TE OGH 2002/9/30 1Ob157/02y

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Veröffentlicht am 30.09.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Harald Vill, Dr. Helfried Penz und Mag. Christoph Rupp, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei f***** AG, ***** vertreten durch Mag. Birgit Hermann, Dr. Thomas Kraft und Dr. Manfred Dallago, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen EUR 72.672,83 sA infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. Mai 2002, GZ 3 R 28/02w-40, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 10. Jänner 2001, GZ 15 Cg 56/01i-33, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende Partei befasste sich im Wesentlichen mit der Installierung von Sicherheitseinrichtungen und Systemen zum Schutz vor Computerviren im Internetbereich. Im Zuge der Installation des Virenschutzprogramms "Firewall" in der "Steuerberatungskanzlei des Mag. Burghard D*****, der T*****-Treuhand GmbH", kam es zu einer ersten Kontaktaufnahme zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin, Hans H*****, und Mag. Burghard D*****. Die klagende Partei suchte Beteiligungskapital. Nach diversen Vorgesprächen schlossen die Klägerin sowie deren Gesellschafter und die durch Mag. Burghard D***** vertretene E***** Betriebsberatungs GmbH (EEG) am 3. 10. 2000 eine als "Letter of Intent" bezeichnete schriftliche Vereinbarung. In diesem "Letter of Intent" wurde unter anderem festgehalten, dass die Geschäftstätigkeit der Klägerin in einer neu zu gründenden Aktiengesellschaft unter Überbindung sämtlicher Vertragsverhältnisse fortgeführt und ausgebaut werden sollte. Der Inhalt dieser Vereinbarung lautet auszugsweise wie folgt:

"1. PRÄAMBEL

Ziel des LOI ist es, die Rahmenbedingungen für die geplante Neustrukturierung der Geschäftstätigkeiten der Firma C***** festzulegen. Die dafür erforderlichen Rechtshandlungen sind nicht erschöpfend aufgezählt, sondern nur die Zielvorstellungen der Vertragspartner werden determiniert. Die oben genannten Parteien erklären und verpflichten ausdrücklich sämtliche Rechtshandlungen zu setzen, um den in der Folge beschriebenen Zielzustand zu erreichen. Sämtliche Punkte der Vereinbarung sollten grundsätzlich per 1. November 2000 realisiert werden. Dabei handelt es sich um einen zeitlichen Richtwert. Dieser Termin ist für die Abrechnung von Leistungen fixiert, unabhängig von der Herstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen (zB Eintragung der Gesellschaft in das Firmenbuch). Um eine Kontrolle der Leistungen zum Abrechnungsstichtag zu ermöglichen wird in die erforderlichen Unterlagen Einsicht gewährt. (Lieferscheine, Bestellungen, Zeiterfassungsscheine).

2. GESELLSCHAFTSRECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN DER AG

Es ist geplant die Geschäftstätigkeit der bisherigen C***** in einer neu zu gründenden Aktiengesellschaft unter Überbindung sämtlicher Vertragsverhältnisse fortzuführen und auszubauen. ...

3. DIE DETERMINANTEN DER ÜBERNAHME DER GESCHÄFTSTÄTIGKEITEN DER C*****

3.1. Die Übernahme des in der C***** vorhandenen Personals ...

3.2. Die Neuaufnahme von Personal

Es ist beabsichtigt, in Abstimmung mit dem Businessplan insgesamt noch drei Techniker aufzunehmen. Weiters ist vorgesehen, einen Assistenten für den Vorstand zu beschäftigen.

3.3. Die Übernahme der bereits abgeschlossenen und in Verhandlung stehenden Aufträge:

Herr Hans H***** wird eine Liste der abgeschlossenen oder sich im Stadium der Verhandlung befindlichen Aufträge erstellen und die Abschlusswahrscheinlichkeit in Prozenten sowie das Auftragsvolumen unterteilt nach Dienstleistung und Handelserlöse zu schätzen. Darüber hinaus wird in der Kundenstatistik ein Zusatzfeld mit der Branchenbezeichnung eingefügt.

Gliederung: abschlussreif (90 % Wahrscheinlichkeit)

Abschluss sehr wahrscheinlich (75 % Wahrscheinlichkeit)

Indifferent (50 % Wahrscheinlichkeit)

Geringe Chancen (10 %)

Die Liste der Aufträge ist Bestandteil der Vereinbarung.

