TE OGH 2002/9/24 4Ob196/02f

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Veröffentlicht am 24.09.2002
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei g***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Maximilian Eiselsberg und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Ö***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Mag. Daniela Karollus-Brunner, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 65.405,55 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 7.267,28 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 21. Juni 2002, GZ 4 R 113/02w-16, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).Die außerordentliche Revision wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, Satz 2 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin, ein mit der Zustellung und Verteilung nicht adressierter Werbemittel befasstes Unternehmen, begehrt die Verurteilung der beklagten Ö***** AG zur Unterlassung, Zustellvorgänge, die nicht Postsendungen betreffen, wie insbesondere unbeschriftete Massensendungen, über die Hausbrieffachanlagen iSd § 14 PostG vorzunehmen und solche Dienstleistungen anzukündigen oder anzubieten. Die Beklagte sei als (gesetzliche) Monopolistin auf dem Markt des bundesweiten Universaldienstes (§ 4 Abs 1 PostG) alleine befugt, Hausbrieffachanlagen iSd § 14 PostG zu benützen. Indem sie diese ihr allein zur Verfügung stehende Infrastruktur auch im Rahmen ihrer privatwirtschaftlichen Tätigkeit als Werbemittelverteilerin nutze, verstoße sie gegen § 14 PostG und verschaffe sich so einen sittenwidrigen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Mitbewerbern, denen eine gleichartige Zustellmöglichkeit verwehrt sei.Die Klägerin, ein mit der Zustellung und Verteilung nicht adressierter Werbemittel befasstes Unternehmen, begehrt die Verurteilung der beklagten Ö***** AG zur Unterlassung, Zustellvorgänge, die nicht Postsendungen betreffen, wie insbesondere unbeschriftete Massensendungen, über die Hausbrieffachanlagen iSd Paragraph 14, PostG vorzunehmen und solche Dienstleistungen anzukündigen oder anzubieten. Die Beklagte sei als (gesetzliche) Monopolistin auf dem Markt des bundesweiten Universaldienstes (Paragraph 4, Absatz eins, PostG) alleine befugt, Hausbrieffachanlagen iSd Paragraph 14, PostG zu benützen. Indem sie diese ihr allein zur Verfügung stehende Infrastruktur auch im Rahmen ihrer privatwirtschaftlichen Tätigkeit als Werbemittelverteilerin nutze, verstoße sie gegen Paragraph 14, PostG und verschaffe sich so einen sittenwidrigen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Mitbewerbern, denen eine gleichartige Zustellmöglichkeit verwehrt sei.

Die Beklagte bestreitet einen Rechtsbruch im Zusammenhang mit der Zustellung von unbeschrifteten Massensendungen über die Hausbrieffachanlagen. Sie handle auch sonst nicht wettbewerbswidrig.

Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Die Beklagte dürfe grundsätzlich auch im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung unternehmerisch tätig sein, solange sie den Bestand des Leistungswettbewerbs nicht gefährde. Sie dürfe auf die ihr zur Verfügung stehenden Mittel im erforderlichen Umfang und in angemessener Weise zurückgreifen, jedoch keine Machtmittel missbräuchlich einsetzen, die ihr auf Grund ihrer öffentlich-rechtlichen Sonderstellung zur Verfügung stünden. Solches könne der Beklagten nicht vorgeworfen werden, die ein Vertriebssystem aufgebaut habe, das der verfassungsmäßigen Eigentumsgarantie unterliege. Informationsvorsprünge oder das Ausnutzen amtlicher Beziehungen bei Vertragsabschlüssen sei nicht erwiesen. Die Zustellung nicht individuell adressierter Werbesendungen über Hausbrieffachanlagen sei nicht grundsätzlich zu beanstanden.

Rechtliche Beurteilung

Diese Beurteilung hält sich im Rahmen der reichlich bestehenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum unlauteren Handeln der öffentlichen Hand im privatwirtschaftlichen Bereich.

