TE OGH 2002/10/15 4Ob168/02p

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Veröffentlicht am 15.10.2002
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk, sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** KEG, *****, vertreten durch Dr. Walter Breitwieser und Mag. Paul Max Breitwieser, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei Karl W***** OHG, *****, vertreten durch Dr. Christoph Schwab, Rechtsanwalt in Wels, wegen Unterlassung, Duldung und Entfernung (Streitwert 6.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 19. März 2002, GZ 1 R 71/02p-7, womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichts Kirchdorf an der Krems vom 17. Jänner 2002, GZ 3 C 5/02f-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Die Revisionsrekursbeantwortung der klagenden Partei wird als verspätet zurückgewiesen.

2. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:

"Der Antrag der klagenden Partei, der beklagten Partei zur Sicherung des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs auf Unterlassung, Duldung und Entfernung für die Prozessdauer durch einstweilige Verfügung ab sofort

a) zu verbieten, Handlungen vorzunehmen, die es der klagenden Partei unmöglich machen, während der Geschäftszeiten zur Rückseite des Videoautomaten zuzugehen, um dort für den Betrieb des Geräts notwendige Tätigkeiten vorzunehmen, und

b) zu gebieten, etwaige Hindernisse, die sich vor der Rückseite des Videogeräts befinden und Tätigkeiten am bzw im Gerät behindern, zu entfernen,

wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 915,45 EUR (darin 152,57 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekurs- und Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Text

Begründung:

Die klagende Partei bringt vor, sie habe am 9. 3. 2001 von der Voreigentümerin einen im "Almtal Center - P*****" geführten "Videoverleih übernommen (gekauft)"; in diesem Zusammenhang habe sie auch den Untermietvertrag zwischen der A***** GmbH (als Leasingnehmerin des gesamten Almtal Centers) als Untervermieterin und der genannten Voreigentümerin als Untermieterin vom 25. 11. 1999 übernommen, der als Mietobjekt (für die Aufstellung eines Videoautomaten) eine in einem Plan näher bezeichnete Fläche von ca 2 m2 aufweist und die Untermieterin berechtigt, "während der Geschäftszeiten über das Lokal der ... (beklagten Partei) den Videoautomaten rückwärts zu bedienen ...". Die beklagte Partei sei ebenfalls (aufgrund eines Vertrags mit der genannten GmbH) Untermieterin im Objekt "Almtal Center". Nach Übernahme des Videoverleihs habe die klagende Partei - wie vorher auch ihre Rechtsvorgängerin - vorerst ungehindert während der Geschäftszeiten der beklagten Partei durch deren Geschäftslokal zur Rückseite des Videoautomaten gelangen können. In der Folge habe die beklagte Partei ihr den Zutritt verweigert, sodass sie ab 10. 9. 2001 nicht mehr in der Lage sei, die Einnahmen aus dem Automaten zu entnehmen, Störungen zu beheben bzw wichtige Servicearbeiten am Gerät durchführen zu lassen. Obwohl die von ihr um Abhilfe ersuchte gemeinsame Untervermieterin die Berechtigung der Klägerin zum beschriebenen Zugang zur Rückseite des Videoautomaten bestätigt habe, werde ihr der Zugang von der beklagten Partei verwehrt. Durch diese Vorgangsweise der beklagten Partei drohe der klagenden Partei ein unwiederbringlicher Schaden, zumal die Gefahr bestehe, dass Beschädigungen des Videoautomaten - mangels entsprechender Wartung und Reparatur - zu einer Brandgefahr führen könnten. Zur Sicherung ihres mit Klage (auf Unterlassung von Störungshandlungen, Duldung des Zugangs und Entfernung aufgestellter Hindernisse) geltend gemachten Anspruchs solle der beklagten Partei mit einstweiliger Verfügung untersagt werden, sofort jegliche Behinderungen des sicheren Betriebs des Videoautomaten in ihren Geschäftsräumlichkeiten zu unterlassen, und aufgetragen werden, sofort etwaige Hindernisse zu entfernen.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung ohne Anhörung der beklagten Partei. Es erachtete das einleitend dargestellte Vorbringen der klagenden Partei als bescheinigt und meinte rechtlich, die klagende Partei müsse zur Wahrung und Aufrechterhaltung ihrer aus dem Untermietvertrag vom 25. 11. 1999 erwachsenden Ansprüche die Möglichkeit haben, den betriebenen Videoautomaten (unter Benützung der Geschäftsräumlichkeiten der beklagten Partei) von rückwärts zu bedienen, um die Fehlfunktionen am Gerät, die auch Funkenflug und damit Brandgefahr nach sich ziehen könnten, zu verhindern.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs (infolge eines als stichhältig befundenen Abänderungsantrags der beklagten Partei) zulässig sei. Im Verfahren über einen Sicherungsantrag werde nur geprüft, ob der Anspruch auf Sicherung bestehe, nicht aber in einer der Rechtskraft fähigen Weise, ob das zu sichernde Recht selbst der materiellen Rechtslage entspreche. Der Sicherungsanspruch erfordere nicht die "definitive Feststellung des ihm zugrundeliegenden materiellen Rechts", sondern nur dessen Bescheinigung. Aus dem Untermietvertrag vom 25. 11. 1999 sei ein Betretungsrecht der klagenden Partei für die Geschäftsräumlichkeiten der beklagten Partei bescheinigt. Die im Rekurs vermisste Feststellung, dass die beklagte Partei aufgrund ihres eigenen Untermietvertrags nicht zur Duldung des Zugangs und der Tätigkeiten der klagenden Partei verpflichtet sei, sei für die rechtliche Beurteilung nicht wesentlich. Auch sei die in § 381 Z 2 EO umschriebene Gefahr ausreichend bescheinigt.Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs (infolge eines als stichhältig befundenen Abänderungsantrags der beklagten Partei) zulässig sei. Im Verfahren über einen Sicherungsantrag werde nur geprüft, ob der Anspruch auf Sicherung bestehe, nicht aber in einer der Rechtskraft fähigen Weise, ob das zu sichernde Recht selbst der materiellen Rechtslage entspreche. Der Sicherungsanspruch erfordere nicht die "definitive Feststellung des ihm zugrundeliegenden materiellen Rechts", sondern nur dessen Bescheinigung. Aus dem Untermietvertrag vom 25. 11. 1999 sei ein Betretungsrecht der klagenden Partei für die Geschäftsräumlichkeiten der beklagten Partei bescheinigt. Die im Rekurs vermisste Feststellung, dass die beklagte Partei aufgrund ihres eigenen Untermietvertrags nicht zur Duldung des Zugangs und der Tätigkeiten der klagenden Partei verpflichtet sei, sei für die rechtliche Beurteilung nicht wesentlich. Auch sei die in Paragraph 381, Ziffer 2, EO umschriebene Gefahr ausreichend bescheinigt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Revisionsrekurs der beklagten Partei ist berechtigt.