Diese Aufträge werden an die AG übergeleitet. Diese Aufträge werden um einen pauschalen Betrag von ATS 450.000,00/Schilling vierthundertfünfzigtausend/zuzüglich Umsatzsteuer übernommen.

3.4. Die Übernahme der laufenden Verträge:

Grundsätzlich werden sämtliche derzeit bestehenden Vertragsverhältnisse mit Kunden der C***** bzw der Einzelfirma auf die AG übertragen. Exemplarisch werden folgende Vertragsverhältnisse aufgezählt: ...

3.5. Die Übernahme des Büro-Mietvertrages

Es ist beabsichtigt, den Standort - abhängig von der zukünftigen Entwicklung - unverändert zu belassen. Die Möglichkeit des Überganges des Mietverhältnisses ist noch zu klären. Im Zuge dessen ist eine Neuverhandlung (Reduktion) der Mieten vorzusehen.

3.6. Der Mietvertrag betreffend der Telefonanlage

Es wird beabsichtigt, eine Telefonanlage anzukaufen. Auf Grund der Geschäftsbeendigung dürfte ein Ausstieg aus dem sehr unvorteilhaften Mietvertrag über die Telefonanlage möglich sein.

3.7. Die Übernahme der Betriebs- und Geschäftsausstattung der C*****

Gemäß einer Aufstellung werden sämtliche derzeit in Verwendung stehenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens der Firma C***** an die neu zu gründende AG verkauft. Der pauschale Kaufpreis in Höhe von ATS 600.000,00/Schilling sechshunderttausend/zuzüglich 20 % Umsatzsteuer wird innerhalb von 60 Tagen nach Rechnungslegung zur Zahlung fällig.

3.8. Die Übernahme der Software

Gemäß der Aufstellung sind diverse Softwarelizenzen vorhanden. Die Firma C***** klärt die Möglichkeit des Überganges dieser Lizenzen auf die AG und stellt die rechtlichen Rahmenbedingungen (Zustimmungserklärungen) der Software-Firmen sofern möglich sicher. Für diese Lizenzen wird ein pauschaler Preis in Höhe von ATS 200.000,00/Schilling zweihundertausend/zuzüglich 20 % Umsatzsteuer vereinbart. Dieser Betrag ist wiederum innerhalb von 60 Tagen nach Vorlage der Erklärungen der Softwarelieferanten und Rechnungsstellung zur Zahlung fällig. ...

7. AUSSTIEGSBEDINGUNGEN FÜR DIE EEG

Die EEG ist berechtigt, von der Durchführung der geplanten Umstrukturierung zurückzutreten, wenn gravierende Gründe vorliegen."

Auf die von der klagenden Partei am 21. 11. 2000 an die damals in Gründung befindliche beklagte Partei gestellte Rechnung über S 1,500.000 (incl 20 % USt) wurde eine Zahlung in Höhe von S 500.000 geleistet.

Die klagende Partei begehrte nun die Zahlung eines weiteren Betrags von 1 Mio S samt Zinsen und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass die beklagte Partei weder bei der Bewertung der im "Letter of Intent" angeführten Verhandlungsliste noch bei der Bewertung des Inventars in Irrtum geführt worden sei. Vielmehr sei für das Gesamtpaket der zu übernehmenden Gegenstände einvernehmlich ein Gesamtkaufpreis vereinbart und dieser sodann auf die einzelnen Vertragsgegenstände aufgeteilt worden. Die Werthaltigkeit der von der Klägerin übergebenen Verhandlungsliste sei korrekt gewesen; von einer Auftragsliste im Umfang von knapp S 40 Mio sei nie die Rede gewesen. Beim Verkauf der Verhandlungsliste habe es sich um einen Hoffnungskauf gehandelt, weil zum Zeitpunkt des Verkaufs keinerlei Fristen oder Zeitpunkte der potentiellen Abschlüsse festgehalten worden seien. Es sei seitens der klagenden Partei darauf hingewiesen worden, dass es sich lediglich um Vertragsverhandlungen gehandelt habe, deren Abschlusswahrscheinlichkeit nur habe geschätzt werden können. Die auf den beiden Servern gespeicherten Adressenkarteien seien von der klagenden Partei nicht an die beklagte Partei veräußert worden, weshalb die beiden Server von der Klägerin zurückgenommen worden seien; die klagende Partei sei bereit, die beiden Server bei Zahlung des Klagebetrags zurückzustellen.

