TE Vwgh Beschluss 2007/3/27 2006/21/0337

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Veröffentlicht am 27.03.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §26 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §61 Abs1;
VwGG §62 Abs1;
ZPO §464 Abs3;
ZPO §66 Abs1;
ZustG §4;
ZustG §8 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2006/21/0338

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, in der Beschwerdesache des N, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 10. Februar 2006, Zl. 2 F 411/2005, betreffend I. Feststellung gemäß § 50 Abs. 2, 4 und 5 FPG sowie II. Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 und § 66 Abs. 1 FPG (hg. Zl. 2006/21/0338), und über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den vorgenannten Bescheid (hg. Zl. 2006/21/0337), den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 10. Februar 2006 stellte die belangte Behörde gegenüber dem Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina, gemäß § 50 Abs. 2, 4 und 5 iVm § 125 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, fest, dass keine stichhältigen Gründe für die Annahme bestünden, dass sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten in Bosnien-Herzegowina bedroht wäre; seine Abschiebung in diesen Staat sei daher zulässig (Spruchpunkt I). Weiters wies sie den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 und § 66 Abs. 1 FPG aus dem Bundesgebiet aus (Spruchpunkt II). Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seines (damaligen wie nunmehrigen) Rechtsvertreters am 14. Februar 2006 zugestellt.

Mit Eingabe an den Verwaltungsgerichtshof vom 28. März 2006 beantragte der durch diesen Rechtsanwalt vertretene Beschwerdeführer, der nach eigenem Vorbringen an einer Adresse in Köflach wohnte, die Bewilligung der Verfahrenshilfe. Zur Begründung des Antrages brachte er vor, er verfüge nicht über die notwendigen Mittel, um einen frei gewählten Anwalt finanzieren zu können. Das "entsprechende Verfahrenshilfeformular" werde er gesondert zur Vorlage bringen (Anm.: Dies ist bislang nicht erfolgt). "Das Vollmachtsverhältnis" beziehe sich nur auf diesen Antrag; es werde ersucht, sämtliche Verfügungen und Beschlüsse "sowie andere verwaltungsbehördliche Entscheidungen nunmehr dem Ast persönlich zuzustellen".

Mit Verbesserungsauftrag des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 2006, zugestellt durch Hinterlegung an der genannten Adresse in Köflach am 14. April 2006, wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, binnen vier Wochen ein persönlich unterfertigtes, vollständig ausgefülltes, nicht mehr als vier Wochen altes Vermögensbekenntnis unter Beischließung der darin genannten erforderlichen Belege (Einkommens- und Vermögensnachweise) vorzulegen sowie bekannt zu geben, ob die Tatsachenannahmen im anzufechtenden Bescheid bestritten werden und mit welcher Begründung die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides behauptet werde.

Da auch diesem ausdrücklichen Auftrag nicht nachgekommen wurde, wurde der Antrag auf Verfahrenshilfe mit hg. Beschluss vom 23. Mai 2006, Zl. VH 2006/21/0039-4, zurückgewiesen. Die Zustellung dieses Beschlusses an den Beschwerdeführer erfolgte durch Hinterlegung am 6. Juni 2006.

Mit Schriftsatz vom 13. November 2006 beantragte der - wiederum rechtsfreundlich vertretene - Beschwerdeführer die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den eingangs erwähnten Bescheid vom 10. Februar 2006. Dazu brachte er vor, die (von ihm selbst angegebene) Adresse in Köflach sei seit dem 17. März 2006 unrichtig gewesen, weil er damals unter einer (näher bezeichneten) Adresse in Feldkirchen "zur behördlichen Anmeldung" gelangt sei. Er habe somit unverschuldet keine Beschwerde einbringen können, weil er keine Kenntnis "von der abschlägigen Entscheidung" über seinen Verfahrenshilfeantrag gehabt habe. Erst am 6. November 2006 habe sein Rechtsvertreter in Erfahrung bringen können, dass der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe "abgewiesen" worden wäre. Auch sein Rechtsvertreter sei davon ausgegangen, dass dem (oben mit vollständigem Inhalt dargestellten) Antrag auf Erteilung der Verfahrenshilfe stattgegeben würde bzw. der Beschwerdeführer selbst über einen frei gewählten Anwalt fristgerecht Beschwerde einbringen werde. Auf Grund der "Nichtzustellung" des hg. Beschlusses vom (richtig) 23. Mai 2006 sei die Frist für die Einbringung der nunmehrigen Bescheidbeschwerde gewahrt. Jedenfalls sei dem Wiedereinsetzungswerber kein Verschulden daran anzulasten, dass er gehindert gewesen sei, eine Bescheidbeschwerde einzubringen.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Im Beschwerdefall kann vom Vorliegen eines bloß leichten Verschuldens, für dessen Beurteilung - entgegen der im Antrag vertretenen Rechtsansicht - das Verhalten des jeweils einschreitenden Rechtsanwaltes der Partei zuzurechnen ist (vgl. zuletzt etwa den hg. Beschluss vom 30. Jänner 2007, Zlen. 2006/21/0392 und 0393, mwN), nicht die Rede sein:

Der genannte Rechtsvertreter hat seine (die Mitteilung der Beendigung des Vollmachtsverhältnisses umfassende) Eingabe vom 28. März 2006 fehlerhaft und unvollständig gestaltet. Für das von ihm dadurch veranlasste - oben inhaltlich dargestellte - Verbesserungsverfahren hat er eine Adresse des Beschwerdeführers angegeben, die - nach dem maßgeblichen Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 21. Februar 2005, Zl. 2004/17/0242) - schon zur Zeit der Eingabe am 28. März 2006 - nämlich seit 17. März 2006 - unrichtig war. Da ein Rechtsanwalt - zumal in Fällen wie der vorliegenden Beendigung eines Vollmachtsverhältnisses - auch für die Richtigkeit des die Anschrift des Mandanten umfassenden Rubrums verantwortlich ist (vgl. allgemein etwa den hg. Beschluss vom 22. Dezember 2004, Zl. 2004/08/0224), liegt hierin ein grober Sorgfaltsverstoß.

Ein Antragsteller um Wiedereinsetzung hat in seinem Antrag alle Tatsachen darzulegen, aus denen sich erkennen lässt, dass ihn kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden trifft (vgl. etwa den bereits zitierten hg. Beschluss vom 30. Jänner 2007 mwN). Im gegenständlichen Antrag sind keinerlei Behauptungen enthalten, die das fehlerhafte Vorbringen über die aktuelle Anschrift des Beschwerdeführers als nachvollziehbar oder gar entschuldbar erscheinen lassen könnten. Schon aus diesem Grund war der Wiedereinsetzungsantrag abzuweisen, zumal jede Partei, die der Behörde eine unrichtige Wohnanschrift angibt, die ihr aus einer Zustellung an dieser unrichtigen Wohnanschrift erwachsenden Rechtsnachteile selbst zu vertreten hat (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 14. August 1991, Zl. 90/17/0327 mwN).

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass auch der im Wiedereinsetzungsantrag aufgenommene sinngemäße Hinweis auf § 26 Abs. 3 letzter Satz VwGG im vorliegenden Zusammenhang nicht zielführend ist: Wird ein rechtzeitig gestellter Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen, so beginnt nach der genannten Bestimmung die Frist zur Erhebung der Beschwerde mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei. § 26 Abs. 3 letzter Satz VwGG stellt somit ausdrücklich auf eine meritorische, die Verfahrenshilfe also aus inhaltlichen Erwägungen versagende Erledigung durch den Verwaltungsgerichtshof ab. Wird dagegen nicht fristgerecht (innerhalb der Mängelverbesserungsfrist für die Vorlage eines tauglichen Verfahrenshilfeantrages samt Vermögensbekenntnis) ein zur meritorischen Behandlung geeigneter Verfahrenshilfeantrag gestellt und der ursprüngliche Antrag daher zurückgewiesen, wird die Beschwerdefrist nicht neuerlich in Gang gesetzt (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 27. Februar 1986, Zl. 86/08/0008 = Slg. Nr. 12.056/A, vom 12. November 1993, Zl. 93/17/0235, vom 7. September 2004, Zl. 2004/18/0251, und vom 28. April 2005, Zl. 2005/07/0051, jeweils mwN).

Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die vorliegende, am 13. November 2006 zur Post gegebene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof verspätet erhoben wurde. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich - im Umfang des Begehrens -

auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 27. März 2007

Schlagworte

Versäumung der Einbringungsfrist siehe VwGG §26 Abs1 Z1 (vor der WV BGBl. Nr. 10/1985: lita) sowie Mangel der Rechtsfähigkeit Handlungsfähigkeit Ermächtigung des Einschreiters

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006210337.X00

Im RIS seit

17.10.2007

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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