Bis zur Entscheidung eines verstärkten Senats des Obersten Gerichtshofs vom 14. 12. 1989 (SZ 62/204 = WoBl 1990, 42 [Apathy] = JBl 1990, 447 [Spielbüchler] ua) entsprach es stRsp des Obersten Gerichtshofs, dass einem Untermieter der "petitorisch publizianische" Rechtsschutz gegen Dritte nicht zusteht (für viele: EvBl 1947/537; SZ 22/149; SZ 22/208; MietSlg 4.900 und 4.901; WoBl 1990/51, 94 [abl Würth]). In der genannten Entscheidung (in einem Rechtsstreit zwischen zwei, ihre jeweiligen Bestandrechte vom selben Vermieter ableitenden Wohnungsmietern auf Unterlassung von störendem Klopfen an die Zwischendecke) gewährte der verstärkte Senat des Obersten Gerichtshofs in Ausdehnung der zur Klage aus dem rechtlich vermuteten Eigentum gemäß § 372 ABGB gezogenen Analogie auf den Untersagungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB dem Bestandnehmer einer unbeweglichen Sache gegen jede rechtswidrige Beeinträchtigung des Bestandrechts durch Dritte die Unterlassungsklage gegen den Störer und formulierte den Rechtssatz:Bis zur Entscheidung eines verstärkten Senats des Obersten Gerichtshofs vom 14. 12. 1989 (SZ 62/204 = WoBl 1990, 42 [Apathy] = JBl 1990, 447 [Spielbüchler] ua) entsprach es stRsp des Obersten Gerichtshofs, dass einem Untermieter der "petitorisch publizianische" Rechtsschutz gegen Dritte nicht zusteht (für viele: EvBl 1947/537; SZ 22/149; SZ 22/208; MietSlg 4.900 und 4.901; WoBl 1990/51, 94 [abl Würth]). In der genannten Entscheidung (in einem Rechtsstreit zwischen zwei, ihre jeweiligen Bestandrechte vom selben Vermieter ableitenden Wohnungsmietern auf Unterlassung von störendem Klopfen an die Zwischendecke) gewährte der verstärkte Senat des Obersten Gerichtshofs in Ausdehnung der zur Klage aus dem rechtlich vermuteten Eigentum gemäß Paragraph 372, ABGB gezogenen Analogie auf den Untersagungsanspruch nach Paragraph 364, Absatz 2, ABGB dem Bestandnehmer einer unbeweglichen Sache gegen jede rechtswidrige Beeinträchtigung des Bestandrechts durch Dritte die Unterlassungsklage gegen den Störer und formulierte den Rechtssatz:

"Diese Klage kann nicht zum Erfolg führen, wenn der gemeinsame Bestandgeber dem Dritten als Bestandnehmer ein Recht eingeräumt hat, dessen Ausübung zu der Störung führte, und der Dritte dieses Recht gutgläubig erworben hat". Würth (in Rummel3 § 1098 Rz 17 und in der Entscheidungsbesprechung WoBl 1990, 95) vertritt die Auffassung, dass die Rechtsprechung, wonach der petitorische Rechtsschutz zwar dem Bestandnehmer, nicht aber dem Unterbestandnehmer zustehe, nach der Entscheidung des verstärkten Senats nicht mehr aufrecht erhalten werden könne."Diese Klage kann nicht zum Erfolg führen, wenn der gemeinsame Bestandgeber dem Dritten als Bestandnehmer ein Recht eingeräumt hat, dessen Ausübung zu der Störung führte, und der Dritte dieses Recht gutgläubig erworben hat". Würth (in Rummel3 Paragraph 1098, Rz 17 und in der Entscheidungsbesprechung WoBl 1990, 95) vertritt die Auffassung, dass die Rechtsprechung, wonach der petitorische Rechtsschutz zwar dem Bestandnehmer, nicht aber dem Unterbestandnehmer zustehe, nach der Entscheidung des verstärkten Senats nicht mehr aufrecht erhalten werden könne.

