TE Vfgh Beschluss 2002/10/7 G362/01 ua

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Veröffentlicht am 07.10.2002
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Index

66 Sozialversicherung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
NotarversicherungsG-Nov 9., BGBl I 139/2000
NotarversicherungsG 1972 §10 Abs1 Z2 idF BGBl I 139 /2000
NotarversicherungsG 1972 §48 Abs2 idF BGBl I 139/2000
NotarversicherungsG 1972 §52a idF BGBl I 139/2000
NotarversicherungsG 1972 §107 idF BGBl I 139/2000

Leitsatz

Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung der 9. Novelle zum Notarversicherungsgesetz 1972 als überschießend sowie auf Aufhebung der Neuregelungen hinsichtlich Verbreiterung der Beitragsgrundlage bei Kanzleiablöse und Höhe der Alters- und Berufsunfähigkeitspension mangels aktueller Betroffenheit der Rechtssphäre der Antragsteller bzw infolge Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 139/2000 (9. Novelle zum Notarversicherungsgesetz 1972) wurde das Notarversicherungsgesetz 1972 - NVG, BGBl. Nr. 66/1972, ua. in nachstehend angeführten Punkten abgeändert:

1. Die Beitragsgrundlage (in der gesetzlichen Pensionsversicherung) wurde insoweit verbreitert (s. IA 307/A BlgNR XXI. GP), als Pensionsversicherungsbeiträge künftig auch von Empfängen bzw. Erlösen aus einer steuerlich erfaßten Kanzleiablöse zu entrichten sind (§10 Abs1 Z2 NVG idF 9. NVG-Novelle, Z6). Diese Änderung wurde mit Wirkung vom 1. Jänner 2001 in Kraft gesetzt (§107 Abs1 Z1 NVG idF 9. Novelle).

2. Die Leistungsrecht des NVG unterscheidet zwischen Alters- (§§51 f), Berufsunfähigkeits- (§§47 ff) und Hinterbliebenenpension (§§53 ff).

Die Berufsunfähigkeitspension setzt sich zusammen aus dem Grundbetrag, dem Steigerungsbetrag (für jeden anrechenbaren Versicherungsmonat) sowie einer Zusatzpension.

§48 Abs2 NVG hatte die Höhe der Zusatzpension bis zum Inkrafttreten der 9. NVG-Novelle wie folgt geregelt:

"Als Zusatzpension gebühren monatlich 19 vH des durchschnittlichen Monatseinkommens aus den Beitragsmonaten während der ersten achtzehn der letzten zwanzig Kalenderjahre vor dem Eintritt des Versicherungsfalles. Sind die ersten achtzehn der letzten zwanzig Kalenderjahre vor Eintritt des Versicherungsfalles nicht zur Gänze mit Beitragsmonaten erfüllt, so ist für die Ermittlung der Zusatzpension das durchschnittliche Monatseinkommen aus den innerhalb der ersten achtzehn der letzten zwanzig Kalenderjahre vor Eintritt des Versicherungsfalles erworbenen Beitragsmonaten heranzuziehen. Die Zusatzpension gebührt ohne Kürzung bis zur eineinhalbfachen Summe aus Grund- und Steigerungsbetrag. Als Grundbetrag ist hiebei der Betrag ohne Berücksichtigung einer Kürzung gemäß Abs4 und als Steigerungsbetrag der für das Höchstausmaß an Versicherungsmonaten nach Abs1 ermittelte Betrag, jedoch ohne Berücksichtigung einer Erhöhung nach Abs5, heranzuziehen. Von dem diese Summe übersteigenden Teil der Zusatzpension gebühren bis zur zweifachen Summe aus Grundbetrag und Steigerungsbetrag monatlich 60 vH, über der zweifachen bis zur zweieinhalbfachen Summe aus Grundbetrag und Steigerungsbetrag monatlich 50 vH und über der zweieinhalbfachen Summe aus Grundbetrag und Steigerungsbetrag monatlich 40 vH der Zusatzpension zusätzlich."

Durch die 9. Novelle zum NVG wurde diese Bestimmung wie folgt neu gefaßt:

"(2) Für die Bemessung der Zusatzpension gilt:

1. Als Zusatzpension gebühren monatlich 16 % des durchschnittlichen Monatseinkommens aus den Beitragsmonaten während der ersten 30 der letzten 32 Kalenderjahre vor dem Eintritt des Versicherungsfalles. Sind die ersten 30 der letzten 32 Kalenderjahre vor Eintritt des Versicherungsfalles nicht zur Gänze mit Beitragsmonaten erfüllt, so ist für die Ermittlung der Zusatzpension das durchschnittliche Monatseinkommen aus den innerhalb der ersten 30 der letzten 32 Kalenderjahre vor Eintritt des Versicherungsfalles erworbenen Beitragsmonaten heranzuziehen.