Die beklagte Partei wendete im Wesentlichen ein, der Geschäftsführer der klagenden Partei habe bei Verfassung des "Letter of Intent" mitgeteilt, dass eine Vielzahl von Aufträgen im Wert von knapp S 40 Mio bestehe, die Gläubiger der Klägerin aber nicht mehr bereit seien, mit der Einforderung der Schulden zuzuwarten. Deshalb sei beschlossen worden, zur Fortführung der Aufträge eine Aktiengesellschaft, nämlich die beklagte Partei, zu gründen, der Klägerin die Einrichtung und die Betriebsmittel abzukaufen und eine Ablöse für die bereits bestehenden oder im Akquisitationsstadium befindlichen Aufträge zu zahlen. Die erstellte Liste der abgeschlossenen oder sich im Stadium der Verhandlung befindlichen Aufträge und insbesondere die Schätzung der Abschlusswahrscheinlichkeit habe nicht annähernd der Realität entsprochen. Entweder seien die in der Auftragsliste angegebenen Aufträge überhaupt nicht existent gewesen oder in der Folge von der klagenden Partei unter Umgehung der Beklagten direkt mit den Auftraggebern abgewickelt und verrechnet worden. Ein Hoffnungskauf sei nicht vorgelegen, weil die beklagte Partei ein Unternehmen mit bereits bestehenden und klar bezifferten Aufträgen zu erwerben beabsichtigt habe. Die beklagte Partei sei nicht nur über Umfang und Abschlusswahrscheinlichkeit der in Verhandlung befindlichen Aufträge in Irrtum geführt worden, sondern auch über den Wert der verkauften Wirtschaftsgüter. Die mit S 200.000 (netto) bewerteten Programme hätten maximal einen Wert von S 20.000 gehabt, die sonstigen Wirtschaftsgüter, die mit S 600.000 (netto) bewertet worden seien, einen solchen von ca S 100.000. Über die bereits bezahlten S 500.000 hinaus habe die klagende Partei von der beklagten Partei daher nichts zu fordern.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es stellte fest, die Verhandlungspartner Hans H***** und Mag. Burghard D***** seien übereingekommen, gegen Zahlung eines Kaufpreises von netto S 1,25 Mio das gesamte Gesellschaftsvermögen der klagenden Partei mit Ausnahme einer Adressendatei an die beklagte Partei zu übertragen. Die bei der Erzielung dieser Einigung und bei Unterfertigung des "Letter of Intent" übergebene "Verhandlungsliste" über die Kundenkontakte habe noch keine Aufstellung über die Abschlusswahrscheinlichkeiten enthalten. Nach Einigung über den Gesamtpreis habe Mag. Burghard D***** eine Aufschlüsselung des Kaufpreises (Software und Lizenzen/Inventar/zu erwartende Aufträge) verlangt, weil er diese Ansätze für die Erstellung einer Bilanz benötige. Da er das Inventar auf einen Betrag von netto S 600.000 geschätzt und nach Informationen durch Hans H***** über die vorhandene Software einen Wert von ca S 200.000 dafür angenommen habe, sei für die im Stadium der Verhandlung befindlichen "Aufträge" ein Betrag von S 450.000 netto verblieben. Von welcher potentiellen Auftragshöhe die Streitteile ausgegangen seien, habe nicht festgestellt werden können. Der konkrete Wert der übernommenen Einrichtungsgegenstände sowie der Hard- und Software sei für Mag. Burghard D***** nicht maßgeblich gewesen; für ihn sei wichtig gewesen, dass in ausreichendem Maß Einrichtungsgegenstände sowie Hard- und Software übernommen würden, um sofort weiterarbeiten zu können. Die (über die in der "Verhandlungsliste" enthaltenen Adressen hinausgehende) Adressenkartei sei nicht Gegenstand der Verkaufsgespräche gewesen; sie hätte nach dem Willen der Vertragspartner bei der klagenden Partei verbleiben sollen. Nach Unterfertigung des "Letter of Intent" habe Hans H***** vereinbarungsgemäß eine mit "Verkaufsübersicht 1999" (Beilage 2) bezeichnete Liste übermittelt, in der zahlreiche Kunden/Interessenten angeführt seien. Für einen Gesamtumsatz von S 4,870.900 sei eine Abschlusswahrscheinlichkeit von 90 %, für einen weiteren Umsatz von S 11,857.000 eine Abschlusswahrscheinlichkeit von 75 % und für ein Umsatzvolumen von S 20,938.000 eine Abschlusswahrscheinlichkeit von 50 % angegeben worden; weiters habe die Liste potentielle Aufträge mit einer Abschlusswahrscheinlichkeit von nur 10 % enthalten. Alle in dieser Liste angeführten potentiellen Kunden seien von Mitarbeitern der klagenden Partei bereits kontaktiert worden; die Schätzung des Prozentsatzes der Abschlusswahrscheinlichkeit und des möglichen Auftragsvolumens habe Hans H***** mit Hilfe der Äußerungen der Kunden vorgenommen.

