Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1997 §8;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2006/21/0184Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/15, gegen die Bescheide der Bundespolizeidirektion Wien je zur Zl. III-1076981/FrB/06 vom 31. Mai 2006 betreffend Durchsetzungsaufschub (hg. Zl. 2006/21/0183), und vom 22. Juni 2006 betreffend Abschiebungsaufschub (hg. Zl. 2006/21/0184),
Spruch
1. den Beschluss gefasst:
Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 31. Mai 2006 betreffend Durchsetzungsaufschub wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 190,95 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. zu Recht erkannt:
Der Bescheid vom 22. Juni 2006 betreffend Abschiebungsaufschub wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem erstangefochtenen Bescheid vom 31. Mai 2006 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines pakistanischen Staatsangehörigen, vom 14. April 2006 auf Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes "gemäß § 67 Abs. 1 FPG iVm. § 86/3 FPG" im Wesentlichen mit folgender Begründung ab:
Gegen den Beschwerdeführer sei gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 9 FPG ("Aufenthaltsehe") am 29. März 2006 ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. In diesem Verfahren sei derzeit eine Berufung bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien anhängig. § 67 Abs. 1 FPG ziele darauf ab, dass einem Fremden ein Durchsetzungsaufschub gewährt werden könne, den er zur Regelung seiner persönlichen Verhältnisse benötige. Dazu habe der Beschwerdeführer angeführt, dass er noch eine Vielzahl persönlicher Belange zu erledigen habe, welche durch eine sofortige Abreise verhindert würden, wodurch der Beschwerdeführer und "verbleibende Personen" erheblichen Schaden erleiden würden. Dazu werde seitens der belangten Behörde festgestellt, dass es sich bei der Eheschließung lediglich um eine Aufenthaltsehe gehandelt habe; auf Grund der hohen Beispielwirkung seines Verhaltens auf andere Fremde sei die sofortige Ausreise im öffentlichen Interesse zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung erforderlich. Ein Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet würde in hohem Maß eine Störung der bereits angesprochenen Ordnung hervorrufen.
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid vom 22. Juni 2006 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 14. April 2006 auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 46 FPG im Wesentlichen mit folgender Begründung ab:
Der Beschwerdeführer sei am 5. September 2001 illegal in das österreichische Bundesgebiet gelangt. Sein Asylantrag vom 7. September 2001 sei letztinstanzlich mit Bescheid vom 18. Dezember 2001 "gem. § 6 und § 8 Asylgesetz" rechtskräftig abgewiesen worden. Am 21. Oktober 2002 habe er eine österreichische Staatsangehörige, und zwar eine um 24 Jahre ältere Pensionistin geheiratet. Da es sich bei dieser Eheschließung zweifelsfrei um eine Aufenthaltsehe gehandelt habe, sei am 29. März 2006 gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 9 FPG ein Aufenthaltsverbot erlassen worden. Die Ehe sei inzwischen am 4. Mai 2005 vor dem Bezirksgericht Donaustadt rechtskräftig geschieden worden. Gegen das Aufenthaltsverbot habe der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung eingebracht.
Bereits im Schreiben vom 24. März 2006 habe er vorgebracht, dass er als aktives Parteimitglied politisch verfolgt worden sei. Er befinde sich als Sunnite in Lahore in der Minderheit, sodass sich sein gesamtes Leben als "Spießrutenlauf" darstelle und von den Behörden keine wie immer geartete Hilfe erwartet werden könne. Er werde durch die in seinem Wohnbezirk gegebene Mehrheit an Schiiten religiös verfolgt, welche ein effektives Terrorsystem gegen Sunniten aufgebaut hätten.