Der erkennende Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass es der öffentlichen Hand grundsätzlich gestattet ist, unternehmerisch tätig zu sein. Wettbewerbsrechtliche Beschränkungen für ihren Marktzutritt werden nur für den Fall für zulässig gehalten, dass die nicht gebotene Betätigung der öffentlichen Hand den Bestand des Leistungswettbewerbs gefährdet. Ist dies nicht der Fall, so unterliegt nur die Art und Weise, wie die öffentliche Hand am Wettbewerb teilnimmt, der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung. Dabei ist den Besonderheiten Rechnung zu tragen, die sich aus der Teilnahme der öffentlichen Hand am Wettbewerb ergeben (SZ 68/78 - Städtische Bestattung mwN; WBl 1997, 485 - Friedhofsgärtnerei; ÖBl 2000, 28 - Forstpflanzen II mwN; 4 Ob 94/00b - Notruftelefonsystem; zuletzt 4 Ob 71/02y - Thermenhotel). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die öffentliche Hand nicht unmittelbar, sondern - wie hier - in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts tätig wird. Auch in diesem Fall handelt es sich um "öffentliche" Unternehmen (im weiteren Sinn), weil auch hier die öffentliche Hand Einflussmöglichkeiten hat. Die öffentliche Hand kann den aus ihrer Sonderstellung folgenden Verpflichtungen nicht durch die Wahl einer Rechtsform des Privatrechts entgehen (4 Ob 71/02y - Thermenhotel).Der erkennende Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass es der öffentlichen Hand grundsätzlich gestattet ist, unternehmerisch tätig zu sein. Wettbewerbsrechtliche Beschränkungen für ihren Marktzutritt werden nur für den Fall für zulässig gehalten, dass die nicht gebotene Betätigung der öffentlichen Hand den Bestand des Leistungswettbewerbs gefährdet. Ist dies nicht der Fall, so unterliegt nur die Art und Weise, wie die öffentliche Hand am Wettbewerb teilnimmt, der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung. Dabei ist den Besonderheiten Rechnung zu tragen, die sich aus der Teilnahme der öffentlichen Hand am Wettbewerb ergeben (SZ 68/78 - Städtische Bestattung mwN; WBl 1997, 485 - Friedhofsgärtnerei; ÖBl 2000, 28 - Forstpflanzen römisch II mwN; 4 Ob 94/00b - Notruftelefonsystem; zuletzt 4 Ob 71/02y - Thermenhotel). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die öffentliche Hand nicht unmittelbar, sondern - wie hier - in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts tätig wird. Auch in diesem Fall handelt es sich um "öffentliche" Unternehmen (im weiteren Sinn), weil auch hier die öffentliche Hand Einflussmöglichkeiten hat. Die öffentliche Hand kann den aus ihrer Sonderstellung folgenden Verpflichtungen nicht durch die Wahl einer Rechtsform des Privatrechts entgehen (4 Ob 71/02y - Thermenhotel).

Das Unwerturteil im Sinn des § 1 UWG kann sich daraus ergeben, dass die öffentliche Hand Machtmittel, die ihr die öffentlich-rechtliche Sonderstellung gibt, zur Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs missbraucht. Ein solcher Missbrauch hoheitlicher Machtstellung wird vor allem in Täuschungsmaßnahmen, in der Ausübung psychischen Drucks und sachwidriger Beeinflussung, aber auch in der Förderung bestimmter Mitbewerber und in der Verquickung amtlicher mit erwerbswirtschaftlichen Interessen zu sehen sein (SZ 68/78 - Städtische Bestattung mwN). Unlauterer Wettbewerb der öffentlichen Hand liegt aber nicht bereits darin, dass sie auf die ihr zur Verfügung stehenden - auch finanziellen - Mittel im erforderlichen Umfang und in angemessener Weise zurückgreift. Werden Mitbewerber dadurch benachteiligt, so ist dies hinzunehmen, wenn sich eine derartige Benachteiligung auch aus dem Konkurrenzverhältnis privater Unternehmen ergeben könnte, weil - wie bereits dargelegt - die unternehmerische Betätigung der öffentlichen Hand grundsätzlich zulässig ist (SZ 68/78 - Städtische Bestattung; 4 Ob 94/00b - Notruftelefonsystem).Das Unwerturteil im Sinn des Paragraph eins, UWG kann sich daraus ergeben, dass die öffentliche Hand Machtmittel, die ihr die öffentlich-rechtliche Sonderstellung gibt, zur Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs missbraucht. Ein solcher Missbrauch hoheitlicher Machtstellung wird vor allem in Täuschungsmaßnahmen, in der Ausübung psychischen Drucks und sachwidriger Beeinflussung, aber auch in der Förderung bestimmter Mitbewerber und in der Verquickung amtlicher mit erwerbswirtschaftlichen Interessen zu sehen sein (SZ 68/78 - Städtische Bestattung mwN). Unlauterer Wettbewerb der öffentlichen Hand liegt aber nicht bereits darin, dass sie auf die ihr zur Verfügung stehenden - auch finanziellen - Mittel im erforderlichen Umfang und in angemessener Weise zurückgreift. Werden Mitbewerber dadurch benachteiligt, so ist dies hinzunehmen, wenn sich eine derartige Benachteiligung auch aus dem Konkurrenzverhältnis privater Unternehmen ergeben könnte, weil - wie bereits dargelegt - die unternehmerische Betätigung der öffentlichen Hand grundsätzlich zulässig ist (SZ 68/78 - Städtische Bestattung; 4 Ob 94/00b - Notruftelefonsystem).

