TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/27 2007/18/0118

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Veröffentlicht am 27.03.2007
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Index

41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 2005 §8;
FrPolG 2005 §46 Abs3;
FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §50 Abs2;
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des I T in S, geboren 1972, vertreten durch Dr. Gerlinde Rachbauer, Rechtsanwalt in 4780 Schärding, Burggraben 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 12. Oktober 2006, Zl. 2/4033/62/06, betreffend Erlassung eines unbefristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 12. Oktober 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen irakischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 bis 4 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1, §§ 63, 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei Asylwerber im Sinn des § 2 Abs. 1 Z. 14 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005.

Am 24. November 2005 sei er wegen des teils versuchten, teils vollendeten Verbrechens nach § 28 Abs. 2, Abs. 3 erster Fall und Abs. 4 Z. 3 Suchtmittelgesetz - SMG und § 15 StGB sowie wegen der Vergehen nach § 28 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil liege folgender Schuldspruch zu Grunde:

"Der Angeklagte (...) ist schuldig, er hat zu datumsmäßig größtenteils nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten im Zeitraum von etwa Frühjahr 2004 bis einschließlich 18.4.2005 in Innsbruck, Wien und anderen Orten

-

Den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge (Abs. 6) von Österreich aus- und nach Deutschland eingeführt bzw. daran anschließend wiederum von Deutschland aus- und nach Österreich eingeführt sowie in Verkehr gesetzt bzw. in Verkehr zu setzen versucht, wobei er jeweils gewerbsmäßig handelte und die Taten mit Beziehung auf ein Suchtgift beging, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge (Abs. 6) ausmachte, und zwar 1. durch Schmuggel von 5 Kilogramm Marihuana (THC-Gehalt 500 Gramm) und 2 Kilogramm Cannabisharz (THC-Gehalt 100 Gramm) im Verlauf von sechs Suchtgiftbeschaffungsfahrten von Wien auf dem Bahnweg über das 'Deutsche Eck' nach Innsbruck; 2. durch den Verkauf der unter Punkt 1 angeführten Suchtgiftmenge an die abgesondert verfolgten H.H., E.K. sowie zahlreiche weitere, namentlich nicht bekannte Drogenkonsumenten; 3. indem er um die Mittagszeit des 18.4.2005 einem verdeckt ermittelnden Beamten des BKA circa 2 Kilogramm Cannabisharz (THC-Gehalt circa 120 Gramm) zu verkaufen versuchte.

-

Den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge (Abs. 6), nämlich weitere 1.186 Gramm Cannabisharz (THC-Gehalt ca. 62,97 Gramm insgesamt) mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in der weiteren Folge in Verkehr gesetzt werde, indem er die genannte Suchtgiftmenge etwa in der zweiten Märzhälfte 2005 beim abgesondert verfolgten E.C. bzw. einem Unbekannten zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufes übernahm und bis zu deren Sicherstellung am 18.4.2005 in seiner Wohnung sowie in einer Garagenbox am Innsbrucker Innrain aufbewahrte.

-

Vereinzelt den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte, nämlich geringe Mengen an Cannabisprodukten und auch eine geringe Menge Kokain, bei namentlich nicht bekannten Personen für den Eigenbedarf erworben und damit besessen."

Diese Verurteilung erfülle den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 erster Fall FPG. Das dieser Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten zeige eindrucksvoll die negative Einstellung des Beschwerdeführers gegenüber der Rechtsordnung, woraus sich die Folgerung ergebe, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde.

Ein relevanter Eingriff in sein Privat- oder Familienleben im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG liege zwar vor, dieser Eingriff mache jedoch diese Maßnahme gegen ihn im Grund der genannten Bestimmung nicht unzulässig. Die sich in dem in Rede stehenden Fehlverhalten manifestierende Neigung, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache die Erlassung eines Rückkehrverbotes zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und des Schutzes der Rechte anderer (Gesundheit) dringend geboten.

Die privaten oder familiären Interessen des Beschwerdeführers am Aufenthalt im Bundesgebiet wögen höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme, weshalb diese auch im Grund des § 66 Abs. 2 FPG zulässig sei.

