TE Vwgh Erkenntnis 2007/3/27 2007/18/0135

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Veröffentlicht am 27.03.2007
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3F E19104000;
E3L E19104000;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

32002F0946 Bekämpfung Schlepperei;
32002L0090 Schlepperei-RL;
EURallg;
FrG 1997 §104;
FrPolG 2005 §114;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der A R, (geboren 1980), vertreten durch Mag. Dr. Peter Hombauer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Weyrgasse 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien vom 27. Dezember 2006, Zl. UVS-FRG//55/5531/2006-23, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien (der belangten Behörde) vom 27. Dezember 2006 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine polnische Staatsangehörige, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, iVm § 63 Abs. 1 leg. cit. ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Die Beschwerdeführerin sei mit Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 27. Jänner 2006 wegen §§ 104 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997-FrG und 231 Abs. 1, 12 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon fünf Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt worden.

Die Beschwerdeführerin sei laut Auskunft aus dem Zentralmelderegister seit 10. November 2004 an einer Adresse in Wien 3. gemeldet. Laut Auskunft der Wiener Gebietskrankenkasse sei sie lediglich vom 8. September 2005 bis 10. November 2005 als arbeitssuchend zur Sozialversicherung angemeldet gewesen. Eine Auskunft des Arbeitsmarktservice Österreich habe ergeben, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum von 2004 bis 13. Juli 2006 nicht im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung, einer Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines gewesen sei. Eine Eheschließung der Beschwerdeführerin sei bislang nicht erfolgt. Die Beschwerdeführerin habe in Österreich auch keine Familienangehörigen.

Die Einsicht in den Strafakt des Landesgerichts Eisenstadt habe ergeben, dass die Verurteilung der Beschwerdeführerin erfolgt sei, weil diese am 16. Dezember 2004 um 6.40 Uhr als Lenkerin eines PKW mit polnischem Kennzeichen versucht hätte, nach Österreich einzureisen, wobei sich drei ukrainische Staatsangehörige im Fahrzeug befunden hätten, für welche die Beschwerdeführerin polnische Originaldokumente, die aber nicht auf diese ukrainische Staatsangehörigen ausgestellt gewesen seien, bei der Grenzkontrolle vorgewiesen habe. Die Beschwerdeführerin habe sich vor dem besagten Landesgericht für schuldig bekannt, die rechtswidrige Einreise von Fremden nach Österreich und damit in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert zu haben, dass dies gegen einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteil für sie geschehen würde, indem sie die drei angesprochenen ukrainischen Staatsangehörigen mit ihrem PKW nach Österreich transportiert und im Zug der Grenzkontrolle nicht für diese ausgestellte polnische Reisepässe vorgewiesen hätte. Weiters hätte sie dazu beigetragen, dass die drei genannten illegalen Grenzgänger im Rechtsverkehr amtliche Ausweise, die für andere ausgestellt worden seien, gebrauchen hätten können.

Nach Vollzug des unbedingt ausgesprochenen Teils der Freiheitsstrafe sei die Beschwerdeführerin am 15. Februar 2006 aus der Haft entlassen worden. Vom Magistrat der Stadt Wien sei auf Anfrage mitgeteilt worden, dass betreffend die Beschwerdeführerin zwei Verwaltungsvorstrafen wegen Übertretung der StVO 1960 (Parkdelikte) sowie 51 rechtskräftige Verwaltungsvormerkungen wegen Übertretungen des Wiener Parkometergesetzes vorliegen würden. Von der Bundespolizeidirektion sei mitgeteilt worden, dass die Beschwerdeführerin bereits einmal wegen Übertretung der StVO 1960 (Übertretung der Höchstgeschwindigkeit) bestraft worden sei.

Am 23. November 2006 sei eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt worden, zu der die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Rechtsvertreter erschienen sei.

Die Beschwerdeführerin sei polnische Staatsangehörige. Als solche sei sie Bürgerin der Europäischen Union und daher auch zum Aufenthalt in Österreich berechtigt (Art. 18 Abs. 1 und Art. 43 erster Satz EGV). Nach § 9 Abs. 1 Z. 1 FPG sei die belangte Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständig.

