Index
L82000 Bauordnung;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde des Dipl. Ing. K S in W, vertreten durch Dr. Heinz Knoflach, Dr. Eckart Söllner, Dr. Erik R. Kroker, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 1. Juli 2004, Zl. Ve1-8-1/22-5, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien:
1. O G in J, vertreten durch Dr. Hubertus Schuhmacher, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kaiserjägerstraße 18,
2. Marktgemeinde J, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und dem Erstmitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Einkommend beim Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde begehrte der Erstmitbeteiligte (im Folgenden: Bauwerber) mit (undatiertem) Baugesuch unter Anschluss einer Baubeschreibung vom 22. Oktober 2002, von Plänen und weiteren Unterlagen die baubehördliche Bewilligung für den Neubau einer Garage mit vier Stellplätzen auf dem Grundstück Nr. xx der KG J.
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde holte zum Bauvorhaben ein ortsplanerisches Gutachten des DI K. vom 4. November 2002 ein, in dem dieser zum Ergebnis gelangte, das Bauvorhaben entspreche den Bedingungen des § 113 Abs. 2 TROG 2001 und erfülle damit die ortsplanerischen Voraussetzungen zur Erteilung der Baubewilligung. Der hochbautechnische Amtssachverständige Ing. W. äußerte sich in seinem Gutachten vom 24. Oktober 2002 dahingehend, dass das Bauvorhaben bei Einhaltung näher bestimmter Auflagen den Bestimmungen der Tiroler Bauordnung entspreche.
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde erteilte mit Bescheid vom 4. November 2002 gemäß § 50 Abs. 1 iVm § 26 Abs. 6 und 7 TBO 2001 die baubehördliche Genehmigung für das Bauvorhaben nach Maßgabe der Planunterlagen und der Baubeschreibung unter Vorschreibung von Auflagen. Er hielt zunächst fest, dass gemäß § 24 Abs. 1 TBO 2001 die Behörde eine mündliche Verhandlung durchführen könne, wenn dies insbesondere im Hinblick auf Art und Größe des Bauvorhabens, der notwendigen Sachverständigen oder die Anzahl der Parteien und Beteiligten im Interesse einer möglichst raschen und zweckmäßigen Verfahrensabwicklung gelegen sei. Auf Grund der vorgelegten Planunterlagen sei dies im Beschwerdefall nicht erforderlich. Dem Verfahren sei lediglich der hochbautechnische Sachverständige beizuziehen gewesen. Besonderheiten auf Grund der Art und des Umfanges des Bauvorhabens, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig oder zweckmäßig erscheinen ließen, hätten nicht festgestellt werden können. Die Parteienrechte des Nachbarn seien dadurch gewahrt, dass ihm als Partei jedenfalls eine Baubewilligung zuzustellen sei und er eine vermeintliche Verletzung seiner Parteienrechte in der Berufung gegen die Baubewilligung bzw. in weiterer Folge mittels Vorstellung an die Landesregierung und Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geltend machen könne. Da der gegenständliche Bauplatz als Bauland gewidmet sei, ein allgemeiner und ein ergänzender Bebauungsplan nach TROG 2001 noch nicht bestehe, dürfe nach § 113 Abs. 1 leg. cit. abweichend vom § 54 Abs. 5 leg. cit. eine Baubewilligung nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen nach § 113 Abs. 2 leg. cit. gegeben seien. Dem raumordnerischen Gutachten lasse sich entnehmen, dass die normierten Voraussetzungen zu einer konsensmäßigen Bebauung - geordnete Gesamtentwicklung, zweckmäßige Erschließung, zweckmäßige und bodensparende Bebauung - vorlägen. Der Bauplatz befinde sich in einem zusammenhängenden Siedlungsgebiet im Zentrum des Ortes mit überwiegender Einzel- und Mehrfamilienhausbebauung. Ausgehend von der Lage und Form des Bauplatzes stehe die beabsichtigte Bebauung einer geordneten Gesamtentwicklung im Sinne der örtlichen Raumplanung nicht entgegen. Der Bauplatz sei hinsichtlich Wasser-, Abwasser- und Stromver(ent)sorgung voll erschlossen. Das Bauvorhaben stehe in Bezug auf eine zweckmäßige und bodensparende Bebauung im angemessenen Verhältnis zu der Bauplatzgröße von 185 m2. Im Hinblick auf den Schutz des Orts- und Straßenbildes stelle der Baukörper mit einer Bauhöhe von zwei oberirdischen Geschossen ebenfalls keinen Widerspruch zur umgebenden Bebauung dar. Bei Einhaltung der im Spruch angeführten Nebenbestimmungen sei das beantragte Bauvorhaben auf Grund der vorliegenden Gutachten aus öffentlich-rechtlicher Sicht zulässig.