Nachdem das gesamte Inventar sowie die Hard- und Software ab Mitte November 2000 der beklagten Partei zur Verfügung gestellt worden seien, hätten die bisherigen Mitarbeiter der klagenden Partei ihre Tätigkeit für die Beklagte aufgenommen. Die übergebene Betriebsausstattung habe ausgereicht, um bei der beklagten Partei nahtlos in vollem Umfang weiterarbeiten zu können. Im November und Dezember 2000 sei mit auf der Verhandlungsliste aufscheinenden Kunden ein Gesamtumsatz zwischen 1,6 und 1,8 Mio S erzielt worden. Die Umsätze im Jänner 2001 hätten S 14.943, im Februar S 73.170 und im März S 75.069,33 erreicht. Nachdem Hans H***** als Vorstand der beklagten Partei entlassen worden sei, habe er einen Auftrag über die klagende Partei abgewickelt. Diese sei bereit, den Erlös aus diesem Auftrag ebenso wie die beiden Server und einen Laptop an die beklagte Partei herauszugeben, falls diese den noch ausständigen Kaufpreisrest bezahle.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, dass nicht von einem Unternehmenskauf, sondern von einem Kauf von Einrichtungsgegenständen, Hard- und Software sowie einer Kundenkontakte enthaltenden Verhandlungsliste auszugehen sei. Der Erwerb der Verhandlungsliste sei ein Hoffnungskauf, also ein Glücksvertrag, bei dem grundsätzlich der Käufer sowohl das Quantitäts- als auch das Qualitätsrisiko trage. Nach den getroffenen Feststellungen liege weder arglistige Irreführung noch Drohung vor. Eine Irrtumsanfechtung komme nicht in Betracht, weil die klagende Partei weder einen bestimmten Ertrag zugesichert, noch den Erfolg vereitelt habe. Bei dem Nutzen, der aus der Verhandlungsliste allenfalls erzielt werden könne, habe es sich um ein von der beklagten Partei bewusst eingegangenes Risiko gehandelt. Die Forderung auf Zahlung des noch offenen Entgelts bestehe daher zu Recht.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung; die ordentliche Revision ließ es nicht zu. Nach den Zielvorstellungen der Streitteile hätte die Geschäftstätigkeit der klagenden Partei in einer neu zu gründenden Aktiengesellschaft unter Überbindung sämtlicher Vertragsverhältnisse fortgeführt und ausgebaut werden sollen. Zu diesem Zweck habe die klagende Partei im Vorstadium der später gegründeten AG eine Vereinbarung getroffen, die in dem am 3. 10. 2000 unterfertigten "Letter of Intent" festgehalten worden sei. Danach habe die EEG GmbH (und später die beklagte Partei) von der Klägerin deren Betriebs- und Geschäftsausstattung, die Software und die zum Vertragszeitpunkt bereits zustande gekommenen oder sich im Stadium der Verhandlung befindlichen Aufträge übernommen. Entgegen der Rechtsauffassung der beklagten Partei sei nicht das Gesamtunternehmen der klagenden Partei in die zu gründende AG eingebracht worden, weil Mag. Burghard D***** eine gänzliche Übernahme als zu riskant erschienen sei, sodass die Variante der teilweisen Übernahme gewählt worden sei. Bei der Preisbildung habe der Wert der bereits erteilten oder zu akquirierenden Kundenaufträge keine maßgebliche Rolle gespielt. Die Käuferin habe nur aus bilanztechnischen Gründen eine gesonderte Bewertung vorgenommen. Der Käuferin sei zum Zeitpunkt der Kaufpreisvereinbarung lediglich eine Liste über potentielle Kunden mit einem Gesamtumsatz von ca S 4,4 Mio vorgelegen, die keine Angaben über die Abschlusswahrscheinlichkeit enthalten habe. Bei dieser Sachlage könne nicht davon ausgegangen werden, dass aus der Sicht der Käuferin eine Relation zwischen den künftigen Erträgnissen und der Preiszahlung bestehen sollte; diese habe vielmehr eine Erwerbschance gekauft, bei der das aleatorische Element überwogen habe. Dass Leistung und Gegenleistung bei einer Betrachtung ex ante in einem groben Missverhältnis gestanden wären, könne nicht angenommen werden, weil von der Käuferin im Zeitraum von November 2000 bis März 2001 immerhin ein Umsatz von rund S 1,8 Mio habe realisiert werden können, wogegen in der zum Zeitpunkt der Preisbildung vorgelegten Liste mögliche Abschlüsse mit einem Gesamtumsatz von ca S 4,4 Mio aufgeschienen seien. Damit scheide auch eine Anfechtung wegen Irrtums oder wegen Wuchers aus. Auf einen Hoffnungskauf, somit einen Glücksvertrag, finde gemäß § 1065 ABGB das Kaufrecht keine Anwendung. Ein allfälliger Irrtum über den Wert der Einrichtungsgegenstände sowie der Hard- und Software sei schon deshalb unbeachtlich, weil nach herrschender Auffassung der Irrtum über den Wert einer Sache kein Geschäftsirrtum sei. Darüber hinaus lägen aber auch die weiteren Anfechtungsvoraussetzungen nicht vor, weil die Käuferin selbst eine Einschätzung der übernommenen Gegenstände und deren Bewertung vorgenommen habe und deren Unrichtigkeit der klagenden Partei aus den Umständen nicht habe offenbar auffallen müssen.

