Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Brandl & Talos, Rechtsanwälte-Kommanditpartnerschaft in Wien, wider die beklagten Parteien 1. E***** Gesellschaft mbH, 2. Herbert E*****, geboren am *****, beide ***** 3. Birgit E*****, geboren am *****, und 4. Erna E*****, geboren am *****, sämtliche vertreten durch Dr. Otmar Wacek, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 152.109,47 EUR sA infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 5. Juni 2002, GZ 5 R 65/02v-9, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 8. März 2002, GZ 12 Cg 154/01v-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden ersatzlos aufgehoben.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Prozesskosten.
Text
Begründung:
In der Verhandlungstagsatzung vom 21. 11. 2001 schlossen die Streitteile einen Vergleich, nach dessen Punkt 5 der Vergleich wirksam sein sollte, wenn er nicht bis längstens 17. 12. 2001 mittels beim Erstgericht einlangenden Schriftsatzes widerrufen werde.
Am 17. 12. 2001 langte beim Erstgericht mittels Telefaxeingabe ein "Vergleichswiderruf" durch die beklagten Parteien ein. Am selben Tag wurde ein Schriftsatz, der den Vergleichswiderruf beinhaltete und anwaltlich unterfertigt war, zur Post gegeben. Er langte am 19. 12. 2001 beim Erstgericht ein.
Dieses wies - nach Anberaumung einer in der Folge wieder abberaumten Tagsatzung - den Vergleichswiderruf der beklagten Parteien als verspätet zurück und erklärte den Vergleich vom 21. 11. 2001 für rechtswirksam. Es begründete diese Entscheidung damit, dass der den Vergleichswiderruf beinhaltende Schriftsatz erst am 19. 12. 2001 eingelangt sei, aber nach dem eindeutigen Text des Vergleichs bereits am 17. 12. 2001 hätte einlangen müssen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei. Es vertrat die Ansicht, dass für den Widerruf eines Vergleichs ein Telefax nicht genüge, sofern Gegenteiliges nicht ausdrücklich vereinbart sei. Es solle nach Ablauf einer parteiautonom bestimmten Frist unzweifelhaft feststehen, ob die Vergleichsregelung eintrete oder der Rechtsstreit seinen Fortgang nehmen müsse. Bei Fehlen der Unterschrift auf einem Widerrufsschriftsatz bliebe es über die vereinbarte Widerrufsfrist hinaus in Schwebe, ob die Widerrufserklärung dem Widerrufenden zugerechnet werden könne und ob diese Erklärung endgültig abgegeben worden sei. Ein derartiger Formfehler könne nach Ablauf der Widerrufsfrist nicht saniert werden. Im vorliegenden Fall habe am 17. 12. 2001 dem Parteiwillen entsprechend feststehen sollen, ob die vergleichsweise Regelung Geltung erlangen solle oder nicht. Ließe man eine Verbesserung der Telefax-Eingabe, die naturgemäß nicht mit einer Originalunterschrift versehen sei, zu, käme dies einer Verlängerung der vereinbarten Widerrufsfrist gleich, was aber nicht vom Parteiwillen umfasst gewesen sei.
