TE Vfgh Beschluss 2002/10/7 V48/99 ua

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Veröffentlicht am 07.10.2002
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Telfs vom 27.02.98
Örtliches Raumordnungskonzept der Marktgemeinde Telfs vom 27.02.98

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung eines Flächenwidmungsplanes hinsichtlich der Freilandwidmung eines Grundstücks infolge Anhängigkeit eines gerichtlichen Verfahrens bzw auf Aufhebung des örtlichen Raumordnungskonzeptes mangels Eingriffs in die Rechtssphäre eines Grundeigentümers

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Der Antragsteller begehrt gemäß Art139 B-VG, der Verfassungsgerichtshof möge

"a) das vom Gemeinderat der Marktgemeinde Telfs am 27.2.1998 beschlossene örtliche Raumordnungskonzept, aufsichtsbehördlich mit Beschluß der Tiroler Landesregierung vom 26.5. und darüber ausgestelltem Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 27.5.1998, Zl. Ve1-546-357/74-11, genehmigt, sowie

b) den vom Gemeinderat der Marktgemeinde Telfs am 27.2.1998 beschlossenen Gesamtflächenwidmungsplan für die Marktgemeinde Telfs, aufsichtsbehördlich genehmigt aufgrund des Beschlusses der Tiroler Landesregierung vom 30.6.1998, gemäß dem hierüber ergangenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 1.7.1998, Zl. Ve1-546-357/90-2,

jeweils jedoch nur hinsichtlich des Grundstückes Nr.2738 GB Telfs"

als gesetzwidrig aufheben.

2. Zur Begründung seiner Antragslegitimation bringt der Antragsteller vor, er sei Eigentümer des Grundstücks Nr. 2738 EZl. 87 GB Telfs. Im angefochtenen örtlichen Raumordnungskonzept (in der Folge: ROK) sei dieses Grundstück nicht als Bauland vorgesehen, obwohl es seit dem Jahre 1979 als Bauland gewidmet gewesen sei. Im angefochtenen "Gesamtflächenwidmungsplan" (in der Folge: FlWPl) sei das Grundstück - dem ROK entsprechend - als Freiland im Sinne des §41 TROG 1997 ausgewiesen. Durch diese Neufestlegung im ROK wie auch im FlWPl werde der Antragsteller tatsächlich und ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung bzw. ohne Erlassung eines Bescheides in seinen Rechten aktuell beeinträchtigt und verletzt.

Das BG Telfs habe in seinem Beschluss vom 28. Dezember 1998 den Antrag des Antragstellers auf Einräumung eines Notweges, bestehend in der Dienstbarkeit eines Geh- und Fahrrechtes über die Grundstücke Nr. 2739/16 EZl. 2970 und Nr. 2739/1 EZl. 3050, je GB Telfs, mit der Begründung abgewiesen, dass ein Bedürfnis der notleidenden Liegenschaft auf Einräumung eines Notweges nicht mehr in Betracht komme, da das Grundstück des Antragstellers durch den seit 22. Juli 1998 rechtskräftigen FlWPl in Freiland rückgewidmet worden sei. Für die landwirtschaftliche Nutzung seines Grundstücks stehe dem Antragsteller ein landwirtschaftlicher Bringungsweg zu. Dieser Beschluss sei in Rechtskraft erwachsen.

Dem Antragsteller stehe ein [anderer] zumutbarer Weg zur Bekämpfung des ROK und bzw. oder des FlWPl nicht zur Verfügung. Die Möglichkeit der Einbringung eines förmlichen Baubewilligungsansuchens im Sinne der Tiroler Bauordnung, letztlich nur zu dem Zweck, einen abweislichen Bescheid zu erhalten, sei dem Antragsteller nicht zuzumuten.

3. Zur Begründung der Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnungen führt der Antragsteller aus, die Freilandausweisung seines Grundstücks stelle eine Inselwidmung dar. Alle angrenzenden Flächen seien als Bauland bzw. Wohngebiet gewidmet. Sowohl westseitig als auch süd- und ostseitig grenze an das Grundstück bestehende Verbauung an; lediglich im Norden befänden sich unverbaute Flächen, die allerdings im ROK wie auch im alten und im angefochtenen FlWPl als Bauland-Wohngebiet gewidmet seien. Es sei für den Antragsteller nicht ersichtlich, weshalb bei der seit 1979 unveränderten Situation plötzlich eine Rückwidmung nur sein Grundstück betreffend erfolge. In der Gemeinderatssitzung zur Beschlussfassung über ROK und FlWPl sei ausgesprochen worden, dass bei Vorhandensein einer rechtlich gesicherten Zufahrt einer Baulandausweisung nichts entgegenstehen würde. Die von der Gemeinde gegen eine weitere Baulandwidmung eingewendete fehlende verkehrsmäßige Erschließung sei in §37 ROG nicht als Ausschließungsgrund vorgesehen.