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung des Geschäfts als "Hoffnungskauf" von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist und auch sonst maßgebliche Umstände des vorliegenden Falls nicht ausreichend beachtet hat. Sie ist in ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

Die von der Revisionswerberin behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor; die Vorinstanzen haben die betreffende Feststellung (Vereinbarung über die Adressenkartei) auf tatsächlich vorliegende Beweisergebnisse gestützt (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kann die vorliegende Vereinbarung nicht als der bloße Erwerb von einzelnen Sachen aus dem Betriebsvermögen der klagenden Partei angesehen werden. Bereits aus dem klaren Wortlaut des "Letter of Intent" ergibt sich, dass die Geschäftstätigkeit der Klägerin in einer neu zu gründenden Aktiengesellschaft unter Überbindung sämtlicher Vertragsverhältnisse fortgeführt und ausgebaut werden sollte. Weiters ist davon die Rede, dass es Ziel der Vereinbarung sei, die Rahmenbedingungen für die geplante Neustrukturierung der Geschäftstätigkeit der klagenden Partei festzulegen. Außerdem sollte die beklagte Partei die Betriebsmittel der klagenden Partei sowie deren Personal übernehmen. Soweit darüber hinaus vereinbart wurde, dass lediglich eine Adressenkartei, die über die aktuellen Vertrags- bzw Verhandlungspartner der klagenden Partei hinausgeht, bei der klagenden Partei verbleiben sollte, spricht dies keineswegs gegen eine Qualifikation des Vertrags als Unternehmensveräußerung, ist doch das wesentliche Betriebsvermögen der klagenden Partei einschließlich des Know-how sowie der bestehenden Vertragsverhältnisse auf die beklagte Partei übergegangen. Damit besteht auch kein Anlass, die gesetzlichen Bestimmungen für Glücksgeschäfte heranzuziehen (vgl dazu nur 4 Ob 147/01y). Vielmehr handelt es sich um einen Unternehmenskauf, bei dem als Gesamtkaufpreis ein Betrag von S 1,5 Mio (incl USt) vereinbart wurde. Dass in der Folge - aus bilanztechnischen Gründen - der Kaufpreis formell auf verschiedene Teile der übernommenen Vermögenswerte aufgeteilt wurde, ist nicht von entscheidender Bedeutung.Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kann die vorliegende Vereinbarung nicht als der bloße Erwerb von einzelnen Sachen aus dem Betriebsvermögen der klagenden Partei angesehen werden. Bereits aus dem klaren Wortlaut des "Letter of Intent" ergibt sich, dass die Geschäftstätigkeit der Klägerin in einer neu zu gründenden Aktiengesellschaft unter Überbindung sämtlicher Vertragsverhältnisse fortgeführt und ausgebaut werden sollte. Weiters ist davon die Rede, dass es Ziel der Vereinbarung sei, die Rahmenbedingungen für die geplante Neustrukturierung der Geschäftstätigkeit der klagenden Partei festzulegen. Außerdem sollte die beklagte Partei die Betriebsmittel der klagenden Partei sowie deren Personal übernehmen. Soweit darüber