnung in allgemeiner Weise Verpflichtungen des Inhabers oder Geschäftsführers eines Lebensmittelunternehmens umschreibt und der Tatbestand dahingehend formuliert ist, dass der Inhaber oder Geschäftsführer des Unternehmens "dafür Sorge zu tragen" habe, dass angemessene Sicherheitsmaßnahmen "festgelegt, durchgeführt, eingehalten und überprüft werden", und sich daraus je nach dem, auf welcher Stufe des Inverkehrbringens das Unternehmen tätig ist, unterschiedliche Anforderungen ergeben, erfordert § 44a Z 1 VStG im Falle der Bestrafung gemäß § 74 Abs. 4 Z 1 LMG iVm § 3 der Lebensmittelhygieneverordnung ebenfalls eine konkrete Umschreibung der vom Täter unterlassenen Maßnahmen. Die bloße Wiederholung des Tatbestandes des § 3 Lebensmittelhygieneverordnung genügt diesen Anforderungen ebenso wenig wie im Zusammenhang mit § 74 Abs. 5 Z 3 iVm § 20 LMG der bloße Vorwurf im Spruch, der Beschuldigte habe der hygienisch nachteiligen äußeren Beeinflussung "nicht ordnungsgemäß vorgebeugt" (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 14. März 1983, Slg. 10.998/A).
Da die belangte Behörde die konkrete Umschreibung des vorgeworfenen Verhaltens unterlassen hat, hat sie den Bescheid schon aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
2.4. Für das fortgesetzte Verfahren ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass die auf den einzelnen Stufen des Inverkehrbringens, so insbesondere im Beschwerdefall beim Verkauf von vorverpackten Lebensmitteln an Letztverbraucher, nach § 3 Lebensmittelhygieneverordnung gebotenen Maßnahmen auf fachlicher Ebene festzustellen wären. Es wäre von der belangten Behörde darzulegen, inwiefern Maßnahmen im Sinne des § 3 Lebensmittelhygieneverordnung zur Verhinderung des Auftretens von Listerien in vorverpackten Lebensmitteln gemäß § 3 Lebensmittelhygieneverordnung im Detailverkauf möglich und zumutbar wären. Der bloße Hinweis auf die Möglichkeit, im Falle des Verkaufes in einer Filiale eines großen Handelsbetriebes auf der Ebene des Konzerns entsprechende Kontrollen durchzuführen, belegt noch nicht, dass aus § 3 der Lebensmittelhygieneverordnung eine derartige Verpflichtung folgt. Die belangte Behörde verkennt die Rechtslage, wenn sie meinen sollte, aus der Tatsache, dass durch eine lediglich augenscheinliche Prüfung eine Kontaminierung mit Listerien nicht feststellbar sei, folge bereits die Strafbarkeit nach § 3 Lebensmittelhygieneverordnung, wenn mangels Vorliegens entsprechender Nachweise durch den Erzeuger keine eigene diesbezügliche Untersuchung vorgenommen worden sei.
Nach § 3 Lebensmittelhygieneverordnung ist nicht das Inverkehrbringen von hygienisch negativ beeinträchtigten Lebensmitteln unter Strafe gestellt, sondern die Unterlassung der dort geforderten Vorsorgemaßnahmen. Die Verpflichtung nach § 3 Lebensmittelhygieneverordnung kann sich nur auf den "Prozessablauf" im jeweiligen Unternehmen beziehen. Es wäre zu begründen, welche Risiken beim Verkauf von vorverpacktem Räucherlachs bestehen, denen durch Analyse der potentiellen Risiken (lit. a), Identifizierung der Punkte im Verkaufsprozess, an denen Risiken für Lebensmittel auftreten können (lit. b) und Festlegung der kritischen Punkte (lit. c), begegnet werden könnte, bzw. welche wirksamen Prüf- und Überwachungsverfahren für diese kritischen Punkte im Sinne des § 3 lit. d der Lebensmittelhygieneverordnung vorhanden sind. Ein Verstoß gegen § 3 Lebensmittelhygieneverordnung kann nur dann vorliegen, wenn entsprechende "kritische Punkte" im Verkaufsprozess bestehen, welche zu der Beeinträchtigung, die die belangte Behörde festgestellt hat, führen können, und der Beschuldigte deren Feststellung schuldhaft unterlassen hat bzw. ungeachtet ihrer Feststellung nicht die erforderlichen "angemessenen Sicherheitsmaßnahmen" festgelegt und ihre Einhaltung überprüft hat. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer die Unterlassung der Feststellung der für die Lebensmittelsicherheit kritischen Punkte im Prozessablauf vorgeworfen, ohne darzustellen, wo diese kritischen Punkte liegen. Die belangte Behörde hat daher umso weniger aufgezeigt, wie wirksame Prüf- und Überwachungsverfahren für diese kritischen Punkte hätten ausgestaltet sein müssen. Es bleibt insbesondere offen, inwiefern sich der Beschwerdeführer durch die Vorlage von Nachweisen seitens des Erzeugers über "eine mikrobiologische Prozesskontrolle und Untersuchungsbefunde" seiner Verantwortung für die Feststellung der kritischen Punkte im Prozessablauf hätte entziehen können, könnten doch solche Nachweise primär nur die einwandfreie Vorgangsweise bei der Produktion und die Beschaffenheit der Ware (von Stichproben der Ware) zum Zeitpunkt der Verpackung oder Auslieferung belegen. Eine solche Verpflichtung, sich eine bestimmte Beschaffenheit der Ware bestätigen zu lassen, ist § 3 Lebensmittelhygieneverordnung nicht zu entnehmen. Sofern im Zuge der Produktion oder der Auslieferung "kritische Punkte" im Sinne des § 3 Lebensmittelhygieneverordnung vorhanden sind, besteht eine diesbezügliche Verantwortlichkeit des Produzenten oder Lieferanten. Ob und inwiefern sich aus bestimmten Produktionsweisen darüber hinaus auch unterschiedliche Anforderungen an die Behandlung der Ware im Detailverkauf ergeben (in dem Sinn, dass es unterschiedliche kritische Punkte im Sinn der Lebensmittelhygieneverordnung gäbe), sodass es für den Unternehmer, der die Ware an den Letztverbraucher verkauft, von Bedeutung wäre, nähere Angaben vom Produzenten oder Zwischenhändler zu erhalten, weil sich danach seine Handlungspflichten richten, hat die belangte Behörde nicht festgestellt.
2.5. Aus den unter 2.3. dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des Antrags auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 26. März 2007
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild) "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Unterlassungsdelikt Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2004100029.X00Im RIS seit
23.05.2007