Der Beschwerdeführer habe - so die belangte Behörde weiter - "keinerlei Beweise" für seine "absurden Behauptungen vorbringen können". Er habe seine Mitgliedschaft zur Partei PLM nicht beweisen können und es sei nicht nachvollziehbar, dass er als einfaches Mitglied dieser Partei ohne Kenntnis der genauen Strukturen und des hierarchischen Aufbaus dieser Gruppe einer ernst zu nehmenden Verfolgung ausgeliefert wäre. Der Behörde sei es nicht verwehrt, die Ergebnisse des bereits durchgeführten Asylverfahrens zu berücksichtigen, sie erachte sich allerdings nicht an die Ausführungen der Asylbehörde gebunden. Laut Inhalt des erstinstanzlichen negativen Asylbescheides seien die Angaben des Beschwerdeführers "in keinster Weise glaubwürdig". Dieser Feststellung schließe sich die erkennende Behörde im Wesentlichen an und es seien seine neuerlichen Ausführungen nur als reine Schutzbehauptungen zu werten. Auch eine tatsächliche Unmöglichkeit einer Abschiebung liege nicht vor.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Zum Durchsetzungsaufschub:
Die belangte Behörde hat als Behörde erster Instanz mit Bescheid vom 29. März 2006 gleichzeitig mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (an den Beschwerdeführer am 3. April 2006 zugestellt) die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid gemäß § 64 FPG ausgeschlossen. Somit war seit Eintritt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes bis zur Postaufgabe der gegenständlichen Beschwerde am 20. Juli 2006 der längstmögliche Zeitraum von drei Monaten für einen Durchsetzungsaufschub bereits abgelaufen. Der Beschwerde stand demnach - bereits im Zeitpunkt ihrer Einbringung - der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegen, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen war. Davon unberührt bleibt die Möglichkeit, einen neuen Antrag auf Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes zu stellen, sollte die Berufungsbehörde der Berufung doch die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
Zum Abschiebungsaufschub:
Wie aus der zusammengefassten Bescheidwiedergabe ersichtlich ist, verwies die belangte Behörde auf die Ergebnisse im bereits durchgeführten Asylverfahren und schloss sich ausdrücklich der "Feststellung", dass die Angaben des Beschwerdeführers "in keinster Weise glaubwürdig" seien, "im Wesentlichen an". Der Beschwerdeführer habe keine Beweise für seine "absurden Behauptungen" vorbringen können.
Mit dieser Begründung übersieht die belangte Behörde, dass, ist ein behördlicher Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in ein bestimmtes Land in Rechtskraft erwachsen, eine Neubeurteilung der Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den genannten Staat nur auf Basis eines geänderten Sachverhaltes möglich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 2006, Zl. 2006/21/0006). Demgegenüber erachtete sie sich zur Gänze als nicht an die Ergebnisse des Asylverfahrens gebunden und nahm keine Prüfung vor, inwieweit die nunmehr geltend gemachte Verfolgungsgefahr auf einen anderen Sachverhalt gestützt wird, als dieser der asylbehördlichen Entscheidung zu Grunde gelegen war. Bei deckungsgleichem Sachverhalt wäre es ihr verwehrt, selbstständig diesen Sachverhalt einer neuerlichen Beurteilung zu unterziehen; bei Behauptung eines anderen Sachverhalts hätte sie dazu Feststellungen zu treffen und dürfte sich - vor allem hinsichtlich des Vorbringens zur allgemeinen aktuellen menschenrechtsspezifischen Lage - nicht auf die asylbehördliche Wertung der Angaben des Beschwerdeführers als unglaubwürdig zurückziehen. Indem sie jedoch generell das Vorbringen des Beschwerdeführers einer Beurteilung unterzog, sich aber zur Begründung einer Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers "im Wesentlichen" lediglich auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Asylbescheid zurückzog, belastete sie diesen angefochtenen Bescheid mit einem aus einem Rechtsirrtum resultierenden Begründungsmangel.
Nach dem Gesagten war der zweitangefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG als rechtswidrig aufzuheben.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht jeweils auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, wobei der Beschwerdeführer die Hälfte des Aufwandes für Aktenvorlage und Gegenschrift zu ersetzen hat.
Wien, am 27. März 2007
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006210183.X00Im RIS seit
18.05.2007Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009