Der Revisionsrekurs der beklagten Parteien ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
I. Zur Zulässigkeit:römisch eins. Zur Zulässigkeit:
Der Ausspruch des Rekursgerichts, der ordentliche Revisionsrekurs sei jedenfalls unzulässig, ist unrichtig. Es liegt zwar ein zur Gänze bestätigender Beschluss des Rekursgerichts im Sinne des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO vor, doch kommt die Ausnahmebestimmung des zweiten Falls der zitierten Gesetzesstelle zum Tragen:
Die Streitteile haben in der Verhandlungstagsatzung vom 21. 11. 2001 einen (bedingten) Vergleich geschlossen und dessen Rechtswirksamkeit davon abhängig gemacht, dass er nicht bis längstens 17. 12. 2001 mittels beim Erstgericht einlangenden Schriftsatzes widerrufen werde. In der Folge langte der am 17. 12. 2001 zur Post gegebene und mit Telefax von diesem Tag vorangekündigte Vergleichswiderruf der beklagten Parteien am 19. 12. 2001 beim Erstgericht ein. Dieser Widerruf schließt - unabhängig davon, ob er als rechtzeitig anzusehen ist - in sich, dass die beklagten Parteien die Fortsetzung des Verfahrens begehrten, weshalb die vom Obersten Gerichtshof entwickelte Judikatur zur Frage, ob es sich bei der Bestätigung der Abweisung eines Fortsetzungsantrags um einen in dritter Instanz nicht mehr anfechtbaren Beschluss handelt, analog anwendbar ist.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Gleichstellung der Ab- oder Zurückweisung eines Fortsetzungsantrags mit der Zurückweisung einer Klage aus formellen Gründen (nur) dann gerechtfertigt sei, wenn die Verweigerung der Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens gleichzeitig auch die Verweigerung der Sachentscheidung über den Rechtsschutzantrag des Klägers oder des Beklagten bedeutet. Eine Ausnahme vom Anfechtungsausschluss besteht dann, wenn durch einen berufungsgerichtlichen Beschluss die weitere Prozessführung abgeschnitten wird (1 Ob 200/98p; SZ 70/1, EvBl 1997/152; EFSlg 82.309; MietSlg 50.799). Im vorliegenden Fall ist nicht daran zu zweifeln, dass den beklagten Parteien durch die von ihnen angefochtenen Beschlüsse, mit welchen ihr Vergleichswiderruf als verspätet zurückgewiesen und der Vergleich für rechtswirksam erklärt wurde, die Fortsetzung des Verfahrens verweigert und ihr Rechtsschutzanspruch, eine Sachentscheidung zu erlangen, endgültig verneint wurde. Dies hat grundsätzlich zur Folge, dass im Sinne der oben wiedergegebenen Judikatur die bestätigende Entscheidung des Rekursgerichts - eine solche liegt vor, auch wenn das Erstgericht auf das Telefax vom 17. 12. 2001 überhaupt nicht eingegangen ist (vgl MietSlg 46.686; 44.835; 35.817), - anfechtbar ist. Die von der klagenden Partei zitierte Entscheidung 4 Ob 291/01z, 4 Ob 296/01k hatte zum Inhalt, dass der Oberste Gerichtshof die Berichtigung von offensichtlichen Schreibfehlern einer Partei, die das Gericht bei seiner Entscheidung übernommen hatte, nicht als Verweigerung des Zugangs zu Gericht ansah und der Bestätigung der Zurückweisung einer Klage nicht gleichhielt. Dieser Fall ist mit dem hier vorliegenden keinesfalls vergleichbar.Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Gleichstellung der Ab- oder Zurückweisung eines Fortsetzungsantrags mit der Zurückweisung einer Klage aus formellen Gründen (nur) dann gerechtfertigt sei, wenn die Verweigerung der Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens gleichzeitig auch die Verweigerung der Sachentscheidung über den Rechtsschutzantrag des Klägers oder des Beklagten bedeutet. Eine Ausnahme vom Anfechtungsausschluss besteht dann, wenn durch einen berufungsgerichtlichen Beschluss die weitere Prozessführung abgeschnitten wird (1 Ob 200/98p; SZ 70/1, EvBl 1997/152; EFSlg 82.309; MietSlg 50.799). Im vorliegenden Fall ist nicht daran zu zweifeln, dass den beklagten Parteien durch die von ihnen angefochtenen Beschlüsse, mit welchen ihr Vergleichswiderruf als verspätet zurückgewiesen und der Vergleich für rechtswirksam erklärt wurde, die Fortsetzung des Verfahrens verweigert und ihr Rechtsschutzanspruch, eine Sachentscheidung zu erlangen, endgültig verneint wurde. Dies hat grundsätzlich zur Folge, dass im Sinne der oben wiedergegebenen Judikatur die bestätigende Entscheidung des Rekursgerichts - eine solche liegt vor, auch wenn das Erstgericht auf das Telefax vom 17. 12. 2001 überhaupt nicht eingegangen ist vergleiche MietSlg 46.686; 44.835; 35.817), - anfechtbar ist. Die von der klagenden Partei zitierte Entscheidung 4 Ob 291/01z, 4 Ob 296/01k hatte zum Inhalt, dass der Oberste Gerichtshof die Berichtigung von offensichtlichen Schreibfehlern einer Partei, die das Gericht bei seiner Entscheidung übernommen hatte, nicht als Verweigerung des Zugangs zu Gericht ansah und der Bestätigung der Zurückweisung einer Klage nicht gleichhielt. Dieser Fall ist mit dem hier vorliegenden keinesfalls vergleichbar.
