Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Oktober 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Teffer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz P***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 9. Juli 2002, GZ 12 Hv 10/02m-33, sowie über dessen Beschwerde gegen den Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das in den Fakten II. 2., 5. und 6. sowie III. unberührt bleibt, in seinen Schuldsprüchen I. 1. und 2., II. 1., 3. und 4. sowie demgemäß im Strafausspruch und der Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das in den Fakten II. 2., 5. und 6. sowie römisch III. unberührt bleibt, in seinen Schuldsprüchen römisch eins. 1. und 2., römisch II. 1., 3. und 4. sowie demgemäß im Strafausspruch und der Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz P***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG (I), sowie der Vergehen nach § 27 Abs 1 und 2 Z 1 SMG (II. 1.), nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (II. 2.), nach § 12 dritter Fall StGB, § 27 Abs 1 sechster Fall SMG (II. 3. und 4.) nach § 15 StGB, § 27 Abs 1 erster Fall SMG (II. 5.) und nach § 27 Abs 1 zweiter Fall SMG (II. 6.) sowie überdies des Vergehens des versuchten schweren Diebstahls nach §§ 15, 127 und 128 Abs 1 Z 4 StGB (III) schuldig erkannt.Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz P***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG (römisch eins), sowie der Vergehen nach § 27 Abs 1 und 2 Z 1 SMG (römisch II. 1.), nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (römisch II. 2.), nach § 12 dritter Fall StGB, § 27 Abs 1 sechster Fall SMG (römisch II. 3. und 4.) nach § 15 StGB, § 27 Abs 1 erster Fall SMG (römisch II. 5.) und nach § 27 Abs 1 zweiter Fall SMG (römisch II. 6.) sowie überdies des Vergehens des versuchten schweren Diebstahls nach §§ 15, 127 und 128 Abs 1 Z 4 StGB (römisch III) schuldig erkannt.
Danach hat er
I. den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) in Verkehr gesetzt, und zwarrömisch eins. den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) in Verkehr gesetzt, und zwar
1. vom Sommer 2000 bis Sommer 2001 in Enns und anderen Orten in zumindest zehn Angriffen durch den Verkauf von insgesamt mindestens drei Kilogramm Cannabiskraut und -harz in Teilmengen an den abgesondert verfolgten Markus K***** sowie in Teilmengen bis zu fünf Gramm Amphetamin,
2. im Sommer 2001 in Enns über einen Zeitraum von rund sechs Wochen in zahlreichen Angriffen durch den Verkauf von weiteren mindestens 300 Gramm Cannabiskraut und -harz sowie rund 40 Gramm Amphetamin an unbekannte Abnehmer;
II. den bestehenden Vorschriften zuwider teilweise als Beteiligter (§ 12 dritter Fall StGB) Suchtgift erworben, zu erwerben versucht, besessen, anderen überlassen oder verschafft, wobei er teils einem Minderjährigen den Gebrauch eines Suchtgiftes ermöglichte und selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als der Minderjährige war, und zwarrömisch II. den bestehenden Vorschriften zuwider teilweise als Beteiligter (§ 12 dritter Fall StGB) Suchtgift erworben, zu erwerben versucht, besessen, anderen überlassen oder verschafft, wobei er teils einem Minderjährigen den Gebrauch eines Suchtgiftes ermöglichte und selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als der Minderjährige war, und zwar
1. vom Sommer 2000 bis Sommer 2001 in Micheldorf in fünf Angriffen durch das Mitführen jeweils eines Säckchens beinhaltend Amphetamin in nicht näher feststellbarer Menge und das unentgeltliche Überlassen von Amphetamin in jeweils geringen Mengen an die abgesondert verfolgten Markus K***** und die am 20. November 1983 geborene Sabine G*****
2. vom Frühjahr bis November 2001 in Enns und anderen Orten in mehreren Angriffen durch den Ankauf von insgesamt rund 200 Gramm Cannabisprodukten sowie insgesamt fünfzehn Gramm Amphetamin vom abgesondert verfolgten Friedrich S*****
3. am 28. September 2001 in Scharnstein durch Vermittlung eines Verkaufes von zumindest zwei Gramm Amphetamin von Friedrich S***** an Klaus M*****
4. im September 2001 an einem unbekannten Ort durch die Vermittlung eines Verkaufes von zumindest 150 Gramm Cannabisharz von (richtig:) Friedrich S***** an Hans H*****
5. am 4. Oktober 2001 in Radstadt mit dem abgesondert verfolgten Markus K***** als Beteiligten durch das Abernten von zehn Stück dem Helmut S***** gehörenden Cannabispflanzen, wobei die Tatvollendung infolge ihrer Betretung unterblieb,
6. am 5. Oktober 2001 in St. Pankraz durch den Besitz von rund 2,5 Gramm Cannabiskraut;
III. am 4. Oktober 2001 in Radstadt mit dem abgesondert verfolgen Markus K***** als Beteiligten dem Helmut Sprung fremde bewegliche Sachen, nämlich zehn Stück Cannabisstauden im Wert von rund 2.875 Euro mit unrechtmäßigen Bereicherungsvorsatz durch Abernten wegzunehmen versucht, wobei die Tatvollendung infolge ihrer Betretung unterblieb.römisch III. am 4. Oktober 2001 in Radstadt mit dem abgesondert verfolgen Markus K***** als Beteiligten dem Helmut Sprung fremde bewegliche Sachen, nämlich zehn Stück Cannabisstauden im Wert von rund 2.875 Euro mit unrechtmäßigen Bereicherungsvorsatz durch Abernten wegzunehmen versucht, wobei die Tatvollendung infolge ihrer Betretung unterblieb.
