TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/27 2005/06/0312

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Veröffentlicht am 27.03.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
25/02 Strafvollzug;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

StVG §107 Abs1 Z10;
StVG §107 Abs1 Z5;
StVG §109 Z5;
StVG §114 Abs3 Z2;
StVG §26 Abs1;
StVG §33 Abs1;
VStG §22 Abs1;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde des AG in G, vertreten durch Mag. Franz Steiner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 19/III, gegen den Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Graz vom 7. Juli 2005, Vk 32/05-5, betreffend Ordnungswidrigkeiten gemäß StVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Hinblick auf den Ausspruch über die Strafe wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Leiters der Justizanstalt GJ vom 14. April 2005 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe:

     "1)        am 12.04.2005 den ihm durch den Kdt. der

ho. Abteilung Freigang, BInsp. H... R... erteilten Anordnungen,

jedwede Abweichungen von der Wegstrecke von und zum Ort des

Arbeitseinsatzes sowie jegliche Entfernungen vom Arbeitsort zu

unterlassen, keine Folge geleistet, indem G... (der

Beschwerdeführer) sich während seines Arbeitseinsatzes als Freigänger am Vormittag des genannten Tages in die Justizanstalt G-K begab, um bei einem do. leitenden Vollzugsbediensteten vorzusprechen;

2) seit 10.04.2005 einen Radio-CD Player sowie seit einem nicht mehr bestimmbaren Zeitpunkt Mitte bis Ende März 2005 ein zugeschliffenes und -gespitztes Messer mit einer Klingenlänge von ca. 12 cm in seinem Gewahrsam gehabt, wobei die Gegenstände jeweils von Mitinsassen übernommen wurden."

Er habe dadurch Ordnungswidrigkeiten nach

1)

§ 107 Abs. 1 Z. 10 StVG i.V.m. § 26 Abs. 1 StVG und

2)

§ 107 Abs. 1 Z. 5 StVG i.V.m. § 33 Abs. 1 StVG

begangen. Über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 109 Z. 5 StVG und § 114 Abs. 3 Z. 2 StVG zu 1.) und 2.) jeweils die Ordnungsstrafe des strengen Hausarrestes in der Dauer von 7 Tagen mit Entzug der Arbeit verhängt.

Die belangte Behörde gab der dagegen erhobenen Beschwerde des Beschwerdeführers dahin Folge, "dass die Ordnungsstrafe auf 7 (sieben) Tage strengen Hausarrest mit Entzug der Arbeit herabgesetzt wird".

Die belangte Behörde führte im Wesentlichen aus, dass sie die Feststellungen der erstinstanzlichen Behörde hinsichtlich der dem Strafgefangenen von BI H.R. erteilten Belehrungen zum Freigang übernehme. Demnach sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer dahingehend belehrt worden sei, dass jegliche Abweichungen von den vereinbarten Wegstrecken von und zur Arbeit sowie eine Entfernung vom Arbeitsort eine Ordnungswidrigkeit darstelle. Den diesbezüglichen Angaben des BI H.R. komme schon deshalb Glaubwürdigkeit zu, weil diese Belehrungen als notorische Routinemaßnahmen der Beamten zu betrachten seien. Dem Einwand des Beschwerdeführers, dass er sich an die entsprechende Belehrung nicht mehr erinnern könne, komme keine Glaubwürdigkeit zu. Dies liege zunächst schon daran, dass es jedem Strafgefangenen, der unbewachte Außenarbeiten durchführe, bewusst sein müsse, dass eine Entfernung vom Arbeitsort bzw. eine Abweichung von der mit dem Vollzugsbeamten vereinbarten Wegstrecke von und zur Arbeit nicht in Betracht komme, weil den Strafgefangenen durch den Freigang nur die Möglichkeit der Arbeit außerhalb der Justizanstalt geboten werden sollte, während der Freigang keinesfalls eine Situation bewirken könne, in der der Strafgefangene wie auf freiem Fuß nach Gutdünken seine Erledigungen durchführen könne. Das Aufsuchen der Justizanstalt G-K stelle daher die Ordnungswidrigkeit gemäß § 107 Abs. 1 Z. 10 i.V.m. § 26 Abs. 1 StVG dar. Der Einwand des Beschwerdeführers, wonach sein Aufenthaltsort und Arbeitsplatz nicht genau bestimmbar wären, schlage schon deshalb nicht durch, weil ein Besuch der Justizanstalt G-K jedenfalls außerhalb seines bestimmten Aufenthaltsortes und Arbeitsplatzes liege.