hinaus vereinbart wurde, dass lediglich eine Adressenkartei, die über die aktuellen Vertrags- bzw Verhandlungspartner der klagenden Partei hinausgeht, bei der klagenden Partei verbleiben sollte, spricht dies keineswegs gegen eine Qualifikation des Vertrags als Unternehmensveräußerung, ist doch das wesentliche Betriebsvermögen der klagenden Partei einschließlich des Know-how sowie der bestehenden Vertragsverhältnisse auf die beklagte Partei übergegangen. Damit besteht auch kein Anlass, die gesetzlichen Bestimmungen für Glücksgeschäfte heranzuziehen vergleiche dazu nur 4 Ob 147/01y). Vielmehr handelt es sich um einen Unternehmenskauf, bei dem als Gesamtkaufpreis ein Betrag von S 1,5 Mio (incl USt) vereinbart wurde. Dass in der Folge - aus bilanztechnischen Gründen - der Kaufpreis formell auf verschiedene Teile der übernommenen Vermögenswerte aufgeteilt wurde, ist nicht von entscheidender Bedeutung.

In der Sache beruft sich die beklagte Partei im Revisionsverfahren nur mehr darauf, dass sie von Vertretern der klagenden Partei in der Frage des Wertes der übernommenen Sachen sowie des Umfangs und der Abschlusswahrscheinlichkeit der in Verhandlung stehenden "Aufträge" in Irrtum geführt worden sei. Ihr Rechtsstandpunkt, der klagenden Partei stehe über den bereits erhaltenen Betrag von S 500.000 kein weiteres Entgelt zu, ist als Geltendmachung des Gestaltungsrechts auf Preisanpassung wegen unwesentlichen Irrtums (§ 872 letzter Halbsatz ABGB) zu verstehen.

Soweit sich die beklagte Partei dabei auf einen (von der klagenden Partei veranlassten) Irrtum über den Wert der übernommenen Einrichtungsgegenstände sowie der Hard- und Software beruft, ist sie - worauf schon das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat - auf die herrschende Judikatur und Lehre zu verweisen, nach der der bloße Irrtum über den Wert einer Sache lediglich Motivirrtum ist und somit nicht zur Vertragsanfechtung bzw -anpassung berechtigt (vgl dazu nur Rummel in Rummel I3, Rz 11 zu § 871 ABGB mit zahlreichen Nachweisen). Anhaltspunkte für eine listige Irreführung durch einen Vertreter der klagenden Partei ergeben sich in Ansehung dieser Vermögenswerte aus dem festgestellten Sachverhalt nicht.Soweit sich die beklagte Partei dabei auf einen (von der klagenden Partei veranlassten) Irrtum über den Wert der übernommenen Einrichtungsgegenstände sowie der Hard- und Software beruft, ist sie - worauf schon das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat - auf die herrschende Judikatur und Lehre zu verweisen, nach der der bloße Irrtum über den Wert einer Sache lediglich Motivirrtum ist und somit nicht zur Vertragsanfechtung bzw -anpassung berechtigt vergleiche dazu nur Rummel in Rummel I3, Rz 11 zu § 871 ABGB mit zahlreichen Nachweisen). Anhaltspunkte für eine listige Irreführung durch einen Vertreter der klagenden Partei ergeben sich in Ansehung dieser Vermögenswerte aus dem festgestellten Sachverhalt nicht.

