TE OGH 2002/9/30 1Ob26/02h

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Veröffentlicht am 30.09.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DDr. Walter H*****, vertreten durch Dr. Hartmut Ramsauer und Dr. Peter Perner, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr. Susanne H*****, vertreten durch Dr. Christine Bitschnau, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen Wiederaufnahme eines Ehescheidungsverfahrens infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 4. Juli 2001, GZ 21 R 31/01g-15, womit das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 2. November 2000, GZ 4 C 67/00w-8, aufgehoben und die Wiederaufnahmsklage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Prozesskosten.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies mit Urteil vom 22. 3. 1989 die vom Kläger am 30. 1. 1987 zu AZ 20 C 31/87 erhobene Klage auf Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung; der Revision des Klägers wurde vom Obersten Gerichtshof mit Urteil vom 7. 3. 1990 nicht Folge gegeben. Diese Entscheidung wurde dem Kläger am 3. 5. 1990 zugestellt.

Mit seiner am 2. 5. 2000 eingebrachten Wiederaufnahmsklage begehrte der Kläger die Wiederaufnahme des Ehescheidungsverfahrens und die Scheidung der Ehe aus dem alleinigen, hilfsweise aus dem überwiegenden oder gleichteiligen Verschulden der Beklagten. Er brachte vor, er leide an einem Schlaf-Apnoe-Syndrom, das zwar schon seit Beginn der Ehe bestanden habe, aber erst 1996 festgestellt worden sei. Die Auswirkungen dieses Syndroms seien ihm erst durch ein Gutachten vom 14. 4. 2000 bekannt geworden. Aus dem Gutachten ergebe sich, dass die ihm vorgeworfenen Eheverfehlungen auf dieses Syndrom zurückzuführen und dass für die Beklagte seine krankheitsbedingten und krankheitswertigen seelischen Störungen und psychischen Ausnahmezustände auf Grund dieses Syndroms und seiner Auswirkungen unschwer erkennbar gewesen seien; diese hätte deshalb ihr provokantes Verhalten unterlasssen müssen. Die Verhaltensweise der Beklagten stelle somit eine schwere Eheverfehlung dar. Aus dem Gutachten ergebe sich auch, dass die Ehe entgegen der Einschätzung des Obersten Gerichtshofs zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung im Verfahren vor dem Erstgericht objektiv unheilbar zerrüttet gewesen sei.

Die Beklagte wendete ein, dass die Wiederaufnahmsklage verfristet und auch inhaltlich nicht berechtigt sei.