Dagegen erhob (u.a.) der Beschwerdeführer Berufung. Er verwies darauf, Eigentümer des unmittelbar an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes Nr. xx/x der KG J. zu sein, und führte gegen die Baubewilligung ins Treffen, die Behörde habe es unterlassen zu prüfen, ob die Mindestabstände des § 6 TBO 2001 eingehalten würden. Keines der eingeholten Gutachten nehme auf diese Mindestabstände Bezug. Da sein Grundstück unmittelbar an den Bauplatz angrenze, komme ihm gemäß § 25 Abs. 3 lit. d leg. cit. das Recht zu, die Nichteinhaltung der Abstandsbestimmungen des § 6 leg. cit. aufzugreifen und zu rügen. Nach dem Einreichplan solle das Objekt mit einem Abstand von 1 m von der Grundstücksgrenze zu seiner Liegenschaft errichtet werden. Bereits hieraus ergebe sich, dass dem gesetzlichen Mindestabstand nicht entsprochen sei. Das Bauprojekt unterfalle auch keinem der in § 6 leg. cit. genannten Ausnahmetatbestände, weil die erforderlichen Kriterien des § 6 Abs. 6 leg. cit. nicht erfüllt seien. Nach dieser Bestimmung sei das Ausmaß der höchstzulässigen Verbauung der Mindestabstandsflächen mit höchstens 15 % dieser Fläche begrenzt. Diese Marke werde durch das beantragte Objekt überschritten. Im Übrigen werde auch auf die mit einem Garagen- bzw. Abstellbetrieb verbundene unzumutbare Lärmbelästigung mitten im Wohngebiet hingewiesen, bei Durchführung des Bauvorhabens sei auch eine nachhaltig nachteilige Beeinflussung des Orts- und Straßenbildes und der Verkehrssicherheit (Sichtbeeinträchtigung) gegeben. Eine nachteilige Inanspruchnahme seines Grundstückes sei gleichfalls nicht ausgeschlossen, weil ohne entsprechende Sicherungsmaßnahmen mit einem massiven Nachbrechen der Böschung an einem großen Teil der Grundgrenze zu rechnen sei. Die Standsicherheit des auf seiner Liegenschaft befindlichen Hauses sei durch die zu erwartenden Setzungen gefährdet. Ebenso sei mit einer Zerstörung des Zaunes und des Baum- und Strauchbestandes zu rechnen.
Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde hob mit Bescheid vom 23. April 2003 den bei ihm angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG auf und verwies die Angelegenheit zur Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an den Bürgermeister zurück. Er führte aus, für den Bauplatz bestehe kein Bebauungsplan. Gemäß § 5 Abs. 4 TBO 2001 müsste in diesem Fall eine bauliche Anlage von der Verkehrsfläche so weit entfernt sein, dass weder das Orts- und Straßenbild noch die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigt werde. Die Frage der Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs sei regelmäßig durch ein Sachverständigengutachten zu beurteilen. Ein solches Gutachten sei jedoch von der Baubehörde erster Instanz nicht eingeholt worden, weshalb der Sachverhalt im Hinblick auf die genannte Bestimmung nicht ausreichend geklärt werden könne. Die Berufungsbehörde erachte daher eine Aufhebung des Bescheides für notwendig. In der Folge sei eine mündliche Verhandlung durchzuführen, in der dem Nachbarn noch einmal die Möglichkeit einzuräumen sei, zum Ermittlungsverfahren Stellung zu nehmen.
Über Vorstellung des Bauwerbers behob die belangte Behörde diesen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand zurück. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass bei Vorliegen eines mangelhaften Sachverhaltes eine Behebung nach § 66 Abs. 2 AVG nur zulässig sei, wenn eine neuerliche Verhandlung unvermeidlich erscheine, nicht jedoch schon dann, wenn eine Ergänzung des Verfahrens durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich sei. Die diesbezügliche Begründung der Berufungsbehörde greife daher nicht. Es werde deren Aufgabe sein, in dem von ihr zu führenden Ermittlungsverfahren die erforderlichen Stellungnahmen einzuholen.