Im vorliegenden Fall lägen die Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 FPG zur Erlassung des Aufenthaltsverbots vor. Es bestehe ein großes öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Bereich des Fremdenwesens, der durch Schleppungen von Fremden in gravierendem Ausmaß gestört werde und einem geordneten Fremdenwesen zuwiderlaufe. Das besagte von der Beschwerdeführerin gesetzte Fehlverhalten stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, zumal die Schleppung von nicht aufenthaltsberechtigten Fremden (einerseits) immer wieder mit Beeinträchtigungen der Gesundheit oder sogar des Lebens der geschleppten Personen einhergehen könne, und (andererseits) diese Fremden regelmäßig in ein vom Staat nicht zu tolerierendes Abhängigkeitsverhältnis zum Schlepper geraten würden. Zur Verhinderung allfälliger weiterer strafbarer Handlungen in Form von Schleppungen durch die Beschwerdeführerin sei es erforderlich, ihr den Aufenthalt im Bundesgebiet zu verwehren. Gründe, wonach die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen die Beschwerdeführerin absolut unzulässig gewesen wären, seien nicht ersichtlich gewesen und seien von der Beschwerdeführerin auch nicht vorgebracht worden.

Auch bezüglich der gegen sie verhängten rechtskräftigen Verwaltungsstrafen (insgesamt 54) habe die Beschwerdeführerin lediglich ausgeführt, dass die Übertretungen von ihrem damaligen Lebensgefährten begangen worden wären, sie aber jetzt die Strafen zahlen würde. Dieser Behauptung habe kein großes Gewicht beigemessen werden können, weil die genannten Strafen sämtliche in Rechtskraft erwachsen seien und daher davon auszugehen sei, dass die zugrunde liegenden Übertretungen von der Beschwerdeführerin begangen worden seien.

Soweit die Beschwerdeführerin einwende, dass die Verhängung des Aufenthaltsverbots aus den Gründen des § 66 Abs. 2 FPG nicht zulässig wäre, müsse dem Folgendes entgegen gehalten werden: Die Beschwerdeführerin sei laut eigenen Angaben (erst) seit 10. November 2004 in Österreich aufhältig. Seither sei sie bis zumindest 23. November 2006 keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sodass von einer beruflichen Integration der Beschwerdeführerin nicht die Rede sein könne. Ferner habe sie in dieser Zeit laut eigenen Angaben mit unterschiedlichen Männern in Lebensgemeinschaft gelebt. Von Anfang September bis zumindest 23. November 2006 habe sie in Lebensgemeinschaft (aber nicht in einer gemeinsamen Wohnung) mit einem näher genannten polnischen Staatsangehörigen (der sich derzeit in Österreich aufhalte und hier einen Gewerbeschein für "Spachtelarbeiten" besitze) gelebt. Ihre Familienangehörigen (Eltern, Brüder und Großmutter) lebten in Polen, die Beschwerdeführerin stehe offenbar in regem Kontakt mit diesen. Weiters weise die Beschwerdeführerin auch regen Kontakt zu einem österreichischen Freundeskreis auf. Das gegenständliche Aufenthaltsverbot stelle unter Berücksichtigung dieser gesamten Umstände einen relevanten Eingriff in die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin iSd § 66 Abs. 1 FPG dar. Doch sei im Hinblick auf das von der Beschwerdeführerin gesetzte Fehlverhalten die Erlassung der Maßnahme in Ansehung des in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interesses - hier: an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Bereich des Fremdenwesens - dringend geboten. Unter Zugrundelegung dieses großen öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts der Beschwerdeführerin habe auch die gemäß § 66 Abs. 2 FPG gebotene Interessenabwägung nicht zugunsten der Beschwerdeführerin ausfallen können, weil der durch ihr Fehlverhalten bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots kein geringeres Gewicht beizumessen sei als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin.

Bei diesem Ergebnis habe eine Abstandnahme von der Verhängung des Aufenthaltsverbots auch bei Ausübung des der belangten Behörde zustehenden Ermessens nicht in Betracht kommen können.