2. Die Zusatzpension gebührt ohne Kürzung bis zum Eineinhalbfachen der Summe aus Grund- und Steigerungsbetrag. Als Grundbetrag ist hiebei der Betrag ohne Berücksichtigung einer Kürzung gemäß Abs4 und als Steigerungsbetrag der für das Höchstausmaß an Versicherungsmonaten nach Abs1 ermittelte Betrag, jedoch ohne Berücksichtigung einer Erhöhung nach Abs5, heranzuziehen. Von dem diese Summe übersteigenden Teil der Zuatzpension gebühren bis zum Zweifachen der Summe aus Grundbetrag und Steigerungsbetrag monatlich 55 %, über dem Zweifachen bis zum Zweieinhalbfachen der Summe aus Grundbetrag und Steigerungsbetrag monatlich 45 % und über dem Zweieinhalbfachen der Summe aus Grundbetrag und Steigerungs betrag monatlich 30 % der Zusatzpension zusätzlich."

Der Zeitraum zur Ermittlung des maßgebenden durchschnittlichen Einkommens wurde also verlängert (von 18 auf 30 Kalenderjahre), zudem wurde die Höhe der Zusatzpension herabgesetzt (von 19 vH auf 16 vH des maßgebenden durchschnittlichen Monatseinkommens).

(Auch) diese Änderung wurde mit 1. Jänner 2001 in Kraft gesetzt (§107 Abs1 Z1 NVG idF 9. Novelle), §107 Abs5 NVG normiert allerdings eine Übergangsbestimmung: Die Neuregelung ist demnach nur auf Versicherungsfälle mit einem Stichtag nach dem 31. Dezember 2000 anzuwenden, uzw. mit der Maßgabe, daß

-

wenn der Stichtag im Kalenderjahr 2001 liegt, als Zusatzpension monatlich 18 vH des durchschnittlichen Monatseinkommens aus den Beitragsmonaten während der ersten 22 der letzten 24 Kalenderjahre vor dem Eintritt des Versicherungsfalles gebühren;

-

wenn der Stichtag im Kalenderjahr 2002 liegt, als Zusatzpension monatlich 17 vH des durchschnittlichen Monatseinkommens aus den Beitragsmonaten während der ersten 26 der letzten 28 Kalenderjahre vor dem Eintritt des Versicherungsfalles gebühren.

              3.              Nach §19 Abs1 lite Notariatsordnung erlischt das Amt des Notars mit Ablauf des 31. Jänner nach dem Kalenderjahr, in dem der Notar das 70. Lebensjahr vollendet hat; ein Notariatskandidat ist mit Vollendung des 70. Lebensjahres aus dem Verzeichnis der Notariatskandidaten zu streichen (§118a Abs1 lite Notariatsordnung). Anspruch auf Alterspension besteht jedoch bereits nach Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn das Amt des Notars erloschen ist bzw. der Notariatskandidat aus dem entsprechenden Verzeichnis der Notariatskammer gestrichen wurde (§51 Abs1 NVG).

Durch die 9. NVG-Novelle wurde schließlich im Wege des (neuen) §52a eine Abschlagsregelung eingeführt, die - nach der Begründung des Gesetzesantrags 307/A - dem "Trend" zu einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Pension entgegenwirken und die finanzielle Situation der Notarversicherung verbessern helfen soll; die erwähnte Bestimmung lautet wie folgt:

"Pensionsabschläge von Berufsunfähigkeits-

oder Alterspensionen

§52a. (1) Liegt der Stichtag (§41 Abs2) bei einer Berufsunfähigkeits- oder Alterspension vor dem im §19 Abs1 lite Notariatsordnung bzw. vor dem im §118a Abs1 lite Notariatsordnung genannten Zeitpunkt, so ist die nach §48 gebührende Pension für jeden zwischen dem Stichtag und dem im §19 Abs1 lite Notariatsordnung bzw. dem im §118a Abs1 lite Notariatsordnung genannten Zeitpunkt liegenden Kalendermonat um je 0,5 % zu kürzen.