Der Gemeindevorstand wies in weiterer Folge mit Bescheid vom 2. März 2004 die Berufung (u.a.) des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen führte die Berufungsbehörde aus, die verfahrensgegenständliche Garage sei unter dem Begriff einer oberirdischen baulichen Anlage nach § 6 Abs. 3 lit. a TBO 2001 zu subsumieren und unterstehe hinsichtlich der Abstandsberechnung nicht dem Regime des § 6 Abs. 1 lit. b leg. cit. Nach den Einreichunterlagen überschreite das Objekt auf der dem Grundstück des Beschwerdeführers zugekehrten Seite an keinem Punkt die vom natürlichen Gelände bis Oberkante Dachhaut zulässige Höhe von 2,8 m, betrage doch die maximale Höhe an dieser Seite 2,62 m. Der Beschwerdeführer irre auch mit seiner Aussage, durch das Bauvorhaben würde die höchstzulässige Bebauung in den Mindestabstandsflächen mit maximal 15 % der Bauplatzfläche überschritten. Zum einen sei der Bauplatz zum größten Teil von öffentlichen Verkehrsflächen umschlossen. Die angeführte 15 %- Regelung des § 6 Abs. 6 TBO 2001 sei demgegenüber aber ausschließlich auf die dem Bauplatz angrenzenden Grundstücksflächen anzuwenden, die keine Verkehrsflächen seien. Aus dem Lageplan ergebe sich, dass das geplante Projekt nur zum angrenzenden Grundstück des Beschwerdeführers in den Mindestabstandsbereich von 4 m hineinrage. Ziehe man am nordöstlichsten Eckpunkt des Grundstücks des Beschwerdeführers einen Kreisradius von 4 m, ergebe sich eine durch das Bauvorhaben verbaute Fläche im Mindestabstandsbereich von insgesamt 24,43 m2, das seien 13,2 % der Bauplatzfläche von 185 m2. Das Bauvorhaben sei daher hinsichtlich der 15 %-Regelung des § 6 Abs. 6 TBO 2001 zulässig. Bei dieser Bestimmung handle es sich ausschließlich um eine die Anwendung der Bestimmung des § 6 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 leg. cit. eingrenzende Norm. Ein über diesen Rahmen hinausgehender Anwendungsbereich in dem Sinne, dass eine angenommene Überschreitung der zulässigen 15 % schlichtweg die Unanwendbarkeit der in § 6 leg. cit. normierten Ausnahmetatbestände zur Folge hätte, könne dieser Norm nicht beigemessen werden. Bezüglich der durch das Bauvorhaben befürchteten Emissionsbelastung sei festzuhalten, dass ein Garagengebäude zur Unterbringung von maximal 4 Pkw im Wohngebiet auf jeden Fall zulässig sei. Was die behauptete nachteilige Beeinflussung des Orts- und Straßenbildes sowie der Verkehrssicherheit betreffe, sei es der Berufungsbehörde verwehrt, über andere als subjektiv öffentlich rechtliche Einwendungen abzusprechen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung an die belangte Behörde. Über Ersuchen der Vorstellungsbehörde, den in den Mindestabstandsbereich des Beschwerdeführers fallenden Flächenanteil des Bauvorhabens zu berechnen, erstattete die Landesbaudirektion beim Amt der Tiroler Landesregierung am 4. Mai 2004 eine Stellungnahme, derzufolge dieser Flächenanteil 27,20 m2 betrage. Diese Stellungnahme samt Skizze wurde in Wahrung des Parteiengehörs dem Beschwerdeführer mit der Möglichkeit zur Äußerung übermittelt. Er nahm mit Schreiben vom 1. Juli 2004 dahingehend Stellung, dass die "nunmehrige professionelle Ermittlung der Flächen im Mindestabstandsbereich" zu seiner Grundgrenze das offensichtliche Bestreben des Bauwerbers bestätige, die Grenzwerte maximal auszunützen. Nach der nunmehrigen Ermittlung sei die im Mindestabstandsbereich liegende Fläche noch größer als bisher errechnet und liege "sehr nahe" am bisherigen 15 %-Grenzwert. Er halte es für unabdingbar, auch die dem Grenzwert zu Grunde liegende Bauplatzfläche exakt zu berechnen, um vergleichbare Relationen für die 15 %-Grenze auf derselben Daten- und Ermittlungsbasis zu erhalten. Sollte die Bauplatzfläche den bisher angenommenen Wert von 185 m2 nicht erreichen und der 15 %-Anteil geringer als der von der Landesbaudirektion errechnete Wert von 27,20 m2 sein, wäre das geplante Bauvorhaben zweifellos nicht mehr genehmigungsfähig.