Im vorliegenden Fall, dem eine partielle Doppeluntervermietung durch denselben Untervermieter an die (Rechtsvorgängerin der) Klägerin und an die Beklagte zugrunde liegt, kann die Frage, ob auch einem Untermieter (wie einem Mieter) gegenüber einem anderen Untermieter petitorisch-publizianischer Rechtsschutz im Sinne der genannten Entscheidung des verstärkten Senats in Analogie zu § 372 ABGB zukommt, dahingestellt bleiben, weil nach dem als bescheinigt angenommenen Vorbringen der Klägerin beide Parteien ihre Unterbestandrechte von der gleichen Untervermieterin ableiten und der - von der Klägerin vorgelegte - Untermietvertrag der Beklagten diese nicht verpflichtet, der Klägerin oder deren Rechtsvorgängerin den Zugang zum Videoautomaten durch ihr - in Unterbestand genommenes - Geschäftslokal zu gewähren. Der Klägerin stünde nämlich wegen der von der Beklagten vorgenommenen Störung/Behinderung der Nutzung des ihr untervermieteten Gegenstands nur dann ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu, wenn diese ihre Untermietrechte nicht gutgläubig erworben oder die Behinderung trotz vorgängiger Genehmigung der ihre Unterbestandrechte beeinträchtigenden Zutrittsrechte der (Rechtsvorgängerin der) Klägerin vorgenommen hätte. Dafür bieten aber weder das Vorbringen der Klägerin, noch der festgestellte Sachverhalt einen Anhaltspunkt.Im vorliegenden Fall, dem eine partielle Doppeluntervermietung durch denselben Untervermieter an die (Rechtsvorgängerin der) Klägerin und an die Beklagte zugrunde liegt, kann die Frage, ob auch einem Untermieter (wie einem Mieter) gegenüber einem anderen Untermieter petitorisch-publizianischer Rechtsschutz im Sinne der genannten Entscheidung des verstärkten Senats in Analogie zu Paragraph 372, ABGB zukommt, dahingestellt bleiben, weil nach dem als bescheinigt angenommenen Vorbringen der Klägerin beide Parteien ihre Unterbestandrechte von der gleichen Untervermieterin ableiten und der - von der Klägerin vorgelegte - Untermietvertrag der Beklagten diese nicht verpflichtet, der Klägerin oder deren Rechtsvorgängerin den Zugang zum Videoautomaten durch ihr - in Unterbestand genommenes - Geschäftslokal zu gewähren. Der Klägerin stünde nämlich wegen der von der Beklagten vorgenommenen Störung/Behinderung der Nutzung des ihr untervermieteten Gegenstands nur dann ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu, wenn diese ihre Untermietrechte nicht gutgläubig erworben oder die Behinderung trotz vorgängiger Genehmigung der ihre Unterbestandrechte beeinträchtigenden Zutrittsrechte der (Rechtsvorgängerin der) Klägerin vorgenommen hätte. Dafür bieten aber weder das Vorbringen der Klägerin, noch der festgestellte Sachverhalt einen Anhaltspunkt.

Mangels Bescheinigung eines derartigen, der Klägerin zustehenden Unterlassungs-/Beseitigungsanspruchs ist demnach der Sicherungsantrag selbst dann abzuweisen, wenn der Klägerin im Sinne der Entscheidung des verstärkten Senats SZ 62/204 auch als Untermieterin grundsätzlich der petitiorisch publizianische Rechtsschutz zuerkannt würde, zumal ihr Schutz als Unterbestandnehmerin nicht weiter gehen könnte, als der eines Hauptbestandnehmers.

Schon diese Erwägungen führen in Stattgebung des Revisionsrekurses zur Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen in die Abweisung des Sicherungsantrags, weshalb es weiterer Ausführungen zur Frage der Gefahrenbescheinigung gemäß § 381 Z 2 EO nicht mehr bedarf.Schon diese Erwägungen führen in Stattgebung des Revisionsrekurses zur Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen in die Abweisung des Sicherungsantrags, weshalb es weiterer Ausführungen zur Frage der Gefahrenbescheinigung gemäß Paragraph 381, Ziffer 2, EO nicht mehr bedarf.

Die nach Ablauf der in § 402 Abs 2 EO normierten 14-Tage-Frist erstattete Revisionsrekursbeantwortung ist als verspätet zurückzuweisen.Die nach Ablauf der in Paragraph 402, Absatz 2, EO normierten 14-Tage-Frist erstattete Revisionsrekursbeantwortung ist als verspätet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 50, 41 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf den Paragraphen 78,, 402 Absatz 4, EO in Verbindung mit Paragraphen 50,, 41 ZPO.

Textnummer

E67015

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2002:0040OB00168.02P.1015.000

Im RIS seit

14.11.2002

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2014
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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