Nach Auffassung der belangten Behörde sei auch die von der Erstbehörde festgelegte Dauer des Aufenthaltsverbots nicht zu beanstanden. Das von der Beschwerdeführerin gesetzte Fehlverhalten beeinträchtige in gravierendem Ausmaß die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens sowie an der Verhinderung strafbarer Handlungen. Der von der Erstinstanz festgesetzte Zeitraum von fünf Jahren sei auch unter Berücksichtigung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin rechtlich korrekt bemessen. Vor Ablauf dieses Zeitraums sei nicht vorhersehbar, dass der Grund für die Verhängung des Aufenthaltsverbots weggefallen sein würde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1.  Für die Beantwortung, ob die in § 86 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, ist zu prüfen, ob sich aus dem Gesamtfehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass ein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, ist § 60 Abs. 2 FPG insofern von Bedeutung, als auf den Katalog dieser Bestimmung als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden darf (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. September 2006, Zl. 2006/18/0111).

1.2. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, wegen Schlepperei gemäß § 104 Abs. 1 FrG rechtskräftig verurteilt worden zu sein. Danach steht fest, dass sie mit dem Vorsatz, dass dies gegen einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteil für sie oder einen anderen geschehe, am 16. Dezember 2005 die rechtswidrige Einreise der drei besagten Fremden in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union dadurch gefördert hat, dass sie unter Verwendung von echten polnischen Reisepässen, die für andere Personen ausgestellt worden waren, versucht hat, diese Personen durch die Grenzkontrolle nach Österreich zu bringen. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 20. April 2006, Zl. 2006/18/0071) und damit an der Bekämpfung der Schlepperei kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Dass dieser hohe Stellenwert auch aus dem Blickwinkel der Europäischen Union besteht, zeigen die Richtlinie 2002/90/EG des Rates vom 28. November 2002, zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt, ABl. Nr. L 328 vom 5. Dezember 2002, S. 17, und der Rahmenbeschluss 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt, ABl. Nr. L 328 vom 5. Dezember 2002,

S. 1 (vgl. dazu die Erläuterungen zu der der Regelung des § 104 FrG nachfolgenden Bestimmung des § 114 FPG, RV 952 Blg NR 22. GP,

S. 111). Gegen dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat die Beschwerdeführerin durch ihr Fehlverhalten gravierend verstoßen. Weiters hat die Beschwerdeführerin durch den beschriebenen Missbrauch fremder Ausweise auch dem öffentlichen Interesse an der Zuverlässigkeit von Urkunden und Beweismitteln maßgeblich zuwidergehandelt. Angesichts dieses Fehlverhaltens bedeutet ein weiterer inländischer Aufenthalt der Beschwerdeführerin iSd § 86 Abs. 1 FPG eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die das Grundinteresse der Gesellschaft an der Verhinderung der genannten strafbaren Handlung betrifft. Dies auch (worauf die belangte Behörde zutreffend hinweist) vor dem Hintergrund, dass die Schleppung von nicht aufenthaltsberechtigten Fremden immer wieder mit Beeinträchtigungen der Gesundheit (oder sogar des Lebens) einer geschleppten Person einhergehen kann und solche Fremde idR auch in ein Abhängigkeitsverhältnis zur schleppenden Person geraten. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides war ferner der seit dem von der Beschwerdeführerin gesetzten Fehlverhalten verstrichene Zeitraum viel zu kurz, um einen Wegfall oder eine wesentliche Minderung der von ihr ausgehenden Gefahr annehmen zu können. Von daher erweist sich ihr Vorbringen, dass sie sich seit diesem Fehlverhalten wohlverhalten habe, und ein neuerliches gesetzwidriges Verhalten nicht zu erwarten sei, weil sie im Zug des Strafverfahrens das Haftübel verspürt hätte und dieses nachhaltig wirke, als nicht zielführend.

2. Gegen das (nicht konkret bekämpfte) Ergebnis der behördlichen Beurteilung, dass die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG), und dass die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.), bestehen auf dem Boden des diesbezüglich festgestellten unstrittigen Sachverhalts keine Bedenken.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der vorliegenden Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 27. März 2007

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007180135.X00

Im RIS seit

14.05.2007

Zuletzt aktualisiert am

19.03.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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