Die Besonderheit im Streitfall liegt darin, dass die der Beklagten zur Verfügung stehenden besonderen Ressourcen in Form von Hausbrieffachanlagen ihr im Rahmen ihres Monopols als alleinige Betreiberin des bundesweiten Universaldienstes (§ 5 Abs 1 PostG) weitgehend unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Gebäudeeigentümer sind nämlich bei Neubauten von Gebäuden mit mehr als vier Einheiten, die sich in mehr als zwei Geschossen befinden, verpflichtet, beim Gebäudeeingang eine Hausbrieffachanlage zu errichten. Ihre objektive Rechtfertigung findet diese Regelung im Bedürfnis von Unternehmen und Konsumenten nach einer gesicherten Postzustellung; dass es der Post aber verboten wäre, unbeschriftete Massensendungen über die Hausbrieffachanlagen zuzustellen, kann aus den Bestimmungen des PostG nicht abgeleitet werden, geht doch auch das Postgesetz von einer Teilnahme der Post am Wettbewerb aus (OGH als KOG, ÖBl 2002, 96 [zust. Barbist] - Hausbrieffachanlagen). Ein Wettbewerbsverstoß durch Rechtsbruch liegt damit nicht vor.Die Besonderheit im Streitfall liegt darin, dass die der Beklagten zur Verfügung stehenden besonderen Ressourcen in Form von Hausbrieffachanlagen ihr im Rahmen ihres Monopols als alleinige Betreiberin des bundesweiten Universaldienstes (Paragraph 5, Absatz eins, PostG) weitgehend unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Gebäudeeigentümer sind nämlich bei Neubauten von Gebäuden mit mehr als vier Einheiten, die sich in mehr als zwei Geschossen befinden, verpflichtet, beim Gebäudeeingang eine Hausbrieffachanlage zu errichten. Ihre objektive Rechtfertigung findet diese Regelung im Bedürfnis von Unternehmen und Konsumenten nach einer gesicherten Postzustellung; dass es der Post aber verboten wäre, unbeschriftete Massensendungen über die Hausbrieffachanlagen zuzustellen, kann aus den Bestimmungen des PostG nicht abgeleitet werden, geht doch auch das Postgesetz von einer Teilnahme der Post am Wettbewerb aus (OGH als KOG, ÖBl 2002, 96 [zust. Barbist] - Hausbrieffachanlagen). Ein Wettbewerbsverstoß durch Rechtsbruch liegt damit nicht vor.

Es sind aber im beanstandeten Verhalten der Beklagten auch sonst keine einen Missbrauch hoheitlicher Machtstellung begründenden Umstände (im Sinne der zuvor dargestellten Rechtsprechung) erkennbar, zumal die Klägerin selbst davon ausgeht, dass die Verteilung von Werbemitteln an den Wohnungstüren keine Mehrkosten für die Beklagte gegenüber einer Verteilung in den Hausbrieffachanlagen verursachen würde (Revisionsrekurs S. 13, 2. Absatz). Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass das beanstandete Verhalten der Beklagten keinen entscheidenden Wettbewerbsvorsprung gegenüber ihren Mitbewerbern verschaffen kann.

Auf den in der Klage (S. 5) angesprochenen und für möglich erachteten höheren "Streuverlust" bei einer herkömmlichen Werbemittelverteilung vor der Haustür oder an der Wohnungstür gegenüber einer Zustellung in der Hausbrieffachanlage kommt die Klägerin in ihrem Rechtsmittel nicht mehr zurück; ein solcher steht auch nicht fest. Damit ist aber auch nicht ersichtlich, worin der der Beklagten vorgeworfene Wettbewerbsvorteil liegen soll und welche nachteiligen Wirkungen für ihre Mitbewerber mit dem Ausschluss von der Benützung der Hausbrieffachanlagen verbunden sind.

Die außerordentliche Revision ist mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

Textnummer

E67085

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0040OB00196.02F.0924.000

Im RIS seit

24.10.2002

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2014
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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