Der Beschwerdeführer sei erstmals 1998 als Asylwerber im Bundesgebiet in Erscheinung getreten. Im Jahr 2000 sei er im Rahmen des Dubliner Übereinkommens von Deutschland in das Bundesgebiet abgeschoben worden. Von 2003 bis 2004 habe er mit der Österreicherin M. in Partnerschaft gelebt. Am 12. Jänner 2004 sei die gemeinsame Tochter geboren worden. Zu diesen Personen habe er keinen Kontakt mehr, und er habe auch keine weiteren Verwandten im Bundesgebiet. Während der Partnerschaft mit M. habe der Beschwerdeführer in einem Imbissstand "schwarz" gearbeitet. Am 20. April 2005 sei er in die Justizanstalt Innsbruck eingeliefert worden. Er sei im Bundesgebiet dementsprechend gering integriert, wobei die soziale Komponente seiner Integration durch die schweren Suchtgift-Straftaten erheblich beeinträchtigt werde.

Dem stehe das große öffentliche Interesse am Schutz der Rechte anderer (an der Verhinderung der Suchtgift-Schwerkriminalität, in concreto am Schutz der Gesundheit anderer) gegenüber.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass keine, nicht bereits im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigten Umstände vorlägen, könne von der Erlassung eines Rückkehrverbotes auch nicht im Rahmen des von der Behörde gemäß § 62 Abs. 1 FPG zu übenden Ermessens Abstand genommen werden.

Das Rückkehrverbot sei unbefristet erlassen worden, weil auf Grund des schweren Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers auf dem Suchtgiftsektor nicht vorhergesehen werden könne, wann der Grund für die Erlassung dieser Maßnahme, nämlich seine Gefährlichkeit für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, weggefallen sein würde. Das unbefristete Rückkehrverbot entspreche durchaus den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen (dem Fehlverhalten des Beschwerdeführers und der daraus eindrucksvoll hervorleuchtenden Gefährlichkeit seiner Person für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie seinen privaten und familiären Verhältnissen).

              2.              Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Entgegen der Beschwerdeansicht begründet es keine (inhaltliche) Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, dass in dessen Begründung (auch) § 60 Abs. 2 Z. 2 bis 5, 8 bis 10 und 12 bis 14 FPG als Inhalt des § 62 Abs. 2 leg. cit. sowie (auch) § 60 Abs. 3 bis 5 leg. cit. als Inhalt des § 62 Abs. 3 leg. cit. zitiert worden sind.

Die - im Übrigen nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass auf Grund der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren der Tatbestand des § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, begegnet keinen Bedenken.

1.2. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der Beschwerdeführer - wie oben (I.1.) wiedergegeben - im Zeitraum von etwa Frühjahr 2004 bis einschließlich 18. April 2005 Suchtgift in einer großen Menge (zumindest das 25-fache der Grenzmenge nach § 28 Abs. 6 SMG), nämlich 5 Kilogramm Marihuana und 2 kg Cannabisharz, im Verlauf von sechs Suchtgiftbeschaffungsfahrten von Wien über das "Deutsche Eck" nach Innsbruck geschmuggelt, das Suchtgift an zahlreiche Drogenkonsumenten verkauft und am 18. April 2005 zwei Kilogramm Cannabisharz an einen verdeckten Ermittler zu verkaufen versucht hat. Bei diesen Straftaten handelte er gewerbsmäßig, das heißt in der Absicht, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl. § 70 StGB). Ferner hat der Beschwerdeführer, wie oben (I.1.) dargestellt, in der zweiten Märzhälfte 2005 mehr als 1 kg Cannabisharz von zwei Personen zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufes übernommen und aufbewahrt sowie vereinzelt den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte für den Eigenbedarf erworben und besessen.

In Anbetracht dieses Fehlverhaltens und des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. November 2006, Zl. 2006/18/0340, mwN) begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde und somit die in § 62 Abs. 1 (Z. 1) FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.