(2) Liegt der Stichtag bei einer Berufsunfähigkeitspension vor Vollendung des 65. Lebensjahres, so gilt als Höchstausmaß der Kürzung gemäß Abs1 die Kürzung, die sich ergibt, wenn der Stichtag der Eintritt des Versicherungsfalles des Alters (§41 Abs1 Z1) gewesen wäre.

(3) Die Kürzung gemäß Abs1 bzw. 2 darf 30 % der nach §48 gebührenden Pension nicht übersteigen; §48 Abs8 bleibt unberührt."

§107 NVG trifft hiezu in seinen Abs6 und 7 folgende Übergangsbestimmungen:

"(6) Die Bestimmungen des §52a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 139/2000 gelten mit der Maßgabe, dass der Kürzungsfaktor

-

für Versicherte der Jahrgänge 1930 bis 1936 pro Kalendermonat 0,0625 %,

-

für Versicherte des Jahrganges 1937 pro Kalendermonat 0,1250 %,

-

für Versicherte des Jahrganges 1938 pro Kalendermonat 0,1875 %,

-

für Versicherte des Jahrganges 1939 pro Kalendermonat 0,2500 %,

-

für Versicherte des Jahrganges 1940 pro Kalendermonat 0,3125 %,

-

für Versicherte des Jahrganges 1941 pro Kalendermonat 0,3750 %,

-

für Versicherte des Jahrganges 1942 pro Kalendermonat 0,4375 %

beträgt.

(7) Abs6 ist für Bezieher von Berufsunfähigkeitspensionen mit der Maßgabe anzuwenden, dass

-

bei einem Stichtag im Kalenderjahr 2001 der Kürzungsfaktor pro Kalendermonat 0,0625 %,

-

bei einem Stichtag im Kalenderjahr 2002 der Kürzungsfaktor pro Kalendermonat 0,1250 %,

-

bei einem Stichtag im Kalenderjahr 2003 der Kürzungsfaktor pro Kalendermonat 0,1875 %,

-

bei einem Stichtag im Kalenderjahr 2004 der Kürzungsfaktor pro Kalendermonat 0,2500 %,

-

bei einem Stichtag im Kalenderjahr 2005 der Kürzungsfaktor pro Kalendermonat 0,3125 %,

-

bei einem Stichtag im Kalenderjahr 2006 der Kürzungsfaktor pro Kalendermonat 0,3750 %,

-

bei einem Stichtag im Kalenderjahr 2007 der Kürzungsfaktor pro Kalendermonat 0,4375 %

beträgt."

Daraus ergibt sich, daß die in §52a NVG (idF 9. Novelle) vorgesehenen Pensionsabschläge in vollem Ausmaß auf jene Versicherten anzuwenden sind, die nach dem 31. Dezember 1942 geboren sind bzw. - bei Beziehern einer Berufsunfähigkeitspension - deren Stichtag nach dem 31. Dezember 2007 liegt.

II. 1. Die am 4. März 1938, 8. September 1938, 7. Oktober 1939 bzw. 11. Juli 1942 geborenen Antragsteller - öffentliche Notare mit Amtssitz in Wien - begehren, gestützt auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG, der Verfassungsgerichtshof möge die vorhin referierten, durch die 9. Novelle zum NVG vorgenommenen Änderungen als verfassungswidrig aufheben.

Zur Antragslegitimation wird in den Anträgen ua. ausgeführt, die Antragsteller seien bei ihrer Lebensplanung davon ausgegangen, mit Vollendung des 65. Lebensjahres in Pension zu gehen. Dies sei ihnen zwar weiterhin möglich, die Antragsteller hätten jedoch bei Pensionsantritt vor Vollendung des 70. Lebensjahres künftig eine Kürzung ihres Pensionsanspruchs zu gewärtigen. Auf die Antragsteller sei zwar die Übergangsbestimmung des §107 Abs6 NVG anzuwenden, dessen ungeachtet ergebe sich in jedem Fall eine erhebliche Kürzung der Alterspension.

Da nicht bloß die Alters-, sondern auch die Berufsunfähigkeitspension von den kritisierten Änderungen betroffen sei, sei anzunehmen, daß die nachteiligen Änderungen jederzeit - nämlich bei unvorhergesehener Berufsunfähigkeit - bei den Antragstellern zum Tragen kommen könnten.