4. Die Tiroler Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, die Anträge zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

5. Die Marktgemeinde Telfs legte die Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung.

6. Der Antragsteller erstattete eine Replik auf diese Äußerungen.

II. Die Anträge sind nicht zulässig.

1. Zum Antrag auf Aufhebung des FlWPl:

1.1. Der Antragsteller weist selbst darauf hin, dass das BG Telfs in seinem Beschluss vom 28. Dezember 1998 seinen Antrag auf Einräumung eines Notweges, bestehend in der Dienstbarkeit eines Geh- und Fahrrechtes über die Grundstücke Nr. 2739/16 EZl. 2970 und Nr. 2739/1 EZl. 3050, je GB Telfs, mit der Begründung abgewiesen habe, dass ein Bedürfnis der notleidenden Liegenschaft auf Einräumung eines Notweges nicht mehr in Betracht komme, da das Grundstück des Antragstellers durch den seit 22. Juli 1998 "rechtskräftigen" FlWPl in Freiland rückgewidmet worden sei. Dieser Beschluss sei in Rechtskraft erwachsen.

1.2. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist eine solche Antragslegitimation bei der Anfechtung von Flächenwidmungsplänen durch den Grundeigentümer in Tirol zwar im Regelfall gegeben (s. die mit VfSlg. 9260/1981 beginnende Judikatur, in der Folge zB VfSlg. 10.278/1984, 10.560/1985 und 10.711/1985). Diese Rechtsprechung gilt aber im Hinblick auf den subsidiären Charakter des Rechtsbehelfs nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG und der ansonsten eintretenden Doppelgleisigkeit des Rechtschutzes (vgl. hiezu zB VfSlg. 11.684/1988) nicht uneingeschränkt.

1.3. Das Prinzip der Subsidiarität des Individualantrages führt nämlich dazu, dass er - außer bei Vorliegen besonderer, außergewöhnlicher Umstände, die aber hier nicht gegeben sind - auch dann nicht zulässig ist, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren anhängig war, in dem Gelegenheit geboten war, die Bedenken gegen die betreffende Norm an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (s. hiezu VfSlg. 11.114/1986, 12.754/1991). Eine solche Gelegenheit hätte der Antragsteller in dem oben angeführten, das hier maßgebliche Grundstück betreffende - auch noch gar nicht lange zurückliegenden - zivilgerichtlichen Verfahren gehabt: Das Gericht hat die angefochtene Verordnung denkmöglicher Weise angewendet (zur Baulandausweisung des notleidenden Grundstücks im Flächenwidmungsplan als Voraussetzung für die Einräumung eines Notweges gemäß dem Gesetz vom 7. Juli 1896 betreffend die Einräumung von Notwegen vgl. die Judikaturnachweise bei Egglmeier, bbl 1998, 62 ff) und hätte daher - ggf. auf Anregung des Antragstellers - gemäß Art89 Abs2 B-VG den Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Verordnung beim Verfassungsgerichtshof zu stellen gehabt, wenn es gegen die Anwendung der Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken gehabt hätte.

1.4. Der Antrag auf Aufhebung des FlWPl ist daher mangels Legitimation des Antragstellers zurückzuweisen.

2. Zum Antrag auf Aufhebung des ROK:

2.1. Das ROK begründet keine Rechte oder Pflichten eines Grundeigentümers; vielmehr sind die Ziele des ROK bei Erlassung des Flächenwidmungsplans (vgl. §35 Abs1 TROG 2001) und der Bebauungspläne (vgl. §54 Abs1 TROG 2001), die allein subjektive Rechte und Pflichten von Grundeigentümern begründen, durch die Gemeinde zu berücksichtigen. Das ROK greift somit nicht in die Rechtssphäre des Antragstellers ein.

2.2. Der Antrag auf Aufhebung des ROK ist daher mangels Legitimation des Antragstellers zurückzuweisen.

3. Diese Beschlüsse konnten in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung vom Verfassungsgerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

Raumordnung, Flächenwidmungsplan, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:V48.1999

Dokumentnummer

JFT_09978993_99V00048_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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