TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/27 2006/06/0139

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Veröffentlicht am 27.03.2007
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauG Vlbg 2001 §2 Abs1 litk;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde 1. des Mag. G F und 2. der D F, 3. des DI A R, 4. der G R, 5. des A H, 6. der R K, 7. der E H und 8. der G K, alle in H, alle vertreten durch Pitschmann & Santner, Antwaltspartnerschaft in 6800 Feldkirch, Schillerstraße 4, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 6. April 2006, Zl. BHBR-I- 3300.00-2006/0001, betreffend einen Antrag auf Bescheidzustellung in einer Bausache (mitbeteiligte Parteien: 1. H-Verein H, vertreten durch den Obmann L W in H, I-Straße X, 2. Marktgemeinde H, vertreten durch Dr. Eugen Amann, Rechtsanwalt in Bregenz, Rathausstraße 35/a), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er das Vereinsgebäude für den Hundesportverein betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des (Vize-)Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. August 2004 wurde das von der Gemeinde angezeigte Vorhaben für die Errichtung eines "Skateparks" auf einem Grundstück im Gemeindegebiet freigegeben.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. Jänner 2005 wurde (ohne Durchführung einer Bauverhandlung) der erstmitbeteiligten Partei die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Vereinsheimes auf dem selben Grundstück erteilt. In diesem Gebäude sind neben dem Vereinsraum eine Küche, WC-Anlagen sowie ein Lagerraum vorgesehen.

Die Beschwerdeführer, die beiden Bauverfahren nicht beigezogen worden waren, beantragten mit Eingabe vom 8. Mai "2003" (richtig: 2005), ihnen allfällige Baubewilligungen oder Freigabebescheide im Zusammenhang mit diesen Bauvorhaben zuzustellen und brachten dazu vor, dass von diesen Vorhaben gesundheitsgefährdende Schallimmissionen ausgingen (Hinweis auf § 8 des Vorarlberger Baugesetzes - BauG).

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde wies mit Bescheid vom 14. Juli 2005 diesen Antrag ab. Begründend heißt es, das Vereinsheim sowie auch der Skaterplatz seien auf einem Grundstück errichtet worden, das im Eigentum der Marktgemeinde stehe. Die Entfernung zu den nächstgelegenen Wohnhäusern betrage zumindest 180 m. Zwischen dem Vereinsheim und dem Skaterplatz einerseits und den Wohnhäusern andererseits befänden sich die Sportplätze der Sportanlage. Der Skaterplatz diene der Sportausübung. Das Grundstück sei im Flächenwidmungsplan gemäß § 18 Abs. 4 RPG als Freifläche - Sondergebiet mit der Zweckbestimmung Freizeit und Sport ausgewiesen. Nach den "amtsbekannten örtlichen Verhältnissen" sei eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung der Bewohner an einer bestimmten Straße (gemeint sind die Beschwerdeführer) durch das Vereinsheim oder durch den Skaterplatz auszuschließen. Demnach komme den Beschwerdeführern keine Parteistellung in den Bauverfahren zu, sodass sie auch keinen Anspruch auf Zustellung von Baubewilligungs- oder Freigabebescheide hätten.

Mit Bescheid der Berufungskommission der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. Jänner 2006 wurde die von den Beschwerdeführern gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen. Zusammengefasst vertrat die Berufungsbehörde die Auffassung, dass der Skaterplatz lediglich anzeigepflichtig gewesen sei und Nachbarn in einem Anzeigeverfahren keine Parteistellung zukomme. Der Hundesportplatz hingegen sei bereits vor Erbauung des Vereinsheimes in Betrieb genommen worden und es sei mit einer wesentlichen Zunahme der Lärmimmissionen durch den Betrieb dieses Bauwerkes nicht zu rechnen. Daher komme den Beschwerdeführern auch insofern keine Parteistellung zu.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Begründend heißt es insbesondere, das bewilligte eingeschossige Vereinsgebäude habe eine Nettogrundfläche von ca. 118 m2. Der Baueingabe sei zu entnehmen, dass die erstmitbeteiligte Partei mit der mitbeteiligten Gemeinde bzw. mit der H. Sport- und Freizeitanlagen GmbH einen Pachtvertrag für die Nutzung einer ca. 6300 m2 großen Fläche abgeschlossen habe. Damit sei klargestellt, dass Gegenstand des Bauantrages bzw. des Bauverfahrens die Errichtung eines Vereinsheimes gewesen sei. Das Vereinsheim sei von den Wohnhäusern der Beschwerdeführer nach der Aktenlage zwischen etwa 180 und 220 m entfernt. Die Beschwerdeführer seien demnach nicht als Nachbarn anzusehen, weil mit keinen Auswirkungen durch das Vereinsheim bzw. dessen Benützung auf die Grundstücke der Beschwerdeführer zu rechnen sei. Zur Beurteilung dieser Rechtsfrage habe es auch keines Lärmgutachtens bedurft. Der Hundesportplatz als solcher sei hier baurechtlich nicht relevant. Es möge zutreffen, dass der Hundesportplatz bereits vor der Erbauung des Vereinsheimes in Betrieb genommen worden sei und durch den Betrieb des nunmehr errichteten Vereinsheimes nicht mit einer wesentlichen Zunahme der Lärmimmissionen zu rechnen sei. Diese Auffassung der Berufungsbehörde sei jedoch nach dem zuvor Gesagten rechtlich unerheblich. Die belangte Behörde gehe allerdings davon aus, dass durch die Errichtung des neuen Vereinsheimes, welches frühere bauliche Provisorien ("Containerlösung") am selben Standort ersetzt habe, auf Grund der verbesserten Infrastruktur auch ein verstärkter Hundesportbetrieb stattfinde. Es sei mangels Bewilligungspflicht im baulichen Anlagerecht Aufgabe des Bürgermeisters als zuständige Behörde nach dem Veranstaltungsgesetz, unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen für die Nachbarschaft, etwa bei Turnieren oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen des Betreibers hintanzuhalten.