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. Juli 2004 wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Sie begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, § 6 Abs. 6 TBO 2001 bestimme u.a., dass die Mindestabstandsflächen von 3 bzw. 4 m nur im Ausmaß von höchstens 15 v.H. der Fläche des Bauplatzes mit oberirdischen baulichen Anlagen im Sinne des Abs. 2 lit. a und Abs. 3 verbaut werden dürften. Das zu bebauende Grundstück grenze lediglich im südöstlichen Bereich an ein Grundstück, welches nicht Verkehrsfläche sei. Diese Seite werde aus dem Zusammentreffen des Baugrundstückes Nr. 1383 mit dem Grundstück des Beschwerdeführers Nr. 270/2 auf einer gemeinsamen Länge von ca. 33 m gebildet. Der Rest des Baugrundstückes werde vom öffentlichen Gut auf Grundstück Nr. 1301/3 umgeben. Da § 5 im Verhältnis zu § 6 TBO 2001 nach der gesicherten Judikatur der Höchstgerichte (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 13. April 1989, Zl. 88/06/0178) als lex spezialis anzusehen sei, sei das Regime des § 6 TBO 2001 lediglich für eine allfällige Verbauung der Mindestabstandsflächen zwischen dem Baugrundstück Nr. 1383 und dem Grundstück des Beschwerdeführers Nr. 270/2 anwendbar. Die flächenmäßige Größe des Baugrundstückes betrage 185 m2. Unter Zugrundelegung der näher dargestellten Berechnungsmethode ergebe sich im Beschwerdefall ein Mindestabstandsflächeneinteil des Bauprojektes von 27,20 m2. Der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 1. Juli 2004 sei entgegenzuhalten, dass er die Gesamtgröße des Bauplatzes von 185 m2 in keiner Lage des Verfahrens in Zweifel gezogen habe, sondern sogar seinen eigenen detaillierten Berechnungen über das Ausmaß der Verbauung durch die gegenständliche Garage zu Grunde gelegt habe. Für die belangte Behörde hätten sich nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür ergeben, dem Erkundungsbeweis des Beschwerdeführers, der im Ergebnis eine Gesamtflächenunschärfe von 3,67 m2 zwar nicht behaupte, aber theoretisch für möglich halte, weiter nachzugehen. Da 15 % der Bauplatzgröße - nämlich 27,75 m2 - nicht erreicht würden, seien die Baubehörden vollkommen zu Recht davon ausgegangen, dass keine Verletzung der Abstandsbestimmung des § 6 Abs. 6 TBO 2001 vorliege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie der Erstmitbeteiligte - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligte Marktgemeinde hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren jedenfalls insoweit beschränkt, als ihm nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen.
Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001), LGBl. Nr. 94 (Wiederverlautbarung), in der Fassung LGBl. Nr. 89/2003 anzuwenden.
§ 25 Abs. 3 und 4 TBO 2001 lauten:
"(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:
a) der Festlegung eines Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;
b)
der Bestimmungen über den Brandschutz;
c)
der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe;
d) der Abstandsbestimmungen des § 6.
(4) Die übrigen Nachbarn sind berechtigt, die Nichteinhaltung der im Abs. 3 lit. a und b genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen".
§ 6 TBO 2001 trifft nähere Bestimmungen über die Abstände baulicher Anlagen von den übrigen Grundstücksgrenzen und von anderen baulichen Anlagen; Abs. 3 und 6 lauten (auszugsweise):
"(3) Folgende bauliche Anlagen oder Bauteile dürfen in die Mindestabstandsflächen von 3 bzw. 4 m ragen oder innerhalb dieser errichtet werden:
a) oberirdische bauliche Anlagen, die ausschließlich dem Schutz von Sachen oder Tieren dienen und deren mittlere Wandhöhe bzw. Höhe auf der der Grundstücksgrenze zugekehrten Seite 2,80 m ... nicht übersteigt, wenn sie in den Mindestabstandsflächen keine Rauchfang-, Abgasfang- oder Abluftgangmündungen aufweisen, einschließlich der Zufahrten; ...
...