Die Antragsteller hätten auch keine andere Möglichkeit, Rechtsschutz zu erlangen. Ein leistungsrechtlicher Bescheid könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt (noch) nicht erlangt werden. Ein Zuwarten bis zum tatsächlichen Pensionsantritt sei den Antragstellern wieder nicht zumutbar, weil sie dann über einen längeren Zeitraum erhebliche Pensionseinbußen hinzunehmen hätten. Ein späterer Antritt der Alterspension - erst mit Vollendung des 70. Lebensjahres - wäre den Antragstellern ebensowenig zumutbar, weil sich in diesem Fall die Lebensarbeitszeit um 5 Jahre verlängern würde.

2. Die Bundesregierung hat (in dem hg. zu G362/01 geführten Verfahren) eine Äußerung erstattet, in der beantragt wird, der Verfassungsgerichtshof möge den Antrag als unzulässig zurück-, hilfsweise als unbegründet abweisen.

Die Antragsteller (beider Verfahren) haben Repliken erstattet.

III. Die Anträge sind unzulässig.

1. Die Antragsteller zu G362/01 sowie zu G94/02 (ersterer bloß hilfsweise) beantragen, der Verfassungsgerichtshof möge die 9. NVG-Novelle "zur Gänze" als verfassungswidrig aufheben.

Das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 139/2000 (9. NVG-Novelle), mit dem das NVG in insgesamt siebzehn Punkten abgeändert bzw. ergänzt wird, ist indes ganz offenkundig nicht so beschaffen, daß es in jedem seiner Punkte unmittelbar in die Rechtssphäre der Antragsteller einzugreifen vermöchte.

Damit erweisen sich aber die Haupt- und Eventualanträge, soweit sie auf Aufhebung der 9. NVG-Novelle insgesamt und ohne jede Abgrenzung gerichtet sind, als überschießend und - allein schon aus diesem Grund - zur Gänze unzulässig (zB VfSlg. 9620/1983, 10.177/1984, 10.854/1986, 11.012/1986, 11.014/1986, 11.153/1986, 11.345/1988, 11.610/1988, 12.442/1990, 14.342/1995, 14.500/1996, 14.967/1997, 15.219/1998, 15.664/1999; VfGH 27. November 2000, G79/00; 3. Oktober 2001, G196/01).

2. Gemäß dem letzten Satz des Art140 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem unmittelbar betroffenen Normadressaten kommt jedoch diese Antragsbefugnis zu. Es ist (wie der Verfassungsgerichtshof im Beschluß VfSlg. 8009/1977 ausgeführt und seitdem mehrfach, zB VfSlg. 8148/1977, 8241/1978, 8276/1978 und 8485/1979, bekräftigt hat) für die Antragslegitimation darüber hinaus auch erforderlich, daß dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der von ihm angenommenen Verfassungswidrigkeit nicht zur Verfügung steht.

Die Antragslegitimation muß jedenfalls im Zeitpunkt des Ergehens der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs gegeben sein.

2.1. Die Anträge richten sich ua. gegen die Neufassung des §10 Abs1 Z2 NVG durch die 9. Novelle insoweit, als seitdem eine vom Notar empfangene Kanzleiablöse - soweit einkommensteuerlich erfaßt - in die Beitragsgrundlage einzubeziehen ist.

2.1.1. Die Antragsteller haben jedoch - nach eigenen Angaben - ihre berufliche Tätigkeit (noch) nicht eingestellt und demgemäß keine solche Ablöse empfangen. Damit ist aber die in Art140 Abs1 letzter Satz B-VG vorausgesetzte aktuelle Betroffenheit der Antragsteller nicht gegeben, weshalb sich die Anträge schon deshalb insoweit als unzulässig erweisen.

2.1.2. Falls eine derartige Kanzleiablöse künftig anfallen sollte, bliebe es den Antragstellern im übrigen unbenommen, gem. §410 Abs1 Z7 ASVG (diese Bestimmung ist im Verfahren nach dem NVG sinngemäß anzuwenden; vgl. §65 NVG) einen entsprechenden Feststellungsbescheid zu beantragen, diesen im administrativen Instanzenzug anzufechten und letztlich dagegen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erheben, worin die von den Antragstellern behauptete Verfassungswidrigkeit des §10 Abs1 Z2 NVG geltend gemacht werden könnte.

Die Antragsteller verfügen somit jedenfalls über einen ihnen auch zumutbaren Weg, ihre Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des §10 Abs1 Z2 NVG idF 9. Novelle anders als durch einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. VfSlg. 12.779/1991).