Es treffe daher zu, dass den Beschwerdeführern in diesen Bauverfahren keine Parteistellung zugekommen sei. Hinsichtlich der Skateranlage sei zu Recht ein Bauanzeigeverfahren durchgeführt worden und in diesem komme den Beschwerdeführern ebenfalls keine Parteistellung zu (wurde näher ausgeführt).

Gegen diesen Bescheid, inhaltlich aber nur insoweit, als er das Vereinshaus der Hundesportanlage betrifft, richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Vorarlberger Baugesetz, LGBl. Nr. 52/2001 (BauG), in der Fassung LGBl. Nr. 27/2005 anzuwenden.

§ 2 Abs. 1 BauG enthält Definitionen; in lit k) ist der Begriff "Nachbar" wie folgt umschrieben:

"k) Nachbar: der Eigentümer eines fremden Grundstückes, das zu einem Baugrundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis steht, dass mit Auswirkungen des geplanten Bauwerkes, der geplanten sonstigen Anlage oder deren vorgesehener Benützung, gegen welche die Bestimmungen dieses Gesetzes einen Schutz gewähren, zu rechnen ist; dem Eigentümer ist der Bauberechtigte gleichgestellt;"

§ 8 BauG lautet:

"§ 8

Immissionsschutz

Bauwerke, ortsfeste Maschinen und sonstige ortsfeste technische Einrichtungen dürfen keinen Verwendungszweck haben, der eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung des Nachbarn erwarten lässt. Ob eine Belästigung das ortsübliche Ausmaß übersteigt, ist unter Berücksichtigung der Flächenwidmung am Standort des Bauvorhabens zu beurteilen."

§ 28 Abs. 7 BauG lautet:

"(7) Wenn seit Beginn von Bauarbeiten, die über Vorarbeiten im Sinne des § 27 hinausgehen und die aufgrund einer dem Bauwerber rechtskräftig erteilten Baubewilligung durchgeführt werden, mehr als ein Jahr vergangen ist, verliert eine übergangene Partei, der bis dahin die Baubewilligung nicht zugestellt wurde, ihre Stellung als Partei, sofern sie nicht schon davor die Zustellung des Bescheides beantragt hat."

Entgegen der Auffassung der mitbeteiligten Gemeinde in ihrer Gegenschrift stellt § 2 Abs. 1 lit. k BauG (anders als manche andere Bauordnungen) nicht auf eine bestimmte, ziffernmäßig konkrete Entfernung des fremden Grundstückes zum Baugrundstück ab, sondern auf ein entfernungsmäßig nicht ziffernmäßig bestimmtes räumliches Naheverhältnis; maßgeblich ist daher nicht eine bestimmte Entfernung, sondern, ob mit den in dieser Bestimmung näher umschriebenen Auswirkungen des Vorhabens auf das fremde Grundstück zu rechnen ist. Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeführer eine (allfällige) Parteistellung als Nachbarn (darum geht es zunächst) im Bauverfahren betreffend das Vereinshaus nicht im Sinne des § 42 AVG verlieren konnten, weil keine Bauverhandlung durchgeführt wurde und somit auch keine Kundmachung im Sinne dieses Paragraphen erfolgte. Auch ein Verlust der Parteistellung im Sinne des § 28 Abs. 7 BauG konnte nicht erfolgen, weil die Beschwerdeführer rechtzeitig die Zustellung des Baubewilligungsbescheides begehrt haben.

Es mag allenfalls sein, dass vom projektierten Vereinshaus selbst keine sonderliche Lärmbelastung ausgeht. Allerdings trifft die Auffassung der Beschwerdeführer zu, dass es zur Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens nicht nur auf die unmittelbar vom projektierten Bauwerk ausgehende, sondern auch die vom Bauwerk mittelbar bewirkte Lärmbelastung ankommt (vgl. zu Flutlichtanlagen, die zwar selbst keinen Lärm bewirken, aber eine intensivere Nutzung eines Tennisplatzes ermöglichen, das hg. Erkenntnis vom 19. November 1985, Zl. 84/06/0137, Slg. 11944/A; aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom 22. November 2005, Zl. 2003/05/0121, zur niederösterreichischen Bauordnung, betreffend einen projektgegenständlichen Ballfangzaun zu einem nicht projektgegenständlichen Spielplatz, mwN). Im Beschwerdefall ist bei der gegebenen Verfahrenslage davon auszugehen, dass das geplante Vereinshaus eine bessere und intensivere Nutzung des Hundesportplatzes ermöglichen soll, somit mittelbar zu einer Vermehrung der Lärmimmissionen führen kann. Vorweg kann nicht ausgeschlossen werden, dass unter Bedachtnahme auch auf diese mittelbaren Lärmbelastungen mit "Auswirkungen" im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. k BauG auf die Grundstücke der Beschwerdeführer zu rechnen ist. Gegenteiliges hat sich im Beschwerdefall bislang jedenfalls nicht ergeben, zumal die belangte Behörde eine entsprechende nähere Prüfung (unter Einbeziehung der "mittelbaren Lärmbelastung") abgelehnt hat.

Die belangte Behörde belastete somit den angefochtenen Bescheid, soweit er das Vereinsgebäude betrifft, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003 Rechtswidrigkeit.

Wien, am 27. März 2007

Schlagworte

Baurecht Nachbar Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1 Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006060139.X00

Im RIS seit

11.05.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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