TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/27 2006/21/0334

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Veröffentlicht am 27.03.2007
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
E6J;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

61995CJ0285 Suat Kol VORAB;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
MRK Art7 impl;
VStG §1 Abs1 impl;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des L, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 25. September 2006, Zl. 2 F 222- 2006, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 9 sowie den §§ 61, 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Der Beschwerdeführer sei am 29. Oktober 2001 illegal in einem Lkw versteckt eingereist. Sein Asylantrag vom selben Tag sei mit dem am 3. Jänner 2005 erlassenen rechtskräftigen Bescheid des Bundesasylamtes abgewiesen worden.

Der Beschwerdeführer habe am 14. Oktober 2004 in Graz eine österreichische Staatsangehörige geheiratet; bei dieser Ehe habe es sich gemäß der Aussage der Ehefrau eindeutig um eine Aufenthaltsehe gehandelt. Diese Ehe sei am 12. September 2005 rechtskräftig geschieden worden. Die Ehefrau habe gegen Zahlung von EUR 5.000,-- in die Eheschließung eingewilligt. Sie habe angegeben, dass die Ehe nie vollzogen worden wäre und sie auch nie beim Beschwerdeführer Unterkunft genommen hätte. Dem Beschwerdeführer sei vorerst eine quotenfreie Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger" mit Gültigkeit bis 27. September 2005 erteilt worden.

Somit sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt. Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Vorteile stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar. Eine Nichtigerklärung nach § 23 Ehegesetz sei keine Voraussetzung für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG.

Der Beschwerdeführer habe im Bundesgebiet keine familiären Bindungen und nahen Verwandten und gehe einer "vorübergehenden" Beschäftigung als eine von einer Personalleasingfirma vermittelte Arbeitskraft nach. Mit dem Aufenthaltsverbot komme es zu einem relevanten Eingriff in sein "Privat- und Familienleben", jedoch werde dieser Eingriff dadurch relativiert, dass die seinerzeitige Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen rechtskräftig geschieden worden sei. Er habe den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt als ehemaliger Angehöriger einer österreichischen Staatsbürgerin missbräuchlich durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe erlangt. Somit sei das Aufenthaltsverbot (u.a.) zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dringend geboten. Sein Verhalten lasse ein Charakterbild des Beschwerdeführers erkennen, das zweifelsohne den Schluss rechtfertige, er sei gegenüber den "die Einreise und den Aufenthalt Fremder regelnden und erlassenen Vorschriften bzw. gegenüber der österreichischen Rechtsordnung überhaupt negativ eingestellt". Somit wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes könne nicht Abstand genommen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 FPG insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

Gegen die behördlichen Feststellungen bringt der Beschwerdeführer lediglich vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, seine ehemalige Ehefrau und ihn selbst im Berufungsverfahren anzuhören. Dadurch liege ein relevanter Verfahrensfehler vor, weil nicht auszuschließen sei, dass bei nochmaliger Vernehmung sich die Berufungsbehörde "ein eigenes Bild von der Ehegattin und dem Beschwerdeführer gemacht hätte". Mit diesem Vorbringen kann kein relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt werden, weil im fremdenrechtlichen Administrativverfahren kein Recht auf eine Berufungsverhandlung besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2004, Zlen. 2001/21/0034, 0038) und auch kein Recht darauf, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl. 2002/18/0170); die Beschwerde zeigt inhaltlich keine Argumente gegen die behördliche Beweiswürdigung auf. Es ist auch die weitere Verfahrensrüge unberechtigt, dass der angefochtene Bescheid nicht erkennen lasse, auf Grund welcher Ermittlungsergebnisse die belangte Behörde zu welchen Feststellungen gelangt sei.

Ausgehend von den behördlichen Feststellungen hegt der Gerichtshof keine Bedenken gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt sei. Wenn die Beschwerde darauf verweist, dass eine bestimmte Tatsache für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdengesetz 1997 (iSd § 36 Abs. 2 Z 9 im Gegensatz zu § 60 Abs. 2 Z 9 FPG) nur dann vorgelegen wäre, wenn die Aufenthaltsehe entgeltlich (gemeint: im Sinn einer Geldleistung durch den Fremden selbst) geschlossen wurde, ist diesem Hinweis schon deswegen der Boden entzogen, weil das Aufenthaltsverbotsverfahren unbestritten nach dem FPG fortzuführen war (§ 125 Abs. 1 leg. cit.) und bei den Aufenthaltsverbotstatbeständen ein Rückwirkungsverbot nicht zum Tragen kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2001/18/0128).

Im Blick auf das fremdenrechtliche Fehlverhalten des Beschwerdeführers hegt der Gerichtshof keine Bedenken gegen die behördliche Ansicht, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.

Die Beschwerde bekämpft nicht die - auf Grund der wiedergegebenen Feststellungen zutreffende - Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot nach § 66 iVm § 60 Abs. 6 FPG dringend geboten und im Sinn einer Interessenabwägung zulässig sei.

Soweit der Beschwerdeführer meint, dass er aus dem Beschluss des - durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten - Assoziationsrates vom 19. September 1980, Nr. 1/80, über die Entwicklung der Assoziation, berechtigt sei und demnach zur Entscheidung über die Berufung gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 FPG der Unabhängige Verwaltungssenat für das Bundesland Steiermark zuständig gewesen wäre, ist ihm Folgendes zu entgegnen: Es ist zwar richtig, dass assoziationsintegrierte türkische Staatsangehörige EWR-Bürgern im Sinn des § 9 Abs. 1 Z 1 FPG gleichzustellen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. November 2006, Zl. 2006/21/0217, mit Hinweis auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Oktober 2006, G 26/06 u.a.); eine solche Assoziationsberechtigung kann aber nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 5. Juni 1997, Rs. C-285/95 "Kol", Rnr. 26) durch Täuschungshandlungen nicht erlangt werden. Die Heirat mit einer Österreicherin führt im Übrigen schon deswegen nicht zur angestrebten Zuständigkeit des UVS, weil die Ehe im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt bereits geschieden war.

Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die beantragte Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht - im begehrten Umfang - auf den §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 27. März 2007

Gerichtsentscheidung

EuGH 61995J0285 Suat Kol VORAB

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006210334.X00

Im RIS seit

18.05.2007

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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