Der von der Beschwerde dagegen erhobene Einwand, dass der Beschwerdeführer erstmalig in Österreich verurteilt worden sei, vermag diese Annahme in Anbetracht der überaus massiven Suchtgiftstraftaten nicht zu entkräften. Auch kann - entgegen der Beschwerdeansicht - keine Rede davon sein, dass die belangte Behörde die Bestimmung des § 62 FPG unrichtig ausgelegt habe.

2. Bei der Interessenabwägung nach § 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers (jedenfalls) seit dem Jahr 2000 und den Umstand, dass er von 2003 bis 2004 in Partnerschaft mit der Österreicherin M. gelebt hat und mit dieser die am 12. Jänner 2004 geborene Tochter hat, berücksichtigt. Weitere Verwandte des Beschwerdeführers sind im Bundesgebiet nicht aufhältig. In Anbetracht der vorgenannten Umstände hat die belangte Behörde zutreffend einen mit der Erlassung des Rückkehrverbotes relevanten Eingriff im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG angenommen.

Den genannten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht jedoch die aus seinen zum Teil massiven Suchtgiftstraftaten resultierende Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen gegenüber. Zu Recht hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass die gewerbsmäßig verübten Suchtgiftstraftaten die von ihm ausgehende erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zeigen, sodass die Erlassung des Rückkehrverbotes zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer (von deren Gesundheit) dringend geboten erscheine. In Anbetracht dieses gewichtigen öffentlichen Interesses begegnet auch die Beurteilung der belangten Behörde, dass dem öffentlichen Interesse an der Erlassung des Rückkehrverbotes kein geringeres Gewicht beizumessen sei als den gegenläufigen persönlichen Interessen und diese Maßnahme daher gemäß § 66 Abs. 2 FPG zulässig sei, keinem Einwand, und zwar auch dann, wenn man dieser Beurteilung das weitere Beschwerdevorbringen zu Grunde legte, dass der Beschwerdeführer zu M. und der gemeinsamen Tochter, auch wenn er von diesen bisher wegen der Entfernung in der Strafvollzugsanstalt Suben noch nicht habe besucht werden können, telefonischen und schriftlichen Kontakt habe. Die mit dem Rückkehrverbot verbundenen Beeinträchtigungen der familiären Beziehungen müssen im öffentlichen Interesse (zum Schutz der hier lebenden Personen) in Kauf genommen werden.

Dem weiteren Beschwerdeeinwand, dass es im Irak zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Gruppierungen komme, ist zu erwidern, dass mit der Erlassung eines Rückkehrverbotes (oder Aufenthaltsverbotes) nicht ausgesprochen wird, in welchen Staat der Fremde auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde. Im Übrigen ist das allfällige Vorliegen von Gründen im Sinn des § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 FPG nicht im Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes (oder Aufenthaltsverbotes), sondern in einem gesonderten Verfahren nach § 51 FPG bzw. in einem Verfahren über die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG oder in einem Verfahren betreffend die Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 46 Abs. 3 FPG zu prüfen (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0254, mwN).

3. Weiters kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts des vom Beschwerdeführer zu verantwortenden gewerbsmäßigen Suchtgiftschmuggels und -verkaufes einerseits und seiner persönlichen Interessen anderseits zum Ergebnis gelangt ist, dass der Zeitpunkt des Wegfalls des für die Erlassung des Rückkehrverbotes maßgeblichen Grundes nicht vorhergesehen werden könne, und das Rückkehrverbot daher gemäß § 63 FPG unbefristet erlassen hat.

4. Schließlich begegnet die Beurteilung der belangten Behörde auch unter dem Blickwinkel des ihr gemäß § 62 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens keinen Bedenken, würde doch eine Abstandnahme von der Erlassung des Rückkehrverbotes im Rahmen einer Ermessensübung im Hinblick auf die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen der Begehung von Straftaten im Sinn des § 55 Abs. 3 Z. 1 FPG offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes erfolgen (vgl. dazu nochmals das vorzitierte Erkenntnis, Zl. 2006/18/0340, mwN).

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 27. März 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007180118.X00

Im RIS seit

08.05.2007

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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