2.2. Die Anträge richten sich schließlich gegen jene Teile der 9. Novelle zum NVG, mit denen - vereinfacht ausgedrückt - die Höhe der Alters- und Berufsunfähigkeitspension neu geregelt wird.

Nach eigenen Angaben werden die Antragsteller erst in den Jahren 2003, 2004 bzw. 2007 das 65. Lebensjahr vollenden und damit das gesetzliche Pensionsantrittsalter (§51 Abs1 NVG) erreichen.

Daraus ergibt sich jedoch, daß jene Änderungen des NVG (§§52a, 107), welche die Höhe des Pensionsanspruchs im Falle eines Pensionsantritts ab Vollendung des 65. Lebensjahres (und vor dem berufsrechtlich geregelten Zeitpunkt des Erlöschens des Notaramtes) zum Gegenstand haben, die Rechtssphäre der Antragsteller derzeit noch nicht aktuell zu berühren vermögen (vgl. VfSlg. 12.765/1991).

Da die Antragsteller auch nicht behaupten, berufsunfähig zu sein, erweisen sich ihre Anträge auch insoweit mangels aktueller Betroffenheit als unzulässig, als sie sich gegen jene durch die 9. Novelle zum NVG vorgenommenen Änderungen richten, welche die Berufsunfähigkeitspension betreffen (§§48 Abs2, 52a, 107). Die bloße Möglichkeit, die Berufsfähigkeit zu verlieren und dann dem durch die 9. Novelle zum NVG ungünstiger gestalteten Leistungsrecht zu unterliegen, läßt die Antragsteller nicht als berechtigt erscheinen, die entsprechenden Bestimmungen bereits jetzt unmittelbar anzufechten.

Für den Fall aber, daß sich der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit bei einem der Antragsteller verwirklichen sollte, bestünde die Möglichkeit, ein Verfahren zur Feststellung der Höhe der Berufsunfähigkeitspension bei der zuständigen Versicherungsanstalt (§354 Z1 iVm §367 ASVG; §65 NVG 1972) anhängig zu machen. Nach Ergehen des leistungsrechtlichen Bescheides der Versicherungsanstalt könnte der Antragsteller im Wege der sukzessiven Zuständigkeit die Arbeits- und Sozialgerichte anrufen (§§64 ff ASGG). Falls das zur Entscheidung in zweiter Instanz berufene Gericht die verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers gegen die in §48 Abs2 NVG vorgesehene Kürzung des Pensionsanspruchs bzw. gegen die in §52a NVG normierten Abschläge teilen sollte, wäre ihm die Pflicht auferlegt, im Wege eines Antrags an den Verfassungsgerichtshof (Art89 Abs2 zweiter Satz iVm Art140 Abs1 erster Satz B-VG) ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten. Der Antragsteller hätte daher diesen Weg zu beschreiten, um die von ihm behaupteten Verfassungswidrigkeiten im gerichtlichen Instanzenzug geltend zu machen (vgl. zB VfSlg. 9220/1981, 10.592/1985; VfGH 12. Juni 2001, G139/01).

Dabei ist die Frage, ob und inwieweit das in zweiter Instanz zuständige Gericht sich veranlaßt sieht, sich der Kritik der Partei an der Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesbestimmung anzuschließen, nicht ausschlaggebend (vgl. VfSlg. 9926/1984). Denn es kommt nicht auf die materiellen Erfolgsaussichten des dem Antragsteller zur Verfügung stehenden Rechtsweges an, sondern darauf, daß im Zuge eines derartigen Verfahrens Gelegenheit besteht, die vom Antragsteller erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Gesetzesbestimmung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. VfSlg. 8552/1979, 9170/1981, 9394/1982, 10.592/1985).

2.3. Die zur Aufhebung beantragten Gesetzesstellen vermögen somit zT die Rechtssphäre der Antragsteller derzeit aktuell nicht zu berühren, zT verfügen die Antragsteller über einen - ihnen auch zumutbaren - Weg, ihre verfassungsrechtlichen Bedenken anders als im Wege eines Gesetzesprüfungsantrags an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Die Anträge waren daher zur Gänze mangels Legitimation der Antragsteller als unzulässig zurückzuweisen.

3. Dies konnte ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs3 Z2 lite VfGG).

Schlagworte

Notare, Sozialversicherung, Pensionsversicherung, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G362.2001

Dokumentnummer

JFT_09978993_01G00362_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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