Anders verhält es sich hingegen bei der im "Letter of Intent" geregelten "Übernahme der bereits abgeschlossenen und in Verhandlung stehenden Aufträge". Die beklagte Partei hat dazu stets darauf verwiesen, ihr sei durch Übergabe der "Verkaufsübersicht 1999" (Beilage 2) mitgeteilt worden, dass über Aufträge in einer Größenordnung von fast 40 Mio S verhandelt werde, wobei die Wahrscheinlichkeit, mit den einzelnen Verhandlungspartnern zu einem Abschluss zu kommen, mit unterschiedlichen Prozentsätzen angegeben worden sei. Dem Vorwurf, die bekanntgegebenen Umsatzzahlen und Abschlusswahrscheinlichkeiten seien von vornherein unrealistisch gewesen, hielt die klagende Partei entgegen, dass die Werthaltigkeit dieser potentiellen Aufträge gegeben gewesen sei.

Das Berufungsgericht hat sich mit den in der genannten "Verkaufsübersicht 1999" enthaltenen Angaben deshalb nicht näher auseinandergesetzt, weil zum Zeitpunkt der Unterfertigung des "Letter of Intent" eine Liste mit einer Umsatzprognose von lediglich S 4,4 Mio vorgelegen sei und die beklagte Partei in den Folgemonaten immerhin rund S 1,8 Mio an Umsätzen realisiert habe. Dabei wird aber übersehen, dass es für die Irrtumsanfechtung auf den Zeitpunkt der Unterfertigung dieser Vereinbarung nicht entscheidend ankommen kann. An dieser übereinstimmenden "Absichtserklärung" war die beklagte Partei nicht beteiligt; ihre Gründung wurde erst gerade auf der Basis dieser Vereinbarung in Angriff genommen. Selbst wenn die beklagte Partei im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens ihre Passivlegitimation nicht weiter bestritten und damit zugestanden hat, sie erachte sich inhaltlich an die vor ihrer Entstehung getroffenen Vereinbarungen im Sinne eines rechtsgeschäftlichen Vertragseintritts bzw einer schlüssigen Zustimmung durch ihr nachträgliches Verhalten gebunden, ändert dies nichts daran, dass sie erst zu einem erheblich späteren - aus der Aktenlage nicht feststellbaren - Zeitpunkt zur Vertragspartnerin der klagenden Partei im Sinne der im "Letter of Intent" ins Auge gefassten Unternehmensübernahme werden konnte. Für die Frage einer Irrtumsanfechtung auf Grund eines erheblichen Geschäftsirrtums (hier "Eigenschaftsirrtum" über bereits bestehende, erfolgversprechende Geschäftskontakte) sind nun aber die Tatsachenvorstellungen der maßgeblichen Organe der beklagten Partei zu jenem Zeitpunkt entscheidend, in dem diese - nach Entstehung der Gesellschaft - ihren Willen kundgetan haben, das Unternehmen zu den bereits ausverhandelten Bedingungen zu übernehmen. Als frühestmöglicher Zeitpunkt kommt hier die Entstehung der "Vorgesellschaft" nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags und Übernahme der Aktien durch die Gründer in Betracht (vgl dazu nur Jabornegg in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG3 § 21 Rz 1 ff). Im fortzusetzenden Verfahren wird daher zuerst die Frage nach dem Zeitpunkt der Entstehung der beklagten Partei sowie einer danach auf den Unternehmenserwerb gerichteten (allenfalls schlüssigen) Willenserklärung der in Betracht kommenden Organe zu erörtern sein.Das Berufungsgericht hat sich mit den in der genannten "Verkaufsübersicht 1999" enthaltenen Angaben deshalb nicht näher auseinandergesetzt, weil zum Zeitpunkt der Unterfertigung des "Letter of Intent" eine Liste mit einer Umsatzprognose von lediglich S 4,4 Mio vorgelegen sei und die beklagte Partei in den Folgemonaten immerhin rund S 1,8 Mio an Umsätzen realisiert habe. Dabei wird aber übersehen, dass es für die Irrtumsanfechtung auf den Zeitpunkt der Unterfertigung dieser Vereinbarung nicht entscheidend ankommen kann. An dieser übereinstimmenden "Absichtserklärung" war die beklagte Partei nicht beteiligt; ihre Gründung wurde erst gerade auf der Basis dieser Vereinbarung in Angriff genommen. Selbst wenn die beklagte Partei im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens ihre Passivlegitimation nicht weiter bestritten und damit zugestanden hat, sie erachte sich inhaltlich an die vor ihrer Entstehung getroffenen Vereinbarungen im Sinne eines rechtsgeschäftlichen Vertragseintritts bzw einer schlüssigen Zustimmung durch ihr nachträgliches Verhalten gebunden, ändert dies nichts daran, dass sie erst zu einem erheblich späteren - aus der Aktenlage nicht feststellbaren - Zeitpunkt zur Vertragspartnerin der klagenden Partei im Sinne der im "Letter of Intent" ins Auge gefassten Unternehmensübernahme werden konnte. Für die Frage einer Irrtumsanfechtung auf Grund eines erheblichen Geschäftsirrtums (hier "Eigenschaftsirrtum" über bereits bestehende, erfolgversprechende Geschäftskontakte) sind nun aber die Tatsachenvorstellungen der maßgeblichen Organe der beklagten Partei zu jenem Zeitpunkt entscheidend, in dem diese - nach Entstehung der Gesellschaft - ihren Willen kundgetan haben, das Unternehmen zu den bereits ausverhandelten Bedingungen zu übernehmen. Als frühestmöglicher Zeitpunkt kommt hier die Entstehung der "Vorgesellschaft" nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags und Übernahme der Aktien durch die Gründer in Betracht vergleiche dazu nur Jabornegg in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG3 § 21 Rz 1 ff). Im fortzusetzenden Verfahren wird daher zuerst die Frage nach dem Zeitpunkt der Entstehung der beklagten Partei sowie einer danach auf den Unternehmenserwerb gerichteten (allenfalls schlüssigen) Willenserklärung der in Betracht kommenden Organe zu erörtern sein.