Rechtliche Beurteilung

Das Erstgericht wies das Begehren des Wiederaufnahmsklägers auf Aufhebung des vom Erstgericht am 22. 3. 1989 zu AZ 20 C 31/87 gefällten Urteils ab. Es stehe nicht fest, dass das Schlaf-Apnoe-Sydrom bereits zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz bestanden und ob es die vom Kläger behaupteten Auswirkungen auf seine Psyche entfaltet habe. Die Wiederaufnahmsklage sei fristgerecht vor Ablauf der 10-Jahresfrist erhoben worden, doch seien dem Kläger die möglichen Auswirkungen seiner Krankheit zumindest seit 1998/Anfang 1999 bekannt gewesen, sodass er diese Tatsachen bereits 1999 hätte vorbringen können. Die vierwöchige Frist zur Einbringung der Wiederaufnahmsklage sei "eigentlich versäumt". Die Klage sei aber auch nicht berechtigt, weil die neuen Tatsachen und Beweismittel keine günstigere Entscheidung herbeiführen könnten. Der Vorwurf, dass die Beklagte wegen der Erkrankung des Klägers zu erhöhter Rücksichtnahme und Nachsicht verpflichtet gewesen wäre, sei nicht berechtigt, weil nicht einmal dem Kläger und dessen Ärzten die erst später diagnostizierte Schlaf-Apnoe und das Ausmaß deren Auswirkungen bekannt gewesen seien. Aus Anlass der vom Kläger erhobenen Berufung hob das Berufungsgericht das Ersturteil auf und wies die Wiederaufnahmsklage zurück; es sprach aus, dass "der ordentliche Revisionsrekurs" nicht zulässig sei. Die vierwöchige Frist des § 534 Abs 1 ZPO sei im Falle des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO von dem Tag an zu berechnen, an welchem die Partei imstande gewesen sei, die ihr bekannt gewordenen Tatsachen und Beweismittel bei Gericht vorzubringen. Aus den eigenen Angaben des Klägers ergebe sich, dass ihm schon vor Erstellung des von ihm nunmehr vorgelegten Gutachtens die näheren Auswirkungen des 1996 bei ihm festgestellten Schlaf-Apnoe-Syndroms bewusst gewesen seien. Der Kläger hätte also schon spätestens zu Beginn des Jahres 1999 die ihm als krankheitsbedingt erkennbar gewordenen Auswirkungen dieses Syndroms bei Gericht vorbringen können. Die Frist zur Einbringung der Wiederaufnahmsklage sei daher am 2. 5. 2000 schon längst abgelaufen gewesen.Das Erstgericht wies das Begehren des Wiederaufnahmsklägers auf Aufhebung des vom Erstgericht am 22. 3. 1989 zu AZ 20 C 31/87 gefällten Urteils ab. Es stehe nicht fest, dass das Schlaf-Apnoe-Sydrom bereits zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz bestanden und ob es die vom Kläger behaupteten Auswirkungen auf seine Psyche entfaltet habe. Die Wiederaufnahmsklage sei fristgerecht vor Ablauf der 10-Jahresfrist erhoben worden, doch seien dem Kläger die möglichen Auswirkungen seiner Krankheit zumindest seit 1998/Anfang 1999 bekannt gewesen, sodass er diese Tatsachen bereits 1999 hätte vorbringen können. Die vierwöchige Frist zur Einbringung der Wiederaufnahmsklage sei "eigentlich versäumt". Die Klage sei aber auch nicht berechtigt, weil die neuen Tatsachen und Beweismittel keine günstigere Entscheidung herbeiführen könnten. Der Vorwurf, dass die Beklagte wegen der Erkrankung des Klägers zu erhöhter Rücksichtnahme und Nachsicht verpflichtet gewesen wäre, sei nicht berechtigt, weil nicht einmal dem Kläger und dessen Ärzten die erst später diagnostizierte Schlaf-Apnoe und das Ausmaß deren Auswirkungen bekannt gewesen seien. Aus Anlass der vom Kläger erhobenen Berufung hob das Berufungsgericht das Ersturteil auf und wies die Wiederaufnahmsklage zurück; es sprach aus, dass "der ordentliche Revisionsrekurs" nicht zulässig sei. Die vierwöchige Frist des Paragraph 534, Absatz eins, ZPO sei im Falle des Paragraph 530, Absatz eins, Ziffer 7, ZPO von dem Tag an zu berechnen, an welchem die Partei imstande gewesen sei, die ihr bekannt gewordenen Tatsachen und Beweismittel bei Gericht vorzubringen. Aus den eigenen Angaben des Klägers ergebe sich, dass ihm schon vor Erstellung des von ihm nunmehr vorgelegten Gutachtens die näheren Auswirkungen des 1996 bei ihm festgestellten Schlaf-Apnoe-Syndroms bewusst gewesen seien. Der Kläger hätte also schon spätestens zu Beginn des Jahres 1999 die ihm als krankheitsbedingt erkennbar gewordenen Auswirkungen dieses Syndroms bei Gericht vorbringen können. Die Frist zur Einbringung der Wiederaufnahmsklage sei daher am 2. 5. 2000 schon längst abgelaufen gewesen.

Der dagegen erhobene Rekurs des Klägers ist zulässig und berechtigt. Wie der erkennende Senat schon in seiner Entscheidung vom 26. 2. 2002 ausführte, ist der Beschluss des Berufungsgerichts - entgegen dessen Ansicht - gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO anfechtbar (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 3 zu § 519).Der dagegen erhobene Rekurs des Klägers ist zulässig und berechtigt. Wie der erkennende Senat schon in seiner Entscheidung vom 26. 2. 2002 ausführte, ist der Beschluss des Berufungsgerichts - entgegen dessen Ansicht - gemäß Paragraph 519, Absatz eins, Ziffer eins, ZPO anfechtbar (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 3 zu Paragraph 519,).