Gegen die Schuldsprüche I. und II. 3. und 4. richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.Gegen die Schuldsprüche römisch eins. und römisch II. 3. und 4. richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das angefochtene Urteil mit einem nicht geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund behaftet ist, welcher sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkt.
Das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG verwirklicht jenen Täter, welcher eine große Menge Suchtgift (§ 28 Abs 6 SMG) den bestehenden Vorschriften zuwider in Verkehr setzt. Bei Begehung durch mehrere Tathandlungen muss nicht in jedem einzelnen Fall eine große Menge in Verkehr gesetzt werden, das Delikt kann vielmehr auch durch eine Folge von Einzelakten begangen werden, mit denen der Täter den tatbestandsmäßigen Erfolg nach und nach erreicht. Eine solcherart zur Annahme einer Handlungseinheit und damit zur Addition aller tatgegenständlichen Suchtgiftmengen führende fortlaufende Tatbestandsverwirklichung ist dann anzunehmen, wenn die betreffenden Einzelakte objektiv mit einer am einheitlichen Gefahrenbegriff orientierten Kontinuität gesetzt werden und wenn dabei auf der subjektiven Tatseite der zumindest bedingte Vorsatz des Täters jeweils auch den an die bewusst kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekt mitumfasst (Mayerhofer Nebengesetze4 § 28 SMG E 9). Die Zusammenrechnung der Einzelmengen aus einer Serie von Tathandlungen setzt somit voraus, dass der Vorsatz des Täters von vornherein auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte in zehn Einzelakten insgesamt mindestens drei Kilogramm Cannabiskraut und -harz (Faktum I. 1.) und weitere kleine Mengen von Cannabisprodukten und Amphetaminen (Faktum I. 2., II. 1.) in Verkehr gesetzt sowie das Überlassen von Amphetamin und Cannabisharz durch andere vermittelt (Fakten II. 3. und 4.). Zu den Cannabisprodukten stellt das Erstgericht undifferenziert einen durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 5 %, zum Amphetamin hingegen keine Qualitätskriterien fest. Die Grenzmenge beim Wirkstoff THC liegt (entgegen den Urteilsannahmen US 13) bei 20 Gramm.Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte in zehn Einzelakten insgesamt mindestens drei Kilogramm Cannabiskraut und -harz (Faktum römisch eins. 1.) und weitere kleine Mengen von Cannabisprodukten und Amphetaminen (Faktum römisch eins. 2., römisch II. 1.) in Verkehr gesetzt sowie das Überlassen von Amphetamin und Cannabisharz durch andere vermittelt (Fakten römisch II. 3. und 4.). Zu den Cannabisprodukten stellt das Erstgericht undifferenziert einen durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 5 %, zum Amphetamin hingegen keine Qualitätskriterien fest. Die Grenzmenge beim Wirkstoff THC liegt (entgegen den Urteilsannahmen US 13) bei 20 Gramm.