Der Oberste Gerichtshof hat aber auch judiziert, dass im Falle der Aktenkundigkeit einer prozessbeendenden Entscheidung oder eines dieser gleichzuhaltenden prozessbeendenden Vergleichs im Verfahren über einen danach gestellten Fortsetzungsantrag die Ausnahmebestimmung des § 528 Abs 2 Z 2 zweiter Fall ZPO nicht anwendbar sei; in einem solchen Fall könne die Frage der Wirksamkeit eines prozessbeendenden Vergleichs bei einer bestätigenden Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (EFSlg 91.073; RZ 1997/18). Den zitierten Entscheidungen lag jeweils zu Grunde, dass ein rechtswirksamer Vergleich aktenkundig war, dessen Rechtswirksamkeit aber aus verschiedenen Gründen (mangelnde Unterschrift der Parteien, keine wirksame Prozessbevollmächtigung des einschreitenden Rechtsanwalts) bekämpft wurde. Dieser Sachverhalt ist mit dem hier zur Beurteilung anstehenden nicht vergleichbar, ist doch ein rechtswirksamer Vergleich nicht aktenkundig. Die Rechtswirksamkeit des von den Streitteilen geschlossenen Vergleichs wurde nämlich vom Eintritt einer Bedingung - dem Nichteinlangen eines Widerrufs bis zu einem bestimmten Zeitpunkt - abhängig gemacht (vgl MietSlg 49.625; 6 Ob 2285/96i).Der Oberste Gerichtshof hat aber auch judiziert, dass im Falle der Aktenkundigkeit einer prozessbeendenden Entscheidung oder eines dieser gleichzuhaltenden prozessbeendenden Vergleichs im Verfahren über einen danach gestellten Fortsetzungsantrag die Ausnahmebestimmung des § 528 Abs 2 Z 2 zweiter Fall ZPO nicht anwendbar sei; in einem solchen Fall könne die Frage der Wirksamkeit eines prozessbeendenden Vergleichs bei einer bestätigenden Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (EFSlg 91.073; RZ 1997/18). Den zitierten Entscheidungen lag jeweils zu Grunde, dass ein rechtswirksamer Vergleich aktenkundig war, dessen Rechtswirksamkeit aber aus verschiedenen Gründen (mangelnde Unterschrift der Parteien, keine wirksame Prozessbevollmächtigung des einschreitenden Rechtsanwalts) bekämpft wurde. Dieser Sachverhalt ist mit dem hier zur Beurteilung anstehenden nicht vergleichbar, ist doch ein rechtswirksamer Vergleich nicht aktenkundig. Die Rechtswirksamkeit des von den Streitteilen geschlossenen Vergleichs wurde nämlich vom Eintritt einer Bedingung - dem Nichteinlangen eines Widerrufs bis zu einem bestimmten Zeitpunkt - abhängig gemacht vergleiche MietSlg 49.625; 6 Ob 2285/96i).