Gemäß § 538 Abs 1 ZPO hat das Gericht vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung zu prüfen, ob die Klage auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe (§§ 529 bis 531 ZPO) gestützt und in der gesetzlichen Frist erhoben worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse oder ist die Klage wegen eines der im § 230 Abs 2 ZPO angeführten Gründe unzulässig, so ist sie als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet durch Beschluss zurückzuweisen. Nun hat das Berufungsgericht die Wiederaufnahmsklage allein deshalb zurückgewiesen, weil der Kläger die vierwöchige Frist des § 534 Abs 1 ZPO versäumt habe. Dem Gericht zweiter Instanz ist zwar dahin beizupflichten, dass dem Kläger schon 1996 das Bestehen des Schlaf-Apnoe-Syndroms bewusst gewesen sein muss; die Frage, ob ihm schon deshalb bekannt war, dass die ihm vorgeworfenen Eheverfehlungen durch dieses Syndrom bedingt gewesen seien, lässt sich allerdings aus der Kenntnis der krankhaften Störung allein nicht beantworten. An sich könnte der Kläger, selbst wenn ihm sein Verhalten wegen einer krankhaften Störung nicht als Eheverfehlung zur Last gelegt werden könnte, allein deshalb eine Aufhebung oder Abänderung der Entscheidung nicht erreichen, weil dieser Wiederaufnahmsgrund für sich allein keinesfalls seiner Scheidungsklage zum Erfolg verhelfen könnte, bliebe es doch dabei, dass die Beklagte relevante Eheverfehlungen nicht begangen hat (vgl 6 Ob 278/98w; 1 Ob 2038/96d; EvBl 1992/77 uva). Nun hat aber der Kläger ausdrücklich vorgebracht, seine krankheitsbedingten seelischen Störungen und psychischen Ausnahmezustände infolge des genannten Syndroms und seiner Auswirkungen wären für die Beklagte unschwer erkennbar gewesen, sie hätte deshalb ihr provokantes Verhalten unterlassen müssen; das habe sich erst aus dem Gutachten vom 14. 4. 2000 ergeben. Damit behauptete der Kläger einen Sachverhalt, der grundsätzlich geeignet ist, seiner Scheidungsklage zum Erfolg zu verhelfen, sofern er den entsprechenden Beweis erbringen kann. Diesen Wiederaufnahmsgrund hat er innerhalb der Frist des § 534 Abs 1 (Abs 2 Z 4) ZPO geltend gemacht, sodass die Wiederaufnahmsklage nicht bereits im Vorprüfungsverfahren wegen Verfristung zurückgewiesen werden kann.Gemäß Paragraph 538, Absatz eins, ZPO hat das Gericht vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung zu prüfen, ob die Klage auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe (Paragraphen 529 bis 531 ZPO) gestützt und in der gesetzlichen Frist erhoben worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse oder ist die Klage wegen eines der im Paragraph 230, Absatz 2, ZPO angeführten Gründe unzulässig, so ist sie als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet durch Beschluss zurückzuweisen. Nun hat das Berufungsgericht die Wiederaufnahmsklage allein deshalb zurückgewiesen, weil der Kläger die vierwöchige Frist des Paragraph 534, Absatz eins, ZPO versäumt habe. Dem Gericht zweiter Instanz ist zwar dahin beizupflichten, dass dem Kläger schon 1996 das Bestehen des Schlaf-Apnoe-Syndroms bewusst gewesen sein muss; die Frage, ob ihm schon deshalb bekannt war, dass die ihm vorgeworfenen Eheverfehlungen durch dieses Syndrom bedingt gewesen seien, lässt sich allerdings aus der Kenntnis der krankhaften Störung allein nicht beantworten. An sich könnte der Kläger, selbst wenn ihm sein Verhalten wegen einer krankhaften Störung nicht als Eheverfehlung zur Last gelegt werden könnte, allein deshalb eine Aufhebung oder Abänderung der Entscheidung nicht erreichen, weil dieser Wiederaufnahmsgrund für sich allein keinesfalls seiner Scheidungsklage zum Erfolg verhelfen könnte, bliebe es doch dabei, dass die Beklagte relevante Eheverfehlungen nicht begangen hat vergleiche 6 Ob 278/98w; 1 Ob 2038/96d; EvBl 1992/77 uva). Nun hat aber der Kläger ausdrücklich vorgebracht, seine krankheitsbedingten seelischen Störungen und psychischen Ausnahmezustände infolge des genannten Syndroms und seiner Auswirkungen wären für die Beklagte unschwer erkennbar gewesen, sie hätte deshalb ihr provokantes Verhalten unterlassen müssen; das habe sich erst aus dem Gutachten vom 14. 4. 2000 ergeben. Damit behauptete der Kläger einen Sachverhalt, der grundsätzlich geeignet ist, seiner Scheidungsklage zum Erfolg zu verhelfen, sofern er den entsprechenden Beweis erbringen kann. Diesen Wiederaufnahmsgrund hat er innerhalb der Frist des Paragraph 534, Absatz eins, (Absatz 2, Ziffer 4,) ZPO geltend gemacht, sodass die Wiederaufnahmsklage nicht bereits im Vorprüfungsverfahren wegen Verfristung zurückgewiesen werden kann.

Der Beschluss des Berufungsgerichts ist daher aufzuheben; dieses wird unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund neuerlich zu entscheiden haben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf Paragraph 52, ZPO.

Anmerkung

E67181 1Ob26.02h-2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0010OB00026.02H.0930.000

Dokumentnummer

JJT_20020930_OGH0002_0010OB00026_02H0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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