Geht man davon aus, dass beim Faktum I. 1. bei jedem Angriff rund 300 Gramm Cannabiskraut und -harz anderen überlassen wurde, beinhaltet jede Tranche 15 Gramm Reinsubstanz und wurde daher jeweils keine große Menge Suchtgift in Verkehr gesetzt. Damit hätte es aber ausdrücklicher und ausführlicher Feststellungen zur subjektiven Tatseite bedurft, insbesondere ob sich der Vorsatz des Täters auch auf das Inverkehrsetzen einer insgesamt großen Menge Suchtgift und den dafür erforderlichen Additionseffekt erstreckt hat. Die Tatrichter haben aber nur konstatiert, dass sich der Angeklagte im Sommer 2000 entschlossen hat, sich durch den wiederkehrenden Verkauf von Suchtgift eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 5). Zu den Fakten II. 1., 3. und 4. haben sie keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite getroffen. Insbesondere fehlen solche, dass diese Taten, obwohl im selben Zeitraum wie die Fakten I. 1. und 2. begangen, von einem gesonderten Vorsatz getragen waren. Läge dieser aber nicht vor, wären die Taten dem Angeklagten nicht als Vergehen nach § 27 Abs 1 SMG zuzurechnen, vielmehr würden sie bei Vorliegen eines Gesamtvorsatzes vom Verbrechen nach § 28 Abs 2 SMG mitumfasst. Damit gereichen aber die gesonderten Schuldsprüche wegen dieser Taten ohne entsprechende Feststellungen zur subjektiven Tatseite dem Angeklagten zum Nachteil.Geht man davon aus, dass beim Faktum I. 1. bei jedem Angriff rund 300 Gramm Cannabiskraut und -harz anderen überlassen wurde, beinhaltet jede Tranche 15 Gramm Reinsubstanz und wurde daher jeweils keine große Menge Suchtgift in Verkehr gesetzt. Damit hätte es aber ausdrücklicher und ausführlicher Feststellungen zur subjektiven Tatseite bedurft, insbesondere ob sich der Vorsatz des Täters auch auf das Inverkehrsetzen einer insgesamt großen Menge Suchtgift und den dafür erforderlichen Additionseffekt erstreckt hat. Die Tatrichter haben aber nur konstatiert, dass sich der Angeklagte im Sommer 2000 entschlossen hat, sich durch den wiederkehrenden Verkauf von Suchtgift eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 5). Zu den Fakten II. 1., 3. und 4. haben sie keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite getroffen. Insbesondere fehlen solche, dass diese Taten, obwohl im selben Zeitraum wie die Fakten römisch eins. 1. und 2. begangen, von einem gesonderten Vorsatz getragen waren. Läge dieser aber nicht vor, wären die Taten dem Angeklagten nicht als Vergehen nach § 27 Abs 1 SMG zuzurechnen, vielmehr würden sie bei Vorliegen eines Gesamtvorsatzes vom Verbrechen nach § 28 Abs 2 SMG mitumfasst. Damit gereichen aber die gesonderten Schuldsprüche wegen dieser Taten ohne entsprechende Feststellungen zur subjektiven Tatseite dem Angeklagten zum Nachteil.
Die Gewerbsmäßigkeit nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG erfordert, dass der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederkehrendes Inverkehrsetzen einer jeweils großen Menge eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Unerheblich ist dabei jedoch, ob die von der Absicht des Täters auf fortlaufende Einnahmegewinnung umfasste große Suchtgiftmenge auf einmal oder bewusst kontinuierlich in Teilmengen in Verkehr gesetzt werden (JBl 2001/802, 15 Os 139/00 ua). Für eine Unterstellung der Tat unter den ersten Fall des § 28 Abs 3 SMG reichen aber die zitierten Konstatierungen des Schöffensenates zur subjektiven Tatseite nicht aus, weil sie weder die an sich große Menge noch eine bewusst kontinuierliche Begehung in Teilmengen beinhalten.
Die aufgezeigten Feststellungsmängel gereichen dem Angeklagten zum Nachteil und waren daher gemäß § 290 Abs 1 StPO aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde von Amts wegen wahrzunehmen. Daraus ergibt sich, dass sich zu den im Spruch angeführten Fakten eine neue Hauptverhandlung nicht vermeiden lässt, sodass das Urteil in diesem Umfang bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben war. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die keine weiteren Fakten umfassende Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, welche im Übrigen zutreffend eine unzureichende, weil widersprüchliche Begründung zum Schuldspruch II. 4. aufzeigt (vgl US 7 unten sowie 12 oben). Der Beschwerdeführer war demnach mit seinen Rechtsmitteln auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.Die aufgezeigten Feststellungsmängel gereichen dem Angeklagten zum Nachteil und waren daher gemäß § 290 Abs 1 StPO aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde von Amts wegen wahrzunehmen. Daraus ergibt sich, dass sich zu den im Spruch angeführten Fakten eine neue Hauptverhandlung nicht vermeiden lässt, sodass das Urteil in diesem Umfang bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben war. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die keine weiteren Fakten umfassende Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, welche im Übrigen zutreffend eine unzureichende, weil widersprüchliche Begründung zum Schuldspruch II. 4. aufzeigt vergleiche US 7 unten sowie 12 oben). Der Beschwerdeführer war demnach mit seinen Rechtsmitteln auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht insbesondere die subjektive Tatseite zu den einzelnen Anklagepunkten genau zu klären und sodann hiezu mängelfrei begründete Feststellungen zu treffen haben. Diese wird es dann im Sinne der dargestellten Rechtslage neu zu qualifizieren haben. Dabei wird es auch zu beachten haben, dass gemäß § 27 Abs 1 siebenter Fall SMG zu bestrafen ist, wer einem anderen ein Suchtgift den bestehenden Vorschriften zuwider verschafft. Unter Verschaffen ist auch das Vermitteln von Suchtgift zu verstehen. Der Vermittler ist daher nicht Beitragstäter zum Überlassen von Suchtgift durch einen anderen, sondern unmittelbarer Täter im Sinne der zitierten Gesetzesstelle.
Textnummer
E67076European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2002:0150OS00116.02.1010.000Im RIS seit
09.11.2002Zuletzt aktualisiert am
19.10.2010