Sollte sich danach ergeben, dass den für die beklagte Partei handelnden Organen zu diesem Zeitpunkt die "Verkaufsübersicht 1999" (Beilage 2) - oder eine inhaltsgleiche mündliche Information - bereits vorlag und sie deren (ungefähre) Richtigkeit ihrer Entscheidung, das Unternehmen der klagenden Partei zu den vorgesehenen Bedingungen zu übernehmen, zu Grunde gelegt haben, wird weiters zu prüfen sein, ob die Prozessbehauptung der beklagten Partei zutrifft, dass es sich dabei schon damals um unrealistische Angaben gehandelt habe und bei seriöser Betrachtung mit erheblich geringeren Umsätzen zu rechnen gewesen wäre. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass - unter Außerachtlassung der bloß mit 10 % Abschlusswahrscheinlichkeit angeführten Vertragsverhandlungen - unter Zugrundelegung der in der genannten Urkunde erwähnten Umsatzzahlen sowie der angeführten Abschlusswahrscheinlichkeit ein prognostizierter Gesamtumsatz von rund S 23,5 Mio in Aussicht gestellt wurde. Selbst wenn den Beteiligten bewusst war, dass diese Zahl nicht "mit Sicherheit" zu erzielen war, so darf doch nicht übersehen werden, dass die Angaben eines Unternehmensverkäufers über seinen "Kundenstock" sowie die mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Umsätze ein nicht unerhebliches Kriterium für die Preisbildung darstellen. Sollte sich daher ergeben - oder von der klagenden Partei zugestanden werden -, dass die in der Liste enthaltenen Zahlen von vornherein insoweit unrealistisch waren, als bei seriöser Einschätzung der Abschlusschancen mit deutlich geringeren Umsätzen zu rechnen war, wird diesem Umstand - unter Berücksichtigung der Differenz zwischen der tatsächlichen und einer realistischen Umsatzprognose - bei einer Preisanpassung im Sinne des § 872 letzter Halbsatz ABGB Rechnung zu tragen sein.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Textnummer

E67168

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0010OB00157.02Y.0930.000

Im RIS seit

30.10.2002

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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