II. In der Sache selbst:römisch II. In der Sache selbst:
Nach § 89 Abs 3 GOG können schriftliche Eingaben an das Gericht auch im telegrafischen Wege erfolgen. Der Oberste Gerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, dass eine durch späteren Schriftsatz bestätigte telegrafische Eingabe bei vereinbarter Schriftform für den Widerruf des gerichtlichen Vergleichs ausreichend ist, also § 89 Abs 3 GOG insoweit Anwendung findet, eine Vereinbarung über die Form des Widerrufs eines gerichtlichen Vergleichs im Zweifel als prozessrechtliche Vereinbarung angesehen werden muss, und demnach die analoge Anwendung des § 89 Abs 3 GOG auf einen im Wege der Telekopie übermittelten Vergleichswiderruf keinen Bedenken begegnet (9 ObA 230/01s mwN; 9 ObA 23/96; JBl 1996, 395; 6 Ob 1697/93; JBl 1979, 266). Im vorliegenden Fall wurde die mittels Telefax erfolgte Eingabe durch einen eigenhändig unterfertigten, noch am selben Tag zur Post gegebenen Folgeschriftsatz bestätigt, weshalb der Vergleichswiderruf rechtzeitig erfolgt ist. Gewiss unterliegt die konkrete Form des Widerrufs der Disposition der Parteien; diese Abrede muss auch nach dem Parteiwillen im Einzelfall ausgelegt werden (9 ObA 230/01s). Den Willen der Parteien, dass § 89 Abs 3 GOG hier nicht Geltung haben sollte, hat die klagende Partei gar nicht behauptet, ein solcher ist dem Vergleichstext auch nicht zu entnehmen. Daher ist der Vergleichswiderruf rechtzeitig. An diesem Umstand kann die Tatsache nichts ändern, dass endgültige Klarheit über die Rechtswirksamkeit des Vergleichs erst nach dem im Vergleich festgelegten letztmöglichen Widerrufstermin erlangt wird, weil der Vergleichswiderruf mittels Telefax eben erst durch den bestätigenden Schriftsatz in Geltung tritt. Diese Vorgangsweise ist nämlich durch § 89 Abs 3 GOG gedeckt, und es wäre an den Parteien gelegen gewesen, diese Möglichkeit des verspäteten Wirksamwerdens des Widerrufs durch entsprechende Vereinbarung auszuschließen. Dies ist aber nicht geschehen. In Wahrheit wird dabei die Widerrufsfrist auch gar nicht verlängert, musste der Widerruf doch bereits am letzten Tag der stipulierten Frist (mittels Telefax) erfolgen; lediglich dessen Wirksamkeit war durch den bestätigenden Schriftsatz der beklagten Parteien bedingt.
Richtig ist, dass nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs die fehlende Unterfertigung eines Widerrufsschriftsatzes nach Ablauf der Widerrufsfrist nicht mehr wirksam nachgeholt werden kann (ArbSlg 12.012 mwN). Die Bestätigung einer mittels Telefax erfolgten Eingabe durch einen eigenhändig unterfertigten Folgeschriftsatz ist aber keine "Nachholung" einer fehlenden Unterfertigung oder eine Verbesserung des Telefax dar, sondern es wird insoweit bloß von einer durch § 89 Abs 3 GOG geschaffenen Möglichkeit der Verfassung schriftlicher Eingaben Gebrauch gemacht (vgl SZ 72/75). Daher können Ausführungen dazu, ob die fehlende Unterfertigung des Widerrufsschriftsatzes nach Ablauf der Widerrufsfrist nicht doch wirksam nachgeholt werden könnte, unterbleiben.Richtig ist, dass nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs die fehlende Unterfertigung eines Widerrufsschriftsatzes nach Ablauf der Widerrufsfrist nicht mehr wirksam nachgeholt werden kann (ArbSlg 12.012 mwN). Die Bestätigung einer mittels Telefax erfolgten Eingabe durch einen eigenhändig unterfertigten Folgeschriftsatz ist aber keine "Nachholung" einer fehlenden Unterfertigung oder eine Verbesserung des Telefax dar, sondern es wird insoweit bloß von einer durch § 89 Abs 3 GOG geschaffenen Möglichkeit der Verfassung schriftlicher Eingaben Gebrauch gemacht vergleiche SZ 72/75). Daher können Ausführungen dazu, ob die fehlende Unterfertigung des Widerrufsschriftsatzes nach Ablauf der Widerrufsfrist nicht doch wirksam nachgeholt werden könnte, unterbleiben.
Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben; die Entscheidungen der Vorinstanzen sind ersatzlos zu beheben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Textnummer
E67172European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:0010OB00178.02M.0930.000Im RIS seit
30.10.2002Zuletzt aktualisiert am
14.02.2011