(6) Die Mindestabstandsflächen von 3 bzw. 4 m dürfen insgesamt nur im Ausmaß von höchstens 15 v.H. der Fläche des Bauplatzes mit oberirdischen baulichen Anlagen im Sinne des ... Abs. 3 verbaut werden. ... Oberirdische bauliche Anlagen nach Abs. 3 lit. a und b dürfen überdies nur in einem solchen Ausmaß errichtet werden, dass gegenüber den angrenzenden Grundstücken zu jeder Seite hin mindestens die Hälfte der gemeinsamen Grenze von baulichen Anlagen frei bleibt, außer der betroffene Nachbar stimmt einer weitergehenden Verbauung nachweislich zu. ..."
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid zunächst deshalb für rechtswidrig, weil bei dem beschwerdegegenständlichen Bauvorhaben die Bestimmungen über den Brandschutz nicht eingehalten werden bzw. deren Einhaltung nicht gewährleistet sei. Beim Neubau einer Garage handle es sich um eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage im Sinne der Tiroler Bauordnung. Es wäre notwendig gewesen, dem Bauverfahren einen brandtechnischen Sachverständigen beizuziehen, was jedoch verabsäumt worden sei. Die Einhaltung der brandtechnischen Vorschriften sei für den Beschwerdeführer als Eigentümer des unmittelbar an den Bauplatz angrenzenden Grundstückes von immenser Bedeutung.
Dem ist zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer die Nichteinhaltung der Bestimmungen über den Brandschutz erstmals in der Beschwerde einwendet. In seiner Berufung gegen die Baubewilligung vom 4. November 2002, der eine Bauverhandlung nicht voranging, wurden von ihm ausschließlich die Nichteinhaltung der Abstandsbestimmungen des § 6 TBO 2001, Lärm- und Geruchsbelästigung, Beeinflussung des Orts- und Straßenbildes sowie der Verkehrssicherheit durch Sichtbeeinträchtigung und überdies zu befürchtende Setzungen und Rutschungen durch Grabungen geltend gemacht. Davon wurden in der Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 2. März 2004 nur mehr die Nichteinhaltung der Abstandsbestimmungen des § 6 TBO 2001 aufrecht erhalten. Den erstmals im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erhobenen Einwendungen betreffend Brandschutz steht daher das aus § 41 Abs. 1 VwGG ableitbare Neuerungsverbot entgegen. Dies gilt in gleicher Weise für das Beschwerdevorbringen betreffend eine Verbauung der gemeinsamen Grundstücksgrenze von mehr als 50 % im Grunde des § 6 Abs. 6 zweiter Satz TBO 2001. Was die behauptete Durchführung von Abgrabungen in den Mindestabstandsflächen von mehr als 2 m ohne Zustimmung des Nachbarn betrifft, so vermag es keine Mangelhaftigkeit des angefochtenen Bescheides zu begründen, wenn die belangte Behörde sich mit Einwendungen, die in der Vorstellung nicht geltend gemacht wurden, nicht auseinander gesetzt hat. Was schließlich die Einhaltung der Baufluchtlinien, auch zum öffentlichen Weg gemäß § 5 TBO 2001 betrifft, die nach Darstellung der Beschwerde nicht gewährleistet sei, ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass lediglich die Abstandsbestimmungen des § 6 TBO 2001, somit die Abstände baulicher Anlagen von den übrigen Grundstücksgrenzen und von anderen baulichen Anlagen, Gegenstand subjektiv-öffentlich rechtlicher Einwendungen im Sinn des § 25 Abs. 3 lit. d TBO 2001 sein können.
Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, die belangte Behörde habe es unterlassen, amtswegig eine (Neu)Ermittlung der Bauplatzgröße vorzunehmen. Dem ist zu entgegnen, dass sich im Verwaltungsverfahren diesbezüglich keine Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit ergeben haben, zumal die der Entscheidung der Behörden zu Grund gelegte Größe des Bauplatzgrundstückes mit der Größenangabe übereinstimmt, die im Grundbuch aufscheint, und der Beschwerdeführer der von den Behörden angenommenen Größe nicht substantiiert entgegengetreten ist. Es begegnet daher keinen Bedenken, dass die belangte Behörde dieses Flächenausmaß des verfahrensgegenständlichen Bauplatzes ihrer Entscheidung zu Grunde legte. Dass ausgehend von einem Flächenmaß von 185 m2 die höchstzulässige Verbauung der Mindestabstandsflächen mit höchstens 15 % überschritten werde, behauptet auch der Beschwerdeführer nicht.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 27. März 2007
Schlagworte
Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2004060131.X00Im RIS seit
08.05.2007