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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §34b Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Franz Guggenberger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Börsegasse 12, dieser vertreten durch Mag. Georg Bürstmayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 22. Juli 2005, Zl. Senat-FR-05-1027, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer reiste als Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro am 24. November 2002 von Serbien kommend über Ungarn - unter Verwendung eines bis 30. November 2002 gültigen deutschen Visums - in das Bundesgebiet ein und beantragte am 24. März 2003 die Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. Juli 2003 gemäß § 5 AsylG als unzulässig zurückgewiesen, zugleich wurde seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Deutschland verfügt. Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit hg. Beschluss vom 12. April 2005, Zl. 2003/01/0647, abgelehnt.
Der Beschwerdeführer lebte mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen, am 28. April 1989 geborenen Sohn S. in einer Wohnung in Wien, in der die Genannten seit 23. April 2003 polizeilich gemeldet waren. Die Miete wurde (jedenfalls ursprünglich) im Rahmen der dem beschäftigungslosen Beschwerdeführer gewährten Grundversorgung getragen.
Am 27. Juni 2005 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Gewährung von Asyl. Auch diesen Antrag wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 21. Juli 2005 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003 (wegen der Zuständigkeit Deutschlands zur Prüfung des Asylantrages) als unzulässig zurück und wies den Beschwerdeführer gemäß § 5a Abs. 1 und Abs. 4 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Deutschland aus. Die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgeschlossen.
Bereits mit Bescheid vom 13. Mai 2005 hatte die Bundespolizeidirektion Wien gegen den Beschwerdeführer "gemäß § 34b Abs. 1 AsylG" die Schubhaft "zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (§§ 33, 34 FrG) (und) der Abschiebung (§ 56 FrG) angeordnet". Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer in der genannten Wohnung in Wien, in der er angetroffen und danach festgenommen wurde, am 16. Juni 2005 zugestellt. Von da an bis zum 12. Juli 2005 wurde er in Schubhaft angehalten.
Über die dagegen erhobene Beschwerde erklärte der Unabhängige Verwaltungssenat Wien mit Bescheid vom 12. Juli 2005 den genannten Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 13. Mai 2005 sowie die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft für rechtswidrig und sprach aus, dass die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung in Schubhaft nicht gegeben seien. In seiner Begründung verwies er u.a. auf die aufrechte Meldung des Beschwerdeführers und seiner Familie in einer Wohnung, in der er tatsächlich angetroffen worden sei. Deshalb und unter Berücksichtigung der engen Familienbindung liege ein Fall des § 66 Abs. 1 FrG vor, in dem der mit der Schubhaft verfolgte Zweck auch durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden könnte (wurde näher ausgeführt).
Mit Bescheid vom 21. Juli 2005, der noch am selben Tag in Vollzug gesetzt wurde, ordnete die Bezirkshauptmannschaft Baden - ohne Sachverhaltsfeststellungen zu treffen - gegen den Beschwerdeführer (neuerlich) "gemäß § 34b AsylG" und § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung (nach Deutschland) an. "Unter Gesamtwürdigung des vorliegenden Falles (illegale Beschäftigung, illegaler Aufenthalt und Einreise)" sei die Annahme gerechtfertigt, dass sein Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ordnung, insbesondere im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen und einen geordneten Arbeitsmarkt, und das wirtschaftliche Wohl des Landes gefährde. Es sei daher auch die Annahme gerechtfertigt, dass er sich dem behördlichen Zugriff entziehen werde, um die Vollstreckung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme, die vom Bundesasylamt (mit oben erwähntem Bescheid gleichen Datums) erlassen worden sei, zu verhindern oder zumindest erheblich zu erschweren. Die Verhängung der Schubhaft stehe "in einem angemessenen Verhältnis und (sei) im Interesse des öffentlichen Wohles dringend erforderlich".
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Schubhaftbeschwerde gemäß § 67c Abs. 4 AVG iVm § 73 des (bis zum 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, keine Folge und stellte gemäß § 73 Abs. 4 erster Satz FrG fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.
Nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens führte sie in ihrer Begründung - ebenfalls ohne aus einem vorangegangenen Ermittlungsverfahren dazu Sachverhaltsfeststellungen zu treffen - aus, der Beschwerdeführer halte sich illegal im Bundesgebiet auf, "sein Asylverfahren (sei) rechtskräftig negativ abgeschlossen". Er sei mittellos und ohne Beschäftigung. Da der Beschwerdeführer seit August 2003 nicht gewillt sei, dem ihm erteilten behördlichen Auftrag durch Ausreise nach Deutschland nachzukommen, sei die Verhängung der Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung gerechtfertigt. Durch sein Verhalten habe der Beschwerdeführer dokumentiert, dass er nicht gewillt sei, sich an die österreichischen Vorschriften zu halten.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Festzuhalten ist, dass fehlende Ausreisewilligkeit eines Fremden - wie von der belangten Behörde unterstellt - für sich allein die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht rechtfertigen kann. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen, der insbesondere im Fall mangelnder sozialer Verankerung im Inland, die allerdings in einem mängelfreien Verfahren abzuklären wäre, bejaht werden könnte (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2005/21/0301).
Von daher hätte die belangte Behörde Ermittlungen insbesondere zur Wohn- und Familiensituation des Beschwerdeführers anstellen müssen. Da sie das unterlassen und demgegenüber die "Ausreiseunwilligkeit" des Beschwerdeführers in den Vordergrund gestellt hat, musste der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 27. März 2007
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005210381.X00Im RIS seit
03.05.2007