Auch an den Feststellungen der erstinstanzlichen Behörde hinsichtlich des Schuldspruches zu Punkt 2. bestünden keine Zweifel. Es sei unbestritten, dass die beiden beim Beschwerdeführer vorgefundenen Gegenstände ihm nicht ordnungsgemäß überlassen worden seien. Dabei sei es nicht von Bedeutung, ob in der fraglichen Zeit die Radioempfangsanlage der Außenstelle der Justizanstalt G-J gestört gewesen sei oder nicht, da gemäß § 33 Abs. 1 StVG die Strafgefangenen nur die ihnen ordnungsgemäß überlassenen Gegenstände in ihrem Gewahrsam haben dürften.

Was die Sanktion betreffe, könne die mangelnde Schuldeinsicht keinesfalls als erschwerend gewertet werden, weil es dem Strafgefangenen auch im Verfahren über Ordnungswidrigkeiten freistehe, seine Verantwortung zur Sache nach seinem Gutdünken zu wählen. Weiters sei dabei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer sein ordnungswidriges Verhalten im Zusammenhang mit dem Freigang "nur" dazu benützt habe, um eine andere Justizanstalt zwecks Besprechung einer allfälligen Verlegung aufzusuchen. In Anbetracht der zu Gunsten des Strafgefangenen vorzunehmenden Bewertung der Erschwerungsgründe erscheine die Verhängung eines zweiwöchigen strengen Hausarrestes, verbunden mit dem Entzug der Arbeit in Anbetracht der Höchststrafe von 4 Wochen als unangemessen hoch. Die Sanktion sei daher schuld- und tatangemessen auf die Hälfte zu reduzieren.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall kommt das Strafvollzugsgesetz (StVG), BGBl. Nr. 144/1969, in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2004, zur Anwendung.

Gemäß § 26 Abs. 1 StVG haben die Strafgefangenen den Anordnungen der im Strafvollzug tätigen Personen Folge zu leisten. Sie dürfen die Befolgung von Anordnungen nur ablehnen, wenn die Anordnung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstößt oder die Befolgung dagegen verstoßen oder offensichtlich die Menschenwürde verletzen würde.

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung haben die Strafgefangenen alles zu unterlassen, was die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt oder sonst die Verwirklichung der Grundsätze des Strafvollzuges gefährden könnte. Sie haben sich so zu benehmen, wie es der Anstand gebietet.

Gemäß § 33 Abs. 1 leg. cit. dürfen die Strafgefangenen weder Geld noch andere als die ihnen bei der Aufnahme belassenen oder später ordnungsgemäß überlassenen Gegenstände in ihrem Gewahrsam haben.

     Gemäß § 107 Abs. 1 leg. cit. begeht der Strafgefangene eine

Ordnungswidrigkeit, der entgegen den Bestimmungen dieses

Bundesgesetzes vorsätzlich

     "5.        Gegenstände in seiner Gewahrsame hat,

     ...

     10.        sonst den allgemeinen Pflichten der

Strafgefangenen nach § 26 zuwiderhandelt."

Gemäß § 109 leg. cit. kommt als eine Strafe für Ordnungswidrigkeiten gemäß Z. 5 der Hausarrest in Betracht.

Gemäß § 114 Abs. 1 StVG darf die Strafe des einfachen oder strengen Hausarrestes nur bei Überwiegen erschwerender Umstände verhängt werden. Der Hausarrest darf vier Wochen nicht übersteigen.

Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung ist, wenn strenger Hausarrest verhängt wird, im Straferkenntnis für die Dauer des Hausarrestes zumindest eine der nachstehend angeführten Maßnahmen anzuordnen:

1. Beschränkung der Zeit, in der der Haftraum künstlich beleuchtet wird;

2. Entzug der Arbeit.

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass ihm der Aktenvermerk vom 14. April 2005, in dem das Ergebnis der Einvernahme des BI H.R. festgehalten worden sei, nicht zur Kenntnis gebracht worden sei.

Dem ist entgegenzuhalten, dass dieser Aktenvermerk dem Beschwerdeführer offensichtlich bekannt gemacht wurde, da er in seiner Einvernahme am 14. April 2004 dazu inhaltlich Stellung genommen hat. Abgesehen davon ist der Inhalt dieses Aktenvermerkes im erstinstanzlichen Straferkenntnis wiedergegeben, sodass es dem Beschwerdeführer auch im Rahmen der Berufung entsprechend möglich war, dazu Stellung zu nehmen.

Der belangten Behörde kann weiters nicht entgegengetreten werden, wenn sie von der Glaubwürdigkeit der Aussage des BI H.R. ausging, nach der der Beschwerdeführer vor Arbeitsantritt darüber belehrt worden sei, dass jegliche Abweichung von den vereinbarten Wegstrecken von und zum jeweiligen Arbeitsbereich des Strafgefangenen, sowie eine Entfernung vom Arbeitsort eine Ordnungswidrigkeit darstellen würde und demnach auch den Verlust des Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen könnte.

Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang eine Erklärung des ehemaligen Arbeitgebers des Beschwerdeführers M.P. vorlegt, wird auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot hingewiesen. Abgesehen davon konnte dieser Zeuge zu der von H.R. erfolgten Belehrung des Beschwerdeführers, bei der er nicht anwesend war, jedenfalls keine Aussage machen. Um eine Neuerung handelt es sich auch, wenn der Beschwerdeführer nunmehr in der Beschwerde rügt, dass er keinen Radio-CD-Player, sondern lediglich ein einfaches Radioempfangsgerät in Gewahrsam gehabt habe. Selbst wenn aber das in Frage stehende Gerät, das der Beschwerdeführer entgegen § 33 Abs. 1 StVG in der Gewahrsame hatte, nur ein Radioempfangsgerät ist, das die Behörden als Radio-CD-Player bezeichneten, handelte es sich um ein und dasselbe Gerät, auf das sich der Vorwurf der Ordnungswidrigkeit bezog.

Weiters spielt es für die verfahrensgegenständlichen Ordnungswidrigkeiten keine Rolle, wenn sich im Küchenbereich des Freigängerhauses Messer unterschiedlicher Art befänden. Dasselbe gilt für die Gründe, warum der Beschwerdeführer unbedingt in eine andere Justizanstalt verlegt werden wollte.

Wenn der Beschwerdeführer meint, es sei ihm keine Weisung erteilt worden, wo er sich in seiner Mittagspause aufhalten müsste, ist ihm entgegenzuhalten, dass ihm nach der als glaubwürdig anerkannten Aussage des Kommandanten der Abteilung Freigang ohne Einschränkung eine Entfernung vom Arbeitsort untersagt worden war.

Was die Tatbildmäßigkeit und das Verschulden des Strafgefangenen betrifft, ist für den Verwaltungsgerichtshof somit keine Rechtswidrigkeit zu erkennen.

Zur Strafe:

Es erweist sich aber als rechtswidrig, wenn die belangte Behörde ungeachtet des Umstandes, dass es sich um zwei Ordnungswidrigkeiten und um zwei in diesem Zusammenhang verhängte Sanktionen gegangen ist, nur eine Strafe offenbar für beide Ordnungswidrigkeiten erlassen hat. Gemäß dem in § 22 Abs. 1 VStG verankerten sogenannten Kumulationsprinzip ist für jedes geahndete Delikt, wenn kein fortgesetztes Delikt vorliegt, eine gesonderte Strafe auszusprechen (vgl. die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, S 412 f, angeführte hg. Judikatur zum Kumulationsprinzip).

Der angefochtene Bescheid war daher, was den Ausspruch der Strafe betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. März 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005060312.X00

Im RIS seit

27.04.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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