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19/05 Menschenrechte;Norm
FrPolG 2005 §55 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des M, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 24. Jänner 2007, Zl. 2 F 800-2006, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheirateten Staatsangehörigen von Tunesien, gemäß §§ 86 Abs. 1 und 87 iVm § 60 Abs. 1 Z 1 sowie den §§ 61, 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie auf die rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers vom 17. Dezember 2004 nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten und vom 11. Mai 2006 nach § 28 Abs. 2 erster und vierter Fall Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Der letztgenannten Verurteilung sei folgender Sachverhalt zu Grunde gelegen:
"1. Sie haben im bewussten und gewollten arbeitsteiligen Zusammenwirken mit H E gewerbsmäßig nicht näher bekannte, insgesamt jedoch mehrfach große Mengen (§ 28 (6) SMG) in Verkehr gesetzt, indem Sie im Zeitraum Spätsommer 2003 bis Herbst 2004 insgesamt 50 Gramm Marihuana und Haschisch in mehreren Angriffen an M D gewinnbringend verkauften.
2. Weiters im Zeitraum Mitte des Jahres 2004 bis Mitte Dezember 2004 insgesamt 4850 Gramm Haschisch und 150 Gramm Marihuana in zahlreichen Angriffen an H C zwecks gewinnbringenden Weiterverkaufs übergaben.
3. Im Zeitraum Juni 2004 bis April 2005 insgesamt 8 Gramm Kokain und 1 Gramm Marihuana an J A gewinnbringend verkauften.
4. Im Zeitraum Herbst bis Winter 2004 insgesamt 90 Gramm Marihuana in mehreren Angriffen an T P gewinnbringend verkauften.
5. Im Zeitraum September 2004 bis Mitte 2005 insgesamt 76 Gramm Haschisch in mehreren Angriffen an A D gewinnbringend verkauften.
6. Im Zeitraum September 2004 bis Ende März 2005 insgesamt 30 Gramm Haschisch in mehreren Angriffen an F S gewinnbringend verkauften.
7. Im Zeitraum November 2004 bis Anfang Jänner 2005 insgesamt 20 Gramm Marihuana in mehreren Angriffen an M M gewinnbringend verkauften.
8. Im Zeitraum Ende Dezember 2004 bis Februar 2005 insgesamt 4 Gramm Marihuana und 2 Gramm Haschisch an den damals minderjährigen W K gewinnbringend verkauften.
9. Anfang 2005 1 kg Haschisch gegen Erhalt einer Vermittlungsprovision von EUR 100,-- im Auftrag des S M an einen unbekannten Dealer in Wien weitergaben.
10. Im Zeitraum Jänner bis 9. August 2005 weitere nicht näher bekannte Mengen Haschisch und Kokain in zahlreichen Angriffen an unausgeforscht gebliebene Personen gewinnbringend verkauften."
Der Tatbestand des § 60 Abs. 1 Z 1 iVm § 86 Abs. 1 FPG sei erfüllt, zumal das den rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen insbesondere wegen des gewerbsmäßigen Suchtgifthandels zu Grunde liegende Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit beträchtlich gefährde.
Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2001 illegal eingereist, sein Asylantrag sei mit rechtskräftigem Bescheid vom 24. Jänner 2002 abgewiesen worden. Auf Grund seiner Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin gelte er als Familienangehöriger gemäß § 2 Abs. 4 Z 12 FPG und es würden für ihn die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige gelten. Der Beschwerdeführer sei zwar mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, habe aber sonst im Bundesgebiet keine familiären Bindungen und keine nahen Verwandten und übe auch keinen Beruf aus. Es sei mit dem Aufenthaltsverbot ein schwer wiegender und relevanter Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden, jedoch könne es insbesondere wegen des gewerbsmäßigen Suchtmittelhandels keinem Zweifel unterliegen, dass das Aufenthaltsverbot zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit anderer dringend geboten sei. Unter Abwägung aller angeführten Tatsachen wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Familie. Somit sei das Aufenthaltsverbot auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG zulässig. Im Übrigen stünde wegen der im hohen Maß sozialschädlichen Suchtgiftdelikte selbst eine ansonsten völlige Integration des Fremden der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Der gewerbsmäßige Handel mit Suchtmitteln stelle eine hinreichend schwere Gefährdung dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.
Der Beschwerdeführer habe keine besonderen Umstände aufgezeigt, die für eine Ermessensübung zu seinen Gunsten sprechen könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer tritt den behördlichen Feststellungen nicht entgegen, weshalb im Blick auf die rechtskräftigen Verurteilungen keine Bedenken daran bestehen, dass der als Orientierungsmaßstab für die Beurteilung nach § 86 Abs. 1 FPG heranzuziehende Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt sei. Wegen der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität kann es auch keinem Zweifel unterliegen, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre (§ 86 Abs. 1 zweiter Satz FPG; vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2006, Zl. 2006/18/0306).
Entgegen der Beschwerdeansicht kann insbesondere im Blick auf die Kürze des Zeitraums seit der letzten strafbaren Handlung im August 2005 bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer "geläutert" sei und somit keine Gefahr mehr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer nach seinen Behauptungen durch einen Mittäter "überhaupt in gegenständliche Machenschaft involviert wurde".
Gemäß § 66 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 6 FPG ist, würde durch das Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, dieses zulässig, wenn es zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 66 Abs. 2 FPG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen und die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen.
Die belangte Behörde nahm ohnedies an, dass mit dem Aufenthaltsverbot ein schwerer Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden sei. Der Beschwerde gelingt es jedoch nicht, eine Rechtswidrigkeit der behördlichen Ansicht aufzuzeigen, dass das Aufenthaltsverbot dringend geboten und nach Interessenabwägung zulässig sei. Zum einen ist der Beschwerdeführer zwar mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet, weist aber in der Beschwerde auf keine sonstigen integrationsbegründenden Umstände hin, zum anderen hat das öffentliche Interesse an der Unterbindung der Suchtgiftkriminalität einen sehr großen Stellenwert.
Die Beschwerde macht zwar als Verfahrensmangel geltend, dass die belangte Behörde sowohl den Beschwerdeführer als auch dessen Ehefrau hätte vernehmen müssen. Dadurch wäre dargelegt worden, dass mit dem Aufenthaltsverbot "vehement" in das Privat- und Familienleben eingegriffen werde und dass der Beschwerdeführer nach seiner Enthaftung mit seiner Ehefrau einen gemeinsamen Wohnsitz nehmen und ein Familienleben führen werde. Abgesehen davon, dass ihm die belangte Behörde diese Möglichkeit ohnedies nicht abgesprochen hat, sind diese Behauptungen nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der behördlichen Beurteilung nach § 66 iVm § 60 Abs. 6 FPG aufzuzeigen.
Angesichts der Verurteilung wegen eines Verbrechens nach § 28 Abs. 2 SMG wäre im Blick auf § 55 Abs. 3 FPG eine Ermessensentscheidung zu Gunsten des Beschwerdeführers mit dem Gesetz nicht in Einklang gestanden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0254). Für ein derartiges Vorgehen vermag die Beschwerde im Übrigen auch keine Anhaltspunkte aufzuzeigen.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass dem angefochtenen Bescheid eine Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 27. März 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007210081.X00Im RIS seit
16.05.2007Zuletzt aktualisiert am
23.06.2009